Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 9. April 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1604 19. Wahlperiode 11.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Höchst, Franziska Gminder, Jürgen Pohl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1395 – Arbeitslosengeld II und Stromübernahme in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden laut § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen – also komplett – anerkannt und übernommen, sofern diese angemessen sind. Im Gegensatz zu den Ausgaben für Miete und Heizung werden für Arbeitslosengeld-II- Empfänger (ALG-II-Empfänger) die Stromkosten nicht pauschal übernommen. Stattdessen müssen Leistungsbezieher die anfallenden Rechnungen aus dem Regelsatz bezahlen. Da dies viele Menschen nicht schaffen, wird ihnen der Strom abgeschaltet. Nach Schätzung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V. waren dies 2010 über 600 000 Haushalte (www.welt.de/wirtschaft/ energie/article13879599/Hunderttausenden-Haushalten-wird-der-Stromgesperrt .html). Seit langem üben Sozialverbände Kritik daran, dass die im Leistungssatz angesetzten Energiekosten zu niedrig angesetzt sind. Energiekostensteigerung und ALG-II Anpassung werden nicht paritätisch und zeitgleich angepasst . Die Jobcenter bieten dagegen in Härtefällen den Betroffenen Darlehen an (www.hartz4hilfthartz4.de/strom/). Dies ist nach Auffassung der Fragesteller keine nachhaltige Lösung und erhöht bei den Ärmsten der Gesellschaft den Überlebensdruck. Wer mit einem Existenzminimum zurechtkommen muss, kann sich Darlehen und Kredite nach Auffassung der Fragesteller generell nicht leisten (www.welt.de/wirtschaft/energie/ article107270617/800-000-Deutsche-koennen-Strom-nicht-bezahlen.html). 1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der von Stromsperren betroffenen Haushalte entwickelt (bitte nach Jahren seit 2010 und Dauer ohne Stromversorgung aufschlüsseln)? Bundesweite Zahlen zu Versorgungsunterbrechungen werden in dem jährlichen Monitoringbericht von der Bundesnetzagentur und dem Bundeskartellamt veröffentlicht und seit dem Jahr 2011 erhoben. Für das Jahr 2010 liegen der Bundesregierung keine Zahlen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1604 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für die Jahre 2011 bis 2014 bezog sich die Monitoring-Abfrage der Bundesnetzagentur auf Versorgungsunterbrechungen, die durch den örtlich zuständigen Grundversorger in Auftrag gegeben wurden. Ab dem Jahr 2015 wurde die Monitoring -Abfrage weiter differenziert, indem sie alle Lieferanten und nicht mehr nur Grundversorger mit einbezieht. Zahlen für das Jahr 2017 werden erst Ende dieses Jahres im Monitoringbericht 2018 veröffentlicht. Ausweislich des Monitoringberichts 2017 ergeben sich folgende Zahlen von 2011 bis 2016: 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Sperren im Auftrag des Grundversorgers 312.059 321.539 344.798 351.802 331.272 318.469 Sperren in der Grundversorgung k. A. k. A. k. A. k. A. 272.207 266.844 Sperren außerhalb der Grundversorgung k. A. k. A. k. A. k. A. 87.112 61.639 Der Bundesregierung liegen keine Angaben zur durchschnittlichen Dauer von Stromsperren vor. 2. Wie viele Bedarfsgemeinschaften mussten nach Kenntnis der Bundesregierung Darlehen des Jobcenters zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung aufnehmen (bitte nach Jahren seit 2010 aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Auf Basis der Grundsicherungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II) werden entsprechende Merkmale nicht erhoben. 3. Wie viele Menschen im Rentenalter waren nach Kenntnis der Bundesregierung gezwungen, Darlehen für Strom aufzunehmen (bitte nach Jahren seit 2010 aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen keine statistischen Daten dazu vor, aus welchen Gründen Menschen im Rentenalter bzw. Leistungsberechtigte der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Darlehen aufnehmen. Nach § 128 c Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII – Sozialhilfe) wird lediglich erfasst, wie viele Personen mit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung überhaupt ein Darlehen nach § 37 SGB XII in Anspruch genommen haben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1604 4. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtzahl der Bürger (mit und ohne ALG-II-Bezug), welche sich Strom nicht leisten können, d. h. er ihnen von den Versorgern abgeschaltet wurde (nach Jahren seit 2010 und Rentner bitte gesondert darstellen)? 5. Wie viele Familien mit einem oder mehreren Kindern sind von Stromabschaltungen betroffen (bitte nach Jahren seit 2010 aufschlüsseln)? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine statistischen Daten zur Struktur der Personengruppen vor, die von Stromsperren betroffen sind. Sie kann folglich auch keine Angaben zur Entwicklung dieser Größen machen. Auch die Bundesnetzagentur kann keine entsprechenden Daten erheben und in ihrem Monitoringbericht ausweisen . Ein Datenaustausch zwischen Sozialbehörden und Energiewirtschaftsunternehmen oder der Bundesnetzagentur ist u. a. aus datenschutzrechtlichen Gründen gesetzlich nicht vorgesehen. 6. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf? Wenn ja, welche Maßnahmen sind zur Abhilfe geplant? Zum Thema Stromsperren hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Studie in Auftrag gegeben, welche auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie veröffentlicht ist (www.bmwi.de/Redaktion/ DE/Pressemitteilungen/2016/20161128-bundeswirtschaftsministerium-legtstudie -zu-stromsperren-vor.html). Die Studie mit dem Titel „Analyse der Unterbrechungen der Stromversorgung nach § 19 Absatz 2 StromGVV“ untersucht die Ursachen für Stromsperren und die Wirksamkeit des gegenwärtigen Instrumentariums . Sie geht dabei auch auf die Betroffenheit von Haushalten in unterschiedlichen Einkommensbereichen ein bzw. allgemein auf Haushalte, die Leistungen der Grundsicherung beziehen. Ein Ergebnis der Studie ist, dass etwa die Hälfte aller von Stromsperren betroffenen Haushalte Leistungen der Grundsicherung (SGB II oder SGB XII) bezieht. Die Gründe für Stromsperren lassen sich allerdings nicht ausschließlich auf Einkommensarmut reduzieren. Vielmehr ist oftmals ein Zusammenspiel mehrerer ungünstiger Faktoren festzustellen, wie plötzliche Veränderungen im Lebensumfeld , eine fehlende finanzielle Allgemeinbildung, teils Sprachprobleme aber auch das bewusste Ausnutzen der Grundversorgerpflichten. Ausweislich der Studie bieten das Energie- und Sozialrecht jedoch bereits heute einen ausreichenden Rahmen, um soziale Härten bei Stromsperren zu vermeiden. Darüber hinaus werden auch bestehende Förderprogramme und Beratungsangebote für Verbraucher (u. a. Beratung zur Energieeinsparung) als sinnvolle Maßnahmen bewertet, um Stromsperren vorzubeugen. Um den Schutz der Verbraucher weiter zu verbessern, ist im Koalitionsvertrag vereinbart worden, dass u. a. die Grundversorger von Strom verpflichtet werden, säumigen Kunden eine Versorgung auf Basis von Vorauszahlungen anzubieten, wenn Kunden Ratenzahlungen auf Altschulden leisten oder eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Die Bundesregierung prüft, welche Änderungen der Stromgrundversorgungsverordnung diesbezüglich erforderlich sind. Darüber hinaus evaluiert die Bundesregierung laufend, ob Änderungen des bestehenden rechtlichen Rahmens angezeigt sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333