Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15396 – Auswirkungen des sogenannten Agrarpaketes auf die Wettbewerbsfähigkeit des Weinbaus in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundeskabinett hat sich Anfang September 2019 im Rahmen des sogenannten Agrarpaketes auf eine Vielzahl von Maßnahmen in der Agrarpolitik geeinigt. Insbesondere das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ hat zum Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark einzuschränken. Dies würde nach Ansicht der Fragesteller auch den Weinbau in Deutschland erheblich betreffen . Weinbauflächen tragen zum großen Teil zur Biodiversität und zur Vielfalt der Kulturlandschaft bei. Sie zeichnen sich besonders, neben der Rebe selbst, durch verschiedenste Landschaftselemente, wie eine begrünte Rebgasse, sandige , offene Stellen, und die steinigen Weinbergsmauern als Habitat für verschiedenste Arten aus. Durch den Strukturreichtum der Rebhänge wird auf knapp über 100 000 Hektar (ha) bestockter Rebfläche in Deutschland somit besonderer Fauna und Flora Lebensraum geboten (www.destatis.de/DE/ Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/We in/_inhalt.html). Durch verschiedene weinbauliche Maßnahmen wird in der Praxis gezielt die Biodiversität dieser Ökosystem-Netzwerke gesteigert. Hierzu zählen, Gründüngung in den Rebgassen, Schaffung von Strukturelementen oder auch der Anbau verschiedener Rebsorten. Neben all den pflanzenbaulichen Maßnahmen, die den Ertrag stabilisieren und die Qualität sichern, bedarf es jedoch auch der passgenauen Pflanzenschutzmittel . Pflanzenschutz ist nach Ansicht der Fragesteller im konventionellen sowie im ökologischen Weinbau notwendig, um die Rebe vor Krankheiten, Schädlingen und nichtparasitären Einflüssen zu schützen. Eine ausreichende Menge an verfügbaren Wirkstoffen ist nach Ansicht der Fragesteller zudem wichtig, um Resistenzen zu vermeiden und somit zielgenau gegen drohende Schäden vorgehen zu können, und dies mit geringsten Umweltwirkungen zu tun. Die rückläufige Verfügbarkeit an verfügbaren chemischen Pflanzenschutzmitteln , vor allem im Weinbau führt nach Ansicht der Fragesteller schon jetzt zu dem Risiko, dass es zu Qualitäts- und Ertragseinbußen kommt. Es ist nach Ansicht der Fragesteller anzunehmen, dass sich die Zulassungssituation insbesondere bei Insektiziden, aber auch bei den Fungiziden und Herbiziden , weiter zuspitzen wird. Durch Klimaveränderungen wird nach Ansicht der Fragesteller der Weinbau zukünftig vor größere Herausforderungen ge- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16230 19. Wahlperiode 23.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 19. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stellt, denn invasive Schädlingsarten aus wärmeren Klimazonen, die sich durch eine hohe Anpassungsfähigkeit und ein großes Vermehrungs- und Verbreitungspotenzial auszeichnen, halten auch in den deutschen Weinanbaugebieten Einzug. 1. Wie veränderte sich die bestockte Rebfläche in Deutschland innerhalb der letzten zehn Jahre nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Bundesland angeben)? Die Rebflächen sind in allen Bundesländern in den letzten zehn Jahren weitgehend konstant geblieben. Exakte Zahlen der mit Keltertrauben bestockten Rebflächen von 2008 bis 2018 können beigefügter Tabelle entnommen werden. 2. Welcher (An-)Teil von weinbaulich bewirtschafteter Fläche liegt nach Kenntnis der Bundesregierung in Schutzgebieten (bitte nach Fläche und prozentualem Anteil und Bundesland aufschlüsseln)? Wie hat sich dieser Anteil in den letzten zehn Jahren verändert (bitte nach Fläche und prozentualem Anteil und Bundesland aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse vor, wie hoch der (An-)Teil von weinbaulich bewirtschafteten Flächen in Schutzgebieten ist bzw. wie sich dieser Anteil verändert hat. 