Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15211 – Die polizeilich-justizielle Zusammenarbeit mit der Türkei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juni 2018 war der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Amt bestätigt worden. Durch die Änderung der Verfassung im Jahr 2017 und der damit verbundenen Einführung des Präsidialsystems in der Türkei erhielt der Staatschef einen deutlichen Machtzuwachs. Recep Tayyip Erdoğan baut seine Macht auf Kosten der türkischen Opposition immer weiter aus und schränkt die Medienfreiheit im Land ein. Hinzu kommen die Inhaftierung deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in der Türkei sowie das türkische Vorgehen gegen syrische Kurden (AFP vom 9. August 2018). Der Putschversuch am 15. Juli 2016 war ein Meilenstein, um die Opposition einzuschüchtern und den Boden für ein neues Herrschaftssystem zu bereiten. Er war Grundlage für das Referendum am 16. April 2017 und damit für einen Systemwechsel (www.deutschlandfunk.de/putschversuch-in-der-tuerkei-vor-ei nem-jahr-die-dunkle-nacht.724.de.html?dram:article_id=391110). Die Regierung ging mit Entlassungen und Verhaftungen gegen angebliche Putschisten, aber auch gegen Journalisten und Menschenrechtler vor. Rund 129.000 Staatsbedienstete sind nach offiziellen Angaben wegen angeblicher Verbindungen zum Putschversuch gefeuert worden, unter ihnen zahlreiche Akademiker. Eine Kommission, bei der Beschwerde eingelegt werden kann, hat zwar mehr als 3.000 Betroffene wiedereingesetzt, die Gesamtzahl der Entlassenen beläuft sich aber noch immer auf rund 126.000. Am stärksten betroffen sind die Ministerien Inneres (mehr als 41.000 Entlassungen) und Bildung (rund 34.000 Entlassungen). Nach Angaben von Recep Tayyip Erdoğan sind mehr als 31.000 Mitarbeiter der Polizei vom Dienst enthoben, demnach verloren außerdem mehr als 15.000 Militärangehörige und mehr als 4.000 Juristen ihren Job (www.lto.de/recht/nachrichten/n/tuerkei-putsch-versu ch-entlassungen-verfahren-prozesse-inhaftierung/). Zuletzt haben die türkischen Behörden die Verhaftung von 223 Militärangehörigen wegen angeblicher Verbindungen zum gescheiterten Putsch von 2016 angeordnet. Den Soldaten aus Heer, Marine und Luftwaffe in 49 türkischen Provinzen und dem von der Türkei völkerrechtswidrig besetzten Norden Zyperns würden Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Deutscher Bundestag Drucksache 19/16067 19. Wahlperiode 18.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 16. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Gülen vorgeworfen, den die Regierung als Drahtzieher des Putsches sieht (Reuters vom 14. September 2019). Der Druck auf Regimekritiker hat zusammen mit der Wirtschaftskrise in der Türkei dazu geführt, dass die Zahl der Asylsuchenden aus der Türkei in Deutschland anstieg. Bis einschließlich Juli registrierten die deutschen Behörden im Jahr 2019 bereits fast 6.000 Schutzsuchende aus der Türkei, im Juli waren es ca. 1.300. Etwa jeder Zweite erhält Schutz in Deutschland (Bundestagsdrucksache 19/12234, Antwort zu Frage 16). Ungebrochen nutzen Recep Tayyip Erdoğan und die AKP-Regierung auch die internationale Fahndungsbehörde Interpol für ihre Jagd auf Straftäter und politische Gegner. 990 Fahndungsersuchen hat das Bundeskriminalamt (BKA) seit dem Putschversuch 2016 bis zum 31. Januar 2019 von den türkischen Behörden erhalten, davon 925 zur Festnahme und 65 zur Aufenthaltsermittlung. Im September waren es noch 791 solcher Anträge gewesen (Bundestagsdrucksache 19/8509, Antwort zu Frage 7). Im September 2018 waren es noch 884. Wie vielen dieser Anfragen tatsächlich entsprochen wird bzw. wie viele abgelehnt werden, sei der Bundesregierung nicht bekannt (www.welt.de/politik/arti cle190720933/Tuerkei-Wie-Erdogan-seine-Widersacher-jagt-sogar-in-Deutsc hland.html). 2018 wurden zudem 64 Auslieferungsersuchen von der Türkei an Deutschland gestellt. 