Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Heike Hänsel, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15681 – Fortgesetzter Missbrauch von Interpol-Fahndungen zur politischen Verfolgung in der Türkei (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14803) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Zur Überprüfung zum Missbrauch von Fahndungsersuchen zur politischen Verfolgung hat Interpol am 1. August 2018 eine aus sieben Personen bestehende „Notices and Diffusion Task Force“ (NDTF) eingerichtet. Die Bundesregierung hat hierzu einen Volljuristen des Bundeskriminalamtes (BKA) in die NDTF zum Interpol-Generalsekretariat entsandt (vgl. Bundestagsdrucksachen 19/7046, Antwort zu Frage 12, 19/8572, Antwort zu Frage 1 und Plenarprotokoll 19/41, Antwort auf die Mündliche Frage 37 des Abgeordneten Andrej Hunko). Eine weitere BKA-Volljuristin arbeitet innerhalb der in der NDTF eingerichteten „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen“ mit. Die NDTF wird zudem vom BKA aus Deutschland unterstützt, Details hierzu teilt die Bundesregierung nicht mit. Nach Angaben der Bundesregierung hat auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) die Entsendung von geeignetem Personal, „insbesondere aus den Landesjustizverwaltungen“, in die NDTF bzw. die Task Force geprüft. Über ein Ergebnis dieser Prüfung ist trotz mehrmaliger Nachfrage nichts bekannt (vgl. Bundestagsdrucksachen 19/14803, 19/7046 und 19/8572). Die Bundesregierung begründet den hohen Anteil von Personal aus Deutschland damit, dass sie den drittgrößten Beitrag zum Haushalt von Interpol leistet und zu den Mitgliedstaaten gehört, „die im größten Umfang kostenfrei Personal zu Interpol entsenden“. Allerdings ist die Bundesregierung trotz dieses zahlreich in der NDTF vertretenen Personals nach Ansicht der Fragesteller nicht in der Lage, Fragen zur dortigen Tätigkeit zu beantworten. Angeblich liegen ihr „keine Informationen zu den konkreten Arbeits- und Prüfprozessen“ vor. Auch die Anzahl der bislang überprüften Ersuchen sind ihr angeblich nicht bekannt. Das wirft nach Ansicht der Fragesteller die Frage auf, welche Arbeit das vom BKA in die NDTF entsandte Personal eigentlich verrichtet. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16235 19. Wahlperiode 23.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 19. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wann wurden die Prüfungen durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Entsendung von geeignetem Personal, „insbesondere aus den Landesjustizverwaltungen“, in die NDTF bzw. die „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen “ abgeschlossen (Bundestagsdrucksachen 19/14803, 19/7046, 19/8572)? a) Welches Ergebnis kann die Bundesregierung hierzu mitteilen? b) Welche Landesjustizverwaltungen haben die Entsendung von Personal geprüft, und aus welchen Gründen ist diese Entsendung nicht erfolgt? Die Fragen 1 bis 1b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist fortwährend an der Abordnung von geeignetem Personal zu internationalen Organisationen interessiert. Die personellen und finanziellen Möglichkeiten hierzu werden laufend geprüft. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat eine entsprechende Stellenausschreibung an alle Landesjustizverwaltungen zur Prüfung übermittelt. Es gab eine Interessenbekundung. Bislang ist eine Abordnung an Interpol für den Einsatz bei der Task Force „Fahndung und Verbreitung“ (NDTF – Notices and Diffusions Task Force) nicht erfolgt, da die erforderlichen finanziellen Mittel hierfür nicht zur Verfügung standen. 2. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören nach Kenntnis der Bundesregierung der „Notices and Diffusion Task Force“ (NDTF) derzeit an, und woher stammen diese? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/8572 wird verwiesen. 3. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nach Kenntnis der Bundesregierung der in der NDTF eingerichteten „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen“ zugeordnet worden, und woher stammen diese? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Welche konkrete Arbeit verrichtet der Volljurist des Bundeskriminalamtes (BKA) in der NDTF? 5. Welche konkrete Arbeit verrichtet die Volljuristin des BKA in der „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen“ im Rahmen der NDTF? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Die vom Bundeskriminalamt zum Interpol-Generalsekretariat entsandten Bediensteten unterliegen der Dienst- und Fachaufsicht des Interpol-Generalsekretariats und sind verpflichtet, allein den Interessen der Organisation zu dienen. Sie unterliegen Verschwiegenheitspflichten und Restriktionen betreffend die Weitergabe von internen Informationen an Stellen außerhalb des Interpol-Generalsekretariats. Drucksache 19/16235 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Auf welche zusätzliche Weise wird die NDTF bzw. die dort eingerichtete „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen “ durch das BKA unterstützt? Eine über die Entsendung von zwei Bediensteten hinausgehende Unterstützung der NDTF durch das Bundeskriminalamt erfolgt derzeit nicht. 7. Wie wird die Arbeit der NDTF nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb von Interpol zusammengeführt und evaluiert? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 8. Aus welchen Gründen kennt die Bundesregierung die Anzahl der bislang in der NDTF bzw. der dort eingerichteten „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen“ überprüften Ersuchen nicht, obwohl sie dort mit dem BKA selbst vertreten ist (Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 2)? 9. Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung nicht in der Lage, die Instrumentarien und Funktionen von Interpol zu benennen, die von ihren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überprüft werden, und kennt auch keine Details zu konkreten Arbeits- und Prüfprozessen ihres eigenen Personals in der NDTF (Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 3)? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. In den Interpol-Gremien, in denen die Bundesregierung vertreten ist, wurden bislang keine statistischen Einzelangaben zu den überprüften Notices und Diffusions gemacht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 verwiesen. 10. Aus welchen Gründen ist es der Bundesregierung nicht möglich zu beantworten , ob ihr entsandtes Personal auch Gelb-, Grün-, Schwarz- oder Blauecken auf ihre Instrumentalisierung zur politischen Verfolgung und damit auf ihre Vereinbarkeit mit den Interpol-Vorschriften überprüft (Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 4)? Auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 wird verwiesen. 11. Aus welchen Gründen kennt die Bundesregierung die Anzahl der durch die NDTF bzw. der durch die dort eingerichtete „Task Force zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen“ als Instrumentalisierung zur politischen Verfolgung eingestuften Fahndungsersuchen nicht (Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 5)? Auf die Antwort zu den Fragen 8 und 9 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16235 12. War oder ist die Bundesregierung willens oder in der Lage, die auf Bundestagsdrucksache 19/14803 (Fragen 2, 3, 4, 5) begehrten Informationen nachzuliefern und hierfür eine entsprechende Abfrage bei Interpol vorzunehmen , und falls ja, welche Antworten hat sie von dort erhalten? Die mit den Fragen 2 bis 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14162 begehrten Informationen betreffen im Wesentlichen die Arbeits- und Prüfprozesse der NDTF bzw. der Task Force innerhalb der NDTF sowie statistische Angaben zu den Ergebnissen der Prüfungen. Informationen über die Antworten der Bundesregierung auf die in Bezug genommenen Fragen hinaus können allgemein zugänglichen Veröffentlichungen wie beispielsweise dem „Repository of Practice on Article 3“ entnommen werden, welches Interpol unter www.interpol.int/Who-we-are/Legal-framework/Legal-d ocuments (zuletzt abgerufen am 12. Dezember 2019) bereitstellt. Die parlamentarische Kontrollfunktion des Deutschen Bundestages umfasst keine Verpflichtung der Bundesregierung, frei verfügbare Informationen zusammenzustellen und anschaulich aufzubereiten. 13. Ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 17 so zu verstehen, dass sie keine Fälle aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europarates kennt, die über Interpol verteilte Haftbefehle zur politischen Verfolgung von Oppositionellen oder von Angehörigen von Unabhängigkeitsbestrebungen genutzt haben? Frage 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14162 zielt auf Fälle ab, in denen feststeht, dass eine Fahndung zur politischen Verfolgung genutzt wird. Die Bundesregierung trifft im Rahmen der Erfüllung der ihr im Fahndungsverfahren obliegenden Aufgaben diese Entscheidung nicht abschließend. Dies ist vielmehr einem sich anschließenden Auslieferungsverfahren vorbehalten, sofern die betreffende Person in Deutschland angetroffen worden ist. Fahndungsvorgänge werden zudem nicht statistisch erfasst, so dass eine belastbare Grundlage für eine Aussage zu einzelnen Staaten, in denen eine politische Verfolgung vorkommen könnte, nicht vorhanden ist. 14. Aus welchen Gründen konnte die Bundesregierung die Frage, in wie vielen Fällen von Interpol