Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pascal Kober, Johannes Vogel (Olpe), Till Mansmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15623 – Organisierter Sozialleistungsmissbrauch im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bezugnehmend auf Fälle von organisiertem, bandenmäßigem Sozialleistungsmissbrauch im Jobcenter Duisburg im September 2018 stellte die Fraktion der FDP der Bundesregierung am 28. September 2018 eine Kleine Anfrage, um diese Form des Sozialmissbrauchs bundesweit anhand von detaillierten und belastbaren Daten analysieren und bewerten zu können. In ihrer Antwort stellte die Bundesregierung fest, dass 2017 die Anzahl an bandenmäßigen Missbrauchsfällen bzw. Verdachtsfällen auf Missbrauch bei 4.400 lag und dadurch ein geschätzter Vermögensschaden von rund 50 Mio. Euro entstanden ist. Der Großteil der Fälle/Verdachtsfälle fokussiere sich dabei auf großstädtische Ballungsräume , so die Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 19/5424). Klar ist nach Ansicht der Fragesteller, organisierter Sozialbetrug untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates und stellt eine Gefahr dar, dass Hilfsbedürftige in der öffentlichen Debatte unter Generalverdacht gestellt werden. Dem muss der Staat konsequent entgegentreten . Die Einführung von effektiven und zielführenden Mechanismen in den Behörden und ihren Schnittstellen ist dringend geboten, um bandenmäßigen Sozialleistungsmissbrauch systematisch bekämpfen und gleichsam verhindern zu können. Dies fordert auch der Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Sozialbetrugsverdacht“ der Bremischen Bürgschaft in seinen Handlungsempfehlungen, basierend auf einer umfassenden Analyse der bandenmäßigen Sozialmissbrauchsfälle in Bremerhaven zwischen 2013 und 2016 (www.bremische-buergerschaft.de/uploads/media/PUA-Bericht_201 8-01-31_01.pdf). Die Bundesregierung stellte in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Leistungsmissbrauch im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch“ auf Bundestagsdrucksache 19/5424 fest, dass die behördenübergreifende Zusammenarbeit in Bremen intensiviert wurde und mit dem Jobcenter Bremerhaven und der BA eine enge Zusammenarbeit bestünde. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, sagte 2017 in der Berliner Morgenpost: „Jeder, der den Staat betrügt, muss zur Rechenschaft gezogen werden – das gilt für steuerhinterziehende Millionäre genauso wie für Menschen, die sich Sozialleistungen ergaunern “ (www.morgenpost.de/politik/article215271931/Im-Mercedes-zum- Jobcenter-Sozialbetrug-alarmiert-Minister.html). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16066 19. Wahlperiode 18.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 16. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Ziel der vorliegenden Kleinen Anfrage ist, die Zielsetzung des Bundesministers und die von der Bundesregierung unternommenen Maßnahmen auf tatsächliche Verbesserungen zur Missbrauchsbekämpfung hin zu überprüfen. Wichtig ist, dass in den 303 gemeinsamen Einrichtungen (gE) sowie den 104 zugelassenen kommunalen Trägern (zkT) und den Zollverwaltungen Maßnahmen zur Verbesserung der internen Strukturen und Zusammenarbeit tatsächlich auch umgesetzt werden. 1. Wie viele Missbrauchsfälle von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gab es nach Kenntnissen der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren und in den Monaten von Oktober 2018 bis Oktober 2019 (bitte Daten für beide Zeiträume sowohl für gemeinsame Einrichtungen als auch zugelassene kommunale Träger gesondert aufführen; wenn die Daten nicht für die gesamten Zeiträume vorliegen, bitte Daten bis zur aktuellsten Erfassung aufführen; wenn die Daten für kommunale Träger nicht vorliegen, wird um Abfrage und eine Erklärung, warum für kommunale Träger keine Datenerfassung eingeführt wurde, gebeten)? Die folgende Zeitreihe enthält die Anzahl der von den gemeinsamen Einrichtungen (gE) festgestellten Missbrauchsfälle in den Jahren 2009 bis 2019: Jahr Festgestellte Missbrauchsfälle 2009 126.097 2010 179.315 2011 149.088 2012 140.047 2013 136.029 2014 131.455 2015 106.922 2016 121.464 2017 119.541 2018 116.064 2019 94.635 Von Oktober 2018 bis Oktober 2019 betrug die Zahl der festgestellten Missbrauchsfälle 121.412. Für den Bereich der zugelassenen kommunalen Träger liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Aufsicht obliegt insoweit allein den zuständigen Landesbehörden. 2. Hat die Bundesregierung eine Missbrauchsstatistik für das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)im vergangenen Jahr eingeführt, und wenn ja, wie hoch ist hier die Missbrauchsquote (laut ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Leistungsmissbrauch im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch II“ führt die Bundesregierung keine Missbrauchsstatistik für das SGB XII)? Falls nicht, schließt die Bundesregierung aus, dass es in diesem Bereich zu Missbrauchsfällen kommt? Wenn nein, warum wird dann keine Statistik erstellt? Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/5424 hinsichtlich der Anzahl der Missbrauchsfälle bei Grundsicherungsleistungen ausgeführt, dass für das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) keine Angaben vorliegen. Drucksache 19/16066 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Einführung neuer Berichtspflichten, aber auch eine Erweiterung des Erhebungsumfangs bestehender bundesgesetzlicher Statistiken erfordern eine gesetzliche Grundlage. Bei einer statistischen Erfassung missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII würde es sich um eine Erweiterung des Erhebungsumfangs handeln. Dies würde hohe Anforderungen an die Begründung stellen, vor allem, weil davon Behörden der Länder – das SGB XII wird überwiegend von kommunalen Trägern ausgeführt – betroffen wären. Die ausführenden Träger nach dem SGB XII verfügen über die rechtlichen Instrumente , einschließlich eines automatisierten Datenabgleichs, um gegen fehlende oder unzureichende Mitwirkung der Leistungsberechtigten vorzugehen. Dies gilt beispielswiese für die rechtzeitige und vollständige Mitteilung von Höhe und Veränderung von Einkommen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die bestehenden Unterschiede in den Abgrenzungen der Personenkreise nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII einerseits und dem nach dem SGB II andererseits unter anderem deutliche Auswirkungen auf Zusammensetzung und Höhe der anrechenbaren Einkommen haben. So haben Erwerbseinkommen im SGB XII nur eine sehr untergeordnete Bedeutung. Darüber hinaus prüfen die Träger nach dem SGB XII zur Verhinderung missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen vor allem Neuanträge sehr sorgfältig. 3. Welcher finanzielle Schaden entstand durch Missbrauchsfälle im SGB II und SGB XII nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 (bitte Daten monatlich sowohl für gemeinsame Einrichtungen als auch zugelassene kommunale Träger aufführen)? Der Bundesregierung liegen zur Höhe der durch Leistungsmissbrauch entstandenen finanziellen Schäden nur eingeschränkte Erkenntnisse vor. Im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) werden Daten nur in den Fällen erhoben, in denen der Missbrauch aufgrund von Erkenntnissen aus dem automatisierten Datenabgleich (§ 52 SGB II) aufgedeckt wird sowie für den Bereich des bandenmäßigen Leistungsmissbrauchs. Überschneidungen zwischen beiden Fallgruppen sind möglich. Einzelheiten enthält die folgende Übersicht: Datenabgleich bandenmäßiger Leistungsmissbrauch Monat Überzahlungs-(ÜZ-) fälle ÜZ-Beträge (in Euro) ÜZ-Fälle ÜZ-Beträge (in Euro) 10/2018 7.156 4,5 Mio. 96 2,7 Mio. 11/2018 7.538 5,0 Mio. 83 2,8 Mio. 12/2018 6.013 3,8 Mio. 97 2,7 Mio. 1/2019 9.274 5,9 Mio. 79 2,4 Mio. 2/2019 8.573 5,7 Mio. 121 2,4 Mio. 3/2019 8.894 5,9 Mio. 70 2,3 Mio. 4/2019 8.282 5,6 Mio. 60 2,4 Mio. 5/2019 7.195 5,0 Mio. 69 2,1 Mio. 6/2019 7.066 5,0 Mio. 55 1,5 Mio. 7/2019 8.084 5,6 Mio. 205 1,6 Mio. 8/2019 7.232 5,0 Mio. 109 1,7 Mio. 9/2019 6.480 4,2 Mio. 43 1,8 Mio. 10/2019 7.542 4,8 Mio. 90 2,0 Mio. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16066 Aus dem Bereich der zugelassenen kommunalen Träger liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Aufsicht obliegt insoweit allein den zuständigen Landesbehörden. Wegen des Rechtskreises SGB XII wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Auf welche Tatbestände bezog sich der erfasste Leistungsmissbrauch seit Oktober 2018? Zu welchen Tatbeständen und Sachverhalten werden, bezugnehmend auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 der Kleinen Anfrage „Leistungsmissbrauch im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch“ mittlerweile Daten erhoben? Seit Juli 2018 wird der bandenmäßige Leistungsmissbrauch statistisch erfasst. Darüber hinaus wurde die Art der Datenerhebung nicht geändert. Auf die Antwort zu Frage 4 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/5424 wird daher verwiesen. 5. Wie verteilen sich die Missbrauchsfälle nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 auf die Tatbestände? In wie vielen Fällen handelte es sich nach Kenntnissen der Bundesregierung um Missbrauchsfälle von Mitteilungs- und Anzeigepflichten, in wie vielen Fällen handelte es sich um den Strafbestands des Betrugs (bitte vorliegende Daten sowohl für die gemeinsamen Einrichtungen als auch zugelassene kommunale Träger und für die Regionaldirektionen monatlich aufführen )? Die im Zeitraum Oktober 2018 bis Oktober 2019 festgestellten 121.412 Missbrauchsfälle verteilen sich auf folgende Tatbestände: Tatbestand Anzahl der Fälle Verstöße gegen Anzeige-/Mitwirkungspflichten 84.799 Betrugssachverhalte 31.181 Sonstige Straftatbestände 5.432 6. In wie vielen Fällen handelte es sich nach Kenntnissen der Bundesregierung um Missbrauchsfälle aufgrund organisierter Kriminalität im Jahr 2018 und im Zeitraum von Oktober 2018 bis Oktober 2019? Welcher finanzielle Schaden ist dadurch den Jobcentern entstanden (bitte Daten für beide Zeiträume gesondert aufführen)? Die gE ordnen ein Verfahren dem bandenmäßigen Leistungsmissbrauch zu, wenn nichtdeutsche Unionsbürgerinnen und Unionsbürger Arbeitsverhältnisse oder selbstständige Tätigkeiten vortäuschen, um den Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II zu umgehen. Die folgende Übersicht enthält die Anzahl der Missbrauchsfälle und die durch bandenmäßigen Leistungsmissbrauch entstandenen finanziellen Schäden: Zeitraum