Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Verena Hartmann, Peter Felser, Franziska Gminder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15925 – Nutri-Score, vereinfachtes Nährwertkennzeichnungssystem und seine Herausforderungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2020 möchte die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner den Nutri-Score, der sich bereits in Frankreich und Belgien durchgesetzt hat, in Deutschland einführen (vgl. www.bmel.de/DE/Ernaeh rung/Kennzeichnung/FreiwilligeKennzeichnung/_Texte/Naehrwertkennzeich nungs-Modelle-MRI-Bericht.html). Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erläutert, die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score werde ausgehend von den europarechtlichen Vorgaben freiwillig sein (vgl. www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Kenn zeichnung/FreiwilligeKennzeichnung/_Texte/Naehrwertkennzeichnungs-Mod elle-MRI-Bericht.html). In der Pressemitteilung Nummer 197 vom 30. September 2019 wurde das Ergebnis der Verbraucherbefragung zur Überprüfung der Eignung von ausgewählten NährwertkennzeichnungsSystemen verkündet: Der Nutri-Score ist der Testsieger bei den Befragten, eines von vier geprüften Modellen – weitere: BLL-Modell (BLL = Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde), Keyhole, MRI-Modell (MRI = Max Rubner-Institut) – zur vereinfachten Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von Produkten (vgl. www.bme l.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2019/197-eNWK.html). Beim Nutri-Score werden Kalorienzahl sowie ernährungsphysiologisch günstige (z. B. Gemüse, Obst, Ballaststoffe) und ungünstige Inhaltsstoffe (z. B. Zucker , gesättigte Fettsäuren, Natrium) miteinander verrechnet, sodass die Gesamtbewertung für den Nährwert eines Produkts auf einer fünfstufigen Farb- Buchstaben-Skala (von A bis E bzw. von dunkelgrün bis rot) dargestellt werden kann. Dies soll dazu beitragen, dass der Konsument auf den ersten Blick intuitiv und einfach verschiedene Lebensmittel der gleichen Kategorie miteinander vergleichen kann. Als Grundlage für die Punktvergabe beim Nutri- Score dienen die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr (Dietary Reference Values – DRV) aus Großbritannien aus dem Jahre 2004, wobei die Hersteller selbst diesen für ihre Produkte berechnen (vgl. www.mri.bund.de/fileadmin/M RI/Themen/Naehrwertkennzeichnung/190731_MRI-Bericht_zu_FoP-NWK- Modellen_final.pdf). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16255 19. Wahlperiode 30.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 20. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Sobald 3,75 Prozent des DRV des jeweiligen bewerteten Gehaltes erreicht werden, wird ein Punkt vergeben, wobei die Punkte-Vergabe sich linear fortsetzt (vgl. www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Themen/Naehrwertkennzeich nung/190731_MRI-Bericht_zu_FoP-NWK-Modellen_final.pdf). Der Nutri-Score enthält keine Informationen zu einzelnen Nährstoffen, wie z. B. für Salz, die für Hypertoniker, also für Menschen mit hohem Blutdruck, relevant wären (vgl. www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Themen/Naehrwert kennzeichnung/MRI-Bericht-Naehrwertkennzeichnungs-Modelle.pdf). Allerdings sind Hersteller vorgefertigter Lebensmittel schon jetzt durch die EU- Lebensmittelverordnung Nr. 1169/2011 (LMIV) verpflichtet, auf der Verpackungsrückseite die Gehalte von Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten , Zucker, Eiweiß und Salz anzugeben (vgl. www.mri.bund.de/de/press e/pressemitteilungen/presse-einzelansicht/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=292& cHash=71650cd9503afd9591c5c1b413ed45f3, www.bzfe.de/inhalt/naehrwert kennzeichnung-1876.html). Außerdem berücksichtigt der Nutri-Score keine Zusatzstoffe wie Aroma-, Farb-, Süß- und