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmitteln für den Weinbau zur Ertrags- und Qualitätssicherung? Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau (etwa 103.000 ha) ist nach aktuellem Kenntnisstand sowohl im integrierten als auch im ökologischen Weinbau zur Erreichung der Ertrags- und Qualitätsanforderungen erforderlich. 4. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Zielerreichung des Nationalen Aktionsplanes Pflanzenschutz (NAP), wonach bis 2023 in 80 Prozent der Anwendungsfälle mindestens drei Wirkstoffe zur Verfügung stehen sollen, in Bezug auf den Weinbau? 5. Für wieviel Prozent der Anwendungsfälle im Weinbau stehen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit drei Wirkstoffe zur Verfügung? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Weinbau ist betroffen von Schäden durch Viren, Bakteriosen, Phytoplasmen , Pilzkrankheiten und tierischen Schädlingen sowie durch Unkräuter. Die Anwendungsfälle von Pflanzenschutzmitteln beziehen sich im Wesentlichen auf die Bereiche Unkräuter, Pilzkrankheiten und tierische Schädlinge. Für Viren , Bakteriosen und Phytoplasmen stehen im Weinbau zurzeit keine Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Eine Eindämmung muss hier vor allem über die Dezimierung der tierischen Vektoren erfolgen, welche insbesondere in den Vermehrungsbeständen der Rebschulen stattfindet. In den drei Bereichen Pilzkrankheiten, tierische Schädlinge und Unkräuter stehen für die Hauptanwendungen mindestens drei Wirkstoffe zur Verfügung. In allen drei Bereichen gibt es aber auch eine Vielzahl von Bekämpfungslücken, für die keine ausreichenden Wirkstoffe zur Verfügung stehen. Drucksache 19/16230 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Derzeit wird eine Analyse zum Ist-Zustand der Erfüllung der NAP-Indikator- Vorgaben für relevante geringfügige Anwendungen zum Zulassungsstand 10. Oktober 2019 durchgeführt. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2020 vorliegen. 6. Welcher (An-)Teil der weinbaulich genutzten Fläche würde von den Pflanzenschutzrestriktionen , die das sogenannte Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung fordert, betroffen sein? Die in Maßnahmenpunkt 4.1, erster Anstrich, des Aktionsprogramms Insektenschutz genannten Pflanzenschutzrestriktionen betreffen Naturschutzgebiete, Nationalparks, Nationale Naturmonumente, Naturdenkmäler und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes und Fauna- Flora-Habitat-Gebiete. Außerdem gelten die Pflanzenschutzrestriktionen in Vogelschutzgebieten mit Bedeutung für den Insektenschutz, die von den Ländern in eigener Zuständigkeit bestimmt werden. Zum (An-)Teil der weinbaulich genutzten Fläche in den genannten Gebieten siehe Antwort zu Frage 2. Weiterhin ist nach Maßnahmenpunkt 4.1, zweiter Anstrich, die verbindliche Festlegung eines bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln einzuhaltenden Mindestabstands zu Gewässern, ausgenommen kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung, von fünf Metern, wenn die Abstandsfläche dauerhaft begrünt ist, sonst von 10 Metern im Pflanzenschutzrecht vereinbart, wobei die Länder in gewässerreichen Niederungsgebieten abweichende Abstandsregelungen vorsehen können. Ob bzw. inwieweit davon auch weinbaulich genutzte Flächen betroffen sein werden, hängt damit von verschiedenen Variablen ab, sodass hierzu keine Prognose möglich ist. 7. Wie bewertet die Bundesregierung die im Aktionsprogramm Insektenschutz geforderten Pflanzenschutzrestriktionen im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Weinbaus