Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Schielke-Ziesing, Uwe Witt, Martin Sichert und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15588 – EU-Fangquoten für Dorsch und Hering gefährden Ostseefischer und bringen Einschränkungen für den Angeltourismus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Rat der EU-Fischereiminister hat am 14. Oktober 2019 neue Fangquoten für die Ostsee beschlossen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Pressemitteilung Nr. 207 vom 15. Oktober 2019; www.b mel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2019/207-FangquotenOstsee.html). Danach sollen die Fangmengen in der westlichen Ostsee stark reduziert werden : für den Dorsch um 60 Prozent, für den Hering um 65 Prozent und für die Scholle um 32 Prozent. Für die Kutter- und Küstenfischer Mecklenburg- Vorpommerns haben sich damit in der Zeit von 2015 bis 2020 bzw. 2018 bis 2020 die Fangquoten für den Dorsch und den Hering um etwa 90 Prozent verringert (vgl. Landesministerium Mecklenburg-Vorpommern, Pressemitteilung Nr. 260 vom 15. Oktober 2019; www.regierung-mv.de/Landesregierung/lm/A ktuell/?id=154363&processor=processor.sa.pressemitteilung). Überdies soll nach dem EU-Beschluss – wie auch schon in früheren Jahren – das Ostseeangeln stärker beschränkt werden: So soll die Tageshöchstfangmenge ab 2020 auf fünf Dorsche pro Tag und Angler abgesenkt werden und während der Schonzeit vom Februar bis März auf zwei Dorsche (vgl. BMEL, Pres semitteilung Nr. 207 vom 15. Oktober 2019). Für das Meeresgebiet 24 (SD24), unter anderem um Rügen, wurden für den Dorsch strenge Schutzmaßnahmen beschlossen mit einem Fangverbot außerhalb der vier Seemeilen Küstenlinie (vgl. Deutscher Angelfischer Verband e. V. „Dorsch in der Ostsee: Von Sieben auf Fünf“ https://dafv.de/projekte/europaarbeit/item/337-ostsee-do rsch-von-sieben-auf-fuenf.html Deutscher Bundestag Drucksache 19/16208 19. Wahlperiode 20.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 18. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Inwieweit wurden durch die Bundesregierung in den Verhandlungen auf EU-Ebene zu den jetzt beschlossenen Tagesfangbegrenzungen für die Angler von Dorsch auch alternative Maßnahmen wie z. B. eine Erhöhung des Mindestmaßes bei Dorschen auf 45 Zentimeter (zur Schonung von Jungtieren), ein ausnahmsloses Angelverbot in der Schonzeit von Februar bis März und ggf. auch eine Ausweitung der Schonzeit eingebracht? Die Beratungen wurden auf der Grundlage des Vorschlags der Kommission durchgeführt. Gemäß Artikel 42 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entscheidet nur der Rat über die Festsetzung und Aufteilung der Fangmöglichkeiten in der Fischerei. Darüber hinaus gehende technische Maßnahmen unterliegen dem Mitentscheidungsverfahren gemäß Artikel 42 Absatz 2 AEUV und konnten daher nicht in der Verordnung über Gesamtfangmengen und Quoten für die Ostsee 2020 aufgenommen werden. Sie wurden deshalb auch nicht näher behandelt. Die Festlegung der Schonzeit wurde so festgelegt, dass sie einen möglichst großen Schutz in der Laichzeit des Dorsches bewirkt, ohne die Fischerei außerhalb dieser Zeit übermäßig einzuschränken . Auch die Beschränkung der Angelfischerei auf zwei Dorsche pro Tag während der Schonzeit wurde unter Abwägung der Auswirkung auf die Erholung des Dorschbestandes und den wirtschaftlichen Folgen für die vom Angeltourismus abhängige Wirtschaft vorgenommen. 