Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Udo Theodor Hemmelgarn, Marc Bernhard, Frank Magnitz, Dr. Gottfried Curio und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15927 – Zum Programm der Bundesregierung „Demokratie leben!“ V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung fördert das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ seit 2015 mit erheblichen Mitteln aus dem Bundeshaushalt. Die Fördersumme im Jahr 2019 beträgt 115,5 Mio. Euro (www.demokratie-leben.de/bundesprogramm/ueberdemokratie -leben.html). Nach den Aussagen auf der Internetseite des Programms setzt sich das Programm für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander ein (ebd.). Auf der Internetseite des Programms heißt es weiter: „Zu den Zielgruppen des Bundesprogramms gehören insbesondere Kinder und Jugendliche […]“ (ebd.). Mittlerweile wird über dieses Programm eine Vielzahl an Projekten und Trägern gefördert. Auf der Internetseite von „Demokratie leben!“ findet sich unter anderem eine Anleitung zur Organisation von Demonstrationen (www. demokratie-leben.de/wer-wenn-nicht-wir/wie-geht-eigentlich/demonstrationorganisieren .html). Das Bundesverfassungsgericht führt zum demokratischen Willensbildungsprozess Folgendes aus: „In einer Demokratie muss sich diese Willensbildung aber vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen. […] Das bedeutet, dass es den Staatsorganen grundsätzlich verwehrt ist, sich in Bezug auf den Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu betätigen, dass dieser Prozess also grundsätzlich ‚staatsfrei ‘ bleiben muss.“ (BVerfGE 20, 56 <95>) Diese Rechtsprechung wurde in anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bestätigt (vgl. BVerfGE 69, 315 <345 f.>) und gilt daher als gesichert . Deutscher Bundestag Drucksache 19/16258 19. Wahlperiode 30.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 27. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Welche Erwägungen haben zur Initiierung des Programms „Demokratie leben!“ im Jahr 2015 geführt? Mit dem am 1. Januar 2015 initiierten Bundesprogramm „Demokratie leben!“ hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) verstärkt die Demokratieförderung in den Blick genommen, gleichzeitig aber auch dezidiert auf die besonderen Herausforderungen durch Rechtsextremismus , islamistischen Extremismus, Linksextremismus sowie andere Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit reagiert. Bei der Entwicklung des Programms wurden besonders die Gefahren rechtsextremer Orientierungen und Handlungen berücksichtigt. Auch eine noch intensivere und wirkungsvollere Auseinandersetzung mit Rassismus und Rechtsextremismus wurde als notwendig angesehen. Der fachliche Ansatz des Bundesprogramms beruht auf den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Begleitung der Vorgängerprogramme von „Demokratie leben !“, den Empfehlungen des Berichts des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 17/14600) sowie den Empfehlungen des 2011 veröffentlichten Berichts des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus „Antisemitismus in Deutschland – Erscheinungsformen , Bedingungen, Präventionsansätze“ (Bundestagsdrucksache 17/7700). Weitere Informationen sind im „Bericht der Bundesregierung über Arbeit und Wirksamkeit der Bundesprogramme zur Extremismusprävention“ auf Bundestagsdrucksache 18/12743 zu finden. 2. Welches sind die konkreten Ziele des Programms? Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördert zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, für Vielfalt sowie gegen jede Form von Extremismus . Zu den Zielen gehört ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander. Weitere Informationen sind auf der Programmwebsite www.demo kratie-leben.de öffentlich zugänglich. 3. Wie hoch ist die Anzahl der derzeit im Rahmen des Programms geförderten Projekte und Träger? Die Anzahl der im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geförderten Projekte können der Programmwebsite www.demokratie-leben.de entnommen werden. 4. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen von im Rahmen des Programms geförderten Projekten oder durch geförderte Träger schon Demonstrationen oder Kundgebungen organisiert? Wenn ja, wie viele waren dies, und zu welchen Themen? Die Organisation von Demonstrationen und Kundgebungen ist kein Bestandteil der Projektförderung im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Insbesondere werden Maßnahmen mit agitatorischen Zielen – entsprechend der Förderleitlinien – nicht im Rahmen des Bundesprogramms gefördert. Drucksache 19/16258 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Was soll mit dem Programm geschehen, wenn die Ziele des Programms erreicht wurden oder man aus anderen Erwägungen zu dem Ergebnis kommt, dass eine Weiterführung nicht erforderlich ist? Am 30. Oktober 2019 hat das Kabinett ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen. In diesem Beschluss wird festgestellt, dass es für eine wehrhafte Demokratie und eine starke Zivil- und Bürgergesellschaft einer finanziellen Verstetigung der Förderung auf hohem Niveau bedarf. So soll eine längerfristige und nachhaltige Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements für Demokratie und gegen jede Form von Extremismus etabliert werden. Zugleich wurde vereinbart, kurzfristig zu prüfen , wo und wie eine Nachjustierung der Präventionsprogramme und weiterer Maßnahmen erforderlich sind und ob hierfür zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen benötigt werden. Ziel ist, die Qualität und Wirksamkeit aller Präventionsmaßnahmen langfristig und dauerhaft zu sichern und zu stärken. 6. Wie stellt sich das Programm im Verhältnis zu den ohnehin vorhandenen und bereits vor 2015 bestehenden Abläufen der demokratischen Willensbildung dar? a) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Prozesse der demokratischen Willensbildung durch die Projekte des Programms beeinflusst werden? Ja. b) Sieht die Bundesregierung hier ein Spannungsverhältnis? Nein. c) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Staatsfreiheit des demokratischen Willensbildungsprozesses (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) auch im Hinblick auf das Programm „Demokratie leben!“ gewährleistet ist? Wie bereits erläutert, fördert das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, für Vielfalt sowie gegen jede Form von Extremismus. Zu den Zielen gehört ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander. Der Staat ist laut Verfassung verpflichtet, die Demokratie zu schützen (Grundsatz der wehrhaften Demokratie). Eine Förderung von Demokratieprojekten ist damit die Wahrnehmung einer Pflicht des Staates. Der Staat gibt keine Meinung vor. Er tritt lediglich für die dem Grundgesetz zugrunde liegende freiheitliche demokratische Grundordnung ein, wenn er den Schutz demokratischer Grundsätze durch die Zivilgesellschaft fördert. Der Staat darf auch unter Berücksichtigung seiner Neutralitätspflicht nicht nur verfassungsrechtlich zulässig die im Grundgesetz niedergelegten Staatsprinzipien vertreten und verteidigen, sondern laut Verfassung ist dies seine Aufgabe. 7. Sieht die Bundesregierung ein Spannungsverhältnis zum Grundrecht der Eltern aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes im Hinblick darauf, dass insbesondere Jugendliche und Kinder zu den Zielgruppen des Programms gehören (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller)? Nein. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16258 8. Wie ist das Programm im Kontext zur Äußerung des amtierenden Vizekanzlers aus dem Jahr 2002 zu sehen, man wolle „die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern“ (www.welt.de/print-wams/article122357/Luftho heit-ueber-Kinderbetten.html)? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Drucksache 19/16258 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333