Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15711 – Neue Wege in der Forstpflanzenzüchtung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Neue Züchtungsmethoden, wie sie bereits in der Nutzpflanzenzüchtung Verwendung finden, bieten auch für die Forstpflanzenzüchtung große Potentiale. Zu den Funktionen einzelner Gene in Bäumen ist nach Ansicht der Fragesteller bisher wenig bekannt. Gleichzeitig ist das Erbgut von Bäumen um ein Vielfaches größer als das von Tieren. Durch die zielgerichtete Identifizierung und Bearbeitung der Genetik wichtiger Baumarten können klimaplastische Zuchtziele besser erreicht werden (www.swr.de/swr2/wissen/wald-fit-machengegen -klimawandel,article-swr-14998.html). Die Klimaanpassung unserer Wälder erfordert nach Ansicht der Fragesteller ein schnelles Handeln. Die herkömmliche Auslese von Zuchtmaterial für die Forstpflanzenzüchtung bietet nur langwierige Zuchtfortschritte. Notwendig ist nach Ansicht der Fragesteller die Anerkennung neuer Züchtungstechnologien durch die Bundesregierung auch im Rahmen des klimaplastischen Waldumbaus in Deutschland. Der § 3 des Forstvermehrungsgutgesetzes (FoVG) lautet: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) wird ermächtigt , durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates forstliches Vermehrungsgut weiterer Baumarten und künstlicher Hybriden den Vorschriften dieses Gesetzes vollständig oder teilweise zu unterwerfen, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union erforderlich ist. 1. Welche Lösungen sieht die Bundesregierung in der Anwendung neuer Züchtungsmethoden im Bereich der Forstpflanzenzüchtung und hinsichtlich der Klimaanpassung unserer heimischen Wälder (bitte die verschiedenen Entwicklungspfade neuer Züchtungsmethoden in diesem Zusammenhang anhand ökologischer, ökonomischer und technischer Kriterien darstellen )? Die wichtigste Anpassungsoption der Forstwirtschaft an die Klimaänderung besteht in einer großen Vielfalt bei der Baumartenwahl zwecks Risikostreuung. Wälder mit vielfältiger Artenzusammensetzung und breiter genetischer Ampli- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16248 19. Wahlperiode 30.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 20. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. tude bieten – angesichts der für den einzelnen Waldstandort nicht vorhersehbaren Folgen des Klimawandels – die beste Voraussetzung für anpassungsfähige und künftig stabile Waldökosysteme. Artenvielfalt und genetische Vielfalt sind daher gleichermaßen zu beachten und zu fördern, z. B. durch Anbau von Mischbeständen. Naturverjüngungsverfahren sind zu bevorzugen, wenn der zu verjüngende Bestand an den Standort angepasst ist und geeignete Mutterbäume der im künftig angestrebten Mischbestand zu beteiligenden Baumarten enthält. Zur Schaffung von Mischbeständen kann aber nicht immer auf die natürliche Verjüngung gesetzt werden. Gleiches gilt, wenn der zu verjüngende Altbestand schlechte Qualitäten aufweist oder mit nicht an den Standort angepassten Herkünften begründet wurde. Hier ist die Einbringung standortgerechter leistungsfähigerer Baumarten und Herkünfte eine Chance, um den Bestand ökologisch und ökonomisch aufzuwerten und zukünftige Risiken zu minimieren. Die „klassische Forstpflanzenzüchtung“ beruht auf wiederkehrende Zyklen von Selektion von Plusbäumen und anschließender gelenkter Kreuzung zwischen diesen ausgewählten Individuen. Die Plusbäume haben dabei jeweils eine verbesserte bzw. erhöhte oder stärkere Ausprägung des gewünschten Zielmerkmals . Typische Zielmerkmale sind Parameter der Wüchsigkeit und der Resistenz gegenüber biotischen und abiotischen Schadfaktoren. Die Kreuzungen zwischen den selektierten Plusbäumen können auch wegen des hohen Arbeitsaufwandes unkontrolliert etwa in einer Samenplantage erfolgen. Für den Anbau im Wald kommen dann die Samen aus den Samenplantagen oder vegetativ vermehrte Plusbäume zur Verwendung. Forstpflanzen besitzen Eigenschaften, die ihre züchterische Verbesserung im Vergleich zu landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erschweren. Dazu zählt die lange Generationszeit, die ausgeprägte Inzuchtdepression, die spät einsetzende Blühbereitschaft, der hohe Aufwand zur Durchführung kontrollierter Kreuzungen an hochgewachsenen Bäumen, sowie die mangelnde Bewurzelbarkeit und damit schwierige vegetative Vermehrung bei vielen Baumarten. So ist zu erklären , dass selbst die intensivsten Züchtungsprogramme bei Forstpflanzen (etwa bei Pinus radiata in Neuseeland oder Eukalyptus in Brasilien) nicht über den 3. oder 4. Züchtungszyklus hinauskommen. Bei landwirtschaftlichen Pflanzen können schon bis zu 50 Züchtungszyklen erreicht werden. Pflanzen, die mit klassischen Verfahren gezüchtet wurden, brauchen keine besondere Zulassung, z. B. nach dem Gentechnikgesetz, sondern unterliegen der Sortenzulassung (Saat- und Pflanzgut landwirtschaftlicher Arten) bzw. dem Forstvermehrungsgutgesetz (Waldbäume). In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels steht die Forstpflanzenzüchtung vor drängenden Herausforderungen. Viele einheimische Baumarten geraten durch Wetterextreme mit hohen Temperaturen und ausgedehnten regenarmen Perioden (Trockenheit, Dürre) in große Schwierigkeiten. Zudem siedeln sich neuartige Schadorganismen (Insekten, Pilze, Bakterien) in Mitteleuropa an, die unsere einheimischen Baumarten in ihrer Existenz bedrohen. In den letzten Jahren wurde die klassische Züchtung um molekularbiologische Verfahren ergänzt, wie z. B. die Genmarker-gestützte Selektion von Plusbäumen oder die genomische Selektion, bei der anhand der Gensequenzen die Individuen für den nächsten Züchtungszyklus ausgewählt werden. Allerdings werden in Deutschland diese molekularbiologischen Verfahren in der Forstpflanzenzüchtung nicht eingesetzt. Weiterhin werden in der Forschung Verfahren der Genomeeditierung eingesetzt , bei denen gezielt einzelne Basen des genetischen Codes ergänzt oder umgeschrieben werden. Hierfür werden häufig sog. Genscheren eingesetzt. Bekannte Verfahren sind je nach verwendeter Genschere CRISPR/Cas9 und TALEN. So veränderte Bäume unterliegen nach der Rechtsprechung des Euro- Drucksache 19/16248 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode päischen Gerichtshofs (EuGH; Urteil vom 25. Juli 2018) dem Gentechnikrecht. Auf Grund der Neuheit der Verfahren und der Komplexität des Genoms sowie der langen Vermehrungszyklen sind Chancen und Risiken der Genomeditierung im forstlichen Bereich derzeit noch nicht ausreichend erforscht. Gleichzeitig ist der Fortschritt im Bereich der DNA-Entschlüsselung (Sequenzierung ) von tierischem und pflanzlichem Erbgut (Genome) rasant. Obwohl die Sequenzierung von Bäumen aufgrund der großen, komplexen Genome besondere Schwierigkeiten birgt, sind mittlerweile zahlreiche Baumgenome entschlüsselt (s. Antwort zu Frage 7). 2. Welche neuen Züchtungsmethoden sind derzeit relevant für die Forstpflanzenzüchtung in Deutschland? In Deutschland finden derzeit die neuen molekularbiologischen Methoden in der Forstpflanzenzüchtung keine praktische Anwendung. Auch spielen diese Verfahren in der Züchtungsforschung bei Bäumen nur eine untergeordnete Rolle. Weltweit (USA, Kanada, in verschiedenen Ländern in Südamerika, Japan, Russland und Australien) wird allerdings bereits sehr intensiv an einer Anwendung der neuen molekularbiologischen Methoden (CRISPR/Cas9, TALEN) bei Bäumen (Pappel, Eukalyptus, Kiefer, Tanne) geforscht. Die genmarkergestützte Selektion von Plusbäumen und die genomische Selektion werden außerhalb Deutschlands z. B. in Frankreich bei der Züchtung der Seekiefer (Pinus pinaster; „Genomic Selection“) eingesetzt. In wieweit die Verfahren relevant für die Züchtung in Deutschland werden, lässt sich derzeit nicht abschätzen . 3. Welche neuen Züchtungsmethoden werden zukünftig relevant für die Forstpflanzenzüchtung in Deutschland sein? Pflanzenzüchtung im Allgemeinen beinhaltet und nutzt durch den Menschen gewünschte und selektierte genetisch bedingte Veränderungen, um Pflanzen inklusive Bäume an seine Bedürfnisse optimal anzupassen. Eine Erweiterung des Methodenspektrums der klassischen Züchtung stellt die Biotechnologie dar. Klassische Methoden der Biotechnologie wie Gewebekultur und In-vitro- Vermehrung finden bereits heute bevorzugt in der Nutzpflanzenzüchtung Anwendung , werden aber auch schon vereinzelt in der Forstpflanzenzüchtung eingesetzt . Das Thünen-Institut für Forstgenetik weist bereits seit über 20 Jahren auf die enormen Möglichkeiten der Biotechnologie sowie der Marker-gestützten Selektion (Präzisionszüchtung) zur Beschleunigung und Effizienzsteigerung der Forstpflanzenzüchtung hin. Die Anwendung von biotechnologischen Methoden wie beispielsweise SpeedBreeding, Genomische Selektion und Präzisionszüchtung mit Hilfe molekularer Marker [„Smart-Breeding“], ist bei Bäumen besonders interessant, findet in Deutschland derzeit aber keine praxisnahe Anwendung . Gentechnische Verfahren, wie beispielsweise Gentechnik u. a. Cisgenese und Intragenese und sowie die neuen molekularbiologischen Techniken (Genomeditierung mittels CRISPR/Cas9, TALENs) werden derzeit nicht eingesetzt . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16248 4. In welcher Art und Weise beteiligt sich die Bundesregierung an der Erforschung neuer Züchtungsmethoden im Bereich der Forstpflanzenzüchtung? a) Welche laufenden Forschungs- und Versuchsprojekte werden von der Bundesregierung unterstützt, um neue Züchtungsmethoden für die Forstpflanzenzüchtung zu erforschen (bitte die Laufzeit und die zugewiesenen Mittel je Forschungs- und Versuchsvorhaben darstellen)? Derzeit werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) drei laufende Projekte gefördert, in denen die neuen Züchtungsmethoden getestet werden: 1. Vorhabenbezeichnung: ChitoPop – Optimierung der Pathogenresistenz und Mykorrhizierung von Pappeln durch Modifikation von LysM-Proteinen Fördersumme: 332.810,00 Euro Laufzeit: 2016 bis 2020 2. Vorhabenbezeichnung: aProPop – Entwicklung