Konservierungsstoffe bei der Punktevergabe. Da der Nutri- Score bei seinem Bewertungsalgorithmus nicht unterscheidet, ob es sich bei dem DRV um eine Obergrenze für die tägliche Zufuhr von ungünstigen Nährstoffen oder ob es sich um einen Richtwert der täglichen Zufuhr von günstigen Nährstoffen handelt, kommt es bei manchen Nährstoffen bei der Punktevergabe zu Auffälligkeiten. So ist aus Sicht des Max Rubner-Instituts (MRI) eine strengere Punktevergabe in puncto Zucker erstrebenswert (vgl. www.mri.bun d.de/fileadmin/MRI/Themen/Naehrwertkennzeichnung/190731_MRI-Bericht_ zu_FoP-NWK-Modellen_final.pdf.). Beispielsweise empfehlen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) eine tägliche Zufuhr von maximal 50 g Zucker (vgl. www.dge.de/pr esse/pm/empfehlung-zur-maximalen-zuckerzufuhr-in-deutschland/, www.ages .at/themen/ernaehrung/who-zucker-empfehlungen/). Die Punktevergabe erfolgt jedoch auf Basis des DRV von 90 g Zucker. Bei Ballaststoffen wäre laut MRI ein höherer Richtwert wünschenswert (vgl. www.mri.bund.de/fileadmin/ MRI/Themen/Naehrwertkennzeichnung/190731_MRI-Bericht_zu_FoP-NWK -Modellen_final.pdf.). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages haben die beteiligten Parteien vereinbart, ein erweitertes Nährwertkennzeichnungs-System für Deutschland einzuführen. Es soll sich an bereits bestehende Systeme anlehnen und in Zusammenarbeit mit Lebensmittel- und Verbraucherverbänden unter besonderer Berücksichtigung der Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen erarbeitet werden. Die Bundesregierung hat den hierzu vorgesehenen Konsultationsprozess mit den zu beteiligenden Kreisen zu Beginn des Jahres 2019 auf der Basis einer wissenschaftlichen Bewertung verschiedener erweiterter Nährwertkennzeichnungs- Systeme durch das Max Rubner-Institut (MRI) aufgenommen und im Sommer 2019 eine umfangreiche Verbraucherforschung durchführen lassen. In diesem Prozess hat sich herausgestellt, dass der Nutri-Score das für die Einführung in Deutschland zu präferierende Modell ist. Ein Verordnungsentwurf, mit dem die Einführung des Nutri-Score in Deutschland ermöglicht werden soll, befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung, Länder und Verbände wurden bereits beteiligt. Drucksache 19/16255 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Genügen aus der Sicht der Bundesregierung die Informationen, die durch den Nutri-Score übermittelt werden, um sich besser bzw. gesünder zu ernähren (bitte begründen)? Welche zusätzlichen Angaben wären nach Ansicht der Bundesregierung noch sinnvoll? Das MRI kommt in seinem vorläufigen Bericht zur Beschreibung und Bewertung ausgewählter „Front-of-Pack“-Nährwertkennzeichnungs-Modelle vom 11. April 2019 zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich alle untersuchten Modelle, darunter auch der Nutri-Score, wissenschaftlich fundiert sind. Wie die Ergebnisse einer durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beauftragten und im Sommer 2019 durchgeführten Verbraucherforschung zur Evaluation unterschiedlicher Nährwertkennzeichnungs -Modelle zeigen, wird der Nutri-Score in seiner aktuellen Form von den Verbraucherinnen und Verbrauchern am besten verstanden. Zudem fordert eine Mehrzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher die Einführung des Nutri- Score in Deutschland. Auch internationale Studien (Ducrot et. al.: Impact of different front-of-pack nutrition labels on consumer purchasing intentions: a randomized controlled trial. Am J Prev Med 50 (5), 627 bis 636, 2016, Adriouch et al.: Association between a dietary quality index based on the food standard agency nutrient profiling system and cardiovascular disease risk among French adults. Int J Cardiol 234, 22–27, 2017) belegen die Wirksamkeit des Nutri-Score. Daher ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Nutri- Score als Instrument