Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lorenz Gösta Beutin, Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm-Förster, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15497 – Deutschlands CO2-Budget unter dem Pariser Klimaschutzabkommen – Transparenz bei der Berechnung von Klimaschutzzielen der Bundesregierung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Deutschland hat 2016 das Pariser Klimaabkommen (PA) ratifiziert und sich zu einem gerechten Beitrag zum globalen Klimaschutz verpflichtet. Deutschland hat aus Sicht der Fragesteller eine historisch besondere Verantwortung für die Bekämpfung der Erderwärmung. Nach den USA, China und der ehemaligen Sowjetunion wurde seit 1750 in keinem Land mehr CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen als in Deutschland (vgl. www.youtube.com/watch?v=jx85qK1 ztAc). Als hochindustrialisiertes Land hat Deutschland zudem die Fähigkeiten , den Abschied von Öl, Gas und Kohle in die Tat umzusetzen. Gemäß Artikel 2 Absatz 2 des PA wird das Übereinkommen von Paris „als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt.“ (www.bmu.de/filead min/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf). Langfristiges Ziel des völkerrechtlich bindenden Vertrags ist es, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C gegenüber den vorindustriellen Werten zu begrenzen; wenn möglich, den Anstieg auf 1,5 °C zu beschränken, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde. Die jüngsten Klimabeschlüsse der Bundesregierung stellen die nationale Umsetzung des PA dar. Laut dem Klimarat der Vereinten Nationen (IPCC) kann die Menschheit unter optimistischen Annahmen noch 800 Milliarden Tonnen (Stand: 2018) CO2 ausstoßen, um die Einhaltung des 2-Grad-Limits mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent zu schaffen (ohne Berücksichtigung weiterer Feedbackreaktionen [„Kippelemente“] des Erdsystems ). Pessimistischen Berechnungen zufolge sind es laut IPCC noch 700 Milliarden Tonnen (vgl. https://report.ipcc.ch/sr15/pdf/sr15_spm_final.pdf). Es fehlt aus Sicht der Fragesteller auf Seiten der Bundesregierung an Transparenz darüber, wie groß das CO2-Budget Deutschlands ist, also wie hoch die restliche Menge klimaschädlicher Treibhausgasemissionen ist, die zur Einhaltung des PA durch Deutschland insgesamt noch ausgestoßen werden dürfen (vgl. www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/emissionsbudget-zur-wichtigsten- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16168 19. Wahlperiode 19.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 17. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. zahl-beim-klimaschutz-schweigt-die-regierung-a-1292033.html). Das Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz bei den Daten- und Berechnungsgrundlagen für die Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele ist groß. So fordert der Zusammenschluss „Scientists for Future“, dass „die Ergebnisse des Klimakabinetts an den Zielvorgaben des Pariser Klimavertrags gemessen werden können. Um in die Breite der Gesellschaft hinein zu wirken und für den Aufbruch in die klimaneutrale Zukunft zu werben , muss der Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nur mit selbstgesteckten , sondern mit international vereinbarten Zielen verglichen werden.“ (www.scientists4future.org/2019/09/transparenz-erwartungen-klimakabinett/). 1. Von welchem weltweiten CO2-Budget geht die Bundesregierung aus, um als Weltgemeinschaft die Erderwärmung auf 1,5 Grad (mit 50 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit ) bzw. 1,75 Grad (mit 66 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit ) zu begrenzen (vgl. https://report.ipcc.ch/sr15/p df/sr15_spm_final.pdf)? Die Bundesregierung berücksichtigt bei ihrer Klimaschutzpolitik auch die Aussagen des Weltklimarats IPCC, die den aktuellen internationalen wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel repräsentieren. Im IPCC-Sonderbericht über 1,5°C globale Erwärmung von 2018 wurde eine aktualisierte Abschätzung für das verbleibende CO2-Budget ab 2018 vorgelegt. Um die Erwärmung auf 1,5 Grad (mit 50 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit ), 1,75 Grad (mit 66 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit) bzw. 2 Grad (mit 50 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit) zu begrenzen, wird das verbleibende CO2-Budget auf 580 Gt CO2, 800 Gt CO2 bzw. 1500 Gt CO2 geschätzt . Diese Budgets sind jedoch mit deutlichen Unsicherheiten verbunden. 