Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15597 – Maßnahmen gegen Fake-Bewertungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bewertungen auf Online-Plattformen sind nicht nur für Unternehmen von immer größerer Relevanz, sie sind auch für Verbraucher eine wichtige Entscheidungshilfe . Insbesondere für Touristen sind Kundenbewertungen oft die einzige Möglichkeit, Kriterien wie Sauberkeit, Freundlichkeit und Service in Unterkünften und Restaurants an ihnen fremden Orten vorab beurteilen zu können. Verbraucherinnen und Verbraucher sind dabei auf die Verlässlichkeit und die Aussagekraft der Bewertungen angewiesen, können diese jedoch im Vorfeld selbst kaum überprüfen. Hier besteht jedoch aktuell ein Problem, welches die gesamte Tourismusbranche trifft. So können einerseits negative Falschbehauptungen Unternehmen zu Unrecht Schaden zufügen, andererseits können positive Falschbehauptungen für Verbraucher nachteilig sein, da sie Entscheidungen fördern, die der Verbraucher in Kenntnis der Tatsachen nicht getroffen hätte. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Fall, in dem die unwahre Bewertung bezahlt wird. Fraglich ist nach Ansicht der Fragesteller, inwiefern die Bundesregierung gegen gekaufte Falschbehauptungen auf touristischen Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen (Fake-Bewertungen) vorgehen möchte, inwiefern der aktuelle Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften („New Deal for Consumers“) das Problem gekaufter Fake-Bewertungen wirksam adressiert und inwiefern der aktuelle Richtlinienvorschlag Auswirkungen auf die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung haben wird. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16011 19. Wahlperiode 17.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 13. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Sieht die Bundesregierung in Fake-Bewertungen auf touristischen Online- Buchungs- und Bewertungsplattformen ein Problem für Unternehmen und Verbraucher, und wenn ja, inwiefern? Kundenbewertungen im Internet, die von Unternehmen beauftragt wurden und die damit gar nicht von Kunden abgegeben wurden oder für die Unternehmen ihrer Kundschaft Vorteile angeboten haben („Fake-Bewertungen“), stellen nach Ansicht der Bundesregierung eine Irreführung von Verbraucherinnen und Verbrauchern dar und beeinträchtigen den fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen . Das betrifft nicht nur touristische Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen , sondern den gesamten Online-Handel. Kundenbewertungen sind eine wichtige Informationsquelle für die Kaufentscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Diese erwarten zu Recht, dass die bewertenden Personen die jeweiligen Produkte oder Dienstleistungen tatsächlich erworben haben und dass sie für ihre Bewertung keine Gegenleistung von Dritten erhalten haben. Fake-Bewertungen täuschen bewusst Verbraucherinnen und Verbraucher und ermöglichen dem Anbieter der entsprechenden Produkte oder Dienstleistungen einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Daher sind Fake-Bewertungen bereits Gegenstand verbraucherpolitischer Überlegungen und Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich einer Stärkung der Rechtsdurchsetzung und Regulierung auf europäischer Ebene. Aufgrund des begründeten Verdachts des Vorliegens erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften durch gefälschte oder manipulierte Kundenbewertungen hat zudem das Bundeskartellamt im Mai 2019 eine Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen eingeleitet. 2. Sollten nach Ansicht der Bundesregierung bezahlte Fake-Bewertungen wettbewerbsrechtlich abmahnbar sein, und wenn ja, inwiefern? Lassen werbende Unternehmen selbst oder von ihnen beauftragte Dienstleister Bewertungen veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Verfasser und Verfasserinnen der Bewertungen für diese eine Gegenleistung erhalten haben, handelt es sich um eine Irreführung durch Unterlassen nach § 5a Absatz 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) (siehe OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Februar 2019, Az. 6 W 9/19). Nach dieser Vorschrift ist der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung kenntlich zu machen . Die entsprechenden Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung können von Wettbewerbern sowie den Verbänden, Einrichtungen wie etwa Verbraucherzentralen und Kammern, die in § 8 Absatz 3 Nummern 2 bis 4 UWG genannt werden, mit Hilfe von Abmahnungen und gerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden. Die Ansprüche bestehen sowohl gegen das derart werbende Unternehmen als auch gegen den Anbieter solcher Bewertungen. Aber auch gegen den oder die das Portal Betreibenden, über welches die Fake-Bewertungen veröffentlicht worden sind, können Unterlassungsansprüche bestehen. Das kann der Fall sein, wenn ein hinreichend konkreter Hinweis auf die Veröffentlichung einer Fake- Bewertung auf der Plattform einging und die Fake-Bewertung gleichwohl nicht gelöscht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2015, Az. I ZR 94/13). Drucksache 19/16011 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung das Abgeben bezahlter Fake- Bewertungen strafbar sein, und wenn ja, inwiefern? 4. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung das Beauftragen bezahlter Fake- Bewertungen strafbar sein, und wenn ja, inwiefern? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eine Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 des Strafgesetzbuches (StGB) kann – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – in Betracht kommen, wenn durch die falsche Bewertung bewusst über wesentliche Eigenschaften getäuscht wird, der oder die Kaufende auf diesem Irrtum basierend die Kaufentscheidung trifft und dadurch einen wirtschaftlichen Schaden erleidet. Auch die versuchte Begehung eines Betrugs ist strafbar, § 263 Absatz 2 StGB. Das Beauftragen einer solchen falschen Bewertung kann über die Vorschriften zur Täterschaft und Teilnahme angemessen erfasst werden (§§ 25 ff. StGB). Für die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten in diesem Bereich sind grundsätzlich die Strafverfolgungsbehörden der Länder zuständig. Dazu gehört gerade auch die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten die Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt. Die Bundesregierung sieht keinen Bedarf nach einer weitergehenden strafrechtlichen Erfassung von Fake-Bewertungen im Strafgesetzbuch und im UWG. Vorrangig sind andere Steuerungsinstrumente wie das Zivilrecht oder das Verwaltungsrecht anzuwenden. 5. Sollten Betreiber touristischer Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen nach Ansicht der Bundesregierung zukünftig verpflichtet werden, proaktiv Fake-Bewertungen zu identifizieren, und wenn ja, inwiefern? a) Wie stellt sich die Bundesregierung die praktische Überprüfung der Authentizität und Rechtmäßigkeit von Bewertungen auf touristischen Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen vor? b) Welcher Akteur sollte dabei nach Ansicht der Bundesregierung diese Überprüfung durchführen? Die Fragen 5 bis 5b werden gemeinsam beantwortet. Mit der jüngst verabschiedeten Modernisierungs-Richtlinie im Rahmen des sog. New Deal for Consumers wurden auf EU-Ebene eine Reihe von Regelungen zum Schutz vor gefälschten Verbraucherbewertungen beschlossen. So müssen Unternehmen, die Verbraucherbewertungen zugänglich machen, künftig erläutern , ob und gegebenenfalls wie sie kontrollieren, ob diese tatsächlich von Verbraucherinnen und Verbrauchern stammen. Auch dürfen Unternehmen nicht behaupten, dass Bewertungen von Nutzenden stammen, ohne zuvor angemessene Maßnahmen ergriffen zu haben, um zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist. Außerdem wird es Unternehmen untersagt, (selbst) gefälschte Verbraucherbewertungen abzugeben, bzw. andere hiermit zu beauftragen. Schließlich dürfen von Verbraucherinnen und Verbrauchern abgegebene Bewertungen oder Empfehlungen in Sozialen Medien nicht verfälscht werden, um Produkte zu bewerben . Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene sollten aus Sicht der Bundesregierung wie vom New Deal vorgesehen einheitlich gegen Fake- Bewertungen auf allen Buchungs- und Bewertungsplattformen getroffen werden und nicht lediglich in Bezug auf touristische Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen und deren Betreiber. