Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15639 – Non-Paper des Bundesministeriums der Finanzen zur Bankenunion V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Den Fragenstellern liegt ein dem Vernehmen nach vom Bundesministerium der Finanzen erstelltes Non-Paper „zum Zielbild der Bankenunion“ vor. „SPIEGEL ONLINE“ meldete am 6. November 2019 (www.spiegel.de/wirt schaft/bankenunion-olaf-scholz-gibt-blockade-der-eu-einlagensicherung-auf-a -1295057.html), dass der Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz, seine Blockade bei der europäischen Einlagensicherung aufgebe. Zusätzlich zu den nationalen Einlagesicherungssystemen, die jedes Mitgliedsland einrichten muss, soll nun ein europaweit tätiger Einlagensicherungsfonds gegründet werden. In diesen Fonds sollen die Banken jedes Mitgliedslandes einzahlen. Diese Beiträge sollen nicht in einem Gemeinschaftstopf untergehen . Stattdessen werde das Geld auf nationalen Konten angesammelt, von denen im Bedarfsfall den nationalen Einlagesicherungssystemen Liquidität über rückzahlbare Darlehen zur Verfügung gestellt würde. Für Länder mit kleinem Bankensektor könne der Fonds sogar einen Teil der Verluste übernehmen, weil die Kreditinstitute dort wohl nicht in der Lage sein würden, den Kapitalpuffer wieder aufzufüllen.  1. Kann das Bundesministerium der Finanzen bestätigen, dass es ein Non- Paper bzw. Positionspapier zum Zielbild der Bankenunion erarbeitet hat?  2. Zu welchem Datum wurde dieses Non-Paper erstellt?  3. Ist geplant, im Angesicht des öffentlichen Interesses an einer stabilen Finanzpolitik das Non-Paper der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen? Wenn ja, wann? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. In Begleitung des Namensartikels von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, erschienen am 6. November 2019 in der „Financial Times“, wurde auf der Internetseite der „Financial Times“ ein vom Bundesministerium der Finanzen er- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16008 19. Wahlperiode 17.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stelltes Papier zur Einsicht bereitgestellt. Dieses war zuvor über einen längeren Zeitraum erstellt worden. Das Papier ist als Link weiterhin presseöffentlich.  4. Ist für die Erstellung dieses Non-Paper eine Beteiligung der Fachebene (Referate) erfolgt? Wenn ja, wann wurden diese durch welche Einheit der Leitungsebene mit dieser Aufgabe betraut?  5. Oder wurde dieses Non-Paper ausschließlich durch Einheiten der Leitungsebene erstellt? Wenn ja, welche Einheiten der Leitungsebene waren hiermit befasst? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Arbeitsebene des Bundesministeriums der Finanzen hat das Papier erarbeitet . Die Fachabteilung erhält Arbeitsaufträge grundsätzlich vom zuständigen Staatssekretär.  6. Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung der Satz in dem Non-Paper des Bundesministeriums der Finanzen zu verstehen, wonach „(zur) abschließenden Gesamtarchitektur der Bankenunion auch eine europäische Einlagensicherung (gehöre)“? Ist diese Aussage des Non-Papers eine ressortabgestimmte Ansicht der gesamten Bundesregierung?  7. Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung der Satz im Non-Paper des Bundesministeriums der Finanzen zu verstehen: „(i)m Rahmen einer gestärkten Gesamtarchitektur der Bankenunion wird schließlich auch eine europäische Einlagensicherung realistisch“? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. In dem Papier des Bundesministeriums der Finanzen wird ein Zielbild der Bankenunion entworfen. Die zitierten Sätze beleuchten die Rolle der europäischen Einlagensicherung aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen in der abschließenden Gesamtarchitektur der Bankenunion. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zum Papier dauert an.  8. Trifft die Auffassung von „SPIEGEL ONLINE“ (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) zu, dass der Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz, seine Blockadehaltung gegenüber einer europäischen Einlagensicherung aufgegeben habe? Wenn nein, aus welchen Gründen teilt das Bundesministerium der Finanzen die Auffassung von „SPIEGEL ONLINE“ nicht? Die Bundesregierung hat sich stets konstruktiv auf Basis des von allen Mitgliedstaaten beschlossenen Fahrplans des Rates zur Vollendung der Bankenunion von Juni 2016 (ECOFIN-Roadmap) in die europäische Diskussion über die Bankenunion eingebracht. Die Aussagen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz sind als Beitrag zu verstehen. Drucksache 19/16008 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  9. Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung die Feststellung in dem Non- Paper des Bundesministeriums der Finanzen zu verstehen, dass etwa die unterschiedliche Behandlung der Abzugsfähigkeit der Beiträge zum Abwicklungsfonds („Bankenabgabe“) Arbitragemöglichkeiten Vorschub leiste? Deutet die Bundesregierung bzw. das Bundesministerium der Finanzen damit an, die Einführung einer steuerlichen Absetzbarkeit der Bankenabgabe zu erwägen? Wenn ja, zu wann plant sie mit einem entsprechendem Gesetzgebungsvorhaben ? Die Position der Bundesregierung ist unverändert. Die Steuerzahler sollen nicht – auch nicht mittelbar – die Lasten einer Bankenabwicklung tragen. Eine Abzugsfähigkeit stünde im Widerspruch zu der mit der Bankenabgabe beabsichtigten Lenkungswirkung. Auf der anderen Seite ist es weiterhin Ziel der Bundesregierung, eine EU-einheitliche steuerliche Behandlung der Bankenabgabe und damit einheitliche Wettbewerbsbedingungen für die europäischen Banken zu erreichen. 10. Inwiefern kann dem Bundesministerium der Finanzen die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) als Vorbild für eine effizienteres Aufsichtsregime und Krisenmanagement durch das Single Resolution Board (SRB) dienen? In den USA haben die Angleichung der Gesetze und Verfahren und die Konzentration von Zuständigkeiten einen großen und einheitlichen Bankenmarkt geschaffen und Wettbewerbsvorteile für amerikanische Banken. Bei aller Unterschiedlichkeit der Regime können die Rahmenbedingungen, unter denen die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) agiert in einzelnen Bereichen Anstöße für potentielle europäische Reformen geben. Dies gilt insbesondere hinsichtlich zweier Aspekte: der Verfügbarkeit bestimmter Abwicklungsinstrumente auch für kleinere Banken und der Vermeidung von Friktionen zwischen Insolvenz- und Abwicklungsrecht. 11. Inwiefern ist durch das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bzw. das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat geprüft worden, ob das favorisierte „präventiv wirksame Selbsteintrittsrecht“ des SRB mit den jüngsten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich vereinbar ist? 12. Welche Referate der genannten Ressorts haben diese Forderung zum „präventiv wirksamen Selbsteintrittsrecht“ des SRB geprüft? 13. Wann haben die Referate der verschiedenen Ressorts den Auftrag zur verfassungsrechtlichen Prüfung erhalten (bitte jeweils gesondert unter Nennung des Datums der jeweiligen Aufforderung aufführen)? 14. Wann haben die jeweiligen Ressorts ihre etwaige Prüfung zur Verfassungsmäßigkeit dieses Non-Paper abgeschlossen? Die Fragen 11 bis 14 werden gemeinsam beantwortet. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bankenunion vom 30. Juli 2019 (BVerfG – 2 BvR 1685/14) ist unter anderem im Bundesministerium der Finanzen unter Einbindung der Verfassungs-, Europa- und Finanzmarktpolitikabteilung intensiv ausgewertet worden. In seinem Urteil hat sich das Bundesverfassungsgericht mit den Anforderungen an die Errichtung und Kompetenzausstat- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16008 tung europäischer Agenturen im Finanzmarktbereich beschäftigt. Ein relevanter Aspekt ist nach dem Urteil die Erforderlichkeit des bei einer Agentur konzentrierten Verwaltungsvollzugs für das Funktionieren des Binnenmarkts (Verhinderung von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und Wettbewerbsverzerrungen ). Vor diesem Hintergrund führt das Papier aus, dass, soweit es mit Blick auf den Binnenmarkt zur Vermeidung der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen erforderlich ist, eine institutionelle Einbindung des SRB erfolgen sollte. Auf die Anforderungen im Rahmen der jüngsten Urteile des Bundesverfassungsgerichtes wird im Papier Bezug genommen. Konkrete Vorschläge zum „Ob“ und „Wie“ einer Einbindung des SRB wären jeweils im Einzelnen am Maßstab der rechtlichen Anforderungen zu prüfen. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zum Papier des Bundesministeriums der Finanzen dauert an (siehe Antwort zu den Fragen 6 und 7). 15. Welchen Vorteil sieht das Bundesministerium der Finanzen, wenn die Entscheidung über den Einsatz alternativer Mittel zur Einlegerentschädigung auf Basis einer Wirtschaftlichkeitsprüfung dem SRB überantwortet werden würde? In der Bankenunion sollten nach Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen europäische Institutionen im Rahmen des rechtlich Möglichen eine Rolle bei der Durchsetzung europäischer Aufsichts-, Abwicklungs- und Krisenmanagement -Vorgaben spielen, wo dies zur Sicherstellung von Wettbewerbsgleichheit angezeigt ist. 16. Wie schätzt das Bundesministerium der Finanzen die Erfolgsaussichten der im Non-Paper vorgeschlagenen Schaffung eines einheitlichen europäischen Bankeninsolvenzrechts ein? Eine Vielzahl von Mitgliedstaaten hat sich im Rahmen der Ad Hoc Working Party sowie der High Level Working Group on EDIS (HLWG) unterstützend zu einer Harmonisierung zentraler Bestimmungen des Bankeninsolvenzrechts (s. u. in der Antwort zu Frage 17) geäußert. Der Vorsitzende der HLWG, Hans Vijlbrief befürwortet einen Kommissionsvorschlag in seinem Brief an die Eurogruppe . 