Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jörg Cezanne, Sabine Leidig, Ingrid Remmers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15664 – Anwendung der Tonnagesteuer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 17. September 2019 stellte die OECD ihren Bericht „Maritime Subsidies Do They Provide Value for Money?“ (siehe www.itf-oecd.org/maritime-subsi dies-do-they-provide-value-money) vor. In diesem Bericht wird ein Überblick über direkte und indirekte Subventionen, die der Seeschifffahrt in den OECD- Ländern zur Verfügung stehen, gegeben. Eingeschätzt wird ebenso, ob diese einen Mehrwert für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bieten. Laut dem vorgenannten Bericht ist die Tonnagesteuer eine der wichtigsten Subventionen im Seeverkehr. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es sich nach Ansicht der Fragesteller bei der Tonnagesteuer nicht um eine Steuer handelt . Vielmehr wird eine Methode zur Gewinnermittlung, der pauschal die Schiffsgröße als Messbasis zugrunde liegt, als solche bezeichnet. In den meisten Fällen wird so die Schiffseignerin bzw. der Schiffseigner steuerlich besser gestellt als bei einer Berechnung der tatsächlich angefallenen Gewinne oder Verluste (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – BMVI, www.deutsche-flagge.de/de/finanzen/tonnagesteuer/tonnagesteuer?set _language=de). Der Staat als Empfänger der Tonnagesteuer verzichtet wohlwissend zweifach auf Mehreinnahmen zugunsten der Förderung der Seeschifffahrt im internationalen Wettbewerb: Zum einen durch den Verzicht auf Gewinnsteuer , an deren Stelle die deutlich geringere Tonnagesteuer tritt, und zum anderen durch die pauschale Festsetzung gegenüber der konkreten Berechnung . Die durchschnittlichen Ausgaben für Tonnagesteuern in den OECD-Ländern belaufen sich seit dem Jahr 2000 auf schätzungsweise 1 Mrd. Euro pro Jahr. Zu den Ländern mit dem jeweils größten Steueraufwand für die Tonnagesteuer gehören demnach Deutschland, Japan, Großbritannien, die Niederlande und Frankreich. Der Umfang dieser Seeschifffahrtsbeihilfen wurde in den letzten Jahrzehnten erweitert (vgl. OECD „Maritime Subsidies Do They Provide Value for Money?“). Kritisch betrachtet die OECD im vorgenannten Bericht, dass die den Seeverkehr begünstigende Tonnagesteuer in EU-Staaten seit 1996 zunehmend auch auf das Terminalgeschäft des Be- und Entladens im Hafen angewandt wird, obwohl ein Ausstrahlen auf andere Sektoren verhindert werden sollte. Demnach wird weder in den Leitlinien für den Seeverkehr von 1997 noch in den Deutscher Bundestag Drucksache 19/16185 19. Wahlperiode 19.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Leitlinien der EU für den Seeverkehr von 2004 der Terminalbetrieb als eine schifffahrtsbezogene Tätigkeit erwähnt, die von der Tonnagesteuer erfasst werden kann. Beide Richtlinien sehen vor, dass die steuerlichen Vorteile einer Tonnagesteuer auf die Schifffahrtsaktivitäten beschränkt sein müssen. Nichtdestotrotz wird durch die Europäische Kommission für die Niederlande (seit 1996), für Irland (seit 1997), Spanien (seit 2002), Belgien (seit 2004), Italien (Seit 2005), Finnland (seit 2011), Litauen (seit 2017) sowie für Schweden und Dänemark (seit 2018) anerkannt, dass der Terminalbetrieb in Häfen in den Anwendungsbereich der Tonnagesteuer einbezogen wird.  1. Wie bewertet die Bundesregierung die 1999 zur Unterstützung des Schifffahrtsstandortes Deutschland eingeführte Tonnagesteuer, und anhand welcher Kriterien bemisst sie den (Miss-)Erfolg der Tonnagesteuer (bitte begründen)? Die Tonnagebesteuerung leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Schifffahrtstandortes Deutschland. Die Tonnagesteuer ist unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten von der Europäischen Kommission genehmigt. Deutschland erfüllt die europarechtliche Voraussetzung dafür, dass trotz des ambitionierten Marktumfeldes eine stabile Zahl an Tonnage weiterhin unter deutscher Flagge bzw. der Flagge eines EU-Mitgliedstaates gewahrt bleibt.  2. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Tonnagesteuer als Modell der Gewinnermittlung fortzuführen (bitte begründen)? Falls nein, welche Alternativen (z. B. deren Abschaffung oder Ersatz durch andere Modelle) zieht die Bundesregierung aus welchen Gründen in Betracht? Die Bundesregierung beabsichtigt, die Tonnagesteuer als Modell der Gewinnermittlung fortzuführen, weil die Tonnagesteuer insbesondere innerhalb der EU weit verbreitet ist und sie insoweit eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Schifffahrtsstandortes Deutschland darstellt.  3. Zu welchen prozentualen Anteilen wurden die verschiedenen Gewinnbesteuerungsverfahren nach § 4 Absatz 1, § 5 oder § 5a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den Jahren 1998, 2003, 2008, 2013 und 2018 von den Steuerpflichtigen gewählt?  4. Wie hoch waren die Steuereinnahmen aus der Seeschifffahrt nach den verschiedenen Gewinnbesteuerungsverfahren nach § 4 Absatz 1, § 5 oder § 5a EStG in den Jahren 1998, 2003, 2008, 2013 und 2018 (bitte aufschlüsseln )? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.  5. Wie hoch waren die Steuermindereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland durch die Tonnagesteuer in den jeweiligen Jahren von 2008 bis 2018? Die Steuermindereinnahmen können dem jeweiligen Subventionsbericht der Bundesregierung entnommen werden. Drucksache 19/16185 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  6. Ist der Bunderegierung bekannt, dass in einer Reihe von EU-Staaten die Tonnagesteuer nicht auf Schifffahrtsaktivitäten beschränkt ist, und seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis davon? Der Bundesregierung ist der im September 2019 veröffentlichte Bericht des Sekretariats des Internationalen Verkehrsforums bekannt. Dieser Bericht weist darauf hin, dass es die in einigen EU-Mitgliedstaaten angewandten Tonnagesteuerregelungen ermöglichen, die Einnahmen aus dem Terminalbetrieb in Häfen in den Anwendungsbereich der Tonnagesteuer einzubeziehen.  7. Wie bewertet die Bundesregierung die Anwendung der Tonnagesteuer über Schifffahrtsaktivitäten hinaus (bitte begründen)?  8. Wie bewertet die Bundesregierung, dass es innerhalb der EU eine unterschiedliche Handhabung der Tonnagesteuer bezogen auf ihren Anwendungsbereich gibt (bitte begründen)? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung prüft die Beschlüsse der Europäischen Kommission in Bezug auf die finnische und die litauische Tonnagesteuer. Darin akzeptierte die Europäische Kommission, dass Hafenumschlagsdienste unter die Tonnagesteuer fallen können (z. B. Ein- und Ausschiffung von Personen, Be- und Entladung von Gütern sowie Verwaltungs- und Versicherungstätigkeiten, die eng mit der Beförderung von Personen oder Waren verbunden sind).  9. Zog bzw. zieht die Bundesregierung die Ausweitung der Tonnagesteuer auch auf Terminalgeschäfte für deutsche Häfen in Betracht (bitte begründen )? 10. Gab es seitens der maritimen Wirtschaft bzw. der maritimen Interessenverbände Forderungen nach einer Ausweitung des Anwendungsgebietes der Tonnagesteuer auch auf deutsche Häfen gegenüber der Bundesregierung ? Wenn ja, durch wen wurde diese Forderung wann an die Bundesregierung herangetragen (bitte unter Angabe der empfangenden Stelle aufführen )? 11. Zog bzw. zieht die Bundesregierung in Erwägung, Beschwerdemechanismen gegenüber der EU zu aktivieren, um gegen die Ausweitung der Tonnagesteuer auf Terminalgeschäfte in einer Reihe von EU-Staaten vorzugehen (bitte begründen)? 12. Befürwortet die Bundesregierung eine einheitliche Anwendung der Tonnagesteuer innerhalb der EU (bitte begründen)? Welche Initiativen zur Sicherstellung einer europaweit einheitlichen Anwendung hat die Bundesregierung ergriffen bzw. will sie ergreifen (bitte erläutern)? Die Fragen 9 bis 12 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung prüft, welche Konsequenzen aus dem oben genannten Bericht des Sekretariats des Internationalen Verkehrsforums zu ziehen sind. Die Interessenverbände haben auf die unterschiedliche Anwendung der Tonnagesteuer innerhalb der EU hingewiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16185 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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