Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15832 – Tabakwerbeverbot und Tabaklobby V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem noch kein umfassendes Tabakwerbeverbot gilt, obwohl es sich 2004 dazu durch die Ratifizierung des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO = Weltgesundheitsorganisation) verpflichtet hat. In der letzten Legislaturperiode scheiterte ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Tabakwerbeverbot (www.sueddeutsche.de/politik/tabakwerbung-merkel-verbot-werbe verbot-1.4500780). Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zeigen die engen Verbindungen der Tabaklobby zu Regierungsvertretern auf, die möglicherweise Einfluss auf diese Entwicklung hatten (vgl. Bundestagsdrucksache 18/11368). Neuerlich mehren sich jedoch die Statements auch aus der Unionsfraktion für ein Tabakwerbeverbot (www. welt.de/wirtschaft/article202863810/E-Zigaretten-Tabakwerbeverbot-in-Deuts chland-steht-bevor.html). Im Juni 2019 äußerte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel während der Befragung der Bundesregierung zum Tabakwerbeverbot: „Ich persönlich glaube, dass wir hier handeln und die Sache zu einer Entscheidung bringen sollten. […] sage ich einfach mal, dass wir bis zum Jahresende eine Haltung dazu finden . Wenn es nach mir geht, sollten wir das Tabakwerbeverbot haben, also die Werbung für Tabakprodukte verbieten“ (vgl. Plenarprotokoll 19/106). Die Fragesteller interessiert, ob 15 Jahre nach Ratifizierung des WHO- Tabakrahmenübereinkommens, Deutschland seiner völkerrechtlichen Pflicht nachkommt und ein umfassendes Werbeverbot umgesetzt wird. Entsprechende Gesetzentwürfe der Opposition gab es in dieser Legislaturperiode bereits und in der dazu erfolgten Anhörung befürworteten die Sachverständigen fast einhellig ein umfassendes Tabakwerbeverbot (www.bundestag.de/dokumente/text archiv/2018/kw50-pa-ernaehrung-tabakwerbung-577516). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16247 19. Wahlperiode 30.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 23. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausgaben für Werbung, Promotion und Sponsoring für Tabakerzeugnisse seit 2016 bis einschließlich 2018 (bitte nach direkter Werbung, Außenwerbung, Werbung im Kino, sonstige Werbung und keine Zuordnung, Promotion und Sponsoring sowie nach Jahren auflisten)? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Tabaklobby und Tabakregulierung“ auf Bundestagsdrucksache 18/11368 wird verwiesen. Die Ausgaben für Werbung, Promotion und Sponsoring werden auf der Basis einer notariell beurkundeten Mitteilung des Deutschen Zigarettenverbandes an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung übermittelt und regelmäßig im Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Die Daten für die Jahre 2016 und 2017 können der nachfolgenden Zusammenstellung entnommen werden; für das Jahr 2018 liegen noch keine Angaben vor. Tabakwerbeausgaben (in 1.000 Euro) 2016 2017 Direkte Werbung 87.808 98.008 davon: Werbung in Printmedien 43 93 Außenwerbung 87.204 95.865 Werbung im Kino 554 2.047 Werbung im Internet 8 3 Sonstige Werbung 0 0 Keine Zuordnung 0 0 Promotion 118.511 141.561 Sponsorship 5.463 7.810 Gesamte Werbeausgaben 211.783 247.379 2. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen direkten und indirekten Kosten des Rauchens für die Jahre 2015 bis 2018 (bitte jährlich und differenziert nach Ursache, z. B Krankheitskosten Raucher, Krankheitskosten Passivraucher, Pflegekosten, volkswirtschaftliche Schäden aufgrund von Krankheit, Erwerbsminderung und Arbeitslosigkeit etc. auflisten)? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Sachliche Betrachtung des Gefahrenpotenzials von E-Zigaretten und Liquids “ auf Bundestagsdrucksache 19/15371 wird verwiesen. Ein Gutachten der Universität Hamburg beziffert die volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens aus Sicht der Unternehmen und der Wirtschaft auf 56,14 Mrd. Euro jährlich (www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Drogenbeauftragte/2_Them en/2_Suchtstoffe_und_Abhaengigkeiten/1_Tabak/Downloads/Expertise_ Effertz_KostendesRauchens_Infopapier_12042019.pdf). 