geeignet ist, um den Verbrauchern eine zusätzliche Hilfestellung zu geben, sich gesünder zu ernähren. Das primäre Ziel, die ernährungsphysiologisch günstigere Wahl von Lebensmitteln zu erleichtern, wird aus Sicht der Bundesregierung durch den Nutri- Score in seiner aktuellen Darstellungsform erreicht, weshalb eine Ausweitung des Nutri-Score durch zusätzliche Angaben seitens des dazu berufenen Markeninhabers nach Ansicht der Bundesregierung nicht erforderlich ist. Zudem hat die Verbraucherforschung, die das BMEL in Auftrag gegeben hat, gezeigt , dass die Verbraucherinnen und Verbraucher den Nutri-Score gemeinsam mit der verpflichtenden Nährwerttabelle nutzen, der sie im Bedarfsfall die Detailangaben zu einzelnen Nährstoffen entnehmen. Die erweiterte Nährwertkennzeichnung ist ein wichtiges Element einer Reihe von Maßnahmen, um die ernährungspolitische Strategie der Bundesregierung umzusetzen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16255 2. Welche alternativen Kennzeichnungsmodelle zur vereinfachten Nährwertkennzeichnung außer dem Nutri-Score hat die Bundesregierung noch in Erwägung gezogen (bitte begründen)? Im Rahmen des aktuellen Umsetzungsprozesses zur Weiterentwicklung der Nährwertkennzeichnung wurden insgesamt 13 Modelle einer erweiterten Nährwertkennzeichnung durch das MRI untersucht und bewertet. Diese Bewertung bildete die Grundlage für die Diskussion mit Vertretern der Koalitionsfraktionen des Deutschen Bundestages, der Wissenschaft sowie Verbänden aus Lebensmittelwirtschaft , Handel, Verbraucherschutz und Gesundheitswesen. Das MRI untersuchte die folgenden Modelle: 1+4-System des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), britische Nährwertampel, chilenische Warnhinweise , Choices, Evolved Nutrition Label, finnisches Heart Symbol, Health Star Rating (Australien und Neuseeland), geplantes israelisches Nährwertkennzeichnungs -Modell, geplantes italienisches „Batterie“-Modell, Keyhole®, Modell-Vorschlag des Lebensmittelverband Deutschland e. V. (BLL-Modell), Modell-Vorschlag des MRI, Nutri-Score. Mit Vertretern der Koalitionsfraktionen des Deutschen Bundestages, des Lebensmittelverbands Deutschland e. V. und des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e. V. (vzbv) wurde einvernehmlich beschlossen , das BLL-Modell, das Keyhole®, den Modell-Vorschlag des MRI und den Nutri-Score in einer unabhängigen Verbraucherforschung untersuchen zu lassen. Die Ergebnisse dieser Forschung zeigen, dass der Nutri-Score in mehrfacher Hinsicht besser abschneidet als die übrigen Modelle. 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse des Max Rubner- Instituts, nachdem Nährwertkennzeichnungen „lediglich den Vergleich von Produkten derselben Produktgruppe und somit die Wahl des ernährungsphysiologisch günstigeren Produkts erleichtern“ können, jedoch nicht zwangsläufig zu einem Produktgruppenwechsel führen (vgl. www.b mel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Kennzeichnung/MRI-Bericht- Naehrwertkennzeichnungs-Modelle.pdf?__blob=publicationFile, S. 84)? Das Ziel des Nutri-Score ist es, innerhalb einer Lebensmittelkategorie, also einer Gruppe gleicher Lebensmittel, die Produkte hinsichtlich ihrer Nährwerte durch ein Gesamturteil leicht vergleichbar zu machen, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Wahl der ernährungsphysiologisch günstigeren Lebensmittel dieser Gruppe zu erleichtern. Der Nutri-Score ergänzt damit Ernährungsempfehlungen , wie sie beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ausspricht. Daher ist es aus Sicht der Bundesregierung zu erwarten, dass erweiterte Nährwertkennzeichnungs-Modelle nur in geringem Maße zu einem Wechsel zwischen den Lebensmittelkategorien führen werden. Drucksache 19/16255 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie gedenkt die Bundesregierung den Gehalt an Süß-, Aroma- und