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16011 Eine Verpflichtung von Plattformbetreibern, Maßnahmen zur Identifizierung von Fake-Bewertungen zu treffen, ginge über die oben genannten Vorgaben des New Deals hinaus. Derartige Maßnahmen könnten wegen der insoweit abschließenden Harmonisierung der Rechtsgebiete durch die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) sowie die eCommerce Richtlinie (RL 2000/31/EG) nur auf europäischer Ebene getroffen werden. Die Europäische Kommission hat für 2020 eine Evaluierung der eCommerce-Richtlinie angekündigt, die auch Gelegenheit bieten könnte, Fragen der Überwachungspflichten und der Haftung von Plattformbetreibenden differenziert zu diskutieren . Einige Plattformen gehen im Übrigen bereits jetzt, auch ohne eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung, aus eigenem Antrieb gegen Fake-Bewertungen vor (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Februar 2019, Az. 6 W 9/19; LG München I, Urteil vom 14. November 2019, Az.: 17 HK O 1734/19), da es in ihrem eigenen Interesse liegt, ihren Kundinnen und Kunden unverfälschte Kundenbewertungen als authentische Meinungsäußerungen bereitzustellen und sich damit gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern als vertrauenswürdige Informationsquelle und Plattform zu erweisen. 6. Plant die Bundesregierung, Gesetzesänderungen zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen vorzunehmen, und wenn ja, inwiefern? Die in der Antwort zu Frage 5 dargestellten Regelungen der Modernisierungs- Richtlinie sind nach den Bestimmungen dieser Richtlinie binnen 24 Monaten ab Annahme der Richtlinie in das nationale (deutsche) Recht umzusetzen und 30 Monate nach Annahme der Richtlinie anzuwenden. Die Beratungen innerhalb der Bundesregierung zu den Einzelheiten der Umsetzung werden zeitnah nach Inkrafttreten der Richtlinie beginnen. 7. Inwiefern unterscheiden sich die Regelungsvorstellungen der Bundesregierung in Bezug auf die Bekämpfung von Fake-Bewertungen auf touristischen Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen von den Regelungsvorhaben im „New Deal for Consumers“? Die Regelungsvorstellungen der Bundesregierung wurden in den verabschiedeten Regelungen zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen im „New Deal for Consumers“ berücksichtigt. Im Hinblick darauf sowie auf mögliche weitergehende europäische Regelungsinitiativen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen . 8. Wie schätzt die Bundesregierung den durch den Richtlinienvorschlag entstehenden Mehraufwand für die Betreiber touristischer Online-Buchungsund Bewertungsplattformen ein? Die Bundesregierung wird bei der Ausarbeitung des Regierungsentwurfs für eine Umsetzung der neuen europäischen Vorschriften die übliche Folgenabschätzung vornehmen. Derzeit geht die Bundesregierung davon aus, dass der Mehraufwand für die Betreiber touristischer Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen begrenzt sein dürfte, da diesen überwiegend Informationspflichten auferlegt werden. Drucksache 19/16011 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Inwiefern hält die Bundesregierung den Richtlinienvorschlag für ausreichend , um Fake-Bewertungen auf touristischen Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen zu verhindern? a) Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung neben der Umsetzung des Richtlinienvorschlags, zusätzliche Gesetzesänderungen zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen auf touristischen Online- Buchungs- und Bewertungsplattformen vorzunehmen? b) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung über die Umsetzung des Richtlinienvorschlags – sofern dieser beschlossen wird – hinaus, um Fake-Bewertungen auf touristischen Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen zu verhindern? Die Fragen 9 bis 9b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Wegen möglicher weitergehender nationaler und europäischer Regelungsinitiativen zur Bekämpfung von Fake-Bewertungen auf Online-Buchungs- und Bewertungsplattformen wird auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. Im Übrigen wird die Bundesregierung zunächst die Verpflichtungen aus dem New Deal umsetzen und die weiteren Entwicklungen sorgfältig beobachten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16011 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333