2019 waren es bis Ende Februar zwölf (Bundestagsdrucksache 19/8509, Antwort zu Frage 26). 1. Wie viele (vorläufige) Festnahmen hat es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei seit dem 1. Juli 2018 zum aktuellen Stichtag zusätzlich zu den seit dem Putschversuch im Juli 2016 mit Stand vom 1. Juni 2018 insgesamt 117.101 vorgenommenen Festnahmen gegeben (Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 3), und wie viele von ihnen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung noch in Haft? Nach der Auswertung türkischer Medienberichte hat es seit dem 1. Juni 2018 über 12.000 Festnahmen gegeben, die im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom 16. Juli 2016 stehen sollen. Wie viele der seit dem 1. Juni 2018 in Haft genommenen Personen sich aktuell in Haft befinden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 2. Wie viele der seit dem Putschversuch im Juli 2016 mit Stand vom 1. Juni 2018 in Haft genommenen 53.342 Personen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell noch in Haft (Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 4)? Die Bunderegierung verfügt über keine Erkenntnisse dazu, wie viele der vor dem 1. Juni 2018 in Haft genommenen Personen sich aktuell in Haft befinden. Nach Informationen, die auf der Auswertung türkischer Medienberichte beruhen , befinden sich insgesamt rund 27.000 Personen, die im Zusammenhang mit dem Putschversuch zwischen Juli 2016 und Juli 2019 festgenommen wurden, in Haft. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit wurden im Jahr 2019 mit Bezug zu welchen Staaten geführt? In wie vielen dieser Fälle führte bzw. führt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof das Ermittlungsverfahren (Bundestagsdrucksache 19/8509, Antwort zu Frage 1) (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben )? Drucksache 19/16067 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste wurden im Jahr 2019 geführt, und in wie vielen dieser Fälle führte bzw. führt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof das Ermittlungsverfahren (Bundestagsdrucksache 19/8509, Antwort zu Frage 2) (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? 5. Wie viele der aufgeführten Ermittlungsverfahren im Jahr 2019 wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste wurden nach § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? 6. In wie vielen der aufgeführten Ermittlungsverfahren im Jahr 2019 wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste wurde gegen wie viele Beschuldigte Anklage wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit erhoben, und in wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Die Fragen 3 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 des Strafgesetzbuchs (StGB) fallen gemäß § 142a Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 120 Absatz 1 Nummer 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in die originäre Verfolgungs-zuständigkeit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA). Weitere länderspezifische Angaben können zur Wahrung außenpolitischer Interessen nicht in offener Form gemacht werden. Sie werden als schützenswerte Information als Verschlusssache mit dem VS-Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft und separat übermittelt.* 7. Wie viele Ermittlungsverfahren und Haftbefehle hat es nach Kenntnis der Bundesregierung gegen Mitglieder der seit Juli 2018 vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat verbotenen Organisation „Osmanen Germania“, die im Auftrag der Auslandsorganisation UETD der türkischen AKP gegen Gegner des türkischen Staatspräsidenten vorgegangen ist – www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.tuerken-gegen-kurden-bandenk rieg-klinikpruegelei-in-ludwigsburg-vor-gericht.f7bf02e9-76d9-49b9-89d 0-b79b71b21236.html (bitte nach Jahren getrennt unter Angabe der Deliktgruppe auflisten)? Eine entsprechende Statistik wird nicht geführt. 8. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche ) vor, ob sich eine Nachfolge- oder Ersatzorganisation der „Osmanen Germania“ in Deutschland gebildet hat? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Bildung einer Nachfolgeoder Ersatzorganisation des Osmanen Germania BC in Deutschland vor. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16067 9. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, ob sich Mitglieder der verbotenen „Osmanen Germania“, gegen die in Deutschland Ermittlungsverfahren laufen und/oder die in Deutschland gesucht werden, in die Türkei abgesetzt haben, und wenn ja, um wie viele Mitglieder handelt es sich? Die Bundesregierung äußert sich grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren. 10. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob Mitglieder der „Osmanen Germania“ nach dem Verbot der Organisation Mitglieder anderer rockerähnlicher Gruppierungen wie den „Turkey Nomads“, „United Tribuns“, „Guerilla Nation Vaynakh“ und/ oder dem Abou-Chaker-Clan beigetreten sind? Der Bundesregierung ist bekannt, dass sich einzelne ehemalige Mitglieder des Osmanen Germania BC nach dem Verbot anderen Rocker- und rockerähnlichen Gruppierungen wie United Tribuns, Guerilla Nation Vaynakh und Hells Angels MC anschlossen. 11. Wie viele Interpol-Fahndungsersuchen wurden im Jahr 2018 vor der nationalen Umsetzung gemäß § 15 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG) geprüft (bitte entsprechend den Jahren auflisten), und wie viele Fahndungsersuchen beziehen sich auf die Türkei (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/8509 wird verwiesen. 12. Wie viele Interpol-Fahndungsersuchen aus der Türkei wurden 2019 vor der nationalen Umsetzung gemäß § 15 BKAG geprüft (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 18. November 2019 wurden 310 INTERPOL-Personenfahndungsersuchen aus der Türkei vor der nationalen Umsetzung gemäß § 33 BKAG geprüft. 13. Wie viele Fahndungsersuchen der türkischen Behörden hat das Bundeskriminalamt (BKA) als Nationales Zentralbüro für Interpol (§ 3 Absatz 1 BKAG) aus der Türkei im Jahr 2019 erhalten, und wie viele davon waren a) zur Festnahme („Red Notices/Diffusions“) bzw. Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 18. November 2019 sind aus der Türkei 290 INTERPOL-Personenfahndungsersuchen zur Festnahme eingegangen. b) zur Aufenthaltsermittlung („Blue Notices/Diffusions“) (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 18. November 2019 sind aus der Türkei 20 INTERPOL-Personenfahndungsersuchen zur Aufenthaltsermittlung eingegangen . Drucksache 19/16067 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Wie viele Auslieferungsersuchen (Neueingänge) wurden seit 2016 bis dato an die deutschen Behörden gestellt, und wie wurden diese Ersuche beschieden (bitte entsprechend den Jahren mit Bescheid „abgelehnt“ und „erfüllt“ aufschlüsseln; sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben; vgl. Bundestagsdrucksache 19/8509, Antwort zu Frage 26)? Die Zahlen der in den Jahren 2016 und 2017 an die deutschen Behörden gerichteten Auslieferungsersuchen und der im jeweiligen Jahr zum Abschluss gekommenen Verfahren ergeben sich aus der vom Bundesamt für Justiz erstellten und im Bundesanzeiger unter BAnz AT 23.02.2018 B4 bzw. BAnz AT 01.03.2019 B6 veröffentlichten Auslieferungsstatistik. Für die Jahre 2018 und 2019 ist die Auslieferungsstatistik noch nicht abgeschlossen . Mit der Veröffentlichung der Auslieferungsstatistik für das Jahr 2018 ist im ersten Quartal 2020 zu rechnen. Eine vorläufige manuelle Auswertung ist aufgrund der Größe des Datenbestandes nicht möglich. 15. Welches waren die zehn Hauptherkunftsländer, aus denen seit 2016 bis dato Auslieferungsersuchen (Neueingänge) an die deutschen Behörden gestellt wurden (bitte entsprechend den Jahren einschließlich der jeweiligen Anzahl der Auslieferungsersuchen aufschlüsseln)? Die zehn ersuchenden Staaten, die in den Jahren 2016 und 2017 die meisten Auslieferungsersuchen an die deutschen Behörden gestellt haben, ergeben sich aus der vom Bundesamt für Justiz erstellten und im Bundesanzeiger veröffentlichten Auslieferungsstatistik. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 16. Wie viele Auslieferungsersuchen (Neueingänge) hat die Türkei im Jahr 2019 an die deutschen Behörden gestellt (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben), und wie wurden diese Ersuche beschieden (bitte nach „abgelehnt“ und „erfüllt“ aufschlüsseln – vgl. Bundestagsdrucksache 19/8509, Antwort zu Frage 26)? Da die Auslieferungsstatistik für das Jahr 2019 noch nicht abgeschlossen ist, wurden mittels manueller Auswertung folgende vorläufige Zahlen (Stand: 19. November 2019) ermittelt: Im Jahr 2019 sind bislang 67 Auslieferungsersuchen der Türkei eingegangen. Von den im Jahr 2019 eingegangenen Ersuchen wurden 25 Verfahren abgeschlossen . Davon erfolgte in einem Fall eine Bewilligung. In 17 Fällen wurde das Ersuchen abgelehnt und in sieben Fällen erledigte sich das Ersuchen auf andere Weise. 17. Wie viele der seit dem Putschversuch im Juli 2016 im Rahmen der gestellten Auslieferungsersuchen seitens der Türkei eingeleiteten Auslieferungsverfahren sind bis dato nicht zum Abschluss gekommen (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Von den seit dem Putschversuch im Juli 2016 eingegangenen Auslieferungsersuchen sind 97 (Stand: 19. November 2019) bislang nicht zum Abschluss gekommen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16067 18. Wie viele sonstige Rechtshilfeersuchen wurden im Jahr 2019 seitens der Türkei an das Bundesamt für Justiz (BfJ) gestellt (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Im Bundesamt für Justiz sind im Jahr 2019 (Stand: 19. November 2019) 204 Rechtshilfeersuchen der Türkei eingegangen. 19. Wie viele Ersuchen von besonderer Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung wurden dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und dem Auswärtigen Amt zur Prüfung und Entscheidung im Jahr 2019 vorgelegt, und wie viele Fahndungsersuchen beziehen sich auf die Türkei (sofern eine endgültige Auswertung noch nicht erfolgt ist, bitte die vorläufigen Zahlen zum aktuellsten Stichtag angeben)? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. 20. Wie viele deutsche Staatsangehörige befinden sich aktuell wegen politischer Strafvorwürfe wie des Vorwurfs des Terrorverdachts, der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und/oder des Vorwurfs der Verbreitung von Propaganda in der Türkei in Haft, und seit wann befinden sie sich in Haft? Wie viele von ihnen sind sogenannte Doppelstaatler? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Alexander Neu auf Bundestagsdrucksache 19/7986 und die Antwort der Bundesregierung zu Frage 31 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LIN- KE. auf Bundestagsdrucksache 19/8509 wird verwiesen. Nach Kenntnis der Bundesregierung befinden sich derzeit (Stand: 2. Dezember 2019) insgesamt 58 deutsche Staatsangehörige in der Türkei in Haft, davon vierzehn Doppelstaater, darunter dreizehn deutsch-türkische Doppelstaater. Die Bundesregierung hat Kenntnis von dreizehn deutschen Staatsangehörigen, die wegen des Tatvorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in der Türkei inhaftiert sind. Darunter befinden sich vier Doppelstaater, drei mit deutsch-türkischer Staatsangehörigkeit. Die Betroffenen befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit Mai 2011, Mai 2012, März 2014, April 2017, August 2017, September 2017, März 2018, Juni 2018, August 2019, September 2019 (2 Fälle), Oktober 2019 und November 2019 in Haft. Drucksache 19/16067 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 21. Gegen wie viele deutsche Staatsangehörige, die aus politischen Gründen in der Türkei in Haft waren bzw. sind, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung ordentliche Gerichtsverfahren wegen politischer Strafvorwürfe wie des Vorwurfs des Terrorverdachts, der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und/oder des Vorwurfs der Verbreitung von Propaganda in der Türkei eingeleitet? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Alexander Neu auf Bundestagsdrucksache 19/7986 und die Antwort der Bundesregierung zu Frage 31 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/8509 wird verwiesen. Unter der Einleitung eines „ordentlichen Gerichtsverfahrens“ versteht die Bundesregierung die Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind gegen alle 58 derzeit (Stand: 2. Dezember 2019) in der Republik Türkei inhaftierten deutschen Staatsangehörigen ordentliche Strafermittlungsverfahren eingeleitet worden. 22. Wie viele deutsche Staatsangehörige befinden sich aktuell wegen politischer Strafvorwürfe wie des Vorwurfs des Terrorverdachts, der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und/oder des Vorwurfs der Verbreitung von Propaganda in der Türkei in Abschiebehaft, und seit wann befinden sie sich in Abschiebehaft? Der Bundesregierung ist kein Fall im Sinne der Fragestellung bekannt. Die Bundesregierung hat Kenntnis von derzeit (Stand: 2. Dezember 2019) vier deutschen Staatsangehörigen, die sich in der Republik Türkei wegen aufenthaltsrechtlicher Verstöße in Abschiebehaft befinden. 23. Wie viele Fälle von deutschen Staatsangehörigen sind der Bundesregierung derzeit bekannt, die aktuell aufgrund von Ausreisesperren die Türkei nicht verlassen können, und aufgrund welcher Tatvorwürfe wurden die Ausreisesperren verhängt? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Michael Brand auf Bundestagsdrucksache 19/15931 wird verwiesen. 24. Wie vielen deutschen Staatsangehörigen ist nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2019 die Einreise in die Türkei verweigert worden? Nicht alle Fälle von Einreisesperren gegen deutsche Staatsangehörige in der Türkei werden der Bundesregierung zur Kenntnis gebracht. Insofern liegt der Bundesregierung gegebenenfalls keine vollständige Übersicht vor. Der Bundesregierung sind 16 Fälle von Einreiseverweigerung (Stand: 29. November 2019) bekannt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16067 25. Gegen wie viele Personen insgesamt hat die türkische Justiz nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2017 Verfahren gemäß Artikel 299 I des türkischen Strafgesetzbuches (Beleidigung des Staatspräsidenten) eingeleitet (bitte entsprechend den Jahren auflisten; vgl. Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 13)? Offiziellen türkischen Angaben zufolge wurden 2017 insgesamt 6.033 Strafverfahren wegen Beleidigung des Staatspräsidenten gemäß Artikel 299 des türkischen Strafgesetzbuches (tStGB) eingeleitet und über 4.069 Fälle entschieden (davon 2.099 zu Freiheitsstrafe, 873 Freispruch, 1.660 „Aufschub der Urteilsverkündung “ und 518 sonstige Beschlüsse). 2018 wurden insgesamt 5.233 Strafverfahren eingeleitet. Für 2019 liegen keine Zahlen vor. 26. Wie viele Journalisten sind aktuell nach Kenntnis der Bundesregierung wegen politischer Strafvorwürfe wie des Vorwurfs des Terrorverdachts, der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und/oder des Vorwurfs der Verbreitung von Propaganda in der Türkei inhaftiert? Die Bunderegierung verfügt hierzu über keine eigenen Erkenntnisse. Die entsprechenden Zahlen von Nichtregierungsorganisationen variieren stark wegen divergierender Kriterien. 27. Wie vielen Journalisten wurde nach Kenntnis der Bundesregierung 2018 und 2019 in der Türkei die Akkreditierung entzogen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 12)? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine eigenen über öffentliche Erkenntnisse hinausgehende Informationen. 