Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Föst, Katja Suding, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15594 – Familienpolitischer Handlungsbedarf aufgrund der Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht“ des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 29. Oktober 2019 hat die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im April 2018 eingesetzte Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ ihre Ergebnisse in Form von Thesen veröffentlicht. Ziel der Arbeitsgruppe war es, den Reformbedarf im Sorge- und Umgangsrecht, auch im Hinblick auf Fälle des Wechselmodells, umfassend zu erörtern. Des Weiteren gibt das Bundesministerium an: „Ziel ist eine Reform, die auch moderne Betreuungsmodelle besser als bisher abbildet, einvernehmliche Lösungen erleichtert sowie die elterliche Verantwortung unter Berücksichtigung von Kindeswohl und Kindeswillen stärkt (www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2019 /102919_AG_SorgeUndUmgangsrecht.html). 1. Nach welchen Kriterien wurden die Sachverständigen für die Expertenarbeitsgruppe des BMJV ausgewählt? Die Auswahl der Sachverständigen für die Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht , insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ erfolgte aufgrund der juristischen Fachkompetenz der Sachverständigen . Bei der Besetzung wurde zudem auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geachtet. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16000 19. Wahlperiode 16.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher schutz vom 13. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2. Warum wurden bei der Besetzung der Expertengruppe ausschließlich Juristen ausgewählt (www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2019/102919_A G_SorgeUndUmgangsrecht.html)? Aufgrund ihres Arbeitsauftrages sollte sich die Arbeitsgruppe damit beschäftigen , ob und ggf. inwieweit eine Reform des Kindschaftsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des zugehörigen Familienverfahrensrechts erforderlich ist. Für die Beantwortung dieser rein rechtlichen Fragestellungen wurden acht Sachverständige aus Rechtswissenschaft und Praxis berufen. 3. Wäre es nach Ansicht der Fragesteller vor dem Hintergrund einer ganzheitlichen Betrachtung des Themas nicht nötig und sinnvoll gewesen, beispielsweise auch Experten aus der Familienpolitik, dem Gutachterwesen und der Psychologie hinzuzuziehen? a) Falls ja, warum wurde dies nicht umgesetzt (bitte begründen)? b) Falls nein, warum hält die Bundesregierung dies nicht für sinnvoll (bitte begründen)? Aufgrund des Arbeitsauftrages lag der Schwerpunkt der Arbeitsgruppe auf juristischen Fragestellungen. Deshalb wurden die Sachverständigen aus Rechtswissenschaft und Praxis ausgewählt. Im weiteren Verfahren werden Verbände und Vertretungen von Berufsgruppen, Gutachter und Psychologen die Gelegenheit erhalten, eigene fachliche Einschätzungen abzugeben und Alternativen vorzuschlagen. 4. Waren Vertreter aus Bundesministerien ebenfalls an der Arbeit dieser Expertengruppe beteiligt? a) Falls ja, aus welchen Bundesministerien, und welchen Abteilungen (um Namensnennung wird gebeten)? b) Falls nein, warum nicht? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nahm an den Sitzungen der Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Abteilungen R und I teil. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nahm an den Sitzungen der Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Abteilungen 2 und 5 teil. Soweit nach den Namen gefragt ist, berührt diese Frage grundrechtlich geschützte Informationen Dritter. Im Rahmen der infolge anzustellenden Abwägung überwiegt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das den Regelungen des Personaldatenschutzes zugrunde liegt, den parlamentarischen Informationsanspruch. Zudem sind einzelne Beschäftigte des Bundes grundsätzlich nicht Gegenstand parlamentarischer Kontrolle und öffentlicher Auseinandersetzung; der Informationsanspruch ist insoweit bereits von vornherein beschränkt. Dem parlamentarischen Informationsinteresse