Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/15332 – Erkenntnisse und Konsequenzen der Bundesregierung zum antisemitischen und rechtsterroristischen Anschlag in Halle V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 9. Oktober 2019 hat der aus antisemitischen und rassistischen Motiven handelnde Rechtsextremist S. B. in Halle (Saale) (www.zeit.de/gesellschaft/ze itgeschehen/2019-10/halle-attentaeter-gesteht-anschlag-und-rechtsextremisti sches-motiv) versucht, mit Waffengewalt in eine Synagoge einzudringen mit dem Ziel, möglichst viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu töten, die sich an Jom Kippur in der Synagoge versammelt hatten. Mehr als 50 Menschen hatten sich zu dem Zeitpunkt in dem Gotteshaus aufgehalten, um den höchsten jüdischen Feiertag zu begehen. Als dieser Plan – nur um Haaresbreite und aufgrund der guten Eigensicherung der Synagoge – scheiterte, hat er eine Passantin und den Gast eines Döner-Imbisses getötet und weitere schwer verletzt (www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-10/schuesse-hal le-tote-synagoge-sachsen-anhalt). Im Nachgang der Tat wurde das Sicherheitskonzept der Polizei vor Ort kritisiert . Die Synagoge wurde auch an einem hohen Feiertag wie Jom Kippur lediglich bestreift, einen Polizeischutz vor der Synagoge gab es nicht (www.ze it.de/politik/deutschland/2019-10/einsatzkraefte-halle-polzeiarbeit-anschlag-sy nagoge-holger-stahlknecht/komplettansicht; www.sueddeutsche.de/politik/syn agoge-halle-angriff-1.4634616). Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den geständigen Tatverdächtigen wegen zweifachen Mordes sowie versuchten Mordes in neun Fällen. Die Tat wurde durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) als Terrorakt eingestuft. Datum, Ziel und die antisemitischen Motive der Tat hatte S. B. zuvor im Internet bekanntgegeben. So veröffentlichte er bereits vor der Tat ein Bekennerschreiben in englischer Sprache im Internet, möglicherweise um hiermit besonders viele Personen zu erreichen. Darin führte er seine antisemitischen und rechtsextremen Motive und seinen Glauben an die antisemitische Vorstellung einer „jüdischen Weltverschwörung“ aus. Die Ausführung der Tat übertrug er per Helmkamera live auf einer Internet-Streamingplattform. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16163 19. Wahlperiode 19.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 17. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. S. B. führte eine erhebliche Anzahl Waffen und Sprengsätze mit sich, die nach Presseberichten bis auf eine mittels eines computergesteuerten Fräsgerätes selbstgebaut waren (vgl. www.spiegel.de/panorama/justiz/anschlag-in-halle-sa ale-bis-auf-eine-waffe-waren-alle-selbstgebaut-a-1291268.html). Auch wenn S. B. die Tat allein durchführte, sieht ihn beispielsweise der Rechtsextremismusexperte Mathias Quent als „Teil eines virtuellen Netzwerks “ (vgl. www.spiegel.de/panorama/justiz/halle-saale-anschlag-auf-synago ge-einzeltaeter-sind-nicht-allein-a-1290818.html). Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hat sich am 16. Oktober 2019 mit der Tat und den Hintergründen beschäftigt. Anwesend waren dabei auch der Generalbundesanwalt, das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundespolizei (jeweils vertreten durch die Behördenleiter ). Nach Einschätzung der fragenstellenden Fraktion hat die Sitzung wesentliche Fragen unbeantwortet gelassen. Sie hat zudem gezeigt, dass weiterhin erheblicher Handlungsbedarf seitens der Bundesregierung mit Blick auf die Arbeit der Sicherheitsbehörden im Bereich Rechtsterrorismus und bei der Rechtsextremismusprävention besteht. Einige Maßnahmen hat die Bundesregierung in einem Maßnahmenpaket angekündigt. Diese Ankündigungen sind jedoch nach Auffassung der Fragesteller nicht ausreichend und werfen zudem Fragen hinsichtlich der geplanten Umsetzung auf. 1. Welche Parallelen sieht die Bundesregierung in dem Anschlag auf die Synagoge in Halle zu den Taten in Christchurch 2019, München 2016 und Utøya 2011 insbesondere hinsichtlich der Tatdurchführung, der vom Täter rezipierten und vertretenen Ideologie, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus? a) Welche Bezugnahmen finden sich in dem vom Täter in Halle veröffentlichten Dokument, insbesondere auf andere schwere bzw. schwerste Straftaten? Die Fragen 1 und 1a werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Bei der Tatbegehung sind Parallelen zum Anschlag von Christchurch vom 15. März 2019 und dem Anschlag in El Paso vom 3. August 2019 auszumachen . Der Aufbau des von B. veröffentlichten Dokuments sowie dessen Feindbilddefinition und ideologisch-programmatischer Inhalt weisen Parallelen zu den Schriften, die im Rahmen der Taten von Utøya, El Paso und Christchurch veröffentlicht wurden, auf. Die Ausführungen des Tatverdächtigen B. sind allerdings rudimentärerer Natur. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den angerissenen Inhalten und ein ausgearbeitetes ideologisches Fundament sind nicht erkennbar. Parallelen finden sich weiterhin in den Bereichen Fokussierung auf Waffen und deren detaillierte Beschreibung, ausgeprägte Misogynie sowie Anleihen aus der Gaming-Szene. Parallelen zum Attentäter von München sind nicht vorhanden. Die Tat in Halle kann als Beispiel für eine globalisierte Form des Antisemitismus , des Rechtsterrorismus und eines digitalisierten internationalen Ideologietransfers angesehen werden. Die Bundesregierung setzt sich mit verschiedensten repressiven, präventiven und gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Hass und Hetze im Internet ein. Konkreter gesetzlicher Änderungsbedarf ist im Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität adressiert (Beschluss der Bundesregierung vom 30. Oktober 2019, abrufbar unter: www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2019 /massnahmenpaket-bekaempfung-rechts-und-hasskrim.pdf?