Eingeleitete Verfahren Erledigte Verfahren ÜZ-Beträge (in Euro) 7/2018 bis 12/2018 915 633 16,9 Mio. 10/2018 bis 10/2019 1.265 1.177 28,4 Mio. Drucksache 19/16066 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Datenlage für das Jahr 2018 ist dabei unvollständig, weil in dem für die Erfassung von Missbrauchsfällen relevanten IT-Verfahren die Zuordnung von Verfahren zum bandenmäßigen Leistungsmissbrauch erst seit Juli 2018 technisch möglich ist. 7. Welche Erledigungsart wurde bei den erfassten Fällen von Sozialleistungsmissbrauch nach Kenntnissen der Bundesregierung aufgrund organisierter Kriminalität verzeichnet (bitte die Entwicklung für 2018 und für Oktober 2018 bis Oktober 2019 aufführen)? Die Antwort ergibt sich aus nachfolgender Aufstellung: Erledigungsart 7/2018 bis12/2018 10/2018 bis 10/2019 Abgabe wegen Straftatverdacht 477 676 Buß- oder Verwarnungsgeld 22 30 Verdacht nicht bestätigt 66 339 Einstellung wegen Geringfügigkeit oder Verfolgungshindernis 68 132 8. An welche Behörden wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung wie viele Fälle aufgrund eines Straftatverdachts abgegeben (bitte die Entwicklung der letzten zehn Jahre und für Oktober 2018 bis Oktober 2019 aufführen)? Die nachfolgende Aufstellung gibt die vorliegenden Erkenntnisse wieder: Jahr Zoll Staatsanwaltschaft Summe 2009 39.055 12.942 51.997 2010 52.189 23.718 75.907 2011 47.453 19.768 67.221 2012 43.019 15.747 58.766 2013 39.957 15.474 55.431 2014 40.149 14.321 54.470 2015 35.065 11.320 46.385 2016 38.721 10.917 49.638 2017 39.438 10.331 49.769 2018 41.927 8.823 50.750 2019 (bis 10/2019) 35.142 6.865 42.007 10/2018 bis 10/2019 44.864 8.818 53.682 9. In wie vielen Fällen hat sich nach Kenntnissen der Bundesregierung ein Strafverdacht bestätigt? Welchen Ausgang hatten die jeweiligen Verfahren? Die Strafverfolgungsbehörden unterrichten die gE nicht in jedem Fall über den Ausgang eines Strafverfahrens. Die nachstehende Aufstellung enthält daher nur die den gE bekannten Angaben. In wie vielen Fällen eine Unterrichtung erfolgte oder unterblieb, ist der Bundesregierung ebenfalls nicht bekannt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16066 Jahr Geldstrafen(in Euro) Freiheitsstrafen mit Bewährung (in Jahren) Freiheitsstrafen ohne Bewährung (in Jahren) 2014 5,9 332 95 2015 6,4 355 133 2016 7,3 377 133 2017 7,5 393 133 2018 6,5 362 110 2019 (bis 10/2019) 5,8 288 120 10/2018 bis 10/2019 7,9 398 161 10. Wie hoch ist der Anteil der Fälle, die nach Kenntnissen der Bundesregierung anhand von Datenabgleich nach § 52 SGB II zwischen den Behörden aufgedeckt wurden? In welcher Höhe beziffert sich dieser Anteil (bitte die Entwicklung seit Oktober 2018 sowohl für gemeinsame Einrichtungen als auch zugelassene kommunale Träger aufführen)? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 11. Wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 in den Jobcentern Konzepte und Maßnahmen entwickelt, um Sozialmissbrauch aufgrund von organisierter Kriminalität frühzeitig zu erkennen? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden konkret entwickelt? Die Umsetzung entsprechender Konzepte und Maßnahmen obliegt den Jobcentern selbst. 12. Wie häufig war nach Kenntnissen der Bundesregierung organisierter Sozialleistungsmissbrauch seit Oktober 2018 Gegenstand der Geschäftsführertagungen der Jobcenter? Nach Kenntnis der Bundesregierung war bandenmäßiger Leistungsmissbrauch seit Oktober 2018 Gegenstand von drei Geschäftsführertagungen. 13. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung von der Innenrevision der Bundesagentur für Arbeit seit Oktober 2018 ergriffen , um die Missbrauchsanfälligkeit der Leistungsverwaltung im SGB-II- Bereich verstärkt zu bearbeiten? Wie wurden in diesem Zusammenhang Strukturen, Prozesse und Zusammenarbeitsmöglichkeiten von Behörden auf die Begünstigung von organisiertem Sozialleistungsmissbrauch kontrolliert? Die Interne Revision der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat nicht die originäre Aufgabe, unmittelbar Maßnahmen für eine verstärkte Bearbeitung der Missbrauchsanfälligkeit einzelner Aufgabenbereiche zu ergreifen. Diese Aufgabe ist in der BA in den fachlich verantwortlichen Geschäftsbereichen der Zentrale verankert. Die Interne Revision führt auch zum Umgang mit Missbrauchsrisiken Revisionen risikoorientiert durch, bei denen unter anderem Strukturen, Prozesse und Drucksache 19/16066 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zusammenarbeitsmöglichkeiten von Behörden im Fokus stehen. Ziel dieser Revisionen ist es, die Funktionsfähigkeit der Kontrollsysteme zu beurteilen und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Aktuell werden durch die Interne Revision SGB II zwei entsprechende Revisionsthemen bearbeitet. Die Revisionsberichte liegen noch nicht vor. 14. Wie viele Stellen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung bei der Bundesagentur für Arbeit seit Oktober 2018 für die Bearbeitung von organisiertem Sozialleistungsmissbrauch neu geschaffen? Die Prüfung, ob Leistungsmissbrauch vorliegt, erfolgt im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung. Unterstützt werden die Beschäftigten im Bereich der Leistungsgewährung einer gE durch die Beschäftigten im Außendienst sowie im Bereich Ordnungswidrigkeiten. Die Veränderung die Mitarbeiterkapazität (ausgedrückt in Vollzeitäquivalenten, gegliedert nach Personal der BA sowie kommunalem Personal und jeweils zum dritten Quartal) in den relevanten Organisationsbereichen (Leistungsgewährung , Ordnungswidrigkeiten sowie Außendienst) in den gE kann nachstehender Aufstellung entnommen werden. 