in Deutschland? Laut Kabinettsbeschluss zum Aktionsprogramm Insektenschutz beinhalten die Pflanzenschutzrestriktionen ein Verbot von Herbiziden und von noch zu benennenden biodiversitätsschädigenden Insektiziden in den in der Antwort zu Frage 6 aufgeführten Gebieten und Flächen. Es wird davon ausgegangen, dass auf einem Teil der betroffenen Weinbauflächen auf den Einsatz von Herbiziden und Insektiziden verzichtet werden kann. Dies dürfte nach heutigem Stand der Technik mit einem höheren Bewirtschaftungsaufwand verbunden sein. So könnten in mechanisierbaren Rebflächen Herbizidanwendungen durch mechanische Bekämpfungsmaßnahmen ersetzt werden. In nicht mechanisierbaren Steil- und Terrassenlagen sind bisher keine Alternativen zur Herbizidanwendung verfügbar. Insektizide gegen Traubenwickler können in schutzbedürftigen Bereichen weitgehend durch Pheromonanwendungen ersetzt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16230 8. Welche Auswirkungen auf den Ertrag und die Qualität von weinbaulichen Erzeugnissen hätten die im Rahmen des Aktionsprogrammes Insektenschutz geplanten Pflanzenschutzmittelrestriktionen und das Verbot von Pflanzenschutzmitteln, die innerhalb des Aktionsprogrammes Insektenschutz als Mittel, die „die Biodiversität schädigen“, beschrieben werden? Bezüglich der Auswirkungen von geplanten Pflanzenschutzmittel-Restriktionen bei Herbiziden wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Die Auswirkungen von Verboten bei den Insektiziden können zurzeit nicht näher ausgeführt werden , da im Detail noch zu klären ist, welche Insektizide als biodiversitätsschädigend eingestuft werden. 9. Welche ökomischen Auswirkungen für Winzer gehen damit nach Auffassung der Bundesregierung einher? Die mechanische Unterstockpflege an Stelle des Einsatzes von Herbiziden führt nach Berechnungen des Ausschusses für Technik im Weinbau zu Mehrkosten von 50 bis 150 Euro/ha. 10. In welchem Zeithorizont soll das Aktionsprogramm Insektenschutz in Gesetzte und Verordnungen überführt werden? Auf welcher Ebene erfolgt bereits ein Austausch seitens des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) mit praktizierenden Winzern? Das Aktionsprogramm Insektenschutz umfasst Maßnahmen des Bundes, um dem Insektenrückgang und der Reduzierung der Artenvielfalt entgegenzuwirken . In der konkreten Ausgestaltung werden die genannten Maßnahmen unter Federführung der zuständigen Bundesressorts weiter konkretisiert und manche von ihnen auch in Rechtsvorschriften übertragen. Die geplanten zeitlichen Zielvorgaben für die rechtsrelevanten Maßnahmenpunkte sind den jeweiligen diesbezüglichen Überschriften im Aktionsprogramm Insektenschutz zu entnehmen. Um Fortschritte bei der Umsetzung der Maßnahmen und der Erreichung der Ziele des Aktionsprogramms Insektenschutz nachvollziehen zu können und eventuellen Nachsteuerungsbedarf frühzeitig zu erkennen, wird die Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsprogramms regelmäßig Rechenschaft ablegen. Dies soll im Rahmen der bestehenden Berichterstattung zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) erfolgen. Zudem werden sich Vertreterinnen und Vertreter gesellschaftlicher Akteure regelmäßig bei einen hochrangigen „Runden Tisch Insektenschutz“ über Fortschritte des Aktionsprogramms Insektenschutz austauschen und den Stand der Umsetzung der Maßnahmen besprechen. Ein erster „Runder Tisch Insektenschutz“ fand am 22. Oktober 2019 statt, ein zusätzlicher „Runder Tisch Insektenschutz“ speziell zu landwirtschaftlichen Fragen ist für das erste Quartal 2020 vorgesehen. Drucksache 19/16230 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16230 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333