Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Thomas Hacker, Katja Suding, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15582 – Vermutete Gewaltbereitschaft der Gamerszene V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In einem Beitrag des Fernsehpolitikmagazins „Bericht aus Berlin“ des ARD- Hauptstadtstudios vom 13. Oktober 2019 erklärte der Bundesminister des Innern , für Bau und Heimat Horst Seehofer nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle, man müsse „die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen“. In seinem Kommentar sprach er davon, dass „viele von den Tätern oder potentiellen Tätern aus der Games-Szene [kommen]“ würden, die sich „Simulationen geradezu zum Vorbild“ nähmen. Mit seiner Äußerung, man müsse „genau hinschauen , ob es noch ein Computerspiel ist […] oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag“, stellte er Computerspiele in direkten Zusammenhang mit Anschlagsplänen. Im Zuge dessen erklärte er, dass seiner Ansicht nach eine striktere Kontrolle eben dieser Szene vonnöten wäre. Die hinter der „Gamerszene“ befindliche Gamesbranche erwirtschaftete im Jahr 2018 in Deutschland einen Umsatz von knapp 4,4 Mrd. Euro (Jahresreport der deutschen Games-Branche 2019) und wuchs somit im Vergleich zum Vorjahr um 9 Prozent. Insgesamt spielen in Deutschland aktuell rund 34,3 Millionen Bürger zumindest gelegentlich Videospiele (Jahresreport der deutschen Games-Branche 2019), dies entspricht nahezu 42 Prozent der Gesamtbevölkerung . Mit einer solchen Aussage stellt man aus Sicht der Fragesteller somit weite Teile der Bevölkerung unter Generalverdacht. Zudem scheint es schwer möglich, einen „Gamer“ klar vom durchschnittlichen Bürger abzugrenzen. So sind 48 Prozent der „Gamer“ weiblich (www.de.statista.com/ statistik/daten/studie/197219/umfrage/anzahl-der-computerspieler-in-deutschl and-nach-geschlecht/) und alle Spielerinnen und Spieler in Deutschland hatten im Jahr 2018 ein Durchschnittsalter von 36,4 Jahren (Jahresreport der deutschen Games-Branche 2019). In acht der 20 im Jahr 2018 in Deutschland meistverkauften Spiele stellt Gewalt gegenüber anderen Menschen einen Teil der grundlegenden Spielmechanik dar (Jahresreport der deutschen Games-Branche 2019). Darüber hinaus unterziehen sich nahezu alle Entwickler in Deutschland veröffentlichter Spiele einer freiwilligen Selbstkontrolle und der Deklarierung mit dem sogenannten Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) Label zur Altersfreigabe. 22,8 Prozent der im Jahr 2018 in Deutschland verkauften Spiele sind aufgrund von enthaltenen Gewalthandlungen oder nahezu ausschließlich gewaltbehafte- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16275 19. Wahlperiode 02.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 20. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. ten Spielkonzepten als USK 16 bzw. 18 deklariert (Jahresreport der deutschen Games-Branche 2019). 1. Inwiefern sind der Bundesregierung im Fall des Anschlages in Halle (Saale ) konkrete Verbindungen des Attentäters zur Gaming-Szene bekannt? Aus den laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA) gegen Stephan B. im Zusammenhang mit dem geplanten Anschlag auf die Jüdische Synagoge am 9. Oktober 2019 in Halle liegen Erkenntnisse dazu vor, dass der Beschuldigte über die Computerspiele-Plattform „Steam“ kommerzielle, legale Spiele genutzt hat. Weitergehende Erkenntnisse zu konkreten tatrelevanten Verbindungen des Beschuldigten zur „Gaming Szene “ sind bislang nicht bekannt geworden. 2. Falls konkrete Verbindungen des Attentäters zu dieser bekannt sind, inwiefern sieht die Bundesregierung einen kausalen Einfluss des Spielverhaltens auf die mögliche Entscheidung oder Planung zur Durchführung des Anschlages? Aus den laufenden Ermittlungen des GBA haben sich bislang keine Anhaltspunkte für einen kausalen Einfluss des Spielverhaltens des Beschuldigten Stephan B. auf die mögliche Entscheidung oder Planung zur Durchführung des Anschlages ergeben. 3. Ist der Bundesregierung bekannt, wie die Länder die Gaming-Szene und deren potentielle Gefahrgeneigtheit bewerten? 4. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Gefährder – nach Einschätzungen der Länder – innerhalb der Gaming-Szene existieren? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Bewertungen und Einschätzungen der Länder. 5. Wie viele Gespräche hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer seit Amtsantritt mit Vertretern der Gamesbranche geführt? a) Um welche Vertreter der Gamesbranche handelte es sich dabei genau? b) Was waren die konkreten Gesprächsanlässe? c) Welche Ziele und Erkenntnisse konnte der Bundesinnenminister Horst Seehofer für sich und den entsprechenden Geschäftsbereich seines Bundesministeriums gewinnen? Der Bundesminister Horst Seehofer hat seit seinem Amtsantritt keine Gespräche im Sinne der Fragestellung geführt. 