3. Quartal 2018 3. Quartal 2019 Bereich BA Kommunal BA Kommunal Leistung 13.956 8.355 13.734 8.285 OWiG 418 97 419 105 Außendienst 198 249 193 251 Aufgrund der Organisationshoheit der gE kann die Bundesregierung keine Aussage darüber treffen, ob die Veränderungen der Mitarbeiterkapazitäten im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Sozialleistungsmissbrauch stehen. 15. Wodurch wurde nach Kenntnissen der Bundesregierung im Zeitraum Oktober 2018 bis Oktober 2019 die Zusammenarbeit zwischen den Jobcentern und den Ermittlungsbehörden verbessert? Die Zusammenarbeit zwischen den Jobcentern und den Ermittlungsbehörden wurde im genannten Zeitraum insbesondere durch das am 18. Juli 2019 in Kraft getretene Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2009 Teil I Nummer 27, Seite 1066) verbessert. Mit dem vorgenannten Gesetz wurden der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung zusätzliche Befugnisse eingeräumt. Auch wird sie in den kommenden Jahren deutlich mehr Personal für ihre Prüfungs- und Ermittlungsaufgaben erhalten. Damit kann sie noch konsequenter und effektiver gegen illegale Beschäftigung und den Missbrauch staatlicher Leistungen vorgehen . Die FKS prüft und ermittelt nunmehr auch in Fällen, die nicht auf eine tatsächliche Erbringung oder das tatsächliche Ausführenlassen von Dienst- oder Werkleistungen angelegt sind, sondern in denen ein Arbeitsverhältnis oder eine Selbstständigkeit vorgetäuscht wird, um Sozialleistungen unter anderem nach dem SGB II unrechtmäßig zu erlangen. Die FKS hat außerdem die Befugnis erhalten, im Rahmen ihrer Kontrollen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) Anhaltspunkte für ungerechtfertigten Kindergeldbezug zu überprüfen und diese durch Sofortmitteilung an die zuständige Familienkasse zur weiteren Prüfung und gegebe- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16066 nenfalls Ermittlung weiterzugeben. Darüber hinaus hat die FKS die Befugnis erhalten, an Prüfungen der Familienkassen mitzuwirken, um diese bei Vor-Ort- Maßnahmen zu unterstützen. Die Familienkassen wurden als neue Zusammenarbeitsbehörde der FKS nach dem SchwarzArbG aufgenommen. Die Familienkassen treten damit dem Gefüge der anderen Leistungsträger wie BA, gE und zkT bei, die bereits Zusammenarbeitsbehörden der FKS nach dem SchwarzArbG sind. 16. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 ergriffen, um darauf hinzuwirken, dass der Informationsaustausch zwischen den Jobcentern und Behörden wie der BA, dem Zoll, der Polizei und der Staatsanwaltschaft direkter und schneller wird? Erzielen diese Maßnahmen das gewünschte Ergebnis? Die behördenübergreifende Zusammenarbeit wurde in den letzten Jahren erheblich verbessert. Durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch wurden die Zusammenarbeit und der Datenaustausch durch gegenseitige automatisierte Abfragemöglichkeiten zwischen den bei der Aufdeckung und Bekämpfung von organisiertem Sozialleistungsmissbrauch beteiligten Behörden deutlich ausgeweitet. Konkret wurde die FKS im Bereich der Schwarzarbeit und des Sozialleistungsmissbrauchs berechtigt, Daten aus den Datenbeständen der Leistungsträger nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch (BA, gE und zkT), der Träger der Rentenversicherung und – im Bereich des Umsatzsteuerbetrugs – des Bundeszentralamts für Steuern automatisiert abzurufen . Umgekehrt dürfen Daten aus dem IT-System der FKS zur Verhinderung von Missbrauch an die Leistungsträger nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch, die Familienkassen und die Träger der Sozialhilfe automatisiert übermittelt werden. Die BA bereitet den elektronischen Datenabruf für die Behörden der Zollverwaltung derzeit vor. Das Gesetz sieht darüber hinaus eine noch engere Zusammenarbeit und einen verstärkten Informationsaustausch der FKS mit den Polizeivollzugsbehörden vor. Informationen, die der Verhütung und Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten dienen, leitet die FKS an die Polizei und Strafverfolgungsbehörden weiter. Zur Koordinierung der Zusammenarbeit und zur Verbesserung des Informationsaustauschs wird eine Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen der Generalzolldirektion (GZD) und der Familienkasse Direktion, die die Gesamtverantwortung für die regionalen Familienkassen der BA trägt, im Einvernehmen mit den Fachaufsichtsbehörden zeitnah abgeschlossen. Zusätzlich wird derzeit der bestehende Leitfaden über die Grundsätze der Zusammenarbeit im Rechtskreis SGB II zwischen der FKS und den Jobcentern (gE und zkT) durch die GZD und die BA im Einvernehmen mit den Fachaufsichtsbehörden aktualisiert. Der überarbeitete Leitfaden enthält dann auch Bestimmungen zur gemeinsamen Bekämpfung von organisiertem Sozialleistungsmissbrauch sowie Regelungen im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch zwischen den Behörden. Die gE sind über die neuen Zuständigkeiten informiert . Sie sind gehalten, vor Ort in Gesprächen mit dem Zoll die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch abzustimmen und eng zusammenzuarbeiten. Zudem hat die BA mit der GZD vereinbart, die Zusammenarbeit in allen Bereichen auszuweiten und zu intensivieren. Drucksache 19/16066 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des organisierten Sozialleistungsmissbrauchs führt die FKS regelmäßig in enger Abstimmung mit den Staatsanwaltschaften und den Polizeivollzugsbehörden der Länder durch. 17. Wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung Maßnahmen eingeleitet, dass bei der Abgabe von Vorgängen von Jobcentern an andere Behörden eine regelmäßige Ergebnisnachfrage sichergestellt wird? Die Bundesregierung sieht für die infrage stehenden Maßnahmen keine Notwendigkeit , weil der Ausgang des Strafverfahrens für die Aufgabenerledigung der gE grundsätzlich ohne Bedeutung ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 18. Wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung in den Hauptzollämtern seit Oktober 2018 die Arbeitsprozesse auf Effektivität überprüft, um bei Sozialleistungsmissbrauch eine schnellere Sachbearbeitung zu gewährleisten ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Hauptzollämter werden in Bezug auf eine inhaltlich-qualitative und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Sozialleistungsmissbrauchs durch die GZD im Rahmen ihrer Rechts- und Fachaufsicht u. a. mit dem Ziel geprüft, die Qualität und Effizienz der Aufgabenerledigung in diesem Bereich zu steigern. 19. Wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 Maßnahmen ergriffen, damit die schnelle Verantwortungsübertragung und Datenweitergabe zwischen dem Zoll und entsprechenden anderen Behörden sichergestellt wird, sofern der Zoll seine Unzuständigkeit feststellt? Wenn ja, welche? Auf die Antworten zu den Fragen 15 und 16 wird verwiesen. 20. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnissen der Bundesregierung zwischen August 2018 und August 2019 den Jobcentern von Seiten des Zolls die Unzuständigkeit bei entsprechenden Hinweisen mitgeteilt? Welche Maßnahmen wurden getroffen, damit in diesen Fällen die Hinweise , Daten und Unterlagen an die entsprechend zuständige Stelle weitergeleitet werden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. In der Arbeitsstatistik der FKS ist eine gesonderte Erfassung von derartigen Informationen nicht vorgesehen. 21. Wie groß ist nach Kenntnissen der Bundesregierung aktuell der Rückstau der noch zu bearbeitenden Fälle des organisierten Sozialleistungsmissbrauchs bei den Gerichten? Wie lange dauern die Verfahren durchschnittlich? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16066 22. In welchem Umfang wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 die Staatsanwaltschaften und Gerichte personell aufgestockt , um einen möglichen Rückstau in den nachfolgenden Instanzen zu vermeiden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 23. Wurde die Zahl der Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern, die über die Bewilligung von SGB-II-Leistungen entscheiden , nach Kenntnissen der Bundesregierung im vergangen Jahr erhöht , und wurden die Schulungen dahingehend angepasst, dass Hinweise auf einen organisierten Sozialleistungsmissbrauch besser erkannt, dokumentiert und weitergegeben werden können? Das Schulungsangebot der BA für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Leistungsbereich SGB II in den gE wurde entsprechend erweitert und inhaltlich weiterentwickelt. Die Anzahl der Teilnehmenden an Qualifizierungen der BA (mit Rechtsthemen) im Leistungsbereich SGB II hat sich im Vergleich zu 2018 im Jahr 2019 um rund 50 % erhöht. Über die tatsächliche Inanspruchnahme von Schulungsangeboten der BA und von externen Anbietern entscheidet grundsätzlich die Geschäftsführung der gE. 24. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 eingeführt, um Fehlanreize und Missbrauchsanfälligkeiten im Zusammenhang mit staatlichen Leistungen systematisch zu überprüfen , beispielsweise für das Kindergeld und Leistungen nach Bildung und Teilhabe? Im Rechtskreis SGB II sensibilisiert und unterstützt die BA die gE auf vielfältige Weise. Zu nennen sind hier insbesondere eine umfangreiche Arbeitshilfe, die regelmäßig erweitert und aktualisiert wird sowie technische Maßnahmen wie die Erweiterung des Funktionsumfangs des eSolution-Portals (siehe dazu auch die Antwort zu Frage 26), die Erfassung einer Personenkennziffer bei Antragstellerinnen und Antragstellern aus anderen Mitgliedstaaten sowie die Bereitstellung sogenannter Heatmaps, denen sich Anhaltspunkte für Missbrauchsfälle entnehmen lassen. Für den Erfolg bei der Missbrauchsbekämpfung sind die Aktivitäten der gE ein wesentlicher Faktor (strategische dezentrale Vernetzung). Hier sind beispielsweise die Qualifizierung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den gE, die Anpassung der organisatorischen Abläufe (etwa die Bildung von Sonderteams) und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden zu nennen. In Bezug auf das Kindergeld hat die Familienkasse der BA im Jahr 2019 zusätzlich zu den bereits bestehenden Überprüfungsmechanismen ein