Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Anton Friesen und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15587 – Menschenrechtliche Situation von Christen in Syrien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Von den ca. 18 Millionen Menschen in Syrien sind etwa 814.000 Christen (www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/s yrien). Im Weltverfolgungsindex 2019 der Hilfsorganisation Open Doors belegt das Land den 11. Platz. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Verschlechterung von vier Plätzen (ebd.). Als Triebkräfte der Verfolgung gelten „Islamische Unterdrückung“, „Ethnisch begründete Anfeindungen“ und „Diktatorische Paranoia“ (ebd.). Insbesondere in Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert werden, stellen nach Open Doors militante Islamisten eine Bedrohung für Christen dar. Hierbei seien vor allem die „al-Nusra- Front“, jetzt „Hai'at Tahrir asch-Scham“ (HTS), und „Dschaisch al-Islam“, zu nennen, welche derzeit die stärksten Verfolger von Christen in Syrien darstellen . Open Doors kommt in im Länderprofil zu Syrien daher zu folgender Feststellung : „Im heutigen Syrien ist diese Triebkraft weniger bei der Regierung, sondern hauptsächlich bei bewaffneten Gruppierungen zu beobachten, die Teile von Syrien unter ihre Kontrolle gebracht haben und entschlossen sind, mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben“ (www.opendoors.de/christenverfol gung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/syrien). Durch den jüngsten Einmarsch der türkischen Armee und deren Verbündeten in das kurdisch geprägte Nord-Syrien befürchten die Fragesteller eine weitere Verschlechterung der menschenrechtlichen Situation von dort lebenden Christen . Bereits beim Einmarsch in Afrin 2018 kam es Berichten zufolge zu Vertreibungen von Christen und anderen Minderheiten (www.opendoors.de/chris tenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/syrien). Die Bundesregierung setzt sich nach eigenen Angaben weltweit „beharrlich“ für Menschenrechte ein und sieht jenes Engagement als Grundwert deutscher Außenpolitik (www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/menschen rechte/01-menschenrechte-fundament). Vor diesem Hintergrund sollte nach Auffassung der Fragesteller der Fokus der Bundesregierung stärker auf der menschenrechtlichen Situation von Christen in Syrien liegen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16014 19. Wahlperiode 17.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Auswärtigen Amts vom 13. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Lage der Christen in Syrien (insbesondere in dem von Kurden dominierten Nord-Syrien), und wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung deren Situation seit 2011 verändert (bitte nach Gebieten, die unter Kontrolle der Assad-Regierung und Gebieten, die unter Kontrolle von Oppositionsgruppen stehen, unterscheiden )? Der mittlerweile über acht Jahre andauernde Syrien-Konflikt hat im gesamten Land die Situation der syrischen Zivilbevölkerung einschließlich syrischer Christen massiv verschlechtert. Wegen der Kampfhandlungen und aus Sorge vor Menschenrechtsverletzungen sind zahlreiche Menschen, darunter auch Christen, ins Ausland geflohen. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung im Hinblick auf die gezielte Zerstörung von Kirchen in Syrien durch welche Akteure vor (bitte nach Gebieten, die unter Kontrolle der Assad-Regierung und Gebieten, die unter Kontrolle von Oppositionsgruppen stehen, unterscheiden)? Im Verlauf des Syrien-Konflikts wurde das kulturelle Erbe des Landes einschließlich seiner Kirchen und religiösen Stätten stark zerstört. Für die große Mehrzahl von Kirchenzerstörungen ist der Menschenrechtsorganisation „Syrian Network for Human Rights“ zufolge das syrische Regime verantwortlich. Zudem haben auch Anhänger regimefeindlicher bewaffneter Gruppierungen und des sogenannten Islamischen Staates (IS) gezielt Kirchen in Syrien zerstört. 3. Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Lage von Christen in Gebieten, die unter Kontrolle der Assad-Regierung stehen, im Hinblick auf ihre Religionsfreiheit deutlicher besser ist als in Gebieten, die unter Kontrolle von Oppositionsgruppen stehen (vgl. Ausführung in der Vorbemerkung der Fragesteller)? In Gebieten unter Regimekontrolle ist nach Ansicht der Bundesregierung die Gefahr aufgrund seiner christlichen Religionszugehörigkeit verfolgt zu werden, vergleichsweise geringer als in Gebieten unter Kontrolle der VN-gelisteten Terrororganisation Hayat Tahrir al Sham. Gleichwohl bietet das christliche Religionsbekenntnis auch in Regimegebieten keinerlei Schutz vor willkürlicher Verhaftung oder sonstigen Menschenrechtsverletzungen durch das Regime. Die in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Gruppen sind nicht Teil der Nationalen Koalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche gewaltsame Übergriffe der syrischen Armee gegenüber Christen (vgl. Ausführung in der Vorbemerkung der Fragesteller)? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche gewaltsame Übergriffe von syrischen Oppositionsgruppen gegenüber Christen (vgl. Ausführungen in der Vorbemerkung der Fragesteller)? Insbesondere der IS ist Erkenntnissen der Bundesregierung zufolge im Verlauf des Syrien-Konflikts gewaltsam und gezielt gegen Christen und andere Religionsgemeinschaften vorgegangen. Auch andere islamistische bzw. dschihadisti- Drucksache 19/16014 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sche Organisationen in Syrien sind in diesem Zeitraum gewaltsam gegen Christen und christliche Ziele vorgegangen, unter anderem die Terrororganisation Jabhat al-Nusra. Die genannten Gruppen sind nicht Teil der Nationalen Koalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte. 6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation der Christen in syrischen Flüchtlingslagern? Da im Rahmen der humanitären Hilfe keine Angaben zur Konfession erhoben werden, liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. 7. Hat die Bundesregierung Bundesmittel für die Versorgung von Christen in syrischen Flüchtlingslagern seit dem Jahr 2011 bereitgestellt? Wenn ja, in welcher Höhe (bitte nach Haushaltstitel, Förderhöhe und Projekttitel auflisten)? 8. Plant die Bundesregierung, angesichts der sich verschlechternden Situation in Syrien für Christen ihre Mittel in den nächsten Jahren zu erhöhen? a) Wenn ja, in welcher Höhe? b) Wenn nein, wieso nicht? 9. Hat die Bundesregierung Projekte gegen Christenverfolgung bzw. mit Bezug zu Christen seit dem Jahr 2011 in Syrien gefördert? Wenn ja, in welcher Höhe? Die Fragen 7 bis 9 werden zusammengefasst beantwortet. Die Bundesregierung leistet humanitäre Hilfe rein bedarfsorientiert und auf Grundlage der humanitären Prinzipien. Diese beinhalten, dass die Hilfe ohne Ansehen von ethnischer Zugehörigkeit, Religion, politischer Überzeugung oder anderen Kriterien gewährt wird, sondern allein nach dem Maß der Not. Auch die Unterstützung der Bundesregierung zur Förderung der Resilienz der Menschen in Syrien erfolgt bedarfsorientiert ohne Ansehen der Religion. 10. Hat die Bundesregierung die Situation der Christen gegenüber den syrischen Oppositionsgruppen verurteilt? Wenn ja, in welcher Form, und mit welcher Reaktion? Die Bundesregierung hat seit Beginn des Syrienkonfliktes jedwede Gewalt gegen Zivilisten verurteilt und alle Seiten zum Schutz von Zivilisten aufgefordert. 11. Zieht die Bundesregierung in Betracht, in Zukunft Angehörige der christlichen Minderheit als Flüchtlinge im Rahmen eines „Resettlement“ in Deutschland aufzunehmen, und wenn ja, wie viele? Im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme insbesondere aus der Türkei, Jordanien und Libanon hat die Bundesregierung zahlreichen, besonders schutzbedürftigen syrischen Flüchtlingen in Deutschland Schutz gewährt und wird dieses Engagement auch in Zukunft fortführen. Kriterium für die Schutzgewährung ist der individuelle Schutzbedarf der jeweiligen Person. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16014 12. Inwiefern plant die Bundesregierung, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen oder auf EU-Ebene Sanktionen vorzuschlagen, angesichts des jüngsten Einmarsches in die kurdischen Gebiete in Nord-Syrien? Angesichts der türkischen Militäroperation in Nordost-Syrien hat die Bundesregierung entschieden, keine neuen Genehmigungen für Exporte für Rüstungsgüter in die Türkei zu erteilen, die in Syrien zum Einsatz kommen könnten. Bereits seit Mitte 2016 erfolgt eine vertiefte Einzelfallprüfung im Abgleich mit der fortlaufenden Genehmigungspraxis der EU Mitgliedstaaten und unter besonderer Berücksichtigung von Risiken wie insbesondere einem möglichen Einsatz im Kontext des Kurdenkonflikts oder regionaler Konflikte. Weitergehende Sanktionen plant die Bundesregierung derzeit nicht. 13. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, welche eine Einschätzung über die Entwicklung der Lage von Christen im kurdisch geprägten Nord-Syrien im Hinblick auf den türkischen Einmarsch zulassen, und welche Erwartungen hat die Bundesregierung hierbei? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 14. Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass es im Zuge des türkische Einmarsches in Afrin 2018 zu Vertreibungen von Christen und anderen Minderheiten durch die türkische Armee oder deren Verbündeten gekommen ist (siehe Vorbemerkung der Fragesteller)? In Folge der türkischen Militärintervention in Afrin flohen zahlreiche Menschen , unter ihnen Kurden, Christen und Jesiden. Einige von ihnen sind mittlerweile nach Afrin zurückgekehrt. 15. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus dem türkischen Einmarsch ins kurdisch geprägte Nord- Syrien? Die Bundesregierung hat die türkische Militäroperation in Nordost-Syrien wiederholt verurteilt und mit Nachdruck das sofortige Ende des unilateralen türkischen Vorgehens gefordert. Die Bundesregierung stimmt sich dazu eng mit ihren internationalen Partnern ab und passt ihr Handeln der Lageentwicklung an. Drucksache 19/16014 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333