eines DNA-freien Genom- Editing Systems in Pappel nach transienter Übertragung eines Cas9/gRNA- Plasmids und Ribonukleinproteins in Protoplasten und keimenden Pollen Fördersumme: 395.661,00 Euro Laufzeit: 2018 bis 2020 3. Vorhabenbezeichnung: Entwicklung und Testung eines technologischen Prozesses für die klonale Massenvermehrung, Anzucht und Klonbewertung bei Abies nordmanniana Fördersumme: 2.426.154,00 Euro Laufzeit: 2016 bis 2021 b) Welche Projekte wurden in diesem Zusammenhang in den letzten 30 Jahren von der Bundesregierung initiiert (bitte jährlich die Laufzeit und die zugewiesenen Projektmittel je Forschungsvorhaben darstellen )? Bisher wurden von der Bundesregierung keine Projekte im Bereich der Forstpflanzenzüchtung initiiert, die den Einsatz der Gentechnik sowie die neuen Züchtungsmethoden (Genomeditierung mit Hilfe von CRISPR/Cas9 oder TALEN) zum Ziel haben. c) Welche Projekte wurden in diesem Zusammenhang in den letzten 30 Jahren von der Bundesregierung gefördert (bitte die Laufzeit und die zugewiesenen Projektmittel je Projekttitel darstellen)? Im Zusammenhang neuer Züchtungsmethoden im Bereich der Forstpflanzenzüchtung wurden die aus der folgenden Tabelle ersichtlichen Projekte durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Waldklimafonds bzw. des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe gefördert , die z. B. die Erforschung der Präzisionszüchtung inkl. molekularer Marker oder die Züchtungsbeschleunigung zum Ziel haben. Zuwendungsempfänger Beginn Ende Bundesmittel Thema Georg-August- Universität Göttingen 01.05.07 14.11.10 152.783 Verbundvorhaben: Innovative Hybridpappeln : Schnelles Wachstum für Deutschland ; Teilvorhaben 1: Aufbau der Pappelkollektion Drucksache 19/16248 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zuwendungsempfänger Beginn Ende Bundesmittel Thema Max-Planck- Gesellschaft (MPG) 01.05.07 31.08.10 227.025 Verbundvorhaben: Innovative Hybridpappeln : Schnelles Wachstum für Deutschland ; Teilvorhaben 2: Nutzung der Biodiversität mittels somatischer Hybridisierung Nordwest-deutsche FVA 01.06.10 31.05.13 224.404 Verbundvorhaben: SNP-Diagnose züchtungsrelevanter Eigenschaften von Salicaceaen; Teilvorhaben 1 Thünen-Institut 01.06.10 31.05.13 185.979 Verbundvorhaben: SNP-Diagnose züchtungsrelevanter Eigenschaften von Salicaceaen, Teilvorhaben 2 Phytowelt Green Technologies GmbH 15.04.11 30.04.15 253.917 Verbundvorhaben: ZUEND – Züchtung neuer Energiepappeln für Deutschland; Teilvorhaben 1: Somatische Hybridisierung Nordwest-deutsche FVA 15.04.11 14.09.14 232.432 Verbundvorhaben: ZUEND – Züchtung neuer Energiepappeln für Deutschland; Teilvorhaben 3: Materialbereitstellung und -prüfung Thünen-Institut 15.04.11 30.04.15 252.148 Verbundvorhaben: ZUEND – Züchtung neuer Energiepappeln für Deutschland; Teilvorhaben 2: Identitätsüberprüfung mittels Marker und Marker-Entwicklung Humboldt-Universität zu Berlin 15.06.12 31.10.15 498.089 Verbundvorhaben: Entwicklung der biotechnologischen Grundlagen und praxisnaher Anbauverfahren zur Steigerung der Dendromasseproduktion durch Züchtung und Massenvermehrung von Sorten ausgewählter Baumarten; Teilvorhaben 1: Entwicklung der biotechnologischen Grundlagen Staatsbetrieb Sachsenforst 15.06.12 31.08.15 451.954 Verbundvorhaben: Entwicklung der biotechnologischen Grundlagen und praxisnaher Anbauverfahren zur Steigerung der Dendromasseproduktion durch Züchtung und Massenvermehrung von Sorten ausgewählter Baumarten: Teilvorhaben 2: Züchtung und Anbau von Hochleistungssorten ausgewählter Baumarten Technische Universität Dresden 01.01.15 30.04.18 166.263 Verbundvorhaben: Entwicklung von Retrotransposon -basierten molekularen Markern für die Identifizierung von Sorten, Klonen und Akzessionen als Grundlage für Züchtung , Ressourcenmanagement und Qualitätskontrolle von Pappel und Hybridlärche; Teilvorhaben 1: TU Dresden (Forstbotanik/ Forstzoologie) Technische Universität Dresden 01.01.15 31.08.18 364.440 Verbundvorhaben: Entwicklung von Retrotransposon -basierten molekularen Markern für die Identifizierung von Sorten, Klonen und Akzessionen als Grundlage für Züchtung , Ressourcenmanagement und Qualitätskontrolle von Pappel und Hybridlärche; Teilvorhaben 3: TU Dresden (Botanik) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16248 Zuwendungsempfänger Beginn Ende Bundesmittel Thema Staatsbetrieb Sachsenforst 01.02.15 30.09.18 145.405 Verbundvorhaben: Entwicklung von Retrotransposon -basierten molekularen Markern für die Identifizierung von Sorten, Klonen und Akzessionen als Grundlage für Züchtung , Ressourcenmanagement und Qualitätskontrolle von Pappel und Hybridlärche; Teilvorhaben 2: Staatsbetrieb Sachsenforst Georg-August- Universität Göttingen 01.04.16 30.04.20 452.040 Genetische Anpassung und Variation an der Frosttoleranz beteiligter Gene in der eingeführten Baumart Sequoia sempervirens, einer schnell wachsenden Wertholzbaumart und ihre Perspektive für die deutsche Forstwirtschaft Georg-August- Universität Göttingen 01.04.16 