gesamtheitliches Vorgehen zur Bekämpfung von unrechtmäßigem Leistungsbezug initiiert , mit dem die Erkenntnisse der regionalen Familienkassen und eines bundesweit agierenden Sonderteams zur Bekämpfung systematischer unrechtmäßiger Leistungsinanspruchnahme vernetzt werden. Dieses Netzwerk dient der Erkennung von Fällen, in denen der Verdacht besteht , dass ein unrechtmäßiger Leistungsbezug einerseits durch organisierte Banden, aber auch bei wiederkehrenden Tatmustern durch Einzeltäter erfolgte. Zudem werden regionale Netzwerke durch die Familienkassen mit Polizei, Staatsanwaltschaften, Zoll, Jobcentern, Einwohnermeldeämtern, Schulbehörden und anderen Stellen aufgebaut. Drucksache 19/16066 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Um übergreifende Tatmuster unabhängig vom Einzelfall zu erkennen und so Verdachtsfälle frühzeitiger zu identifizieren werden die Familienkassen durch das IT-System Enterprise Fraud Management (EFM) der BA bei den erforderlichen Datenauswertungen unterstützt. Eine wesentliche Aufgabe der Missbrauchsbekämpfung bei der Kindergeldbearbeitung ist neben dem nachträglichen Identifizieren und Verfolgen von Leistungsmissbrauch auch die Schaffung präventiver Maßnahmen, deren Ziel das frühzeitige Erkennen im Rahmen der Antragsbearbeitung ist. Aus diesem Grund fließen die bei der Missbrauchsbekämpfung gewonnenen Erkenntnisse regelmäßig in die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch erfolgten Anpassungen der Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch für nichterwerbstätige Unionsbürgerinnen und -bürger, wodurch eine unangemessene Inanspruchnahme des Systems der sozialen Sicherheit in Deutschland verhindert werden soll. Der Leistungsanspruch für Unionsbürgerinnen und -bürger, die nach Deutschland ziehen, ist nun stärker daran geknüpft, dass sie wirtschaftlich aktiv sind. Kindergeld wird in den ersten drei Monaten nur ausgezahlt , wenn inländische Einkünfte nachgewiesen werden. Des Weiteren haben die Familienkassen die Möglichkeit erhalten, Kindergeldzahlungen bei begründeten Zweifeln am Vorliegen eines rechtmäßigen Anspruchs vorläufig einzustellen. Zudem wurde mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch die Möglichkeit des Datenaustauschs zwischen den Behörden verbessert: Neben der in den Antworten zu den Fragen 15 und 16 angesprochenen engeren Zusammenarbeit und dem verbesserten Datenaustausch zwischen Zoll, BA, Jobcentern und Familienkassen wurde auch die Möglichkeit des Datenaustauschs der Familienkassen unter anderem mit den Trägern der Rentenversicherung , den Trägern der Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch, den Trägern der Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie den für Familienleistungen zuständigen Stellen anderer EU-Mitgliedstaaten verbessert. Für die Umsetzung der gesetzlichen Änderungen zur Missbrauchsbekämpfung sind im Personalhaushalt der Familienkasse der BA für 2020 insgesamt 78,5 Stellen ausgebracht worden. 25. Inwiefern wird nach Kenntnissen der Bundesregierung die erhöhte Arbeitsbelastung , die durch die Ablehnung von Anträgen anfällt, im Rahmen des Personalschlüssels berücksichtigt? Inwiefern wurde seit Oktober 2018 die Möglichkeit der Einzelfallprüfung verbessert? Die Trägerversammlung einer jeden gE entscheidet nach § 44c Absatz 2 Satz 1 SGB II unter anderem über die organisatorischen und personalwirtschaftlichen Angelegenheiten der gE. Sie führt jährlich eine Personalbedarfsermittlung durch und stellt daraufhin einen Kapazitätsplan auf. Mit dem „Vorgehensmodell zur Standortbestimmung der Personalausstattung der gemeinsamen Einrichtung “ (Vorgehensmodell) wird den gE eine Methode zur Verfügung gestellt, um die örtliche Entscheidung zur Personalbedarfsermittlung anhand verschiedener Faktoren, die Einfluss auf die Arbeitsbelastung der gE haben (hier: die Bearbeitung von Leistungsanträgen einschließlich der Prüfung auf möglichen Leistungsmissbrauch), ergebnisoffen zu prüfen. Die Betreuungsschlüssel bilden dabei nur ein Kriterium und sind nicht allein ausschlaggebend. Die im SGB II genannten Betreuungsschlüssel (für den Bereich Markt & Integration für unter Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16066 und über 25-Jährige; für die Leistungsgewährung existiert im SGB II kein Orientierungswert ) sind insofern nur eine weitere Orientierung. Der Personalbedarf einer gE ist dezentral gesamtheitlich zu betrachten und orientiert sich an den entsprechenden Anzahlen der Leistungsberechtigten und den Erkenntnissen aus der Personalbedarfsermittlung u. a. durch Anwendung der Methodik nach dem Vorgehensmodell. Der Bedarf muss durch die Geschäftsführung mit Zustimmung der Mitglieder der Trägerversammlung bewertet und vertreten werden. Leitlinie ist eine Optimierung des Verhältnisses von Ressourceneinsatz zu den Ergebnissen bzw. der Wirkung. Die Akteure vor Ort haben somit die Möglichkeit begründete Personalbedarfe (hier zum Beispiel infolge der erhöhten Arbeitsbelastung aufgrund der Prüfung evtl. Leistungsmissbrauchs ) im Rahmen des jeweiligen Haushaltsverfahrens einzubringen. Der Prozess ist ausführlich auf der Internetseite www.sgb2.info beschrieben. 