Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Konstantin Kuhle, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/13921 – Beteiligung ausländischer Nachrichtendienste an der Erschießung eines georgischen Staatsbürgers im Kleinen Tiergarten am 23. August 2019 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 23. August 2019 wurde der 40-jährige Tschetschene und georgische Staatsbürger Zelimkhan K. gegen Mittag im Kleinen Tiergarten in Berlin- Moabit mutmaßlich von einem russischen Tatverdächtigen durch zwei Kopfschüsse getötet (vgl. www.tagesspiegel.de/berlin/kopfschuss-mord-in-berlinmoabit -eine-spurensuche-in-sieben-kapiteln/24946156.html, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Der Tatverdächtige sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Mit den Ermittlungen sind gegenwärtig die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Berlin befasst. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sieht sich nach eigenen Angaben solange nicht für zuständig an, wie keine konkreten Anhaltspunkte für die Verwicklung eines ausländischen Nachrichtendienstes in den Mord vorliegen (vgl. www.sueddeutsche.de/politik/mord-im-tiergartenschneller -besuch-im-gefaengnis-1.4623543, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Zelimkhan K. war vermutlich auf dem Weg zum Freitagsgebet. Der Tatverdächtige folgte ihm mit einem Fahrrad und schoss ihm erst in den Rücken und anschließend zweimal in den Kopf. Laut Augenzeugen wirkte die Tat routiniert und geplant. Der Täter floh auf seinem Fahrrad zum Holsteiner Ufer, wo er das Fahrrad sowie die Tatwaffe (Glock 26, Kaliber 9 mit Schalldämpfer) und eine Perücke in einer Plastiktüte in die Spree warf (www.welt.de/print/we lt_kompakt/vermischtes/article202402284/Russische-Blockade.html, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Durch Hinweise zweier Jugendlicher trafen Beamte der Polizei den Tatverdächtigen kurz darauf in einem Gebüsch an. Vadim S. hatte sich umgezogen und einen Elektrotretroller für die weitere Flucht deponiert . Des Weiteren hatte er eine große Menge Bargeld und Paprikapulver bei sich, das dafür verwendet werden kann, Spürhunde von einer Fährte abzubringen (vgl. www.tagesspiegel.de/berlin/kopfschuss-mord-in-berlin-moabit-einespurensuche -in-sieben-kapiteln/24946156.html, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Ermittlungen zur Tatwaffe ergaben, dass diese vor dem Fall des Eisernen Vorhanges von Österreich nach Estland verkauft wurde und sie dem Verdächtigen vermutlich auf dem Weg von Warschau nach Berlin übergeben wurde (vgl. www.sueddeutsche.de/politik/mord-im-tiergarten-schneller-besuch-im -gefaengnis-1.4623543, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16160 19. Wahlperiode 20.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher schutz vom 19. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Aufgrund verschiedener Aspekte besteht der Verdacht, dass staatliche russische Stellen in den Mord verwickelt sein könnten (vgl. www.spiegel.de/poli tik/deutschland/mord-im-tiergarten-hinweise-auf-hinrichtung-durch-geheim dienst-verdichten-sich-a-1288886.html, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Auch liegen den Ermittlungsbehörden bisher keinerlei Hinweise auf ein persönliches Motiv oder organisierte Kriminalität vor. Der festgenommene Tatverdächtige , Vadim S., ist russischer Staatsangehöriger. Allerdings bestehen Zweifel an der Echtheit seiner Identität. Nach Presseberichten liegt im russischen Reisepasssystem kein Pass mit diesen Personalien vor. Hinzu kommt, dass der Pass des Verdächtigen von einer Abteilung des russischen Innenministeriums ausgestellt wurde, die zuvor Identitäten für Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU schuf und auch die Dokumente für den mutmaßlichen Skripal-Attentäter ausgestellt haben soll. Darauf sollen auch Sperrvermerke in der nationalen Datenbank für russische Ausweispapiere hindeuten (www.sueddeutsche.de/politik/mord-im-tiergarten-schneller-besuch-im-gefaen gnis-1.4623543, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Der Festgenommene reiste von Russland über Paris und Warschau nach Berlin und hatte nach der Tat eine direkte Rückkehr nach Russland geplant (www.welt.de/print/welt_kompakt/ve rmischtes/article202402284/Russische-Blockade.html, letzter Abruf 30. Oktober 2019). Der Tatverdächtige erhielt zudem kurz nach der Tat Besuch von zwei russischen Diplomaten, diese sollen sich ausführlich mit dem Verdächtigen unterhalten haben. Das Gespräch soll auf Russisch und ohne Aufsicht stattgefunden haben (vgl. www.sueddeutsche.de/politik/mord-im-tiergarten-sc hneller-besuch-im-gefaengnis-1.4623543, letzter Abruf 30. Oktober 2019). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) hat am 4. Dezember 2019) die Ermittlungen wegen des Mordes des am 23. August 2019 in Berlin getöteten georgischen Staatsangehörigen Selimchan Ch. (auch als Tornike K. bekannt) übernommen. Danach bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Tötung von Selimchan Ch. entweder im Auftrag von staatlichen Stellen der Russischen Föderation oder solchen der Tschetschenischen Republik als Teil der Russischen Föderation erfolgt ist. Im Hinblick auf diesen mutmaßlichen politischen Hintergrund der Tat wurde die Schwelle zum Anfangsverdacht nunmehr überschritten, nachdem sich die neuesten Ermittlungsergebnisse mit den bislang vorliegenden Indizien zu einem Gesamtbild zusammengefügt haben. Vor diesem Hintergrund handelt es sich um eine staatsschutzspezifische Tat von besonderer Bedeutung (§ 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b des Gerichtsverfassungsgesetzes ). Es besteht nach wie vor dringender Tatverdacht gegen den russischen Staatsangehörigen Wadim K. alias Wadim S., der am 23. August 2019 kurze Zeit nach dem Attentat auf Selimchan Ch. festgenommen worden war. Das Amtsgericht Tiergarten hat am 24. August 2019 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin Haftbefehl gegen den Beschuldigten unter seinen Aliaspersonalien Wadim S. erlassen. Drucksache 19/16160 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Aufenthaltsstatus des Tatverdächtigen Vadim S. vor? Reiste Vadim S. mit einem Visum in den Schengenraum ein? Wo wurde dieses Visum erteilt? Wurde der hierfür vorgelegte Pass bereits zuvor für Reisen in den Schengenraum oder in andere Staaten genutzt? Der Tatverdächtige reiste den bisherigen Ermittlungen zufolge mit einem von den französischen Behörden ausgestellten 90-Tages-Visum für die Schengen- Staaten am 17. August 2019 in den Schengen-Raum ein. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu vorherigen Reisen mit dem vorgelegten Pass vor.  2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Aufenthaltsstatus des Opfers Zelimkhan K. vor? Welchen Schutzstatus genoss das Opfer? Welche Erwägungen führten zu einem möglichen Versagen eines Schutzstatus ? Der parlamentarische Informationsanspruch ist grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Bundesregierung ist jedoch nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Beantwortung der Frage aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere zum Schutze und zur Wahrung der Grundrechte des Opfers (postmortaler Persönlichkeitsschutz ). Die Antwort auf diese Frage ist daher als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und wird dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.*  3. Zu welchen Zeitpunkten sind nach Kenntnis der Bundesregierung Tatverdächtiger und Opfer in die Bundesrepublik Deutschland eingereist? Wo haben sich Tatverdächtiger und Opfer in Deutschland jeweils aufgehalten ? Der Beschuldigte reiste nach bisherigen Erkenntnissen am 22. August 2019 in das Bundesgebiet ein. Die Art des Transportmittels und der konkrete Reiseweg sowie sein Aufenthalt bis zum Tatzeitpunkt sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen . Das Tatopfer reiste nach eigenen im Asylverfahren gemachten Angaben Ende 2016 in das Bundesgebiet ein und hielt sich im Zeitraum vor der Tat zunächst in Brandenburg und anschließend in Berlin auf. * Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16160  4. Hat das Opfer gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Angaben zu einer möglichen Bedrohungslage in Deutschland gemacht? Welche Maßnahmen wurden in der Folge eingeleitet? Stand das Opfer unter polizeilichem Schutz? Hatte das Opfer polizeilichen Schutz erbeten? Welche Erwägungen führten zu einem möglichen Versagen des Schutzes ? Der parlamentarische Informationsanspruch ist grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Bundesregierung ist jedoch nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Beantwortung der ersten Teilfrage aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere zum Schutze und zur Wahrung der Grundrechte des Opfers (postmortaler Persönlichkeitsschutz). Die Antwort auf die genannte Teilfrage ist daher als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft und wird dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.