31.05.20 238.697 Verwendung moderner SNP-Technologie zur Identifikation und Auswahl von Frost- und schneeharten Bergfichten zur Begründung stabiler und ertragreicher Fichtenbestände im Rahmen des Fichten-Provenienzwechsels im Thüringer Wald Georg-August- Universität Göttingen 01.04.16 31.05.20 349.719 Genetische und waldbauliche Untersuchungen zur Bestimmung des Ursprungs, des Wachstums und der Stammqualität von Roteichen (Quercus rubra L.) in Deutschland Georg-August- Universität Göttingen 01.04.16 30.04.20 452.040 Genetische Anpassung und Variation an der Frosttoleranz beteiligter Gene in der eingeführten Baumart Sequoia sempervirens, einer schnell wachsenden Wertholzbaumart und ihre Perspektive für die deutsche Forstwirtschaft Georg-August- Universität Göttingen 01.04.16 31.05.20 238.697 Verwendung moderner SNP-Technologie zur Identifikation und Auswahl von Frost- und schneeharten Bergfichten zur Begründung stabiler und ertragreicher Fichtenbestände im Rahmen des Fichten-Provenienzwechsels im Thüringer Wald Georg-August- Universität Göttingen 01.04.16 31.05.20 349.719 Genetische und waldbauliche Untersuchungen zur Bestimmung des Ursprungs, des Wachstums und der Stammqualität von Roteichen (Quercus rubra L.) in Deutschland Thünen-Institut 01.04.17 31.03.20 449.044 Priming – Prägung: ein alternativer Ansatz zur schnellen Entwicklung von Resistenzen bei Forstbäumen Thünen-Institut 18.12.17 31.12.20 901.159 Herkunft – Neues Testverfahren zur Bestimmung der Herkunft von forstlichem Vermehrungsgut in Europa – Ein Beitrag zur Sicherung der Anpassung an den Klimawandel Drucksache 19/16248 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zuwendungsempfänger Beginn Ende Bundesmittel Thema Humboldt-Universität zu Berlin 01.01.19 31.12.20 353.626 Verbundvorhaben: Entwicklung und Einführung von biotechnologischen Verfahren zur Züchtung, Produktion und Verwendung von Hochleistungssorten ausgewählter Baumarten; Teilvorhaben 1: Entwicklung der biotechnologischen Verfahren (In-vitro- Vermehrung und Erhaltung) Staatsbetrieb Sachsenforst 01.01.19 31.12.20 350.125 Verbundvorhaben: Entwicklung und Einführung von biotechnologischen Verfahren zur Züchtung, Produktion und Verwendung von Hochleistungssorten ausgewählter Baumarten; Teilvorhaben 2: Bereitstellung Ausgangsmaterial, Akklimatisierung und Jungpflanzenanzucht sowie Klonprüfung und Umsetzung Humboldt-Universität zu Berlin 01.04.19 31.03.22 447.101 ForestValue: Entwicklung von Strategien und Technologien zur Nutzung der somatischen Embryogenese zur Intensivierung der Koniferenproduktion durch multivariate Forstwirtschaft Das BMBF hat mit dem Projekt PopMass im Kontext der Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie“ die Anwendung der neuen Züchtungsmethoden (Genomeditierung mit Hilfe von CRISPR/Cas9) erstmalig in Deutschland gefördert . Weitere Projekte hatten die Analyse von Kandidatengenen zum Ziel, die an der Holzbildung bei Eukalyptus, Pappel und Douglasie beteiligt sind. Bei der Tanne sollten die Krankheitsresistenzen und die einfache Vermehrung im Mittelpunkt der Forschung stehen. Die neuen Technologien sind zentraler Bestandteil für die Entwicklung der Methoden, die eine verbesserte Zucht auf Qualität, Masse und Resistenzen zum Ziel hatten. 1. Vorhabenbezeichnung: PopMass – „Entwicklung und Einsatz neuer Gentechnologien zur Steigerung der Biomasse in der Pappel“ Fördersumme: 830.063 Euro Laufzeit: 2012 bis 2017 2. Vorhabenbezeichnung: TreeForJoules – Improving eucalypt and poplar wood properties for bioenergy Fördersumme: 606.462 Euro Laufzeit: 2011 bis 2014 3. Vorhabenbezeichnung: KLONFORST: Entwicklung biotechnologischer Verfahren für die Züchtung und Massenvermehrung leistungsfähiger Klonsorten forstlich wichtiger Nadelgehölze: Beispiel Douglasie Fördersumme: 1.058.357,00 Euro Laufzeit: 2010 bis 2015 4. Vorhabenbezeichnung: Schaffung von Grundlagen für die Züchtung und Selektion von Tannenklonen mit überdurchschnittlichen Resistenz-, Anbauund Qualitätsmerkmalen für die Weihnachtsbaumproduktion Fördersumme: 2.119.438 Euro Laufzeit: 2012 bis 2016 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16248 5. Welche Erkenntnisgewinne im Bereich der Forstpflanzenzüchtung im Hinblick auf sich verändernde Klimabedingungen hat die Bundesregierung aus den letzten 30 Jahren bekommen (bitte die wesentlichen Erkenntniszuwächse der letzten 30 Jahre in Reihenfolge in diesem Zusammenhang darstellen)? Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wird in Deutschland Forstpflanzenzüchtung nur in geringem Umfang betrieben. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der bei den Landes- und Bundeseinrichtungen Beschäftigten sowie den Bildungseinrichtungen, die sich mit Forstpflanzenzüchtung befassen, auf etwa die Hälfte zurückgegangen. Dennoch konnte in den letzten 30 Jahren anhand von Versuchsergebnissen vielfach die Möglichkeiten der Verbesserung von Wuchsleistung, Qualität und Resistenz durch gelenkte Kreuzungen zwischen Auslesebäumen verschiedener Arten belegt werden. Der Züchtungsfortschritt liegt meistens in einem Bereich von 10 Prozent bis 30 Prozent Merkmalsverbesserung je Züchtungszyklus. Sehr erfolgversprechend waren dabei Arthybridisierungen zwischen Europäischer und Japanischer Lärche und innerhalb der Gattung Populus. Solche Arthybriden zeichnen sich durch eine höhere Wuchsleistung bei guter Vitalität aus, was eine Verkürzung von Umtriebszeiten und damit ggf. eine Verringerung von Anbaurisiken durch sich ändernde Klimabedingungen möglich macht. Weiterhin gab es in den letzten 30 Jahren erhebliche Forstschritte auf dem Gebiet der Gewebekultur von Forstgehölzen. So können auf diesem Wege Bäume mit erhöhter Toleranz und Resistenz (Esche, Schwarz-Erle), verbesserten Holzeigenschaften , die eine vermehrte stoffliche Nutzung erlauben (z. B. Vogel- Kirsche, Robinie, Berg-Ahorn), und höherer Wuchsleistung (insb. Hybriden bei Aspe, Lärche, Birke) effektiv vermehrt werden. Auch die Auswertungen der Aufnahmen der in Vergleichsprüfungen angebauten Nachkommenschaften von Beständen und Samenplantagen führten zu einer Erhöhung des Anteils an Ausgangsmaterial zur Erzeugung von forstlichem Vermehrungsgut der Kategorie „Geprüft“. So steht mehr Ausgangsmaterial, das sich insbesondere hinsichtlich Qualität und/oder Wuchsleitung bewährt hat, zur Erzeugung von Saat- und Pflanzgut zur Verfügung, dessen Nachkommen eine höhere Ausbeute und ein geringeres Betriebsrisiko aufweisen. Der effektivste Weg, die Ergebnisse der Forstpflanzenzüchtung in die Fläche zu bringen, ist die Nutzung von forstlichem Vermehrungsgut aus Samenplantagen. Bei den Nadelbaumarten ist dieser Anteil generell höher als bei den Laubbaumarten . Bei der Waldkiefer liegt dieser Anteil seit Jahren über 70 Prozent. 6. Wie engagiert sich die Bundesregierung in europäischen und internationalen Projekten zur Erforschung neuer Züchtungsmethoden in der Forstpflanzenzüchtung ? Die Bundesregierung ist derzeit an keinem europäischen und internationalen Forschungsprojekt zur Erforschung neuer molekularbiologischer Techniken in der Forstpflanzenzüchtung beteiligt. Das Thünen-Institut für Forstgenetik ist allerdings in einer EU-COST-Aktion (European Cooperation in Science and Technology) involviert, die sich mit der möglichen Anwendung neuer molekularbiologischer Techniken bei Pflanzen im Allgemeinen beschäftigt. Die EU- COST Aktion „PlantEd“ (Genome Editing in Plants; CA 18111), die von 2019 bis 2023 läuft, beschäftigt sich mit den Auswirkungen und möglichen Anwendungspotentialen der Genomeditierung sowie mit Regulierungsoptionen und sozioökonomischen Aspekten in Pflanzen. Drucksache 19/16248 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Eine zweite EU-COST Aktion, „iPLANTA“ (Modifying Plants to produce Interferring RNA; CA 15223) (2016-2020), diskutiert Anwendung, Biosicherheit und sozioökonomische Aspekte von kleinen doppelsträngigen RNA-Molekülen (RNA-Interferenz [RNAi]) im Rahmen einer „RNA-Impfung“. Diese Strategie könnte zur Bekämpfung von derzeit akut Bäume und Menschen bedrohende bzw. schädigende Krankheitserreger und Schädlinge (z. B. Borkenkäfer , Eichenprozessionsspinner, u. a.) eingesetzt werden. Die Risiken einer möglichen „Nicht-Zielorganismus“-gerichteten Wirkung doppelsträngiger RNA-Moleküle, bedürfen noch einer weiteren Klärung. 7. Welche Genome bedeutender Baumarten sind nach Kenntnis der Bundesregierung bisher entschlüsselt? Die Initiative bei der Entschlüsselung von Genomen wichtiger Forstbaumarten wurde hauptsächlich außerhalb Deutschlands (Schweden, Frankreich, USA, China, etc.) ergriffen. Nur bei der Rotbuche (Senckenberg), der Silberpappel und der Graupappel (beide Thünen-Institut für Forstgenetik) haben deutsche Forscher federführend mitgewirkt. Weiterhin hat sich das Thünen-Instituts für Forstgenetik in den letzten Jahren entscheidend an der Auswertung von Sequenzdaten des Erbguts von Eiche, Pappel, Weißtanne sowie den tropischen Baumarten Merbau, Khaya und Sapeli beteiligt. Bei der Zitterpappel sowie der Graupappel wurde das vollständige Chloroplastengenom mit jeweils fast 160.000 Basenpaaren entschlüsselt. Darüber hinaus wurde, weltweit zum ersten Mal für die Familie der Weidengewächse (Salicaceae), für beide Baumarten auch das vollständige Genom des Mitochondriums (mit fast 800.000 Basenpaaren ) erstellt. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind die Genome der folgenden Baumarten entschlüsselt: Nadelbaumarten: Gemeine Fichte (Picea abies), Schimmelfichte (Picea glauca), Weißtanne (Abies alba), Wald-Kiefer (Pinus sylvestris), Weihrauch-Kiefer (Pinus taeda), Zucker-Kiefer (Pinus lambertiana), Sibirische Zierbelkiefer (Pinus sibirica), Sibirische Lärche (Larix sibirica), Ginkgo (Ginkgo biloba). Laubbaumarten: Balsampappel (Populus trichocarpa), Amerikanische Schwarzpappel (Populus deltoides), Europäische Zitterpappel (Populus tremula), Amerikanische Zitterpappel (Populus tremuloides), Euphrat-Pappel (Populus euphratica), Stieleiche (Quercus robur), Rotbuche (Fagus sylvatica), Silberbirke (Betula pendula), Zwergbirke (Betula nana), Chinesische Kastanie (Castanea mollissima), verschiedene amerikanische und asiatische Walnussarten (Juglans spec.), Eucalyptus grandis, Roter Eukalyptus (Eucalyptus camaldulensis), Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Süßkirsche (Prunus avium). 