26. Wurden in den Jobcentern nach Kenntnissen der Bundesregierung technische Hilfsmittel eingeführt, um die Antragsstellung auf ihre Echtheit und inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen? Inwiefern wurden die Voraussetzungen verbessert, dass vorgelegte schriftliche Übersetzungen auf ihre Richtigkeit überprüft werden? Die gE können seit Mai 2018 über das eSolution-Portal der Deutschen Rentenversicherung Plausibilitätsprüfungen zu Beschäftigungs- und Meldedaten durchführen. Für die Prüfung von Personaldokumenten aus dem In- und Ausland können die gE technische Hilfsmittel (Prüfgeräte) einkaufen, die beispielsweise von der Bundesdruckerei angeboten werden (siehe auch Antwort zu Frage 32). Für Neuanträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II steht den gE das „Handbuch zum Neukundenprozess“ als Empfehlung zur Verfügung. Anhand dieser Empfehlung gestalten die gE unter Berücksichtigung der örtlichen und personellen Möglichkeiten ihren individuellen Neukundenprozess. Ein wichtiges Element im Neukundenprozess ist die persönliche Vorsprache der Personen, die diese Leistungen erstmalig beantragen . Dabei findet eine Identitätsprüfung (gegebenenfalls unter Nutzung der Ausweisprüfgeräte) statt. Gleichzeitig wird der Antrag inklusive der beigefügten Nachweise bei der Antragsausgabe und/oder Antragsannahme u. a. auf Plausibilität geprüft. Die Nutzung der Online-Funktionen „Weiterbewilligungsantrag“ und „Veränderungsmitteilung “ über die Plattform www.jobcenter.digital ist ebenfalls erst nach Überprüfung der Identität der Kundin/des Kunden möglich. Bei entscheidungserheblichen Schriftstücken verlangen die gE in begründeten Fällen die Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung. Hierzu ist in jedem Fall auch das Original-Schriftstück vorzulegen. Sollte innerhalb einer gesetzten Frist die Übersetzung nicht vorgelegt werden, kann die gE diese selbst beschaffen. Die BA bietet den gE im Rahmen einer Service- Dienstleistung einen eingekauften, zertifizierten Übersetzungsdienst an. 27. Wurden seit Oktober 2018 nach Kenntnissen der Bundesregierung Veränderungen herbeigeführt, um Jobcentern in den unterschiedlichen Bereichen der Leistungsgewährung ein Informationssystem zu gewährleisten , mit dem Auffälligkeiten für Betrugsverdachtsfälle gemeldet, zusammengefasst und bewertet werden können? Die BA hat zur Verbesserung der Transparenz eine Erfassungs- und Auswertungsmöglichkeit der Fälle des bandenmäßigen Leistungsmissbrauchs in dem Drucksache 19/16066 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode entsprechenden IT-Fachverfahren „FALKE“ geschaffen. Aufgrund derartiger Erfassungs- und Auswertungsmöglichkeiten können die gE regionale Schwerpunkte erkennen und aufbauend auf solchen Erkenntnissen gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen. 28. Wurde seit Oktober 2018 nach Kenntnissen der Bundesregierung die Anzahl an Telefondolmetscherinnen und Telefondolmetschern in den Jobcentern erhöht? Wenn ja, um wie viele? Die BA bietet seit Mai 2016 das Telefondolmetschen in aktuell 17 Sprachen als Dienstleistung im Rechtskreis SGB II an. Die gE sind nicht auf dieses Angebot verwiesen und können Dolmetscherdienstleistungen eigenständig oder zusätzlich zum Angebot der BA beschaffen. Informationen über Art und Umfang von eigenständigen Beschaffungen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Zahl der monatlichen Dolmetschungen in den aktuell 223 gE, die die Dienstleistung über die BA eingekauft haben, lag im Oktober 2018 bei 4.058 und ist seither rückläufig. Im September 2019 wurden 2.865 Dolmetschungen über das Dienstleistungsangebot abgefragt. 29. Wurde nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 sichergestellt , dass in den Jobcentern notwendige Erklärungen und Belehrungen in fremden Sprachen auch als Audiodatei flächendeckend in allen Jobcentern vorliegen? Die BA stellt ihren Kundinnen und Kunden für die Beantragung und den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II verschiedene Informationsmaterialien in digitaler und gedruckter Form zur Verfügung , die unter anderem über die Rechte und Pflichten aufklären. In Abhängigkeit von dem konkreten Informationsmaterial sind diese auch in bis zu 15 Fremdsprachen übersetzt. Von den Kundeninformationen enthält die digitale Version der „Ausfüllhinweise der Bundesagentur für Arbeit zu den Antragsvordrucken Arbeitslosengeld II“ noch die deutschen Texte als Audiodateien. Ab April 2020 werden diese nicht mehr angeboten werden. Hintergrund sind qualitativ gute und dennoch frei verfügbare Möglichkeiten der Sprachausgabe über PC und Smartphone, mit denen sich digitale Texte in einer Vielzahl von Sprachen wiedergeben. Die Erstellung von Audiodateien ist damit nicht mehr erforderlich. 30. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 unternommen, um die Zahl der Ladungen in leichter Sprache für Personen mit Migrationshintergrund und geringen Deutschkenntnissen zu erhöhen? Die BA achtet bei ihrer Schriftgutgestaltung auf eine leichte und verständliche Sprache. Dies gilt auch für Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II. Bei diesen handelt es sich um Verwaltungsakte, so dass im Interesse der Rechtssicherheit auch die Vorgaben des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zu beachten sind. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/16066 31. Wie wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung Sicherheitskonzepte, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jobcentern vor Übergriffen zu schützen, in den letzten 12 Monaten verbessert? Die Geschäftsführer der gE sind Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes und für die Sicherheit und den Arbeitsschutz in den gE verantwortlich. Den gE wird das zentrale Muster-Notfall- und Sicherheitskonzept als Angebot der BA zur Verfügung gestellt; sie können jedoch nicht verpflichtet werden, die Regelungen einzuführen und anzuwenden. Für gE besteht auch die Möglichkeit , die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen in eigener Verantwortung zu organisieren und bereitzustellen oder auf entsprechende Angebote des jeweiligen kommunalen Trägers zurückzugreifen. Der Schutz und die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den gE wird durch die Vertreter der BA in der Trägerversammlung regelmäßig thematisiert und dabei für die Umsetzung eines den Kriterien des zentralen Muster-Notfall- und Sicherheitskonzeptes der BA entsprechenden Notfall- und Sicherheitskonzeptes geworben. 32. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 in den Jobcentern unternommen, um die Sicherstellung einer zweifelsfreien Feststellung der Identität bei Antragsstellungen zu verbessern ? Den gE steht zur Echtheitsprüfung von Personaldokumenten das vom bayerischen Landeskriminalamt entwickelte Dokumenten-Informations-System (DOKIS) bereits seit Jahren zur Verfügung. Darüber hinaus hat die BA den gE empfohlen, auch Lesegeräte/Ausweisprüfgeräte anzuschaffen. Die Entscheidung über deren Einsatz obliegt der jeweiligen Trägerversammlung. Die BA hat den gemeinsamen Einrichtungen zudem eine Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden, der Polizei, den Landeskriminalämtern und der Staatsanwaltschaft empfohlen 33. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 in den Jobcentern ergriffen, damit Scheinarbeitsverträge, Scheinvermietungen und Scheinselbstständigkeit schneller und früher als solche identifiziert werden? Welche Maßnahmen wurden seit Oktober 2018 in den Jobcentern ergriffen , um sicherzustellen, dass Arbeitsverträge, Rechnungen, Mietverträge systematisch erhoben, dokumentiert und auf möglichen Missbrauch ausgewertet werden? Die Umsetzung von Konzepten und Maßnahmen obliegt den gE. Ob und welche gE seit Oktober 2018 intern diesbezügliche Maßnahmen ergriffen haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 34. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 ergriffen, um Voraussetzungen zu schaffen, dass Wohnungen auf Mehrfachvermietungen hin überprüft werden? Die Umsetzung von Konzepten und Maßnahmen obliegt den gE. Ob und welche gE seit Oktober 2018 intern diesbezügliche Maßnahmen ergriffen haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Drucksache 19/16066 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 35. Wie viele Meldungen an das Bauordnungsamt bzw. Gesundheitsamt aufgrund festgestellter Bau- und Hygienemängel hat es in den letzten 24 Monaten nach Kenntnissen der Bundesregierung gegeben (bitte Zahlen für die Zeiträume Oktober 2017 bis Oktober 2018 und Oktober 2018 bis Oktober 2019 aufführen)? Kann ein Anstieg innerhalb der letzten 12 Monate verzeichnet werden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 36. Wie und in welchem Ausmaß wurden seit Oktober 2018 die Beschäftigtenstunden im Außendienst nach Kenntnissen der Bundesregierung erhöht , um Missstände in problematischen Immobilien schneller zu erkennen ? Konnte dadurch tatsächlich eine schnellere Identifikation von Missständen herbeigeführt werden? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 37. Wurde die Quote der Beschäftigten, die an juristischen Schulungen, um u. a. einen rechtssicheren Umgang mit Anträgen und Ablehnungen sicherzustellen , teilgenommen haben, nach Kenntnissen der Bundesregierung seit Oktober 2018 erhöht? Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen. 38. Wie viele Volljuristen wurden seit Oktober 2018 nach Kenntnissen der Bundesregierung in den Jobcentern eingestellt? Wurde durch die neuen Stellen die Abarbeitung von Verdachtsfällen verbessert ? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Zur Anzahl der seit Oktober 2018 in den Jobcentern eingestellten Volljuristen liegen keine Erkenntnisse vor. Auswertungen von Bildungsabschlüssen in Verbindung mit Einstellungen sind für den Bereich der BA technisch nicht möglich . Zur Abarbeitung von Verdachtsfällen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 3 verwiesen. 39. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe konnten nach Kenntnissen der Bundesregierung die aus Sozialleistungsmissbrauch erlangten Vermögenswerte zurückgewonnen werden (bitte Zahlen für die Zeiträume Oktober 2017 bis Oktober 2018 und Oktober 2018 bis Oktober 2019 aufführen )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Einnahmen auf Forderungen , die aus Sozialleistungsmissbrauch rühren, können mangels einer entsprechenden Kennzeichnung im Finanzsystem nicht als solche ausgewertet werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/16066 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333