Farbstoffen sowie an Konservierungsstoffen in den Nutri-Score miteinzubeziehen , sodass Unternehmen nicht die Einstufung ihres Produktes durch den Einsatz von mehr Ersatzstoffen verbessern? Der Nutri-Score fußt auf einer wissenschaftlichen Grundlage, die es ermöglicht , Lebensmittel einer Kategorie anhand ihrer Nährstoffzusammensetzung zu vergleichen. Hierzu werden sowohl ernährungsphysiologisch günstige Nährund Inhaltsstoffe (Ballaststoffe, Proteine, Anteil an Obst- und Gemüse) als auch ungünstige (Energiegehalt, Zucker, gesättigte Fettsäuren, Salz), also jene, die häufig in übermäßiger Menge verzehrt werden und daher mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden sind, berücksichtigt. Eine Einbeziehung zusätzlicher , nicht die Nährstoffe betreffender Faktoren wie zum Beispiel das Vorhandensein von Süß-, Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffen wäre damit sachfremd und würde die Zielerreichung beeinträchtigen. 5. Inwiefern soll nach Auffassung der Bundesregierung der Aspekt der Regionalität von Lebensmitteln in Form einer Kennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmitteln im Zusammenhang mit der geplanten Nährwertkennzeichnung Berücksichtigung finden? Auch die Regionalität eines Lebensmittels spielt mit Blick auf dessen Nährstoffzusammensetzung keine Rolle, ihre Berücksichtigung würde die Zielerreichung des Nutri-Score beschädigen. 6. Wie schätzt die Bundesregierung das Risiko ein, dass der Nutri-Score, der bei seinem Bewertungssystem nicht zwischen den Verbrauchergruppen Kindern und Erwachsenen unterscheidet, bei Kindern zu fehlerhaften Einstufungen der Nährwertaspekte, wie beispielsweise der Kalorienzufuhr, führt (vgl. www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Kennzeich nung/MRI-Bericht-Naehrwertkennzeichnungs-Modelle.pdf?__blob=public ationFile, S. 84)? 7. Welche Maßnahmen zur Anpassung des Nutri-Scores plant die Bundesregierung hinsichtlich der Kennzeichnung von Lebensmitteln, die explizit an Kinder gerichtet werden? Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Ziel des Nutri-Score ist es, die ernährungsphysiologisch günstigeren Produkte innerhalb einer Lebensmittelkategorie beim Einkauf leichter erkennen zu können . Die Inhaltsstoffe der Produkte werden anhand von einheitlichen Referenzmengen oder Grenzen bewertet. Hierbei werden unter anderem auch an Kinder gerichtete Lebensmittel auf der Basis von Referenzmengen für Jugendliche berücksichtigt . Das MRI hält die Verwendung dieser Referenzmengen für wissenschaftlich fundiert und nachvollziehbar (vorläufiger Bericht des MRI zur Beschreibung und Bewertung ausgewählter „Front-of-Pack“-Nährwertkennzeichnungs -Modelle, S. 58). Bei an Kinder gerichteten Lebensmitteln dürften sich die Kriterien, die zur Gesamtbewertung des Lebensmittels führen, zumindest in der Tendenz nicht stark von denjenigen für Jugendliche unterscheiden, so dass das Ziel des Nutri- Score, die Vergleichbarkeit von Lebensmitteln einer Kategorie herzustellen, auch bei an Kinder gerichteten Lebensmitteln grundsätzlich erfüllt sein dürfte. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16255 Vor diesem Hintergrund plant die Bundesregierung nicht, gegenüber dem Inhaber der Marke Nutri-Score auf Anpassungen hinsichtlich der Kennzeichnung von Lebensmitteln zu drängen, die explizit an Kinder gerichtet sind. 8. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik einiger Ernährungswissenschaftler , dass der Nutri-Score zu stark simplifiziert sei und es durch die Fokussierung auf einzelne Produkte zu einer Vernachlässigung der Gesamtheit der Ernährung komme (vgl. www.deutschlandfunkkultur.de/kriti k-an-kloeckners-nutri-score-die-lebensmittelampel.1008.de.html?dram:arti cle_id=460027)? Ziel des Nutri-Score ist es, die Nährstoffgehalte von Lebensmitteln einer Kategorie vergleichbar und leicht erkennbar zu machen. Weitere Informationen auf der Lebensmittelverpackung wie das Zutatenverzeichnis und die Nährwerttabelle helfen den Verbraucherinnen und Verbrauchern, ein bestimmtes Lebensmittel entsprechend den Ernährungsempfehlungen in die tägliche Diät einzubeziehen . Auch die Ergebnisse der vom BMEL beauftragten Verbraucherforschung zur Evaluation unterschiedlicher erweiterter Nährwertkennzeichnungs -Modelle zeigen, dass ein solches System spezielle Anforderungen erfüllen muss, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine hilfreiche Unterstützung bei der Lebensmittelauswahl bieten zu können. Hierzu zählt auch, dass ein geeignetes System auf einen Blick zu erkennen ist und eine schnelle Orientierung beim Einkauf bietet. Eine gewisse Simplifizierung ist daher zielführend, da weitere Informationen über den Nährwert eines Lebensmittels bei Bedarf weiterhin der verpflichtenden Nährwertdeklaration entnommen werden können, was die Verbraucherinnen und Verbraucher nach den Ergebnissen der Verbraucherforschung bei Bedarf auch nutzen. 9. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Unterstützung derjenigen Unternehmen, die den Nutri-Score freiwillig einführen wollen? Die Bundesregierung entwickelt derzeit ein Set geeigneter Maßnahmen, mit denen Unternehmen das Konzept des Nutri-Score erläutert werden soll und mit dem die Unternehmen bei der Anmeldung zum Nutri-Score und bei der Berechnung unterstützt werden sollen. 10. Welche Unternehmen haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung bereits für den Nutri-Score ausgesprochen und möchten diesen zukünftig auf ihren Produkten verwenden? Nach jetzigem Kenntnisstand der Bundesregierung haben sich die folgenden Unternehmen öffentlich für eine Verwendung des Nutri-Score in Deutschland ausgesprochen: Agrarfrost Germany, ALDI, bofrost, Bonduelle Deutschland, Danone, Frankenbrunnen , HAK, Harry-Brot, Iglo, Lidl, McCain, Mestemacher, Nestlè, REWE, Rübezahl. Zudem unterstützt das Deutsche Tiefkühlinstitut e. V. als Verband die Verwendung des Nutri-Score. Drucksache 19/16255 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Wie möchte die Bundesregierung die Bevölkerung über den Nutri-Score so unterrichten, dass Risiken, wie die Annahme, der Verzehr von grünmarkierten Lebensmitteln sei ausreichend für eine gesunde Ernährung (z. B. Verzehr von 5 Tiefkühl-Pizzen mit grüner Markierung am Tag), ausgeschlossen werden können? Um Verbraucherinnen und Verbraucher darüber zu informieren, wie die Bewertung des Nutri-Score im Kontext einer ganzheitlichen und ausgewogenen Ernährung zu deuten und konkrete Bewertungen einzuordnen sind, bereitet die Bundesregierung derzeit eine umfangreiche Informationskampagne vor. 12. Wie stuft die Bundesregierung das Potential des Nutri-Scores für die Änderung der Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung ein, und welche Daten zur Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten in Ländern, die den Nutri-Score bereits nutzen, sind der Bundesregierung bekannt? Im Einklang mit aktuellen Stellungnahmen verschiedener wissenschaftlicher und internationaler Organisationen, wie z. B. der OECD (2019, The Heavy Burden of Obesity: The Economics of Prevention, OECD Health Policy Studies , OECD Publishing, Paris) und UNICEF (2019, The State of the World’s Children 2019. Children, Food and Nutrition: Growing well in a changing world. UNICEF, New York), sieht die Bundesregierung in der Einführung des Nutri-Score als freiwilliges System einer erweiterten Nährwertkennzeichnung eine sinnvolle Maßnahme, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern die ernährungsphysiologisch günstige Lebensmittelauswahl im Alltag zu erleichtern und so zu einer Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung beizutragen. Nach den vorliegenden Informationen aus Frankreich (Ducrot et al.: Nutri-Score: évolution de sa notoriété, sa perception et son impact sur les comportements d’achat déclarés entre 2018 et 2019. Saint-Maurice: Santé publique France: 2019. 