wird daher durch Nennung der entsprechenden Abteilungen der teilnehmenden Ministerien hinreichend Rechnung getragen. Drucksache 19/16000 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Waren Vertreter der Bundesregierung (ehemalige und derzeitige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz sowie Staatsekretäre) bei den Sitzungen anwesend? Nein. 6. Wie beurteilt die Bundesregierung in Zusammenhang mit dem Ziel der Arbeitsgruppe, eine Reform zu initiieren, die moderne Betreuungsmodelle besser abbildet, die Resolution 2079 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Parlamentarische Versammlung des Europarats , deutsche Übersetzung der Resolution 2079 (2015), abrufbar unter: https://internationalervatertag.de/images/gutachten/Europarat_Regelfall_D oppelresidenz_50_50_Doppelresidenz_EU_10_2015.pdf)? Eine Meinungsbildung in der Bundesregierung zur Beurteilung der Resolution 2079 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats im Zusammenhang mit dem Ziel der Arbeitsgruppe ist noch nicht erfolgt. Im Zuge der Auswertung der Thesen der Arbeitsgruppe und der Prüfung etwa daraus zu ziehender Schlüsse wird aber auch die genannte Resolution noch Gegenstand der Erörterung in der Bundesregierung sein. 7. Fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet, die Resolution 2079 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates umzusetzen? a) Wenn ja, warum arbeitet die Bundesregierung nicht darauf hin? b) Wenn nein, warum nicht? Das Anliegen der Resolution, beide Eltern an der Erziehung des Kindes zu beteiligen und die gemeinsame Elternverantwortung und die Kinderrechte zu stärken, hält die Bundesregierung im Rahmen einer Reform des Sorge- und Umgangsrechts für wichtig. Eine rechtliche Verpflichtung zur Umsetzung der Resolution selbst besteht nicht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. Stimmt die Bundesregierung den Fragestellern zu, dass eine Reform des Sorge- und Umgangsrechtes zeitgleich mit der Reform des Unterhaltsrechts erfolgen sollte, um kindeswohlfremde Fehlanreize zu vermeiden? a) Wenn ja, wird es einen gemeinsamen Gesetzentwurf geben? b) Wenn nein, weshalb nicht? 9. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik an den Vorschlägen der Expertengruppe , die bereits kurz nach deren Erscheinen von Interessenverbänden geäußert wurde? Wie bewertet die Bundesregierung konkret die Kritik, dass die Vorschläge kaum Verbesserungen, insbesondere für hochstrittige Fälle und die betroffenen Kinder, bringen würde? Plant die Bundesregierung Beteiligungsformen, welche über die Einbeziehung der bisher ausschließlich juristischen Experten hinausgehen und auch Verbände und weitere Professionen berücksichtigt? a) Wenn ja, welche? b) Wenn nein, weshalb möchte man davon absehen? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16000 10. Plant die Bundesregierung zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts? Falls ja, wie sieht der Zeitplan aus? 11. Plant die Bundesregierung in einem entsprechenden Gesetz eine Umsetzung der Empfehlungen der Expertengruppe wie sie zum derzeitigen Zeitpunkt vorliegen? a) Falls ja, wann wird ein Referentenentwurf vorliegen? b) Falls nein, in welchen Punkten plant die Bundesregierung, von den vorliegenden Thesen abzuweichen? Wann wird in diesem Fall ein Referentenentwurf vorliegen? 12. Sind die unter Punkt A „Reformbedarf“ im Thesenpapier festgehaltenen Punkte nach Ansicht der Bundesregierung weitgehend genug, oder bleiben die Vorschläge hinter den sich in der Praxis manifestierenden Bedarfen zurück? a) Falls ja, warum bedarf es keiner weitergehenden Reform (bitte begründen )? b) Falls nein, wo genau sieht die Bundesregierung in Abgrenzung zu der Expertenarbeitsgruppe weitergehenden Handlungsbedarf? 