__blob=publication File&v=5). Die Bundesregierung setzt auch auf den internationalen Austausch Drucksache 19/16163 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode und die internationale Zusammenarbeit sowohl mit anderen Staaten als auch mit den Telemediendiensteanbietern. b) Welche Rolle spielt die Vorstellung einer sogenannten Überfremdung bzw. die Verschwörungstheorie eines vermeintlichen „Bevölkerungsaustauschs “ in der Ideologie des Täters von Halle, und welche weiteren politischen Kreise argumentieren mit demselben Muster? Der Täter von Halle bezeichnet in den von ihm im Internet veröffentlichten Dokumenten Juden als Ursprung allen Übels, wobei er auch eine vermeintliche Massenmigration muslimischer Migranten als Übel ansieht. Die Verschwörungstheorie vom „großen Austausch“ beinhaltet die Vorstellung, dass die weiße Mehrheitsbevölkerung durch nichtweiße bzw. muslimische Einwanderer ersetzt werden soll und entsprechende Migrationsbewegungen von Juden gesteuert werden. Diese Verschwörungstheorie wird z. B. von der neurechten Szene in Deutschland und der amerikanischen Alt-Right-Bewegung verbreitet. c) Welche Rolle spielen antisemitische Ideologien und Verschwörungstheorien in den Bekennerschreiben bzw. Manifesten der Täter? In dem im Internet veröffentlichten Dokument des Attentäters von Halle spielen antisemitische Ideologien und Verschwörungstheorien eine tragende Rolle. B. nennt wiederholt die Tötung von Juden als Ziel seiner Tat und nimmt dabei Bezug auf anti-jüdische Verschwörungstheorien. Auf die Antworten zu den Fragen 1a und 1b wird verwiesen. In den Bekennerschreiben bzw. Manifesten der Täter von Utoya, München und Christchurch spielen antisemitische Ideologien und Verschwörungstheorien keine explizite Rolle. In den Ausführungen von Breivik, „2083 – A European Declaration of Independence” werden drei dominante ideologische Komponenten benannt: die vermeintliche Gefahr durch Multikulturalismus und Kulturmarxismus , die vermeintliche Gefahr durch den Islam und eine vermeintliche Gefahr durch Feminismus. Die schriftliche Erklärung des Täters von Christchurch , „The Great Replacement“, beinhaltet rassistische und völkische Ideologeme neben ethnopluralistischen Ausführungen und islamfeindlichen Gedanken . In seiner Begründung des Tatmotivs bezeichnet er sich selbst als „rechts“ aber auch als „links“ sowie als Rassist und Faschist, dabei sei er aber kein Neonazi , Antisemit oder islamophob. Die lose Schriftensammlung des Täters von München umfasst eine diffuse rassistische Feinbilddefinition, begründet mit in seiner Kindheit erfahrenem Mobbing. 2. Wie bewertet die Bundesregierung im Kontext der Tat von Halle die Eigenproduktion von Waffen, und inwiefern sieht sie gesetzgeberischen Handlungsbedarf? a) Welche Bedeutung misst die Bundesregierung zudem den technischen Möglichkeiten bei, mit Hilfe einer Druckvorlage (Datei) und einem 3D-Drucker ohne hohe Kosten sehr präzise Teile herzustellen können, und b) welche Relevanz kann dies insbesondere in Verbindung mit neuen frei verkäuflichen oder gebrauchten Waffenteilen haben, die beispielsweise aus einer unzureichend deaktivierten Schusswaffe stammen oder illegal importiert sein können? Waffenrechtlich betrachtet stellen auch Schusswaffen, deren Einzelteile auf einem 3D-Drucker gefertigt wurden, Gegenstände im Sinne der Anlage 1 zum Waffengesetz (WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 1.1 dar. Sie sind damit Schusswaffen nach der waffenrechtlichen Begriffsbestimmung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16163 Für den Umgang mit Schusswaffen bedarf es grundsätzlich einer Erlaubnis. Der Ausdruck einer einsatzfähigen Schusswaffe oder der hierfür benötigten Teile mit einem 3D-Drucker ist eine gewerbsmäßige Waffenherstellung nach den §§ 21 bzw. 21a WaffG oder eine nichtgewerbsmäßige Waffenherstellung nach § 26 WaffG, für die jeweils eine Waffenherstellungserlaubnis erforderlich ist. Dies gilt ebenso, wenn auf einem 3D-Drucker hergestellte Waffenteile mit frei verkäuflichen oder gebrauchten Waffenteilen, unabhängig von deren Herkunft , kombiniert oder zusammengebaut werden. Für die gewerbsmäßige Waffenherstellung ohne Erlaubnis kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verhängt werden (§ 52 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c WaffG), für die nichtgewerbsmäßige Waffenherstellung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (§ 52 Absatz 3 Nummer 3 WaffG). Aus waffenrechtlicher Sicht bestehen damit ausreichende rechtliche Regelungen. 3. Inwiefern beobachtet die Bundesregierung Webseiten und Downloadangebote für Waffenbau-Vorlagen für 3D-Drucker, und wenn ja, durch welche Behörden? Es erfolgt keine systematische Beobachtung von Webseiten und Downloadangeboten für Waffenbauvorlagen für 3D-Drucker durch die Bundesregierung. Anlassbezogen werden jedoch derartige Webseiten durch die Bundessicherheitsbehörden im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Aufgabenerfüllung gesichtet und ausgewertet. 4. Inwiefern ist bekannt, ob der Täter in Halle versucht hat, eine waffenrechtliche Erlaubnis zu erlangen, und wenn ja, auf welchem Wege? Aus den Ermittlungen des Generalbundesanwalts haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschuldigte B. versucht hat, eine waffenrechtliche Erlaubnis zu erlangen. 5. Welche Erkenntnisse gibt es zu Baujahr, Herkunft, Vorbesitzer, Kaliber und Munition der nicht selbst hergestellten Waffe des Täters? Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA) gegen B. erwarb dieser im Mai 2015 bei einem gewerblichen Waffenhändler über das Internet den Nachbau eines historischen Gewehrs. Dabei handelt es sich um eine einläufige Einzelladerwaffe mit Zündhütchenzündung (Perkussionswaffe), Kaliber .50 (12,7 mm). Deren Erwerb ist für Personen ab einem Alter von 18 Jahren erlaubnisfrei. Die Munition für dieses Gewehr hat B. selbst hergestellt. 6. Wie ist der Erkenntnisstand zu den weiteren bei dem Täter gefundenen Waffen und der beim Täter gefundenen Munition? Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen des GBA hat B. insgesamt sieben weitere Waffen selbst hergestellt. Die Waffen haben drei verschiedene Kaliber (9 mm Luger, .38 Special und Flintenkaliber 12). Drei dieser Waffen wurden von B. bei den Taten verwendet. Die Munition für diese Waffen wurde von ihm ebenfalls selbst hergestellt. Drucksache 19/16163 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Über welche Informationen bzw. Handbücher zum Bau von Waffen und Sprengvorrichtungen verfügte S. B. nach Kenntnis der Bundesregierung? Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen des GBA hatte B. Kenntnis von verschiedenen frei im Internet verfügbaren Anleitungen zum Bau von Waffen und Sprengvorrichtungen. 8. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Frage möglicher Netzwerkstrukturen unterhalb der juristischen Schwelle einer strafbaren Beteiligung (insbesondere im Sinne von Anstiftung und Beihilfe) zu, und inwiefern sieht die Bundesregierung Grund zu der Annahme, dass gerade die Beschränkung auf diese nicht strafbare Unterstützung im Fall gewaltbereiter rechter Täter ein bewusst eingesetztes Mittel ist, um die staatliche Aufklärung bzw. Gefahrenabwehr zu erschweren? Im Vorfeld von terroristischer Gewalt hat die Bundesregierung der Frage möglicher Netzwerkstrukturen und der juristischen Schwelle einer strafbaren Beteiligung bereits besondere Bedeutung beigemessen: Mit den § 89a des Strafgesetzbuchs (StGB – Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) wurden auf Initiative der Bundesregierung durch das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2437 (in Kraft getreten am 3. August 2009), Straftatbestände eingeführt, die eine Vorbereitung von terroristischen Gewalttaten bereits im Vorfeld geplanter Anschläge