3. Wie viele Menschen sterben nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich an den Folgen des Rauchens? In Deutschland sterben jedes Jahr 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens (Quelle: dkfz – Tabakatlas Deutschland). Drucksache 19/16247 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wir hoch waren die Tabaksteuereinnahmen des Bundes in den Jahren 2015 bis 2018 (bitte jährlich auflisten)? Die Tabaksteuereinnahmen des Bundes in den Jahren 2015 bis 2018 sind nachstehend aufgeführt: Jahr Tabaksteuereinnahmen 2015 14.921 Millionen Euro 2016 14.186 Millionen Euro 2017 14.399 Millionen Euro 2018 14.339 Millionen Euro 5. Welche Ausgaben für Tabakwaren (Kleinverkaufswerte) wurden in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2015 bis 2018 verzeichnet (bitte jährlich auflisten)? Über die Ausgaben für Tabakwaren liegen der Bundesregierung keine hinreichend belastbaren jahresbezogenen Informationen vor. Nachstehend aufgeführt sind die Kleinverkaufswerte zu den jährlich von der Steuerzeichenstelle der Bundeszollverwaltung ausgegebenen Steuerzeichen: Jahr Kleinverkaufswerte (Netto-Bezug) 2015 26.222,59 Millionen Euro 2016 25.116,35 Millionen Euro 2017 25.912,26 Millionen Euro 2018 26.362,36 Millionen Euro Die dargestellten Kleinverkaufswerte sind jedoch nicht mit den Ausgaben für Tabakwaren identisch, da die Ausgabe der Steuerzeichen und der Verkauf der Tabakwaren nicht zwingend in dasselbe Jahr fallen. 6. Welche öffentlichen Gemeinwohlinteressen sieht die Bundesregierung betroffen , die ein Verbot von Tabakwerbung rechtfertigen? Aus Sicht der Bundesregierung rechtfertigen Gründe des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung und des Jugendschutzes weitere Beschränkungen der Tabakwerbung . Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes auf Bundestagsdrucksache 18/8962 verwiesen . 7. Hat die Bundesregierung, nachdem die Beratung und Abstimmung des von der Bundesregierung im Jahr 2016 vorgelegten Gesetzentwurfes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes (Bundestagsdrucksache 18/8962) von den regierungstragenden Fraktionen im Deutschen Bundestag verhindert wurde (www.spiegel.de/wirtschaft/service/zigarettenlobby-volker-kau der-blockiert-gesetz-gegen-tabakwerbung-a-1137549.html), erneut versucht , das Gesetz in den Bundestag einzubringen? Der angesprochene Gesetzentwurf wurde in der 18. Legislaturperiode von der Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Er wurde dort nicht beraten und unterfiel mit Ablauf der Legislaturperiode der Diskontinuität. Im Hinblick auf die laufende Legislaturperiode wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16247 8. Wie steht die Bundesregierung heute zur Umsetzung bzw. fehlenden Umsetzung ihrer Verpflichtungen durch die Ratifizierung des WHO-Tabakrahmenübereinkommens ? Sieht sie einen Völkerrechtsverstoß in der fehlenden Umsetzung? Zur rechtlichen Bedeutung des Tabakrahmenübereinkommens im Zusammenhang mit Werbeverboten wird auf die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes vom 28. Juni 2016 (S. 11 auf Bundestagsdrucksache 18/8962) verwiesen. An den Ausführungen hält die Bundesregierung fest. 9. Bis wann plant die Bundesregierung, einen neuen Gesetzentwurf für ein umfassendes Tabakwerbeverbot vorzulegen? Aus Sicht der Bundesregierung ist es zunächst Sache des Deutschen Bundestages zu entscheiden, ob und inwieweit er den von der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgelegten Gesetzentwurf in der aktuellen Legislaturperiode wieder aufgreift. Derzeit finden im parlamentarischen Raum Gespräche u. a. zur Ausweitung der Werbebeschränkungen für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse statt. 