13. Wie bewertet die Bundesregierung, die Feststellung der Expertenarbeitsgruppe unter Punkt A 5a, dass ein gesetzliches Leitbild eines bestimmten Betreuungsmodells nicht einzuführen sei? Stimmt die Bundesregierung den Fragestellern zu, dass durch die gelebte Rechtsprechung sowie zahlreiche Regelungen im BGB das Residenzmodell heute implizit als Leitbild gelten kann? Falls ja, welche Bemühungen wird die Bundesregierung unternehmen dem entgegen zu wirken, um Kindern, deren Eltern ihre Paarbeziehung beenden, ein ihrem Wohl und ihren Interessen am besten entsprechende Betreuungsmodell zu ermöglichen? Falls nein, wie begründet sie dies? 14. Wie sollte vor allem das Unterhaltsrecht nach Ansicht der Bundesregierung angepasst werden, um der unter Punkt 5b) empfohlenen Anpassung der geltenden Regelungen für eine passende geteilte Betreuung des Kindes bis hin zu einer hälftigen Betreuung durch beide Elternteile, gerecht zu werden? a) Welche konkreten Anpassungen plant die Bundesregierung? b) Wann plant die Bundesregierung, einen entsprechenden Entwurf mit diesen Anpassungen vorzulegen? 15. Sind die unter Punkt B „Leitsätze einer Reform – Elternverantwortung“ aufgestellten Thesen nach Ansicht der Bundesregierung eine Wiedergabe von bereits im BGB verankerten Grundsätzen und eher redaktioneller Natur oder handelt es sich um eine substantielle Veränderungen (bitte erläutern )? 16. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Expertenarbeitsgruppe, dass es nicht sinnvoll sei, Eltern zu verpflichten, an einer Beratung oder Mediation (vor einer Antragstellung beim Familiengericht) teilzunehmen? a) Falls ja, warum (bitte begründen)? b) Falls nein, welche Maßnahmen zur Einführung einer Verpflichtung zu Beratung oder Mediation plant die Bundesregierung in welchem Zeithorizont? Drucksache 19/16000 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 17. Wie beurteilt die Bundesregierung positive Erfahrungen im Ausland mit obligatorischen Sorgerechts- und Umgangsrechtsmediationen, wie sie beispielsweise bereits seit den 1980er Jahren in einzelnen US-Bundesstaaten oder auch Australien zu verzeichnen sind (bitte ausführen)? 18. Hält die Bundesregierung grundsätzlich am Prinzip der Freiwilligkeit einer Mediation fest? a) Wenn ja, warum? b) Wenn nein, wie wird sich ein Referentenentwurf von These 29 und 50 unterscheiden? 19. Was genau versteht die Bundesregierung unter Punkt F 30 „Die Regelung der Elternvereinbarung soll ausschließlich im Verfahrensrecht erfolgen “? Welche Regelungen sind hiervon genau betroffen? 20. Was genau versteht die Bundesregierung unter den in Punkt F 35 genannten Begriffen „bei entsprechender Reife“ sowie „andere triftige Gründe“ (bitte erläutern und ausführen)? 21. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass insbesondere in hoch strittigen Fällen der geäußerte Wille des Kindes weniger zur Entscheidungsfindung beitragen könnte, um das. Kind vor Instrumentalisierungen und Loyalitätskonflikten, zu schützen? a) Falls ja, welche Maßnahmen und Regelungen könnten hier das Kind schützen? b) Falls nein, bitte begründen? Die Fragen 8 bis 21b werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet : Die Arbeitsgruppe hat sich mehrheitlich auf Thesen verständigt. Diese Thesen werden derzeit von der zuständigen Fachabteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz geprüft und bewertet. Die Auswertung der Thesen sowie die Prüfung ihrer Umsetzung beinhaltet auch die Auseinandersetzung mit an den Thesen geäußerter Kritik sowie mit Erfahrungen aus dem Ausland . Weiter wird eine Abstimmung mit den Planungen für eine Reform des Kindesunterhaltsrechts erfolgen. Es ist geplant, einen Reformvorschlag zu erarbeiten , der Regelungen sowohl zum Sorge- und Umgangsrecht als auch zum Kindesunterhaltsrecht beinhaltet. Der Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Genaue zeitliche und inhaltliche Planungen bezüglich eines Referentenentwurfs stehen daher noch nicht fest. 22. Wie stellt sich die Bundesregierung die Umsetzung der in These 46 aufgestellten Forderung nach Anlaufstellen für Kinder (im Sinne der UN- Kinderrechtskonvention) in der Praxis vor? Auch hinsichtlich dieser These, für die es im Übrigen in der Arbeitsgruppe keine Mehrheit gab, wird auf die Antwort zu den Fragen 8 bis 21b verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16000 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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