erfassen sollen. Eine „Vorverlagerung“ der strafrechtlichen Verantwortung besteht ferner in § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen); hier soll die Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes wegen der besonderen Gefährlichkeit solcher Vereinigungen letztlich die Begehung der im Katalog des § 129a StGB genannten Straftaten verhindern. Über diese Spezialnormierungen hinaus besteht mit § 30 StGB eine weitreichende Regelung, nach der der Versuch der Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Absatz 1 StGB), das Sich-Bereit-Erklären zu einem Verbrechen (§ 30 Absatz 2, erster Fall StGB), die Annahme eines Erbietens zu einem Verbrechen (§ 30 Absatz 2, zweiter Fall StGB) und die Verbrechensverabredung (§ 30 Absatz 2, dritter Fall StGB) aufgrund der Gefährlichkeit des konspirativen Zusammenwirkens von Beteiligten bereits vor Eintritt in das Versuchsstadium unter Strafe gestellt wird. Die Regelung bezieht sich auf die Vorbereitung aller Verbrechen (§ 12 Absatz 1 StGB), also beispielsweise schwere Körperverletzung (§ 226 StGB), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Mord (§ 211 StGB). Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode sieht zudem vor, dort, wo „Strafbarkeitslücken bestehen, […] eine Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infrastrukturen ein[zu]führen, um speziell im Internet eine Ahndung von Delikten wie z. B. das Betreiben eines Darknet-Handelsplatzes für kriminelle Waren und Dienstleistungen einzuführen“. Die Umsetzung dieses Auftrags ist im Gange. Im Rahmen des von der Bundesregierung am 30. Oktober 2019 beschlossenen Maßnahmenpakets zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität wird außerdem eine weitere Ausweitung der strafrechtlichen Regelungen mit Bezug zur Hasskriminalität geprüft. Zudem ist die Frage nach „Netzwerken“ von Rechtsextremisten u. a. in (Sicherheits-)Behörden und in der Bundeswehr ein wichtiges Bearbeitungsfeld der Verfassungsschutzbehörden. Vernetzungsbestrebungen im Rechtsextremis- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16163 mus sind evident innerhalb der Musikszene, in subkulturellen Misch-Szenen (Hooligans/Rocker), in der Kooperation mit ausländischen Rechtsextremisten, aber auch bei sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen. Die frühzeitige Aufdeckung relevanter und gefährlicher rechtsextremistischer Vernetzung ist Kern- und Daueraufgabe der Verfassungsschutzbehörden, welcher mit hoher Priorität nachgegangen wird. Hinweise darauf, dass Netzwerkstrukturen unterhalb der juristischen Schwelle einer Strafbarkeit ein bewusst durch Rechtsextremisten eingesetztes Mittel ist, um die staatliche Aufklärung bzw. Gefahrenabwehr zu erschweren, liegen nicht vor. 9. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über Kontakte des Täters zu regionalen und überregionalen rechtsextremen Kreisen, beispielsweise, aber nicht ausschließlich zu der Identitären Bewegung und der sog. Kontrakultur in Halle vor? Aus den bisherigen Ermittlungen des GBA gegen den Beschuldigten B. haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dieser Kontakte zu regionalen und überregionalen rechtsextremen Kreisen unterhielt. 10. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über Kontakte des Täters zu internationalen rechtsextremen Personen oder Kreisen vor? Aus den bisherigen Ermittlungen des GBA gegen den Beschuldigten B. haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dieser Kontakte zu internationalen rechtsextremen Personen oder Kreisen unterhielt. 11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über ein mögliches Telefonat des Täters während der Tat und den bzw. die Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin bzw. Gesprächspartnerinnen? Die bisherigen Ermittlungen des Generalbundesanwalts haben keine Hinweise auf ein mögliches Telefonat von B. während der Tat erbracht. 12. Wie ist die aktuelle Erkenntnislage über eine mögliche Zahlung an den Täter in Bitcoin und die Herkunft dieser Zahlung? Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen des GBA erhielt der Beschuldigte B. eigenen Angaben zufolge im Jahr 2015 oder zuvor über das Internet eine Zuwendung in Höhe von 0,1 Bitcoins von einer unbekannten Person. Weitergehende Erkenntnisse liegen dazu nicht vor. 13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche sonstige Geldgeberinnen oder Geldgeber des Täters? Erkenntnisse über mögliche sonstige Geldgeberinnen oder Geldgeber an B. liegen der Bundesregierung nicht vor. Der Beschuldigte erhielt nach den bisherigen Ermittlungen lediglich finanzielle und sonstige materielle Unterstützung bei der allgemeinen Lebensführung durch seine Eltern. Drucksache 19/16163 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Inwiefern kann ausgeschlossen werden, dass deutsche Sicherheitsbehörden über verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler, Quellen (im umfassenden Sinne) o. Ä. vor dem Anschlag Kenntnisse über die Person des Täters in Halle hatten? Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung der Auffassung, dass eine Beantwortung aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen kann. Eine Beantwortung dieser Frage würde mittelbar bestätigen, ob es im Umfeld des Täters verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA), Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte, V-Personen und Informanten der Sicherheitsbehörden gab oder nicht. Nach Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste – einschließlich der daraus resultierenden Beeinträchtigungen für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland – und der möglichen Gefährdung von V-Personen kommt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass auch eine Beantwortung dieser Frage unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Die Auskunft kann auch dann nicht gegeben werden, wenn es im Umfeld keine Quelle gab, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte. Diese möglichen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und den Quelleneinsatz der Nachrichtendienste würden deren Funktionsfähigkeit derart beeinträchtigen, dass auch ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens nicht hingenommen werden kann. 15. Gab es nach Erkenntnis der Bundesregierung über den Grundwehrdienst hinausgehende Kontakte zwischen dem Täter und Angehörigen der Bundeswehr ? B. hatte im Rahmen der Bewerbung für den freiwilligen Wehrdienst in der Bundeswehr beim zuständigen Karrierecenter der Bundeswehr Ende 2018 Kontakte zu den dortigen Mitarbeitern und damit zu „Angehörigen der Bundeswehr “. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse zu über den Grundwehrdienst hinausgehenden Kontakte zwischen dem Täter und Angehörigen der Bundeswehr vor. 16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine verfassungsfeindliche Haltung des Täters in seiner Zeit im Grundwehrdienst? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine verfassungsfeindliche Haltung des B. während dessen Grundwehrdienst vor. 17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Teilnahme des Täters an Chatgruppen, wie beispielsweise „Nord“, Süd“, „Ost“ oder „West“, oder über Kontakte zu Teilnehmern dieser Chatgruppen? Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts haben keine Erkenntnisse über die Teilnahme des Beschuldigten B. an sogenannten „Chatgruppen“ oder über Kontakte zu Teilnehmern dieser Gruppen erbracht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16163 18. Inwiefern liegen der Bundesregierung aktuelle Erkenntnisse zur Atomwaffen Division Deutschland im Kontext möglicher Anschlagsplanungen vor? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 19. Wie lautet die aktuelle Gefährdungsbewertung des BKA für jüdische Einrichtungen in Deutschland, und wann wurde diese zuletzt aktualisiert ? Jüdische und israelische Einrichtungen sowie Interessen unterliegen in Deutschland einer abstrakten Gefährdung. Eine letzte Bewertung unter Gefährdungsgesichtspunkten im Kontext „Antisemitismus “ erfolgte im August 2019, ergänzende Ausführungen wurden hierzu im Nachgang zu dem Ereignis in Halle/ST vorgenommen. 20. In welchen Abständen wird die Gefährdungsbewertung des BKA für jüdische Einrichtungen überprüft, und welche Kriterien fließen in die Bewertung ein? Gefährdungsbewertungen durch das BKA erfolgen grundsätzlich anlassbezogen und unterliegen der ständigen Überprüfung auf Grundlage sämtlicher dem BKA zur Verfügung stehender Erkenntnisse. 21. Gibt es einen Austausch des BKA mit jüdischen Gemeinden oder dem jüdischen Zentralrat oder eine sonstige Einbeziehung im Zuge der Gefährdungsbewertung ? Ein fachlicher Informationsaustausch mit entsprechenden Ansprechpartnern, Vertretern und Verbänden wird durch das BKA sichergestellt und begleitet. In der Vergangenheit fanden hierzu Gespräche mit dem Zentralrat der Juden und dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus statt. 22. Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis über die bundesweite Situation des Schutzes von jüdischen Gemeinden und Einrichtungen bzw. über den Stand der an einzelne Gemeinden gezahlten Fördersummen zur Durchführung eigener Sicherheitsmaßnahmen? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über die bundesweite Situation des Schutzes von jüdischen Gemeinden und Einrichtungen, da der Schutz jüdischer Gemeinden und Einrichtungen in der Zuständigkeit der Länder liegt. Ebenso hat die Bundesregierung keine Kenntnis über Fördersummen zur Durchführung eigener Sicherheitsmaßnahmen, die an einzelne Gemeinden gezahlt werden. Dies liegt ebenfalls in der Zuständigkeit der Länder. 23. Welche Änderungen zum besseren Schutz von jüdischen Einrichtungen sind durch die Bundesregierung in Planung, und wie lautet der Zeitplan für die Umsetzung? Für bauliche Maßnahmen im Sinne des materiellen Objektschutzes sind geeignete finanzielle Unterstützungsmaßnahmen des Bundes denkbar. Zurzeit finden Abstimmungen zum weiteren Verfahren statt. Drucksache 19/16163 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 24. Wie schätzt die Bundesregierung das antisemitische Personenpotential in der Bundesrepublik Deutschland ein? 25. Wie viele hiervon schätzt sie als gewaltbereit ein? Die Fragen 24 und 25 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Über das antisemitische Personenpotenzial in der Bundesrepublik Deutschland wird keine Statistik geführt. Daher kann die Bundesregierung diesbezüglich keine Aussagen treffen. 26. Hält die Bundesregierung an der im Verfassungsschutzbericht 2018 niedergelegten Behauptung fest, nach der „die antisemitische Agitation im rechtsextremistischen Spektrum seit Jahren einer Wellenbewegung in Abhängigkeit von tagespolitischen Ereignissen [folgt]. Derzeit wird rechtsextremistische Propaganda durch andere Feindbilder und Themenkomplexe dominiert, von denen sich rechtsextremistische Agitatoren aktuell mehr Anknüpfungspunkte an den öffentlichen Diskurs versprechen .“? Der Antisemitismus stellt eine durchgehende Konstante im rechtsextremistischen Denken dar. Dabei kann der Antisemitismus in seinen verschiedenen Formen (u. a. rassistischer, politischer, antizionistischer Antisemitismus) rezipiert werden. Wie der Angriff auf die Synagoge und die Mordtaten von Halle belegen, kann eine solche antisemitische Einstellung in schwersten Gewalttaten münden. Dennoch war als deutlicher Trend in den letzten Jahren feststellbar, dass sich verschiedene rechtsextremistische Agitatoren von anderen Themen mehr Anknüpfungspunkte an den öffentlichen Diskurs versprachen. Themen wie die sogenannte Überfremdung bzw. Islamisierung oder Feindbilder wie Asylsuchende, Muslime und sich für Menschenrechte engagierende Politiker nahmen in der rechtsextremistischen Propaganda einen deutlich breiteren Raum ein als zuvor. 27. Welche Forderungen aus dem interfraktionellen Antrag „Antisemitismus entschlossen bekämpfen“ (Bundestagsdrucksache 19/444) plant die Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode umzusetzen, und welcher Zeitplan ist hierfür vorgesehen? 28. Welche weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland sind geplant? Die Fragen 27 und 28 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesrepublik Deutschland sieht sich aufgrund ihrer Geschichte in einer besonderen Verantwortung gegenüber ihrer jüdischen Bevölkerung. Die Bekämpfung von Antisemitismus in all seinen Facetten hat für die Bundesregierung daher hohe Priorität. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung den Beschluss des Deutschen Bundestages „Antisemitismus entschlossen bekämpfen “ vom 18. Januar 2018, in dem jede Form von Judenfeindlichkeit verurteilt wird, nachdrücklich begrüßt, einen Teil der in dem Beschlussantrag genannten Forderungen bereits aufgegriffen und Strukturen für die wirkungsvollere Bekämpfung von Antisemitismus geschaffen sowie mit der Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen begonnen. So hat die Bundesregierung bereits zum 1. Mai 2018 Dr. Felix Klein in das neu geschaffene Amt des Beauftragten der Bundesregierung (BA) für jüdisches Le- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16163 ben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus berufen. Die Bundesregierung teilt den Gedanken einer Verstetigung der Zusammenarbeit mit den Ländern, da etwa 80 Prozent der Handlungsfelder bei der Bekämpfung von Antisemitismus in deren Zuständigkeit liegen: so z. B. die Bereiche der Bildungspolitik, zahlreiche Aspekte der Präventionsarbeit, der Schul- und Universitätsbereich , ein Großteil der polizeilichen Präventionsmaßnahmen sowie die Angelegenheiten der Strafverfolgung und des Strafvollzugs. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung die vom Deutschen Bundestag vorgeschlagenen Idee der Schaffung einer engeren Zusammenarbeit aufgegriffen und die Gründung einer ständigen Bund-Länder-Kommission initiiert, die sich im September 2019 konstituiert und ihre Arbeit aufgenommen hat. Zur Unterstützung der Arbeit des BA wurde im September 2019 ein mit jüdischen und nichtjüdischen Experten besetzter Beratungskreis eingerichtet. Mit der Bestellung dieses unabhängigen Gremiums wird die Expertise aus Wissenschaft, Bildungspraxis und Zivilgesellschaft in die Arbeit des Beauftragten integriert. Zur Schaffung eines bundesweiten Meldesystems zur einheitlichen Erfassung antisemitischer Vorfälle auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle wird das Projekt „Bundesweite Koordination der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) zum Großteil durch Haushaltsmittel des Bundes gefördert. Auch wenn über den Aufbau von Meldestellen vor Ort die Länder in ihrer Zuständigkeit entscheiden, soll der Bundesverband RIAS den Aufbau eines solchen Systems unter Berücksichtigung einheitlicher Standards unterstützen und begleiten. Diese Daten können das polizeiliche Lagebild ergänzen und dabei helfen, ein möglichst realitätsnahes Lagebild des Antisemitismus in Deutschland zu erhalten, um auf dieser Grundlage noch gezieltere Präventionsarbeit zu ermöglichen. Knapp drei Wochen nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle hat das Bundeskabinett am 30. Oktober 2019 zudem ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das wesentliche Punkte beinhaltet, um die Sicherheit auch jüdischen Lebens in Deutschland zu verbessern – insbesondere durch die Ausweitung der Präventionsarbeit zu den Themen Rechtsextremismus, Antisemitismus , Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie die verstärkte Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz. Neben den sicherheitspolitischen Maßnahmen werden die Bundesprogramme „Demokratie leben!“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ umgesetzt und weiterentwickelt ; sie haben sich als wirksame und erfolgreiche Instrumente der Demokratieförderung und Extremismusprävention zur Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements mit hoher Qualität etabliert. Beide Programme starten 2020 in neue Förderperioden und sind damit für die kommenden Jahre längerfristig abgesichert. Antisemitismusbekämpfung wird in beiden Programmen schwerpunktmäßig oder als Querschnittsaufgabe einen wesentlichen Inhalt geförderter Maßnahmen bilden. Weitere zivilgesellschaftliche Aktivitäten werden u. a. aus Mitteln des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung sowie aus den Mitteln der Deutschen Islam Konferenz (DIK) unterstützt. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) plant, ihre Angebote und Maßnahmen zum jüdischen Leben in Deutschland und zur Bekämpfung von Antisemitismus in 2020 weiter zu stärken. Eine neue, große Herausforderung ist hierbei vor allem im Antisemitismus im Internet und in den Sozialen Medien zu sehen, wo geringe soziale Kontrolle und eine stark von Affekten geprägte Form der Kommunikation neue Räume für antisemitische Hetze und Verschwörungsideologien öffnet. Die stärkere Sichtbarmachung jüdischen Lebens als fester Bestandteil deutscher Kultur ist ebenfalls Teil der mittelbaren Präventionsarbeit gegen Antisemitismus . So fördert die Bundesregierung die jüdische Gemeinschaft in Deutschland Drucksache 19/16163 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode u. a. mit dem Vertrag vom 27. Januar 2003, geändert durch den Vertrag vom 6. Juli 2018, der vorsieht, den Zentralrat der Juden in Deutschland, der nach seinem Selbstverständnis für alle Richtungen innerhalb des Judentums offen ist, bei der Erfüllung seiner überregionalen Aufgaben bei der Erhaltung und Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes und beim Aufbau der jüdischen Gemeinschaft sowie für seine integrationspolitischen und sozialen Aufgaben finanziell zu unterstützen. Diese jährlichen vertraglichen Leistungen wurden mit dem o. g. Änderungsvertrag von 10 Mio. Euro auf 13 Mio. Euro erhöht. Darüber hinaus werden zahlreiche Institutionen sowohl als institutionelle Zuwendungsempfänger als auch im Rahmen der Projektförderung mit staatlichen Mitteln unterstützt, die sich der Förderung der jüdischen Gemeinschaft, der christlich-jüdischen Zusammenarbeit sowie dem interreligiösen und interkulturellen Dialog widmen. Dazu gehören unter anderem die Union Progressiver Juden, die Hochschule für Jüdische Studien (Heidelberg), das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden (Heidelberg), das Abraham-Geiger- Kolleg (Potsdam), das Leo-Baeck-Institut und der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Hinzu kommen Zuschüsse für den Neubau einer jüdischen Akademie in Frankfurt bzw. der Wiederaufbau der Synagoge in Dessau. Darüber hinaus soll das mehrere Millionen Akten umfassende Dokumentenerbe der Wiedergutmachung, für dessen Erschließung das Bundesministerium der Finanzen mit der israelischen Holocaust-Gedenk- und Forschungsstätte Yad Vashem zusammenarbeiten wird, zukünftig aktiv in der Antisemitismusbekämpfung genutzt werden. Jede dieser Akten enthält Schilderungen von individuellen Verfolgungsschicksalen, die so für künftige Generationen bewahrt und besser sichtbar gemacht werden und Holocaustverfälschung und -leugnung entgegentreten . Ziel ist es diese weltweit erreichbar bereitzustellen. Dazu fand im Oktober in Berlin ein vom Bundesministerium der Finanzen ausgerichteter internationaler Workshop mit Holocaust-Forschern statt. Des Weiteren wird das Bundesministerium der Finanzen als Folgeaufgabe der Wiedergutmachung auch Projekte zur Opferperspektiven berücksichtigenden Holocaust-Education begleiten. Die Bundesregierung setzt sich zudem für die Annahme der Antisemitismus- Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) national und auf EU-Ebene ein. Im Rahmen der anstehenden deutschen EU- Ratspräsidentschaft plant die Bundesregierung eine Konferenz zur Antisemitismusbekämpfung . 29. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu Antisemitismus im öffentlichen Dienst? 30. Inwiefern gibt es Erhebungen über antisemitische Vorfälle in Bundesbehörden , und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 29 und 30 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Antisemitismus hat keinen Platz im öffentlichen Dienst. Jeder Fall antisemitischen Verhaltens verstößt gegen elementare Dienstpflichten der Beamtinnen und Beamten, der Soldatinnen und Soldaten. Für Tarifbeschäftigte gelten vergleichbare tarif- und arbeitsvertragliche Pflichten. Sobald sich ein antisemitischer Vorfall ereignet, wird dieser sehr ernst genommen und auf disziplinarrechtliche/arbeitsrechtliche und strafrechtliche Relevanz geprüft. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16163 Da es sich bislang nur um Einzelfälle in einzelnen Behörden handelt, erfolgt keine systematische Erhebung. Einzelne Behörden haben gleichwohl entsprechende Meldewege eingerichtet, um frühzeitig auf etwaige Vorfälle reagieren zu können. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) erfasst beispielsweise über das Meldewesen „Innere und Soziale Lage der Bundeswehr“ alle Ereignisse, die aufgrund ihrer tatsächlichen oder voraussichtlichen Wirkung für die Innere und Soziale Lage, die Einsatzbereitschaft sowie das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung sein können. Dazu zählen auch Ereignisse mit möglicherweise antisemitischem Hintergrund. Im Bereich der Bundespolizei erfolgt ebenfalls eine Erfassung von inner- und außerdienstlichen Vorfällen, die extremistische und/oder rassistische Tendenzen aufweisen, worunter antisemitische Vorfälle fallen. 31. Wie viele Disziplinarverfahren wurden in Bundesbehörden wegen des Verdachts von Antisemitismus geführt? Die jährliche Disziplinarstatistik für die Bundesressorts, die vom BMI herausgegeben wird, führt nicht explizit disziplinarrechtliche Ahndungen wegen des Verdachts von Antisemitismus auf. Der Bundesregierung sind jedoch folgende Einzelfälle bekannt: Im Bereich der Bundespolizei ist ein Disziplinarverfahren anhängig, in dem Beamten – neben anderen Vorwürfen – das Leugnen des Holocaust vorgeworfen wird. Die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis ist noch nicht rechtskräftig. Im Bundeskriminalamt ist ein antisemitischer Vorfall bekannt geworden. Der Vorfall betraf einen Kriminalkommissaranwärter, der in Folge des Vorfalls – ohne Disziplinarverfahren – entlassen wurde. Gegen ihn wurde zudem Strafanzeige gestellt. Ein weiterer Vorfall wird aktuell geprüft. Dieser betrifft ebenfalls einen Kriminalkommissaranwärter. Im Zuständigkeitsbereich des BMVg wurden seit dem Jahr 2017 rund 40 Fällen disziplinargerichtliche Verfahren mit antisemitischen Bezügen geführt. 32. Welche der Bundesministerien und Behörden haben einen Antisemitismusbeauftragten ? In Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages „Antisemitismus entschlossen bekämpfen“ vom 18. Januar 2018 hat die Bundesregierung das Amt des Beauftragten der Bundesregierung (BA) für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus geschaffen und Herrn Dr. Felix Klein zum 1. Mai 2018 in dieses Amt berufen. Mit dem Ressortkreis zur Begleitung der neuen Bund-Länder-Kommission der Antisemitismus-Beauftragten gibt es darüber hinaus zukünftig auf Ressortebene ein zentrales Gremium zur Koordinierung der Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland. Der Ressortkreis kann auf Bundesebene Beiträge für eine strategische Gesamtausrichtung in der Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland erarbeiten und in die Arbeit der Bund-Länder-Kommission einbringen und darüber hinaus bereits bestehende Maßnahmen, Projekte und Initiativen auf Bundesebene deutlicher herausstellen. Darüber hinaus gibt es in den Bundesbehörden keine Antisemitismusbeauftragten . Drucksache 19/16163 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 33. Inwiefern soll das im Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ausgewiesene Ziel, „die Qualität und Wirksamkeit aller Präventionsmaßnahmen langfristig und dauerhaft zu sichern und zu stärken“, konkret umgesetzt werden, und welcher Zeitplan ist dafür vorgesehen (www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE /veroeffentlichungen/2019/massnahmenpaket-bekaempfung-rechts-und-h asskrim.pdf?__blob=publicationFile&v=5)? Die Bundesprogramme zur Demokratieförderung und Extremismusprävention werden von Beginn an wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Erhöhung der Wirksamkeit in der Extremismusprävention finden fortlaufend statt und werden auch in den betreffenden Geschäftsbereichsbehörden durchgeführt. Die Erkenntnisse fließen in die Programmdurchführung ein und tragen damit zur Qualitätssicherung bei. Um die Qualität und Wirksamkeit aller Präventionsmaßnahmen langfristig und dauerhaft zu sichern, ist ein übergreifender inhaltlicher und methodischer Rahmen erforderlich. Zur Umsetzung des im Maßnahmenpaket enthaltenen Ziels ist daher vorgesehen, Qualitätssicherung und Wirkungssteigerung innerhalb bestehender Geschäftsprozesse und übergreifend in der Zusammenarbeit zwischen Behörden und Ressorts fortlaufend auszubauen. Über Stand und Ergebnisse der übergreifenden Abstimmungsprozesse soll dem Bundeskabinett im Frühjahr 2020 berichtet werden. 34. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass zahlreiche Träger, die in der Vergangenheit Projekte gegen Antisemitismus durchgeführt haben, in den letzten Wochen vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Nachricht bekamen, dass sie in der kommenden Förderperiode nicht berücksichtigt werden? 35. Wie plant die Bundesregierung sicherzustellen, dass die Arbeit von Projekten und insbesondere Modellprojekten zur Prävention von Antisemitismus nicht von den Umschichtungen und Kürzungen betroffen sind? Die Fragen 34 und 35 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung ist bekannt, dass zahlreiche Träger, die in der Vergangenheit Projekte gegen Antisemitismus im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durchgeführt haben, die Nachricht erhalten haben, dass sie sich mit eingereichten Projektideen nicht erneut für eine Förderung durchsetzen konnten. Im Rahmen des Auswahlprozesses für eine Förderung in der zweiten Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ wurden insgesamt mehr als 1.000 Interessenbekundungen mit Projektvorschlägen eingereicht. Aufgrund begrenzter Ressourcen konnten nicht alle Projekte für eine Förderung ab 2020 ausgewählt werden. Die Tatsache, dass Träger in der Vergangenheit bereits eine Förderung für Projekte erhalten haben, hat bei der Auswahl der neuen Projekte keine Rolle gespielt. Auch in der zweiten Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ wird in verschiedenen Bereichen des Programms die präventiv-pädagogische Arbeit gegen Antisemitismus unterstützt. Neben klassischen Modellprojekten zur Prävention von Antisemitismus, die im Handlungsfeld Vielfaltgestaltung gefördert werden, wird zukünftig erstmals auch ein Kompetenznetz Antisemitismus gefördert, mit der Aufgabe, bundesweit die präventiv-pädagogische Arbeit gegen Antisemitismus in den Blick zu nehmen, Vernetzung zwischen verschiedenen Projektträgerinnen und -trägern zu fördern, die Perspektive von Jüdinnen und Juden in Deutschland aktiv in die Arbeit gegen Antisemitismus Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/16163 einzubeziehen, Empowerment-Strukturen zu stärken und Beratung für Betroffene anzubieten. Nicht zuletzt soll auch das Engagement vor Ort gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund werden zukünftig mehr Mittel in die Landes-Demokratiezentren und die Partnerschaften für Demokratie gegeben, die dann unter Berücksichtigung der Problemlagen vor Ort weitgehend eigenständig entscheiden können, zu welchen Herausforderungen Projekte und Einzelmaßnahmen durchgeführt werden können. Erfahrungsgemäß werden dies zu großen Teilen auch Projekte im Themenfeld Antisemitismus sein. 36. Wie plant die Bundesregierung, Präventionsprogramme gegen Antisemitismus zukünftig langfristig und verlässlich zu fördern und so dem beim Jüdischen Weltkongress gegebenen Versprechen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, eines verstärkten Engagements gegen den Antisemitismus in Deutschland, gerecht zu werden? Die Präventionsprogramme des Bundes sind dauerhaft angelegt. Der Zeitraum für die Projektförderungen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe “ wird mit Beginn der neuen Förderperiode ab dem Jahr 2020 auf eine Laufzeit von in der Regel fünf Jahren ausgeweitet. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ hatte bereits in der ersten Förderperiode eine Projektlaufzeit von in der Regel fünf Jahren festgelegt und wird diese Laufzeit auch in der neuen Förderperiode ab 2020 beibehalten. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu den Fragen 27 und 28 sowie den Fragen 34 und 35verwiesen. 37. Wie wird die Förderung der Präventionsprogramme, z. B. „Demokratie leben!“, in Zukunft finanziell verstetigt, wie im Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität angekündigt ist, und welche Rolle spielt dabei das Demokratiefördergesetz, das die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Franziska Giffey seit Jahren verspricht und das auch von Experten und Expertinnen gefordert wird (www.deutschlandfunk.de/demokratie-leben-expert en-halten-groko-zusagen-im-kampf.2849.de.html?drn:news_id=106 5179)? Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das ursprünglich zum 31. Dezember 2019 auslaufen sollte, wurde im Mai 2018 entfristet, damit es über das Jahr 2019 hinaus fortgeführt und weiterentwickelt werden kann. Die Entfristung dient dazu, dass in den Bereichen der Demokratieförderung, Extremismusprävention und Vielfaltgestaltung langfristig und nachhaltig gearbeitet werden kann. Das kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität bedeutet für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ konkret, dass die Mittel in der Finanzplanung des Bundes erstmals über mehrere Jahre auf einem gleichbleibend hohen Niveau fortgeschrieben werden können. Das diskutierte Demokratiefördergesetz spielt hierfür keine unmittelbare Rolle, jedoch hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, sich für eine verbesserte Fördergrundlage einzusetzen und zusätzliche konzeptionelle und rechtliche Strukturen zu prüfen. Drucksache 19/16163 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 38. Bis wann soll die kurzfristige Prüfung, „wo und wie eine Nachjustierung der Präventionsmaßnahmen und weiterer Maßnahmen erforderlich ist“, abgeschlossen sein? Die Prüfung, wo und wie eine Nachjustierung der Präventionsmaßnahmen und weiterer Maßnahmen erforderlich ist, findet derzeit statt und soll im Frühjahr 2020 abgeschlossen werden. 39. Ändern das o. g. Ziel und die Zurücknahme der Kürzungen der finanziellen Förderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ die Situation für die Träger von Modellprojekten, die im Interessenbekundungsverfahren für Projekte in den Themenfeldern Rechtsextremismus, Antisemitismus , Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit für die zweite Förderperiode ab 2020 abgelehnt wurden? Die Erhöhung der Haushaltsmittel für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 um 8 Mio. Euro auf insgesamt 115,5 Mio. Euro sollen die Förderung weiterer Modellprojekte in den Themenfeldern Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ermöglichen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass trotz der Erhöhung der Mittel bei über 1000 eingereichten Interessenbekundungen für die neue Förderperiode bei weitem nicht alle Projektvorschläge gefördert werden können. 40. Inwiefern sind insbesondere Mittelerhöhungen für Projekte gegen Antiziganismus , Antisemitismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit und Rassismus gegen Schwarze Menschen geplant, um vulnerable Personen, die durch Rechtsextremisten in besonderem Maße bedroht sind, besser zu schützen? Auf die Antwort zu Frage 39 wird verwiesen. Im Übrigen arbeiten die für die zweite Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geplanten Modellprojekte und Kompetenznetzwerke bzw. Kompetenzzentren in den genannten Themenfeldern insbesondere präventivpädagogisch mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ebenso wie mit Multiplikatorinnen/Multiplikatoren der pädagogischen Arbeit zusammen, mit dem Ziel, Vorurteilsstrukturen abzubauen sowie Respekt und Toleranz zu fördern. Darüber hinaus werden sowohl über die Projektarbeit, als auch über die Arbeit der Kompetenznetzwerke/Kompetenzzentren Empowerment-Strukturen sowie Beratungsstrukturen für Betroffene unterstützt und gestärkt. Die BpB hat zudem für 2020 zusätzliche Mittel in Höhe von 500.000 Euro für die geistig-politische Auseinandersetzung mit Extremismus sowie anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und damit in Zusammenhang stehenden Gewaltphänomenen sowie zur Bekämpfung von Vorurteilen erhalten . Die Bekämpfung von Antiziganismus, Antisemitismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit und Rassismus ist eine Daueraufgabe der BpB, sodass sich kontinuierlich Projekte, die sich diesem Ziel verschreiben, in den Förderstrukturen der BpB wiederfinden. Hieran soll auch in Zukunft festgehalten werden, was sich u. a. in der Entscheidung widerspiegelt, dass die Herausforderung „Antisemitismus “ eines von sieben Schwerpunktthemen innerhalb der sog. Richtlinienförderung der BpB im Jahr 2020 ist. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/16163 41. Welche Rolle spielen nach Auffassung der Bundesregierung Migrantinnen - und Migrantenselbstorganisationen und neue deutsche Organisationen in der Prävention von Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, und welche der bisher geförderten Projekte der Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen und der neuen deutschen Organisationen werden nach aktuellem Stand ab 2020 nicht mehr gefördert? Die Prävention und Bekämpfung von Hasskriminalität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die der Staat nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft bewältigen kann. Die Bundesregierung fördert und stärkt daher diejenigen, die sich vor Ort gegen Extremismus jeglicher Art wenden und sich aktiv für die Demokratie einsetzen. Hier spielen Migranten-/Migrantinnenselbstorganisationen (MO) und Neue Deutsche Organisationen (NDO) eine wichtige Rolle, die in bundesweit tätigen Vereinen und Verbänden als Akteure vor Ort agieren: Sie sind Anlaufstelle für die von Rechtsextremismus und Hasskriminalität betroffenen Menschen, sensibilisieren für das Erkennen antidemokratischer Haltungen, beraten in Konfliktfällen mit extremistischem Hintergrund und begleiten die Entwicklung von Präventionsstrategien. Die Integrationsbeauftragte (IntB) unterstützt zivilgesellschaftliches Engagement im Kampf gegen Rassismus und fördert Modellprojekte: Von 2017 bis 2018 hat IntB das Projekt des Bundesverbands Netzwerke von Migrantenorganisationen (NEMO e.V.) „Wir sind viele – gegen Rassismus und Diskriminierung : Handlungsstrategien gegen Rassismus und Diskriminierung für Migrantenorganisationen “ gefördert. Seit 2019 fördert IntB ein darauf aufbauendes Projekt das bis Ende 2021 laufen soll mit dem Titel „Antirassismusarbeit von Migrantenorganisationen.