seit 2014 zurückgezogene Fahndungen nach einer Prüfung durch das BKA, das Bundesamt für Justiz, das BMJV und das Auswärtige Amt trotzdem als nationale Fahndung übernommen wurden, in der Antwort zu der Mündlichen Frage 37 des Abgeordneten Andrej Hunko (Plenarprotokoll 19/41) sehr konkret beantworten, während diese Beantwortung in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14803 angeblich mangels einer Statistik unterbleibt)? Die Mündliche Frage 37 des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE.), die in der Anlage zum Plenarprotokoll 19/41 beantwortet wurde, bezog sich auf Fälle, in denen sich das Generalsekretariat von Interpol auf Artikel 3 der Interpol Constitution berufen hat. Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine gesonderte Auswertung aller Fahndungsvorgänge im relevanten Zeitraum vorgenommen . Eine fortlaufende Statistik wird insoweit nicht geführt. Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14162 bezieht sich hingegen umfassend auf alle Fälle, in denen das Generalsekretariat von Interpol die weitere Nutzung von Interpol für ein bestimmtes Fahndungsersuchen untersagt hat. Aufgrund der hohen Gesamtzahl jährlich Drucksache 19/16235 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode beim Bundeskriminalamt (BKA) eingehender Fahndungsersuchen ist eine manuelle Auswertung nicht möglich. 15. Kann die Bundesregierung wenigstens näherungsweise mitteilen, in wie vielen Fällen von Interpol zurückgezogene Fahndungen nach der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/4365 als nationale Fahndung übernommen wurden? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 4a und 4b der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4365 wird Bezug genommen. Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik, so dass eine verlässliche Schätzung nicht möglich ist. 16. Kann die Bundesregierung wenigstens näherungsweise mitteilen, zu wie vielen nach Einrichtung der NDTF via Interpol an das BKA verteilten Fahndungen die Bundesregierung dem Generalsekretariat mitgeteilt hat, dass die Betroffenen in Deutschland Asyl beantragt oder erhalten haben (vgl. Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 9)? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik, so dass eine verlässliche Schätzung nicht möglich ist. 17. Kann die Bundesregierung wenigstens näherungsweise mitteilen, wie viele Entscheidungen, ob wegen offensichtlicher politischer Verfolgung im Rahmen einer Interpol-Rotecke ein Hinweis an die betroffene Person erfolgen soll, ihre Behörden seit 2013 an Landeskriminalämter übermittelt haben, und in wie vielen Fällen die jeweils örtlich zuständige Staatsanwaltschaft daraufhin ein inländisches Strafverfolgungsinteresse deutlich gemacht hat (vgl. Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 22)? 18. Kann die Bundesregierung wenigstens näherungsweise mitteilen, wie viele durch ein Interpol-Ersuchen zur Festnahme und Auslieferung möglicherweise gefährdete Personen die Bundesregierung an die Landesregierung Nordrhein-Westfalens gemeldet hat, die Betroffene auf mögliche Gefahren bei Auslandsaufenthalten hinweisen wollte (vgl. Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 23)? Die Fragen 17 und 18 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 22 und 23 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14803 wird Bezug genommen. Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik, so dass eine verlässliche Schätzung nicht möglich ist. 19. Welche Bundesbehörden haben an der siebten „Cybercrime-Konferenz“ von Europol und Interpol vom 9. bis 11. Oktober in Den Haag teilgenommen , und welche Themen wurden dort behandelt? An der Konferenz nahm das Bundeskriminalamt teil. Die auf der Konferenz behandelten Themen können der entsprechenden Pressemitteilung von Europol entnommen werden, die im Internet unter www.europol.europa.eu/newsroom/n ews/fighting-cybercrime-in-connected-future (zuletzt abgerufen am 12. Dezember 2019) veröffentlicht ist. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16235 20. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass der von der EU-Kommission im Jahr 2017 angekündigte Workshop zur Erarbeitung eines gemeinsamen Vorgehens der Mitgliedstaaten zu Artikel-3-Verstößen bei Interpol noch stattfinden kann (vgl. Bundestagsdrucksache 19/14803, Antwort zu Frage 19)? Im Anschluss an die Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/8572 hat sich der Sachstand nicht geändert. Die Bundesregierung ist wie bisher an einem intensiven fachlichen Austausch interessiert. Drucksache 19/16235 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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