10. Wie viele Treffen fanden zwischen Vertretern der Tabakindustrie und der Bundesregierung seit Anfang 2017 statt (bitte nach Datum, Verband, Ministerien und Ebene auflisten)? a) In welcher Form fand die Vorbereitung zu den einzelnen Treffen statt (z. B. Erstellung von Vermerken)? b) Bei welchen Treffen wurde ein Gesprächsprotokoll geführt, bei welchen Gesprächen wurde kein Gesprächsprotokoll geführt? c) Bei welchen Treffen wurde ein Ergebnisprotokoll geführt, bei welchen Treffen wurde kein Ergebnisprotokoll geführt (bitte nach Monat , Verband und Ministerien auflisten)? d) Bei welchen dieser Treffen wurde über das Tabakwerbeverbot gesprochen ? Die Mitglieder der Bundesregierung pflegen in jeder Wahlperiode im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren aller gesetzlichen Gruppen. Unter diesen ständigen Austausch fallen Gespräche und auch Kommunikation in anderen Formen (schriftlich, elektronisch, telefonisch ). Eine lückenlose Auflistung der stattgefundenen Treffen kann bei der Beantwortung der vorliegenden Frage nicht gewährleistet werden. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher diesbezüglicher Daten besteht nicht und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt. Die nachfolgenden Ausführungen bzw. aufgeführten Angaben erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen. Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig . Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es am Rande von Veranstaltungen oder sonstigen Terminen zu persönlichen Gesprächen gekommen ist. Inwieweit dies tatsächlich der Fall war, kann aus den o. g. Gründen nicht nachvollzogen werden. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher fachlicher Kontakte und Gespräche nebst Teilnehmern besteht nicht. Das parlamentarische Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestags beinhaltet eine politische Kontrolle der Bundesregierung (vgl. auch BVerfGE 67, 100 [140]). Eine Auskunft über Termine unterhalb der Leitungsebene der Bundesministerien erfolgt deshalb nicht. Drucksache 19/16247 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Bearbeitung von Geschäftsvorfällen und die Verwaltung von Schriftgut in den Bundesministerien richten sich nach § 12 Absatz 2 GGO i. V. m. der Registraturrichtlinie (RegR). Dabei müssen insbesondere die Grundsätze von Nachvollziehbarkeit, sachgerechter Bearbeitung, Transparenz und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns und der Effizienz der Aufgabenerledigung beachtet werden. Die Entscheidung über die Aktenrelevanz eines Vorgangs obliegt dem/der zuständigen Bearbeiter/in. Dies gilt auch für die Vorbereitung und Protokollierung von Gesprächen. Vor diesem Hintergrund können folgende Angaben gemacht werden: Datum Teilnehmer Thema: WerbeverbotBundesregierung Vertreter der Tabakindustrie Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 03.12.2018 St. Dr. Aeikens Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR) nein Bundesministerium für Gesundheit 24.04.2017 Drogenbeauftragte der Bundesregierung Philip Morris nein Bundesministerium der Finanzen 26.01.2017 St Gatzer Philip Morris nein 11.12.2018 St Bösinger VdR nein 24.05.2019 St Bösinger Deutscher Zigarettenverband (DZV), VdR nein Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 11.10.2018 PSt Wittke Philip Morris und MSL Germany nein Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 24.09.2018 PSt’in Schwarzelühr-Sutter DZV nein Bundeskanzleramt 04.02.2019 StM Dr. Hoppenstedt Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH, British American Tobacco, DZV, VdR ja 11. Welche Treffen fanden mit anderen Interessenvertretern oder anderen Personen der Zivilgesellschaft seit Anfang 2017 statt, in denen es um Tabakpolitik im Allgemeinen und um das Tabakwerbeverbot im Speziellen ging (bitte nach Datum, Verband bzw. Expertin oder Experte, Bundesministerien und Ebene auflisten)? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. Darüber hinaus wird auf die Angaben in der nachfolgenden Tabelle verwiesen: Datum Teilnehmer Thema: WerbeverbotBundesregierung Interessensvertreter derZivilgesellschaft Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 18.03.2019 PSt Fuchtel Pro Rauchfrei ja Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16247 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333