17. Wie stellt sich die Bundesregierung die Ausgestaltung eines einheitlichen europäischen Bankeninsolvenzrechts vor? Das Bundesministerium der Finanzen stellt sich folgende Eckpunkte vor: – Bankeninsolvenzrecht mit gezielten Anpassungen der nationalen Insolvenzregime , die den „No-Creditor-Worse-off“-Test erleichtern (etwa: Vorrang für Einlagensicherungssysteme, vollständige Angleichung Gläubigerhierarchie , Harmonisierung Insolvenz-Trigger); – Regelungen zur hoheitlichen Anwendung einzelner Abwicklungsinstrumente für systemrelevante Banken auch auf kleinere Banken (Verkauf des Einlagengeschäfts und Errichtung einer Brückenbank); – Umsetzung angemessener Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Ergebnisse der KOM-Benchmark Analyse zur Effizienz von Insolvenz-/ und Vollstreckungsverfahren. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zum Papier des Bundesministeriums der Finanzen dauert an (siehe Antwort zu den Fragen 6 und 7). Drucksache 19/16008 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 18. Welche EU-Vorschriften wären nach Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen in welcher Weise konkret zu ändern, um den im Non-Paper beschriebenen kombinierten Ansatz (Wasserfall-Ansatz) umzusetzen? Der in dem Papier zur Diskussion gestellte Ansatz ist aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen ein möglicher Lösungsansatz. Denkbar wäre, dass dafür Vorschriften im Aufsichts- als auch im Abwicklungsrecht werden müssten. Welche Vorschriften dies sein könnten, ob hierzu flankierend auch Vorschriften im Gesellschaftsrecht zählen können und wie eine Änderung konkret aussehen könnte, bedarf vertiefter Prüfung und dürfte auch Gegenstand von Diskussionen und etwaiger Verhandlungen auf europäischer Ebene sein. 19. Worauf beruht das Vertrauen des Bundesministeriums der Finanzen, die im Non-Paper vorgeschlagene Einführung von zusätzlichen risikobasierten Konzentrationszuschlägen könne dieses Mal – anders als bei der Finalisierung von BASEL III bzw. der Umsetzung von BASEL IV – so umgesetzt werden, dass „es für die Banken des Euroraums keine zu großen Kapitalmehrforderungen gegenüber dem Status Quo“ geben werde? Die Wirkung auf Banken hängt von der Kalibrierung ab. Modellvarianten zu risikobasierten Konzentrationszuschlägen mit einer moderaten Kalibrierung (z. B. im Diskussionspapier des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht aus dem Jahr 2017: The regulatory treatment of sovereign exposures) führen im Durchschnitt nur zu geringen zusätzlichen Kapitalanforderungen für europäische Banken. Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Kapitalquoten der Banken hängen letztlich von deren geschäftspolitischen Entscheidungen ab. 20. Welche im Non-Paper genannten „Expertengruppen“ sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit welchen vertieften Analysen zu welchen Themen im Hinblick auf die Bankenunion betraut? Gegenwärtig ist die High-Level Working Group on EDIS (HLWG) unter dem Vorsitz von Hans Vijlbrief mit der technischen Analyse der Bankenunion betraut . Zudem hatte die HLWG zwischen September und November 2019 drei Unterarbeitsgruppen zur Behandlung von Forderungen gegenüber Staaten, dem Krisenmanagement, sowie Optionen, Schrittfolgen und Voraussetzungen einer europäischen Einlagenversicherung eingesetzt. Entsprechend der Ankündigung des Präsidenten der Eurogruppe Mario Centeno vom 5. Dezember 2019 werden die Arbeiten in der HLWG, von den europäischen Institutionen und zu gegebener Zeit auch in Ratsarbeitsgruppen fortgesetzt. Darüber hinaus wurde im Januar 2016 vom Europäischen Rat die Ad Hoc Working Party on Banking Union (AHWP) eingesetzt. 21. Wie soll das im Non-Paper des Bundesministeriums der Finanzen benannte „Kalibrierungsmodell für eine angemessene Staatsanleihenregulierung “ konkret aussehen? Die konkrete Kalibrierung muss in europäischen Verhandlungen festgelegt werden . Das Bundesministerium der Finanzen hat ein mögliches Modell vorgeschlagen . In das Risikogewicht sollten sowohl Kredit- als auch Konzentrationsrisiken einfließen. Die beispielhaft genannte Freigrenze von 33 Prozent würde die besondere Bedeutung von Forderungen gegenüber Staaten für Banken berücksichtigen . Banken nutzen Staatsanleihen u. a. dafür, regulatorische Vorgaben (z. B. Liquidity Coverage Ratio) zu erfüllen oder sich auf den besicherten Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16008 Geldmärkten zu finanzieren. Zudem spielen Staatsanleihen eine wesentliche Rolle für die Refinanzierung bei der Zentralbank. 22. Wann rechnet die Bundesregierung mit einem „Regulierungsvorschlag“ zum Bankeninsolvenzrecht? Da das alleinige Initiativrecht beim Erlass von Rechtsvorschriften der EU bei der Europäischen Kommission liegt, kann die Bundesregierung keine belastbare Auskunft darüber geben, wann ein Vorschlag zur Harmonisierung zum Bankeninsolvenzrecht zu erwarten ist. Drucksache 19/16008 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333