12 p.) gaben dort zwei Jahre nach Einführung des Nutri-Score 81 Prozent der Bevölkerung an, diesen bereits gesehen zu haben oder von ihm gehört zu haben. Des Weiteren erklärten 86 Prozent der Befragten , der Nutri-Score ermögliche es, die Nährwertqualität von Lebensmitteln zu beurteilen. 13. Steht schon fest, welche unabhängige Stelle die Richtigkeit der Angaben der mit dem Nutri-Score deklarierten Produkte überprüft? Nutri-Score ist eine beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragene Gemeinschaftskollektivmarke. Markeninhaberin ist die Agènce nationale de la santé publique (Santé publique France – Nationale Agentur für öffentliche Gesundheit, eine Organisation des französischen Gesundheitsministeriums ). Das Markenrecht stellt ein wohlabgewogenes und in sich geschlossenes Rechtsinstrumentarium zum Schutz der Marke zur Verfügung , insbesondere ist es Angelegenheit des Markeninhabers, die Bedingungen für die Benutzung der Marke auch durch Dritte festzulegen. Durch lebensmittelkennzeichnungsrechtlich erforderliche nationale Umsetzungsrechtsakte bleiben die Vorschriften des Markenrechts unberührt. Unabhängig davon wird die Bundesregierung alle sachgerechten Hilfestellungen für eine erfolgreiche Einführung der freiwilligen Nutri-Score-Kennzeichnung in Deutschland ergreifen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16255 14. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Punktevergabe beim Nutri-Score an die Empfehlungen von WHO, DGE und MRI beispielsweise in puncto Zucker anzupassen (vgl. www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Themen/Nae hrwertkennzeichnung/190731_MRI-Bericht_zu_FoP-NWK-Modellen_fi nal.pdf.)? Die Rechte an der Marke Nutri-Score liegen bei der Santé publique France, insoweit wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. Zu Änderungen am Berechnungs-Algorithmus wäre die Markeninhaberin nach deren Auskunft grundsätzlich bereit, sie bedürften aber einer wissenschaftlichen Veranlassung und dürfen dem Ziel des Nutri-Score nicht zuwiderlaufen. Wissenschaftlich begründete Änderungsvorschläge werden in einem mit unabhängigen Wissenschaftlern besetzten Arbeitskreis der Markeninhaberin beraten. Es ist vorgesehen , dass auch die Bundesregierung unabhängige Wissenschaftler in dieses bei der Markeninhaberin eingerichtete wissenschaftliche Gremium entsendet. Nach dem vorläufigen Bericht des MRI zur Beschreibung und Bewertung ausgewählter „Front-of-Pack“-Nährwertkennzeichnungs-Modelle sind die aktuell verwendeten Referenzwerte für die Berechnung des Punktwerts des Zuckergehaltes wissenschaftlich begründet und nachvollziehbar, obgleich aus Sicht des MRI mittelfristig eine modifizierte Punktevorgabe für diesen Nährstoff aus ernährungsphysiologischer Sicht sinnvoll wäre. Es ist daher geplant, das Thema in das genannte Wissenschaftler-Gremium einzubringen und damit an die Markeninhaberin heranzutragen. 15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung bezüglich der Förderung von Projekten, die die Entwicklung von Apps finanzieren, die die genaue Berechnung des Nutri-Scores von diversen Produkten im Supermarkt verdeutlichen? Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine Fördermaßnahmen mit diesem Ziel vorgesehen . 