28. Inwieweit lassen sich nach Kenntnis der Bundesregierung auch in den Jahren 2018 und 2019 weiterhin ernsthafte Rückschritte im Justizbereich und eine Schwächung der justiziellen Unabhängigkeit konstatieren (Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 14)? Die Bundesregierung verweist auf die Ausführungen des aktuellen Länderberichts der Europäischen Kommission vom 29. Mai 2019 im Rahmen des jährlichen Erweiterungspaketes, der unter anderem weitere Rückschritte im Justizbereich , auch bei der justiziellen Unabhängigkeit, feststellt. 29. Inwieweit hat die Bundesregierung aktuelle Kenntnisse über weitere geschlossene Medienunternehmen in der Türkei in den Jahren 2018 und 2019 (Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 15)? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine eigenen Erkenntnisse. Die Nichtregierungsorganisation „Article19“ zählt sechs Schließungen 2018 und spricht mit Stand September 2019 von insgesamt mindestens 170 geschlossenen Medienunternehmen. Die Angaben anderer Nichtregierungsorganisationen sind ähnlich. Drucksache 19/16067 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 30. Inwieweit hat die Bundesregierung neue Erkenntnisse zur Verflechtung von Medien und der Regierungspartei AKP, vor dem Hintergrund, dass durch den Verkauf der Dogan-Mediengruppe im Jahr 2018, zu der die bis zum Verkauf auflagenstärksten Tageszeitungen „Hürriyet“ und „Posta“ sowie der quotenstarke Sender „CNN Türk“ gehörten, von einer Kontrolle der türkischen Medien durch regierungsnahe Konzerne von ca. 90 Prozent gesprochen werden kann (Bundestagsdrucksache 19/2871, Antwort zu Frage 16)? Die Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse, die über die vorliegende Antwort hinausgehen. 31. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, dass in der Türkei fast 200 Menschen wegen Kritik in den sozialen Netzwerken am völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in den Norden Syriens (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 2 – 3000 – 116/19) unter dem Vorwurf der „Propaganda für eine Terrororganisation“ festgenommen worden sein sollen (www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.tuerki sche-justiz-medien-hunderte-festnahmen-in-der-tuerkei-wegen-kritik-anoffensive .e06be4a5-a4b2-41dd-af7a-d81a51b68699.html)? Der Bundesregierung sind entsprechende Berichte bekannt. Darüber hinausgehende , eigene Erkenntnisse liegen ihr nicht vor. 32. Wie viele Asylsuchende aus der Türkei sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit August 2019 laut der ab Januar 2017 zur Verfügung stehenden auf Personendaten basierenden Asylgesuch-Statistik in Deutschland neu registriert worden, und wie hoch war die bereinigte Schutzquote in Bezug auf Asylsuchende aus der Türkei in diesen Monaten (bitte entsprechend den Monaten in absoluten und relativen Zahlen angeben; vgl. Bundestagsdrucksache 19/12234, Antwort zu Frage 16)? Im August 2019 verzeichnete die Asylgesuchstatistik 1.143 Asylsuchende mit türkischer Staatsangehörigkeit (September 2019: 1.216, Oktober 2019: 1.049). Die nachfolgende Tabelle weist alle Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu türkischen Asylbewerbern für die Monate August bis Oktober 2019 aus, auch den Anteil der positiven Entscheidungen (Asyl-/Flüchtlingsanerkennung/subsidiärer Schutz/Abschiebungsverbot) an allen Entscheidungen. Mögliche weitere Quoten können ggf. aus den Daten der Tabelle ermittelt werden: davon: Monat/ Jahr Asylentscheidungen des BAMF Anerkennung als Asylberechtigte Anerkennungen als Flüchtling nach § 3 AsylG Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG Feststellung eines Abschiebungsver - bots nach § 60 V/VII AufenthG Anteil der positiven Entscheidungen an allen Entscheidungen Ablehnungen sonstige Verfahrenserle - digungen (Einstellungen , Dublin- Verfahren) Aug 19 893 60 338 9 2 45,8 % 386 98 Sep 19 803 66 308 7 2 47,7 % 342 78 Okt 19 780 53 252 0 1 39,2 % 388 86 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16067 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333