8. Über welche wissenschaftlichen Kenntnisse zur Anwendung der Genschere CRISPR/Cas9 bei Bäumen verfügt die Bundesregierung bis dato? Der Arbeitsbereich Genomforschung des Thünen-Instituts für Forstgenetik, Großhansdorf, forscht seit fünf Jahren an dem Thema und hat eine Reihe von Publikationen, Interviews und YouTube Videos zu methodischen Aspekten, Anwendungsmöglichkeiten und Risiken der Genschere CRISPR/Cas9 bei Bäumen veröffentlicht: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16248 Publikationen: Brügmann T, Deecke K, Fladung M (2019) Evaluating the Efficiency of gRNAs in CRISPR/Cas9 Mediated Genome Editing in Poplars. Int J Mol Sci 20:3623 (https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn061163.pdf) Brügmann T, Fladung M (2019) Genom-Editierung in Bäumen. AFZ Wald 74(5):16-18 (https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn060910.pdf) Brügmann T, Polak O, Deecke K, Nietsch J, Fladung M (2019) Poplar Transformation . In: Kumar S., Barone P., Smith M. (eds) Transgenic Plants. Methods in Molecular Biology, Vol 1864:165-177. Humana Press, New York, NY. DOI: 10.1007/978-1-4939-8778-8_12 (https://link.springer.com/protocol/10.1007%2 F978-1-4939-8778-8_12) Fladung M. (2018). No CRISPR regulation in China but in the EU a GVO or no-GVO vicious circle. eLetter to Normile D (2018) For China, a CRISPR first goes too far. Science 07 Dec 2018: Vol. 362, Issue 6419, pp. 1091. Science online, http://science.sciencemag.org/content/362/6419/1091/tab-e-letters Fladung M., Ewald D. (2018) Biotechnologie schnellwachsender Baumarten. In: Veste M., Böhm C. (eds) Agrarholz – Schnellwachsende Bäume in der Landwirtschaft. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. DOI: 10.1007/978-3-662-49931-3_6 Fladung M (2015) Pflanzenbiotechnologie 3.0. Gesunde Pflanzen 67: 51-58 (www.deepdyve.com/lp/springer-journals/pflanzenbiotechnologie-3-0-iIs0u8 pC2y). In Interviews und YouTube-Videos: Fladung M Die neuen Genome-Editing-Methoden sind in der Pappel-Züchtung äußerst vielversprechend. www.transgen.de/forschung/1511.pappel-nachwach sender-rohstoff.html Fladung M Genome Editing Kantinengespräche. www.youtube.com/watch?tim e_continue=3&v=7A21fsmo-Aw&feature=emb_title Brügmann T Bäume im Klimawandel. www.youtube.com/watch?v=Ammj9Nk n8HA&feature=emb_title Brügmann T, Heier K, und andere: Keine Gentechnik? Was junge Pflanzenforscher dazu sagen. www.youtube.com/watch?v=Lwq3UJmP30c&feature=em b_title Fladung M Die richtigen Kandidaten für mehr Holz (www.pflanzenfor schung.de/de/journal/journalbeitrage/die-richtigen-kandidaten-fuer-mehr-holzpop -mass-und-tr-10292). Darüber hinaus wurde im Oktober 2019 ein Antrag an die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) zur Übertragung der Erkenntnisse auf die Rotbuche (Fagus sylvatica) eingereicht. 9. Welche genetischen Eigenschaften können nach Ansicht der Bundesregierung mit der Genschere CRISPR/Cas9 an Bäumen bearbeitet werden? Grundlagenforschung zu neuen molekularbiologischen Methoden findet derzeit mit folgenden Zielsetzungen statt: Im Jahr 2013 wurde zum ersten Mal die Anwendung der Genschere CRISPR/ Cas9 zur gezielten Veränderung von Genen an lebendigen Zellen beschrieben. Bereits zwei Jahre später, im Jahr 2015, wurden die ersten Publikationen zur Genomeditierung in Bäumen veröffentlicht. Hierfür wurde mit hoher Effizienz Drucksache 19/16248 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ein Gen (Phytoen-Desaturase, PDS) gezielt ausgeschaltet, was in der Folge zu weißen Pflanzen (Albinos) führt. In Deutschland wurden 2016 im Thünen- Institut für Forstgenetik, Großhansdorf, die ersten CRISPR/Cas9-Versuche an Bäumen durchgeführt. Als Modellorganismus diente hierfür die molekularbiologisch gut erforschte Hybridpappel Populus × canescens (Graupappel). Seitdem werden weltweit noch prioritär verschiedene Pappelarten mit der Genschere CRISPR/Cas9 bearbeitet, aber auch eine Übertragung der Methode auf Eukalyptus, Fichte und Kiefer wird momentan angestrebt. Folgende Merkmalsänderungen werden international derzeit und bis in den nächsten zehn bis 20 Jahren mit Hilfe der Genomeditierung angestrebt: Holzzusammensetzung: Die meisten der derzeit veröffentlichten CRISPR-Studien in Pappeln haben Modifikationen des Phenylpropanoid- und Brassinosteroid-Stoffwechsels sowie von Zellwandmerkmalen zum Inhalt. Hier spielen insbesondere die Verringerung des Ligningehalts ( Anreicherung Zellulose höhere Bioäthanolausbeute) sowie strukturelle Holzmerkmale eine wichtige Rolle. Biomasse: Über Genom-Editierung können gezielt Mutationen in Kandidatengenen eingefügt werden, um eine gesteigerte Holzbildung zu erreichen. Im Rahmen einer Doktorarbeit, die am