* Zu den übrigen Teilfragen weist die Bundesregierung darauf hin, dass Maßnahmen der Gefahrenabwehr, auch im Hinblick auf etwaige für erforderlich erachtete polizeiliche Schutzmaßnahmen, grundsätzlich Angelegenheit der Länder sind. Die für den wechselnden Aufenthaltsort von Selimchan Ch. zuständig gewesenen Länder Brandenburg bzw. Berlin wurden Anfang 2017 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz umfassend über die vorliegenden Erkenntnisse zu seiner Person und dessen möglicher Gefährdung unterrichtet. Zur Frage nach konkreten Schutzmaßnahmen durch die genannten Bundesländer – auch im Hinblick auf die Entscheidung über die Notwendigkeit solcher Maßnahmen – nimmt die Bundesregierung keine Stellung, da diese nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes in die Länderzuständigkeit fallen.  5. Welche polizeilichen Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Folge des Mordes zum Schutz der Familie von Zelimkhan K. ergriffen, die sich noch in Deutschland aufhält? Welchen Aufenthaltsstatus haben die Familienmitglieder? Polizeiliche Schutzmaßnahmen fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung nimmt daher keine Stellung zu etwaigen Schutzmaßnahmen durch das betreffende Bundesland, nicht zuletzt auch, um polizeiliche Schutzzwecke nicht zu unterlaufen. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Der parlamentarische Informationsanspruch ist grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Bundesregierung ist jedoch nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Beantwortung der zweiten Teilfrage aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht offen erfolgen kann. Dies gilt insbesondere zum Schutze und zur Wahrung der Grundrechte von Selimchan Ch. (postmortaler Persönlichkeitsschutz) und seiner Familienmitglieder. Sie wird als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.* * Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 19/16160 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  6. Welche Details über die Tatwaffe sind der Bundesregierung bekannt? Wo wurde die Tatwaffe produziert und montiert? An wen wurde die Tatwaffe verkauft? Sind Waffenteile seit der Montage im Werk ausgetauscht worden? Welche Daten sind insoweit im Nationalen Waffenregister vermerkt? Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine in Österreich hergestellte Pistole „Glock 26“, deren Lauf ausgetauscht wurde, um den Einsatz eines Schalldämpfers zu ermöglichen. Darüber hinaus verwendete der Täter das Magazin einer „Glock 19“, das im Gegensatz zu dem bis zu 10 Patronen aufnehmenden Magazin der „Glock 26“ bis zu 15 Patronen fasst. Die Tatwaffe ist nicht im Nationalen Waffenregister der Bundesrepublik Deutschland erfasst. Weitere Angaben zur Tatwaffe und insbesondere zur Feststellung des Verkaufsweges und zur Ausführung der an der Tatwaffe vorgenommenen Modifikationen können wegen der Gefährdung der andauernden Ermittlungen nicht gemacht werden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter das berechtigte Geheimhaltungsinteresse zurück. Eine weitergehende Auskunft, die Ermittlungen betrifft, wäre geeignet, erforderlich werdende weitergehende Ermittlungsmaßnahmen zu erschweren oder gar zu vereiteln. Deshalb folgt hier aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dass das betroffene Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Vorrang vor dem Informationsinteresse hat.  7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Ablauf der Tat vor? Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über ein beabsichtigtes Fluchtverhalten des Tatverdächtigen vor? Hatte der Tatverdächtige eine Flucht aus Deutschland mit bestimmten Verkehrsmitteln geplant oder insoweit Vorbereitungen getroffen? Welche Details über den als Fluchtfahrzeug vorgesehenen Elektrotretroller des Tatverdächtigen sind der Bundesregierung bekannt? a) Wo wurde der Elektrotretroller produziert? Um welche Marke und welches Fabrikat handelt es sich dabei? b) Ist dieser in der vorgefundenen Ausstattung frei erhältlich? Wurden Modifikationen an dem Elektroroller vorgenommen? c) War der Elektroroller in seinem technischen Zustand für Passanten frei verwendbar oder nur durch den Tatverdächtigen? d) Wer hat den Elektroroller nach Kenntnis der Bundesregierung nach Deutschland importiert, und wie kann dieser in den Besitz des Tatverdächtigen gelangt sein? Die Fragen 7 bis 7d werden gemeinsam beantwortet. Hinsichtlich des Tatablaufs wird auf den Inhalt der Pressemitteilung des GBA vom 4. Dezember 2019 (www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?news id=862) verwiesen. Weitere Einzelheiten zum Tatablauf sowie Fragen zu Details des Elektrorollers können wegen der andauernden Ermittlungen zu seiner Herkunft nicht beantwortet werden. Dies gilt auch für den weiteren geplanten Fluchtweg des Beschuldigten. Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 6 Bezug genommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16160  8. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Kontakte des Tatverdächtigen in Deutschland vor? Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Opfer in Deutschland beobachtet wurde? Kontakte des Tatverdächtigen in Deutschland sind ebenso wie eine mögliche Beobachtung des Tatopfers in Deutschland Gegenstand laufender Ermittlungen. Fragen hierzu können wegen der Gefährdung des Ermittlungsziels nicht beantwortet werden. Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 6 Bezug genommen .  9. Welche Erkenntnisse haben insbesondere polnische Ermittler nach Kenntnis der Bundesregierung beigesteuert? Ist der Bundesregierung bekannt, ob der Tatverdächtige in Polen in einem Hotelzimmer übernachtet hat? Sind in diesem Hotelzimmer nach Kenntnis der Bundesregierung Gegenstände gefunden worden, die im Zusammenhang mit der Tat stehen könnten? Ist eine Chipkarte gefunden worden? Die Fragen sind Gegenstand laufender Ermittlungen und können ohne Gefährdung des Ermittlungsziels nicht beantwortet werden. Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 6 Bezug genommen. 10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über einen Besuch russischer Diplomaten bei dem inhaftierten Tatverdächtigen vor? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde der Tatverdächtige kurz nach seiner Verhaftung von Mitarbeitern der russischen Botschaft aufgesucht. 11. Welche Erkenntnisse zur Identität des Tatverdächtigen, zur Herkunft seines Passes und zu möglichen Hintergründen der Tat sind den Ermittlungsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung von staatlicher russischer Seite mitgeteilt worden? Welche Anstrengungen werden von russischer Seite unternommen, um die Tat aufzuklären? 12. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um von russischer Seite eine Mithilfe bei der Aufklärung der Tat zu erreichen? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Deutsche Behörden (Bundeskriminalamt, Bundesamt für Justiz, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Auswärtiges Amt, Bundeskanzleramt ) haben seit Ende August zahlreiche Anfragen zum Tötungsdelikt im Kleinen Tiergarten an russische Stellen gerichtet, unter anderem an das russische Innenministerium, das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation, die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, die Russische Botschaft in Berlin, den Föderalen Dienst für Sicherheit (FSB), den Dienst der Außenaufklärung (SWR), die Hauptverwaltung für Aufklärung (GRU) und die Präsidialadministration der Russischen Föderation. Ferner hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amts gegenüber dem russischen Botschafter am 20. November 2019 in einem Gespräch im Auswärtigen Amt die Erwartung der Bundesregierung zur Mitwirkung an der Aufklärung formuliert. Die russische Seite hat un- Drucksache 19/16160 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode geachtet dieser Bemühungen die Aufforderung der Bundesregierung zur Mitwirkung bei der Aufklärung in den vorangegangenen Monaten