“ Um gezielt Migrantenorganisationen in ostdeutschen Bundesländern in ihrer Antirassismusarbeit zu unterstützen, fördert IntB zudem ein Projekt des Dachverbands der Migrantenorganisationen in ostdeutschen Bundesländern (DaMOst) unter Trägerschaft des Landesnetzwerks Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA e.V.) von 2019 bis Ende 2021. Ziel des Projektes „Empowerment gegen (Alltags)Rassismus und Diskriminierung in ostdeutschen Bundesländern“ ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Ehrenamtliche von MO in allen fünf ostdeutschen Bundesländern im Umgang mit rassistischen Anfeindungen und Übergriffen gezielter zu stärken. Um MO beim Ausbau ihrer Dachstrukturen und bei der Professionalisierung ihrer Arbeit zu unterstützten und sie als kontinuierliche und verlässliche Ansprechpartner für Politik und Verwaltung zu etablieren sowie ihre Vernetzung untereinander und zu anderen Akteurinnen/Akteuren der Integrationsarbeit zu verbessern, ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit 2013 im Rahmen eines Modellprojektes die Strukturentwicklung von insgesamt 17 MO-Dachorganisationen auf Bundesebene gefördert worden. Unter Berücksichtigung der seit 2013 gesammelten Erfahrungen und nach Konsultationen mit den derzeit geförderten Migrantenorganisationen hat das BAMF im Frühjahr dieses Jahres das Programm „Strukturförderung von Migrantenorganisationen auf Bundesebene“ neu aufgestellt. Wesentliche Neuerung ist, dass thematisch breit aufgestellte und interkulturell geöffnete MO, die als Initiatoren der bundesweiten Integrationsarbeit auftreten, nach je dreijährigen erfolgreichen Förderphasen zum Strukturaufbau und zur Stabilisierung längerfristig gefördert werden können. Sowohl in der bis Ende 2019 laufenden, als auch in der ab 2020 beginnenden Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ spielen Neue Deutsche Organisationen und Migranten-/Migrantinnenselbstorganisationen, aber auch andere Selbstorganisationen eine wichtige Rolle für den Auf- und Ausbau von Empowerment- und Beratungsstrukturen für Betroffene ebenso wie für die Drucksache 19/16163 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode präventiv-pädagogische Arbeit gegen Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus , Islam- und Muslimfeindlichkeit sowie Homosexuellen- und Transfeindlichkeit . Aufgrund des aktuell noch laufenden Antragsverfahrens können derzeit keine Angaben zu eingereichten Förderanträgen gemacht. Für die politische Bildungsarbeit und die BpB spielen Migranten-/Migrantinnenselbstorganisationen und neue deutsche Organisationen eine wichtige Rolle und werden zukünftig verstärkt unterstützt und gefördert. Sie stellen wesentliche Akteure der Zivilgesellschaft dar und sind damit unerlässliche Partner der BpB bei der Bearbeitung von einer Vielzahl an Themen gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen. 42. Inwiefern sollen in der zweiten Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ nun doch finanzielle Mittel für Projekte zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und zur Bekämpfung von Sexismus und Antifeminismus und/oder für ein Kompetenznetzwerk zu Sexismus und/oder Antifeminismus bereitgestellt werden, auch vor dem Hintergrund , dass Antifeminismus, Sexismus und die Feindschaft gegen Geschlechtergerechtigkeit ein relevanter Baustein rechtsextremer Ideologie mit Brückenfunktion in die Mitte der Gesellschaft ist (www.amadeu-anto nio-stiftung.de/gender-matters-51023/)? Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ werden keine zusätzlichen Mittel für Projekte zur ausdrücklichen Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und zur Bekämpfung von Sexismus und Antifeminismus bereitgestellt . Ein Kompetenzzentrum oder -netzwerk mit diesem inhaltlichen Schwerpunkt ist im Rahmen von „Demokratie leben!“ derzeit nicht vorgesehen. Gleichwohl sind die angesprochenen Themen als Querschnittsthema im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ sowohl in der aktuellen als auch in der kommenden Förderperiode vertreten. 43. Bei welchen anderen Programmen können sich Träger darüber hinaus um Fördermittel für Projekte zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus bewerben? a) Welche Programme sind dies? b) In welcher Höhe sind dort Mittel bereitgestellt? Die Fragen 43 bis 43b werden gemeinsam beantwortet. Es gibt eine Vielzahl von Programmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie von Stiftungen und Organisationen, die eine Förderung von Projekten zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ermöglichen. Auf Bundesebene fördert das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) seit 2010 mit dem Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ (ZdT) phänomenübergreifend Projekte im ländlichen oder strukturschwachen Raum, die sich für eine selbstbewusste, lebendige und demokratische Gemeinwesenkultur einsetzen, in der extremistische und verfassungsfeindliche Strukturen keinen Platz finden. Im Mittelpunkt des Programms stehen dabei Aktive und ehrenamtlich Engagierte in überregional tätigen Vereinen und Verbänden. Der Etat des Programms beträgt jährlich 12 Mio. Euro. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/16163 44. Wie beurteilt die Bundesregierung ihre Programme zur Prävention im Hinblick darauf, dass der Täter von Halle davon offenkundig nicht erreicht werden konnte? Präventionsmaßnahmen können extremistische Einstellungen und Handlungen in der offenen Gesellschaft nicht vollständig verhindern. Der Erfolg der Programme ist vor allem danach zu beurteilen, inwiefern es ihnen gelungen ist, für die entsprechende Fachpraxis Strategien und Arbeitsformen zur Prävention gegen politischen Extremismus und zur Demokratieförderung zu entwickeln, neue Zielgruppen für die Themen zu erreichen und nachhaltig die Ansätze u. a. in den Regelsystemen wie Schule, Ausbildung, Kinder- und Jugendarbeit sowie der politischen Bildung zu verankern. Drucksache 19/16163 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333