Thünen-Institut für Forstgenetik durchgeführt wurde, wurden fünf Gene identifiziert, die in der Blühzeitpunkt-Regulation involviert sind, deren Bedeutung aber für die Biomassebildung in Pappeln noch unbekannt ist. Pflanzenarchitektur und Blütenbildung: CRISPR/Cas-basiertes Ausschalten von Genen, die Verzweigungsmerkmale bei Pflanzen steuern, führten zu einer veränderten Sprossarchitektur. Knockouts eines anderen Gens, das den Winkel von Seitensprossen beeinflusst (TILLER ANGLE CONTROL (TAC)), führte zu Bäumen mit einer aufrechteren Statur. Beide Ansätze könnten dazu genutzt werden, Bäume zu erzeugen die in höherer Anzahl pro Flächeneinheit angepflanzt werden könnten. Andere Studien berichten über erfolgreiche Mutation essentieller Blütengene, die bei männlichen und weiblichen Pappelgenotypen zu einer verfrühten Blütenbildung führen. Schließlich ist es in einer weiteren Studie gelungen, das Geschlecht von weiblichen Zitterpappeln so zu verändern, dass männliche Blütenorgane gebildet wurden, die darüber hinaus auch noch befruchtungsfähig waren. Symbiose mit Ektomykorrhizapilzen: Für einen weiteren Ansatz wurden vier Gene ausgewählt, deren Proteine als Rezeptoren auf der Zelloberfläche fungieren, über die von der Pflanze der Kontakt zu Pilzen gesteuert wird. Die Bedeutung dieser Proteine wird in der Interaktion zwischen der Pappel und Pilzen vermutet. Das ist insofern von Interesse, da es neben phytopathogenen Pilzen auch Pilze (Mykorrhiza) gibt, die förderlich für das Baumwachstum sind. Die Funktion von vier dieser Gene wurde mit Hilfe von Knockout-Mutationen durch Genom-Editierung geklärt. Eine Modifizierung dieser Gene könnte die Besiedelung mit Mykorrhizapilzen verbessern. Biotische Resistenz gegen Bakterien, Pilze und Viren: Ein wichtiger Anwendungsbereich der Genomeditierung bei Pflanzen ist die Erzeugung von Krankheitsresistenzen. Die gleichen Proteine, die, wie oben beschrieben , als Rezeptoren auf der Zelloberfläche fungieren, können mutiert werden, so dass eine Resistenz gegen pilzliche Schaderreger erzeugt wird. Bei der Pappel ist hierüber eine erhöhte Resistenz gegenüber dem Pappelrost Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16248 (Melampsora) gelungen. Bei krautigen Pflanzen konnten mittels CRISPR/Cas9 bereits Pilzresistenzen beispielsweise beim hexaploidem Weizen und Gerste (Mehltauresistenz), Mais (Blattfleckenkrankheit), Reis (Braunfäule, Bakterienbrand , Mehltau), Citrus-Arten (Krebs), Gerste (Gelbverzwergungsvirus), Tomate (Mehltau), Gurke (Impomoviren und Mosaikviren) und Banane (Bananen-Pilz TR4) erzeugt werden. Abiotische Toleranz (Wassermangel, Trockenheit, Salzgehalt): Die Euphrat-Pappel P. euphratica ist als einzige Pappelart trockenheits- und salztolerant. Als ein Faktor für diese Toleranzen wurde das Gen SCL7 beschrieben , ein regulierender Transkriptionsfaktor, der ausschließlich in Pflanzen zu finden ist. Nach genetischer Übertragung des Euphrat-Pappel SCL7-Gens in die Modellpflanze Arabidopsis thaliana konnte eine erhöhte Toleranz gegen Salz und Trockenheit festgestellt werden. Durch zielgenaue Genomeditierung durch CRISPR/Cas sollen die beide Gene SCL7 sowie das Paralog SCL4 der Graupappel so mutiert werden, dass sie sequenzmäßig identisch dem der Euphrat- Pappel sind. Bei krautigen Pflanzen konnten mittels CRISPR/Cas9 bereits abiotische Toleranzen erzeugt werden, wie z. B. beim Reis (Salztoleranz), Mais (Trockentoleranz) und Sojabohne (Trocken- und Salztoleranz). Bei den meisten Zielmerkmalen, wie z. B. Wüchsigkeit, Trockentoleranz, sind viele Gene in Wechselwirkung mit der Umwelt für die Merkmalsausprägung verantwortlich. Eine effektive Genomedititierung müsste also zahlreiche Gene gleichzeitig erfassen oder zumindest die Gene adressieren, die einen Haupteffekt („major gene effect“) haben. In vielen Fällen sind die Gene mit ihrer konkreten Wirkung auf die Merkmalsausprägung (genetische Architektur) noch nicht erfasst. Aber gerade bei der Identifizierung der ursächlichen Gene für die Merkmalsausprägung ist der Einsatz der Genscheren sehr hilfreich. Hiermit können Gene gezielt abgeschaltet werden und so deren Wirkung auf die Merkmalsausprägung beurteilt werden. Aufgrund der Besonderheiten von Bäumen ist eine Risikobewertung von gentechnisch veränderten Bäumen schwierig und die Auswirkungen eines Inverkehrbringens nicht absehbar. Insbesondere die langfristigen ökologischen Folgen sind vor einer Zulassung im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Risikoprüfung zu berücksichtigen. Derzeit werden gentechnische veränderte Bäume in der Forstpraxis nicht angewendet. In wieweit sich gentechnisch veränderte Bäume in der Forstpraxis in der Zukunft durchsetzen ist nicht absehbar. 