2. Inwieweit ist aus Sicht der Bundesregierung jetzt nach Abschluss der EU- Verhandlung noch eine Beibehaltung der bisherigen Tagesfangmengen von Dorsch für das Jahr 2020 möglich, wenn alternative Maßnahmen, wie zur Frage 1 genannt, zum Zuge kommen würden? Nach Festlegung der Fangregelungen für das Jahr 2020 durch die EU ist eine Beibehaltung der im Jahr 2019 geltenden Tageshöchstfangmenge nicht mehr möglich, da die Verordnung (EU) Nr. 2019/1838 mit den dort getroffenen Festlegungen unmittelbar in Deutschland gilt. 3. Inwieweit ist aus Sicht der Bundesregierung die beschlossene weitere Absenkung der Tagesfangmengen für den Dorsch zielführend, wenn in der Vergangenheit die Tagesfangmengen durch die Angler häufig gar nicht „ausgefischt“ wurden (vgl. www.netzwerk-angeln.de/angelpolitik/451-daf v-dorsch-in-der-ostsee-von-sieben-auf-fuenf.html: „Viele Angler schaffen es oft gar nicht, das Tagesfanglimit auszuschöpfen“)? Eine präzise Vorhersage der Anglerentnahmen ist nicht möglich. Die tatsächlichen Fangmengen lassen sich immer erst nachträglich bestimmen. Die nun erfolgte Absenkung der Tagesfangmenge entspricht im Wesentlichen dem Ansatz , den Anteil der Freizeitfischerei proportional zur Gesamtfangmenge abzusenken , um eine gleiche Beteiligung beruflicher Fischerei und Freizeitfischerei an der Erholung der Bestände zu erreichen. Dies führt auch dazu, dass einige Angler von einer Fischerei auf Dorsch insgesamt Abstand nehmen bzw. ihren Fang einschränken, was zu einer Schonung des Bestandes beiträgt. Drucksache 19/16208 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. In welcher Form erfolgte nach Kenntnis der Bundesregierung in der Vergangenheit ein Monitoring zu den bisherigen Änderungen der Tagesfangmengen , und inwieweit ist ein solches Monitoring für die Zukunft geplant ? Die Erhebung der tatsächlichen Tages-Anglerfänge für Dorsch der westlichen Ostsee wird in Deutschland seit 2002 und in vorhersehbarer Zukunft durch regelmäßig und ganzjährig stattfindende Vor-Ort Beprobungen nach den Vorgaben des EU-Datenerhebungsprogramms durch das Thünen-Institut für Ostseefischerei durchgeführt. Die mögliche Dynamik des Anglerverhaltens aufgrund sich ändernder Regularien, ausgedrückt als Angelaufwand, ist nur durch repräsentative nationale Erhebungen möglich, die alle fünf Jahre durchgeführt werden . Zudem unterliegt die Beachtung der Tagesfangmengen der Fischereiüberwachung der Länder. 5. Auf welche konkreten Normen stützt sich nach Auffassung der Bundesregierung die europarechtliche Zuständigkeit für die Regulierung der Fangmöglichkeiten für die Angler in der Ostsee, und wie sind diese nach Auffassung der Bundesregierung auszulegen, als das bislang sowohl in Artikel 43 Absatz 3 AEUV lediglich die „Fischerei“ angeführt und in Artikel 3 Absatz 1 lit. d) AEUV von den „biologischen Meeresschätzen im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik“ die Rede ist, was eine Kompetenz für Angler nicht aus dem Wortlaut heraus ableiten lässt? Gemäß Artikel 55 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 kann der Rat spezielle Bewirtschaftungsmaßnahmen beschließen, wenn festgestellt wird, dass eine Freizeitfischerei beträchtliche Auswirkungen hat. Die in der Verordnung (EU) Nr. 2018/1838 zur Freizeitfischerei beschlossenen Maßnahmen dienen der Erhaltung des Dorschbestandes in der Ostsee, da der Umfang der Angelfischerei auf den Dorschbestand nicht unerheblich ist. 6. Inwieweit hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren (2014 bis 2018) finanzielle Mittel für Ausgleichszahlungen an die von Fangquotenbegrenzungen betroffenen Betriebe der Dorsch- und Heringsfischerei bereitgestellt ? Die Bundesregierung hat in den letzten fünf Jahren folgende finanzielle Mittel bereitgestellt: 2014: 2,2 Mio. Euro 2015: 2,2 Mio. Euro 2016: 2,2 Mio. Euro 2017: 4,2 Mio. Euro 2018: 2,2 Mio. Euro. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16208 7. Welche Hilfsmöglichkeiten und Programme gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig (2019) für die von Fangquotenbegrenzungen betroffenen Betriebe der Dorsch- und Heringsfischerei, und welche finanziellen Mittel werden dazu durch den Bund bereitgestellt? Nach der Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Anpassung der Fischereitätigkeit und der Entwicklung der Fischereiflotte (MAF-BMEL) kann das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gegenwärtig (2019) zur Unterstützung der Seefischerei bei vorübergehender Einstellung der Fischereitätigkeit zum Schutz der fischereilichen Ressourcen sowie bei der Berufsausbildung zur Fischwirtin/zum Fischwirt zur Sicherung des Bestands und der Entwicklung der deutschen Fischereiflotte auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) und der Verordnung (EU) Nr. 717/2014 der Kommission vom 27. Juni 2014 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor (De-minimis- Verordnung) Betrieben der Seefischerei Zuwendungen als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewähren. Hierzu werden durch den Bund im Haushaltsjahr 2019 finanzielle Mittel in Höhe von 2,2 Millionen Euro bereitgestellt. 8. Inwieweit wird sich die Bundesregierung für Hilfsmöglichkeiten, für die die von der Fangquotenbegrenzung besonders betroffenen Fischer und Küstengemeinden einsetzen, insbesondere in Hinblick auf eine Mittelbereitstellung aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF)? Die Bundesregierung setzt sich im laufenden EU-Rechtsetzungsverfahren zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 über den Europäischen Meeresund Fischereifonds dafür ein, dass eine europarechtliche Grundlage für die Förderung der endgültigen Stilllegung der Fischerei mit Gültigkeit auch für die Fischerei auf westlichen Hering und westlichen Dorsch in der Ostsee geschaffen wird. Zu den nationalen haushaltsrechtlichen Regelungen wird auf die Antwort zur Frage 9 verwiesen. 9. Inwieweit wird die Bundesregierung zu Gunsten der Fischer selbst Hilfsprogramme mitauflegen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, etwa für ein Abwrackprämienprogramm für Fischkutter? Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat beschlossen, zur Unterstützung der betroffenen Betriebe im Haushaltsjahr 2020 zusätzliche Mittel in Höhe von 4 Mio. Euro (insgesamt 6,2 Mio. Euro) für die nach EU-Recht zulässigen Maßnahmen bereitzustellen. Drucksache 19/16208 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2018) die Zahl der aktiven (deutschen) Haupterwerbsberufsfischer in der Ostsee und insbesondere die Dorsch- und Heringsfischerei entwickelt (um tabellarische Darstellung, differenziert nach Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, wird gebeten)? Entwicklung der Anzahl der Betriebe im Haupterwerb in der Ostsee: 11. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren (2009 bis 2018) der Angeltourismus einschließlich der Angelkutterbetriebe an der deutschen Ostseeküste entwickelt, etwa hinsichtlich der Übernachtungen, der „Personentage“ und des Umsatzes (um tabellarische Darstellung, differenziert nach Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, wird gebeten)? Der Angeltourismus an der deutschen Ostseeküste hat eine hohe Wertschöpfung mit etwa 165.000 Anglern, die jährlich die Küste besuchen und dabei 184 Mio. Euro ausgeben und knapp 4.000 Arbeitsplätze sichern, insbesondere in strukturschwachen Regionen und in der touristischen Nebensaison. Der Bundesregierung liegen jedoch keine detaillierten Daten zum Angeltourismus (Anzahl der Übernachtungen und Umsatz) vor. In den letzten Jahren sank die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern verkauften Küstenangelerlaubniskarten zwischen 2016 und 2018 um insgesamt neun Prozent. Die Rückgänge traten vor allem bei den Tagesangelerlaubniskarten auf (-15 Prozent), die vorwiegend von Angeltouristen aus den küstenferneren Bundesländern erworben werden. Die Hochseeangelbetriebe verzeichneten Rückgänge der Fahrgastzahlen von gut 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016, und 47 Prozent der Betriebe haben 2017/2018 ihren Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Dadurch werden in fünf von ehemals 15 Häfen keine Hochseeangelfahrten mehr angeboten , und die entsprechende Infrastruktur ist verloren gegangen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat in 2019 den Angelkutterbetreibern Hilfen in Höhe von etwa 7500 Euro je Angelkutter zur Verfügung gestellt. Die Entwicklung der Touristenangelscheine in Mecklenburg-Vorpommern stellt sich wie folgt dar: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16208 Bei den Angelkutterbetrieben in Schleswig-Holstein ergibt sich seit 2017 folgende Situation: Drucksache 19/16208 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Welche Auswirkungen und Konsequenzen ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung aus den beschlossenen Absenkungen für den Angeltourismus an der Ostsee einschließlich der Angelkutterbetriebe? Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. Der Bundesregierung liegt keine verlässliche Prognose für zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich vor. 13. Welche unmittelbaren Auswirkungen und Konsequenzen für 2020 ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung aus dem bevorstehenden Brexit für die in Mecklenburg-Vorpommern bzw. Schleswig-Holstein (Ostseeküste ) heimischen Fischer und die örtliche Fischverarbeitung? Die Auswirkungen des Austritts Großbritanniens aus der EU werden maßgeblich davon abhängen, nach welchen Modalitäten der Austritt vollzogen wird (ob mit oder ohne Austrittsabkommen) und welches zukünftige Verhältnis nach dem Austritt zwischen der EU und Großbritannien verhandelt wird. Die Übergangsregelungen für den geregelten Austritt Großbritanniens aus der EU sehen vor, dass die Gemeinsame Fischereipolitik der EU auf Großbritannien bis Ende 2020 weiterhin anwendbar ist. Unmittelbare Konsequenzen für das Jahr 2020 sind daher im Fall eines geregelten Austritts Großbritanniens aus der EU weder für Fischer noch für Fischverarbeitung in diesem Gebiet zu erwarten. Die Auswirkungen für das Jahr 2020 eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der EU sind von der Ausgestaltung der Fischereibeziehung abhängig. Auf EU- Ebene wurden bereits vorsorglich Maßnahmen getroffen, um möglichen Auswirkungen eines ungeordneten Brexit auf die EU-Fischerei begegnen zu können . 14. Welche Perspektive verbleibt aus Sicht der Bundesregierung den in Mecklenburg-Vorpommern bzw. Schleswig-Holstein (Ostseeküste) heimischen Fischern und der örtlichen Fischverarbeitung mit Blick auf die drastische Absenkung der Fangquoten und den bevorstehenden Brexit? Im Hinblick auf die starke Absenkung der Fangquoten und zum Schutz der bedrohten Bestände wurden und werden vorübergehende Unterstützungsmaßnahmen in Form von Stilllegeprämien für Dorsch-und Heringsfischer gewährt. Als weitere Möglichkeit strebt die Bundesregierung die Schaffung von Voraussetzungen für einen sozialverträglichen Ausstieg von Fischern an, um die verbleibenden Fangmöglichkeiten so zu verteilen, dass eine nachhaltige Kutterund Küstenfischerei erreicht und gehalten werden kann. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16208 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333