schleppend gehandhabt . Zuletzt hat die Bundeskanzlerin das Thema bei ihrem bilateralen Treffen mit dem russischen Präsidenten am 9. Dezember 2019 in Paris angesprochen und die russische Seite zur Kooperation aufgefordert. Im Übrigen hat das Bundesamt für Justiz am 6. Dezember 2019 und am 10. Dezember 2019 jeweils ein justizielles Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Berlin an die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation übermittelt. Bezogen auf den nachrichtendienstlichen Informationsaustausch ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Fragen 11 und 12 aus Gründen des Staatswohls nicht beantwortet werden können . Sie betreffen Belange, die der sogenannten „Third-Party-Rule“ unterfallen. Die Bedeutung der „Third-Party-Rule“ für die internationale nachrichtendienstliche Zusammenarbeit hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss 2 BvE 2/15 vom 13. Oktober 2016 gewürdigt. Die „Third-Party-Rule“ betrifft den internationalen Austausch von Informationen der Nachrichtendienste. Diese Informationen sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie sicherheitsrelevante Erkenntnisse enthalten, die unter Maßgabe der vertraulichen Behandlung von ausländischen Nachrichtendiensten an das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst weitergeleitet wurden. Eine Bekanntgabe dieser Information kann einen Nachteil für das Wohl des Bundes bedeuten, da durch die Missachtung einer zugesagten und vorausgesetzten Vertraulichkeit die künftige Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste des Bundes einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden, zumal mit Nachrichtendiensten anderer Staaten, erschwert würden. Die notwendige Abwägung zwischen dem Staatswohl, das hier ein Geheimhaltungsinteresse beinhaltet , einerseits und dem grundsätzlich umfassenden parlamentarischen Fragerecht andererseits ergibt daher, dass auch eine eingestufte Übermittlung der Information an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages vorliegend nicht in Betracht kommt. 13. Welche diplomatischen Maßnahmen wurden von Seiten der Bundesregierung eingeleitet, um auf eine mögliche Verwicklung russischer staatlicher Stellen in die Tat zu reagieren? Wurde der russische Botschafter einbestellt? Wurden Diplomaten des Landes verwiesen? Falls nicht, warum nicht? Am 4. Dezember 2019 hat das Auswärtige Amt gemäß Artikel 9 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (WÜD) zwei Mitarbeiter der Russischen Botschaft Berlin mit sofortiger Wirkung zu personae non gratae erklärt. Deutsche Behörden hatten russische Behörden zuvor wiederholt zur Mithilfe bei den Ermittlungen und zur Offenlegung ihrer Erkenntnisse über die Identität des Tatverdächtigen aufgefordert (vgl. die Antworten auf Fragen 11 und 12). Des Weiteren wird auf die Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes vom 4. Dezember 2019 verwiesen (vgl. www.auswaertiges-am t.de/de/newsroom/russland-personae-non-gratae/2284554). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16160 14. Welche Voraussetzungen sieht der Generalbundeanwalt nicht erfüllt, die nötig wären, um die Ermittlungen in diesem Fall zu übernehmen? Wurde eine Übernahme der Ermittlungen von Seite der Staatsanwaltschaft Berlin an den Generalbundesanwalt herangetragen? Beabsichtigt der Generalbundesanwalt, die Ermittlungen zu übernehmen, wenn weitere Erkenntnisse zu den Hintergründen der Tat bekannt werden ? Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin wurde am 4. Dezember 2019 durch den GBA übernommen. Die Prüfung der Zuständigkeit des GBA erfolgte aufgrund der von den Berliner Ermittlungsbehörden am 3. Dezember 2019 vorgelegten Akten, aus denen die für die Prüfung der Zuständigkeit des GBA relevanten Tatsachen hervorgingen. Zu der StA Berlin, den zuständigen Ermittlern der 7. Mordkommission des Landeskriminalamts Berlin und dem Bundeskriminalamt bestand von Seiten des GBA während des Ermittlungsverfahrens aufgrund des am 26. August 2019 eingeleiteten Prüfvorgangs stets ein enger Kontakt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung Bezug genommen . Drucksache 19/16160 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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