10. Inwieweit befürwortet die Bundesregierung den Einsatz der Genschere CRISPR/Cas9 an Bäumen vor dem Hintergrund der Klimastabilität unserer Wälder? Die Bundesregierung prüft derzeit verschiedene Ansätze, die Klimastabilität der Wälder zu verbessern. Die klassische Forstpflanzenzüchtung erbringt auch ohne Kenntnis der konkreten genetischen Architektur der Zielmerkmale Erfolge. Unabhängig vom konkreten Einsatz der Genomeditierung im Rahmen der Erzeugung von gentechnisch veränderten Bäumen, könnte die Methode eine Bedeutung für die Identifizierung merkmalskodierender Gene, z. B. hinsichtlich einer Prädisposition gegenüber abiotischen und biotischen Schadfaktoren, haben. Drucksache 19/16248 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Inwieweit befürwortet die Bundesregierung den Erhalt bedeutender Baumarten durch genetisch induzierte Toleranzen, die durch neue Züchtungsmethoden hervorgerufen werden können? In den wenigsten Fällen ist die Ursache für die Gefährdung einer Baumart auf einen bestimmten Erreger zurückzuführen. Vielfach ist es die Summe von Umwelteinflüssen , die sich auf die Baumarten negativ auswirken. An den durch abiotisch geschädigten Bäumen können zusätzlich Pilze oder Tiere (überwiegend Insekten) als Sekundärschäden auftreten. Die Bundesregierung unterstützt die Forschung z. B. im Bereich der Erhalt der Esche. Seit 2016 werden in Mecklenburg-Vorpommern Eschen, sich gegenüber dem Triebsterben tolerant erweisen, selektiert, vegetativ vermehrt und für den Aufbau einer Samenplantage verwendet. Die Vermehrung erfolgt dabei durch Pfropfung auf Unterlagen, die mittels Gewebekulturtechniken von resistenten Eschen gewonnen wurden. In dieser Samenplantage kann dann Saatgut erzeugt werden, was die Anzucht von Pflanzen mit erhöhter Resistenz gegenüber dem Eschentriebsterben erlaubt. Weiterhin gibt es Ansätze zur direkten Vermehrung resistenter Altbäume durch Sprosskulturen in vitro. Das BMEL hat im Jahr 2018 einen unbefristeten Förderaufruf zum „Erhalt der Gemeinen Esche als Wirtschaftsbaumart“ im Rahmen des „Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe“ unter dem Förderschwerpunkt „Stärkung der nachhaltigen Forstwirtschaft zur Sicherung der Waldfunktionen“ bei der FNR eingerichtet . Genetisch induzierte Toleranzen, die durch Gentechnik hervorgerufen werden, unterliegen den Gentechnikregelungen und damit einer Einzelfallprüfung im Rahmen der GVO Zulassung. 12. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Identifizierung bestimmter „Kandidatengene“ in Bäumen, die durch die molekularbiologische Pflanzenforschung effektiver identifiziert werden können und eine gezieltere Kreuzung und gleichzeitig eine schnellere Erreichung des Zuchtziels erlauben? Ähnlich wie für die Züchtung von Nutzpflanzen eröffnen moderne, auf molekulare Marker gestützte Züchtungstechniken völlig neue Perspektiven und Möglichkeiten in der Forstpflanzenzüchtung. Die Abkürzung „Smart- Breeding” (Präzisionszüchtung) steht für Methoden, die sowohl molekulare Marker als auch fortgeschrittene Techniken zur Vermehrung und Kreuzung nutzen. Diese modernen Züchtungstechniken sind von der Theorie her jedoch nicht auf landwirtschaftliche Kulturen beschränkt. Neue Züchtungstechniken stellen daher auch für Forstgehölze eine interessante Ergänzung zur traditionellen Forstpflanzenzüchtung dar. Voraussetzung für die modernen Züchtungstechniken ist die Kenntnis von bestätigten „Kandidatengenen“. Von Interesse sind insbesondere Gene, die an der Ausbildung von Toleranzen gegen abiotische Umweltfaktoren (Trockenheit , Salz, Wassermangel) oder an Resistenzen gegen pilzliche und bakterielle Erreger beteiligt sind. Mit der Kenntnis der an diesen Prozessen beteiligten Gene können über molekulare Marker gezielt besser angepasste Bäume selektiert werden. Die Antwort zu Frage 7 belegt, dass Dank richtungsweisender Fortschritte bei der automatisierten Sequenzierung des Erbguts und der bioinformatischen Assemblierung der gewonnenen Sequenzen auch für viele verschiedene Baumarten, trotz der teilweise riesigen Erbgutgröße, die vollständige Sequenz des Erbguts vorliegt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/16248 In Deutschlands und auch weltweit wird an der Identifizierung von „Kandidatengenen “ gearbeitet, die in kausalem Zusammenhang mit beispielsweise abiotischen Toleranzen stehen. So sind für Buche und andere Baumarten bereits einige „Kandidatengene“ für Trockenstress identifiziert worden, die in ihrer Eignung für eine Verbesserung der Trockentoleranz noch getestet werden müssen . Auch für die Wassernutzungseffizienz ist ein „Kandidatengenansatz“ initiiert worden, um geeignete Gene für eine markergestützte Forstpflanzenzüchtung zu identifizieren. Schließlich wurden auch für Salzstress „Kandidatengene “ entdeckt, die im Zusammenhang mit der Salztoleranz der Euphrat-Pappel eine Rolle spielen könnten. Die Funktion dieser Gene wird derzeit noch überprüft . Ähnlich wie für abiotische Toleranzen sind auch für biotische Resistenzen sowie auch für viele weitere physiologische, anatomische und morphologische Merkmale von Bäumen „Kandidatengene“ identifiziert worden, deren Funktion u. a. mit Genomeditierungstechniken (CRISPR/Cas und andere) überprüft werden können. Drucksache 19/16248 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333