16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, ob bereits ein Urteil in Bezug auf die Klage von Foodwatch e. V. gegen das BMEL wegen des Zurückhaltens einer Studie vom Max Rubner-Institut vorliegt, in der der Nutri-Score positiv bewertet wurde (vgl. www.foodwatch.org/de/aktuel le-nachrichten/2019/foodwatch-klagt-gegen-kloeckner-ministerium/)? Nach Kenntnis der Bundesregierung liegt in dem o. g. Verfahren derzeit noch kein Urteil des angerufenen Verwaltungsgerichts Köln vor. Drucksache 19/16255 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 17. Ist der Bundesregierung die Studie „Modelling the impact of different front-of-package nutrition labels on mortality from non-communicable chronic disease“ der Universitäten Paris, Grenoble und Borbigny zum Nutri-Score bekannt? Wenn ja, wie bewertet sie das Ergebnis aus der Studie, dass der Nutri- Score zu etwa 3,4 Prozent weniger Todesfälle durch ernährungsbedingte, nicht übertragbare Krankheiten führt (vgl. Manon Egnell, Paolo Crosetto et al.: Modelling the impact of different front-of-package nutrition labels on mortality from non-communicable chronic disease, International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity volume, Juli 2019, https://doi.org/10.1186/s12966-019-0817-2)? Die o. g. Studie ist der Bundesregierung bekannt, aufgrund der komplexen Annahmen , die den Ergebnissen dieser Studie zugrunde liegen, enthält sich die Bundesregierung einer Bewertung dieser konkreten Studie. 18. Wird die Bundesregierung auf europäischer Ebene sich dafür einsetzen, dass der Nutri-Score zum verpflichtenden Nährwertkennzeichnungssymbol in Europa wird? Die Bundesregierung hält die Einführung eines EU-weit einheitlichen erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Systems sowohl aus Verbraucher- als auch aus Unternehmenssicht perspektivisch für sinnvoll, da auf diese Weise den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine sinnvolle und hilfreiche Orientierung für die Auswahl der Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden kann und gleichzeitig der freie Warenverkehr erleichtert würde. Daher wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für ein einheitliches System einsetzen. 19. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hinsichtlich der freiwilligen Einführung des Nutri-Scores auch für frische Produkte? Der Verwendung des Nutri-Score steht nach den Verwendungsbedingungen der Markeninhaberin grundsätzlich für alle Lebensmittel offen, die nach der LMIV eine verpflichtende Nährwertdeklaration tragen. Darüber hinaus können auf Grund der Verwendungsbedingungen auch andere Lebensmittel, einschließlich lose abgegebenen Lebensmittel, mit dem Nutri-Score gekennzeichnet werden, sofern die Nährwerte entsprechend den Pflichtinformationen freiwillig deklariert werden. Daher steht der Nutri-Score grundsätzlich auch zur Verwendung bei loser Ware zur Verfügung. 20. Welche Nährwertkennzeichnungssysteme aus anderen europäischen Ländern für verpackte Lebensmittel, die über die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung) hinausgehen, sind der Bundesregierung bekannt, und wie bewertet die Bundesregierung diese? Der Bundesregierung sind die vom MRI untersuchten erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Systeme bekannt, auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Im Einklang mit den Ergebnissen des vorläufigen Berichtes des MRI zur Beschreibung und Bewertung ausgewählter „Front-of-Pack“-Nährwertkennzeichnungs -Modelle teilt die Bundesregierung dessen Auffassung, nach der die große Mehrheit dieser Modelle grundsätzlich wissenschaftlich valide sind. Des Weiteren ist die Bundesregierung der Ansicht, dass jedes der aufgelisteten Modelle bedingt durch seine individuelle Zielsetzung und Konstruktion indi- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16255 viduelle Vor- und Nachteile bietet. Die Bundesregierung hält nach den Ergebnissen des vorläufigen Berichts zur Bewertung verschiedener Modelle durch das MRI, dem Konsultationsprozess der beteiligten Kreise und nach den Ergebnissen der Verbraucherforschung den Nutri-Score für das zur Einführung in Deutschland zu bevorzugende Modell. Drucksache 19/16255 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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