2. Welchen Anteil dieses weltweiten CO2-Budgets beansprucht die Bundesregierung für Deutschland, bzw. von welchem nationalen CO2-Budget als fairen Anteil zur Erfüllung des PA geht die Bundesregierung aus? Die Budget-Zahlen des IPCC sind aufgrund der Unsicherheiten als Leitfaden für Klimaschutzziele nur bedingt geeignet (siehe Antwort zu Frage 1). Daher werden die Emissionspfade des IPCC herangezogen, die mit anderen Verfahren (z. B. energie-ökonomischen Modellen und Klimamodellen) berechnet werden. Der IPCC hat darüber hinaus keine Aussagen über nationale Budgets getroffen. Für die Errechnung von nationalen Emissionsbudgets müssten zudem generell eine Reihe von Annahmen getroffen werden, z. B. bezüglich der Berücksichtigung historischer Emissionen, Gerechtigkeitskriterien, Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung u. a. Daher liegen der Bundesregierung keine gesicherten Angaben vor, welchen Anteil Deutschland am weltweiten CO2-Budget trägt. 3. In welchem Jahr hat Deutschland nach dem aktuell geplanten Reduktionspfad für Treibhausgase sein Budget laut Berechnungen der Bundesregierung aufgebraucht, um als Teil der Staatenwelt unter dem PA die Erderwärmung auf 1,5 Grad (mit 50 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit) bzw. 1,75 Grad (mit 66 Prozent Erreichungswahrscheinlichkeit) zu begrenzen ? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Drucksache 19/16168 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Welche zusätzlichen Maßnahmen sind laut Berechnungen der Bundesregierung in welchem Zeitrahmen notwendig, um das Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze unter dem PA mit 66 Prozent Wahrscheinlichkeit zu vermeiden ? Die Bundesregierung stellt keine eigenen Berechnungen an, welche Maßnahmen weltweit erforderlich wären, um das Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze zu vermeiden. Die Arbeitsgruppe 3 des IPCC legt im AR5 Bericht umfassend dar, welche Schritte erforderlich wären, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden: www.ipcc.ch/working-group/wg3/. Auch im Sonderbericht 1,5°C globale Erwärmung (SR1.5) des IPCC wird in Kapitel 4 diskutiert, welche Schritte weltweit erforderlich wären, um das 1,5°C-Szenario einhalten zu können . www.ipcc.ch/sr15/. 5. In welchem Maße fließt in die Berechnungen zur Festlegung des CO2- Budgets Deutschlands der „Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten“ gemäß Artikel 2 (Absatz 2) des PA ein, demzufolge Deutschland als historisch viertgrößter Treibhausgasemittent sowie wirtschaftlich, technologisch und finanziell leistungsstarkes Land mit hohem Innovationspotential eine besondere Verantwortung zur CO2-Reduktion hat? Auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 wird verwiesen. 6. Welche Wachstums- oder Einsparziele bei der künftigen Entwicklung des deutschen Nettoenergieverbrauchs legt die Bundesregierung bei der Berechnung ihrer Klimaschutzziele zugrunde? Im Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung festgeschrieben, Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen. Dies wurde nicht aus dem Nettoenergieverbrauch abgeleitet. Die Bundesregierung legt derzeit im Rahmen der Energieeffizienzstrategie 2050 Zielwerte zur Reduktion des Primärenergieverbrauchs fest. Die Energieeffizienzstrategie 2050 wird im Rahmen des Nationalen Energie- und Klimaplans (NECP) an die Europäische Kommission übermittelt. 7. Unter Berücksichtigung welcher Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, eine ausreichende Produktion klimaneutraler Energie zur Erreichung der Klimabudgetziele zu gewährleisten? Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 65 Prozent gemessen am Bruttostromverbrauch zu steigern. Die Grundlage zur Erreichung dieses Ziels stellt das beschlossene Klimaschutzprogramm 2030 dar, das es nun umzusetzen gilt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16168 8. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche Temperaturerhöhung im Jahr 2100 erreicht würde, wenn alle Staaten ihre Emissionen (relativ zu den jeweiligen Emissionen von 2018) in der durch die Bundesregierung für Deutschland vorgesehenen Geschwindigkeit reduzieren würden? Der Bundesregierung liegt keine Studie vor, in der der globale Temperaturanstieg für den spezifischen Fall errechnet wird, dass alle anderen Staaten ihre Emissionen in der durch die Bundesregierung für Deutschland vorgesehenen Geschwindigkeit mindern. 9. Welche der beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen müssen nach Auffassung der Bundesregierung vom Bund, welche von den Bundesländern, und welche von den Kommunen erbracht werden, mit welchen geplanten Auswirkungen auf das CO2-Budget? Eine detaillierte Beschreibung der im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 geplanten Maßnahmen ist im Klimaschutzprogramm einsehbar: www.bun desregierung.de/resource/blob/975226/1679914/e01d6bd855f09bf05cf7498e06 d0a3ff/2019-10-09-klima-massnahmen-data.pdf?download=1. Die einzelnen Maßnahmenbeschreibungen enthalten Angaben zu den handelnden Institutionen. Grundsätzlich sind gemeinsame Anstrengungen aller Ebenen notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. 10. Wie sind die beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen auf die Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Landnutzung und Flugverkehr (national und international) verteilt? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 11. Wie sind die durch die beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen erwarteten Reduktionsleistungen auf die verschiedenen Bundesministerien verteilt ? Die Bundesregierung hat in zwei Vorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit die Gesamtabschätzung der Treibhausgas-Minderungswirkung des Klimaschutzprogramms 2030 in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der beiden Vorhaben werden nach Fertigstellung veröffentlicht. 12. Welche sozialen Folgen entstehen nach Einschätzung der Bundesregierung durch die von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen , und wie soll die soziale Ausgewogenheit sichergestellt werden ? Das Klimaschutzprogramm 2030 enthält auch Maßnahmen, um die soziale Ausgewogenheit des Gesamtpakets sicher zu stellen. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden als Entlastung an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben oder in Form von Fördermitteln in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert . Drucksache 19/16168 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für Pendlerinnen und Pendler, die lange Arbeitswege zurücklegen müssen, wird die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer für den Zeitraum von 2021 bis 2026 um 0,05 Euro auf 0,35 Euro angehoben. Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem Einkommen, die von Steuerentlastungen bei der Entfernungspauschale nicht profitieren, werden durch eine Mobilitätsprämie unterstützt. Um soziale Härten bei steigenden Heizkosten zu vermeiden, werden die Mittel für das Wohngeld um 10 Prozent erhöht. Außerdem prüft die Bundesregierung die Begrenzung der Umlagefähigkeit von steigenden Heizkosten vom Vermieter auf den Mieter. 13. Hat die Bundesregierung Berechnungen dazu angestellt, welche Verteilungswirkungen bezogen auf das Haushaltseinkommen sich aus den beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen ergeben, und wenn ja, was sind die Ergebnisse? Verteilungseffekte resultieren aus der Wirkung von einzelnen Instrumenten bzw. Maßnahmen und sind daher auf dieser Ebene zu erheben. Die Sozialverträglichkeit stellte ein wichtiges Kriterium in der Maßnahmenauswahl im Rahmen des Prozesses zum Klimaschutzprogramm 2030 dar und wird auch in der weiteren Umsetzung berücksichtigt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16168 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333