6. Auf Basis welcher dienstlichen Tätigkeiten, Erkenntnisse, Vorbereitungen oder Ausarbeitungen entsprechender Referate hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer seine aktuellen Aussagen zum Zusammenhang von Gewalttaten bzw. Attentaten und der Gamesszene getroffen? Grundlage der Äußerung von Bundesminister Horst Seehofer zur Gamer-Szene war eine allgemeine Erörterung im Kreise seiner Mitarbeiter. Drucksache 19/16275 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der „Spieleplattformen“ (vgl. www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenzvom -14-oktober-2019-1681468)? Spieleplattformen sind Software- oder Hardwarelösungen, über die Spiele gekauft und organisiert werden. Sie bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Spielern zu vernetzen, zu kommunizieren und gemeinsame Multiplayer-Partien zu organisieren. 8. Welche konkreten Kommunikationsfunktionen von „Spieleplattformen“ nutzen extremistische Täter um sich zu vernetzen und zu kommunizieren (www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom- 14-oktober-2019-1681468)? Spieleplattformen bieten inzwischen eine große Bandbreite an Kommunikationsformen , insbesondere Foren, Gruppen, Chats (darunter Gruppen-, Voiceund Voice-over-IP-Sprachchats), die vor allem, aber nicht nur für spielebezogene Kommunikation genutzt werden. Diese Kommunikationsformen können auch von Extremisten genutzt werden.  9. Sind der Bundesregierung Fälle des Missbrauches spielinterner Kommunikation in Videospielen im Rahmen der organisierten Kriminalität a) auf nationaler Ebene, b) auf europäischer Ebene, c) auf internationaler Ebene bekannt? 10. Sind der Bundesregierung Fälle des Missbrauches spielinterner Kommunikation in Videospielen zur Planung von Gewaltverbrechen a) auf nationaler Ebene, b) auf europäischer Ebene, c) auf internationaler Ebene bekannt? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Die Beantwortung kann nicht offen erfolgen. Die Einstufung der Antwort auf die Frage als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Nach § 2 Absatz 2 Nummer 2, 3 und 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz vom 10. August 2018 (Verschlusssachenanweisung , VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Informationen zu Erkenntnissen und im Rückschluss zu Modus Operandi sowie Fähigkeiten und Methoden von Nachrichtendiensten und Polizeien einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Eine solche Veröffentlichung von Einzelheiten ist daher geeignet, zu einer wesentlichen Verschlechterung der den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu führen. Zudem wäre eine Warnung an betroffene Kreise zu besorgen . Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutsch- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16275 land nachteilig sein. Diese Informationen werden daher als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt .* 11. Sind der Bundesregierung Fälle des Missbrauches spielexterner Kommunikation für Videospiele – also Kommunikation, die nicht im Spiel, sondern auf Plattformen von Drittanbietern stattfindet – im Rahmen der organisierten Kriminalität a) auf nationaler Ebene, b) auf europäischer Ebene, c) auf internationaler Ebene bekannt? 12. Sind der Bundesregierung Fälle des Missbrauches spielexterner Kommunikation für Videospiele zur Planung von Gewaltverbrechen a) auf nationaler Ebene, b) auf europäischer Ebene, c) auf internationaler Ebene bekannt? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Eine definitorische Eingrenzung „spielexterner Kommunikation“ kann hier nicht eindeutig vorgenommen werden. Als „Kommunikation, die nicht im Spiel, sondern auf Plattformen von Drittanbietern stattfindet“ kann jegliche Form von elektronischer Kommunikation außerhalb von Videospielen definiert werden. Eine eindeutige Beantwortung ist daher nicht möglich. 13. Welche spielexternen Kommunikationsdienste betrachtet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang als kritisch? Zum Begriff der spielexternen Kommunikationsdienste wird auf die Antwort zu den Fragen 11 und 12 verwiesen. Als „kritisch“ kann lediglich der Missbrauch entsprechender Kommunikationswege bewertet werden, nicht das Angebot an Kommunikationsdiensten an sich. Grundsätzlich nutzt das extremistisch /terroristische Personenpotenzial digitale Medien zur weltweiten Verbreitung ihrer Propaganda. Hierbei finden täterseitig alle zur Verfügung stehenden und dort als geeignet erachteten Kommunikationsmittel zumindest potentiell Verwendung. 14. Steht die Bundesregierung in direktem Kontakt zu Anbietern spielexterner Kommunikation? Zum Begriff der spielexternen Kommunikationsdienste wird auf die Antwort zu den Fragen 11 und 12 verwiesen. Die Bundesregierung steht mit diversen Kommunikationsanbietern in Kontakt. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 19/16275 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Wie viele Indizierungsverfahren für Online-Inhalte im Bereich Extremismus gab es 2018 auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes bzw. Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV)? Klarstellend wird der inhaltlichen Beantwortung vorangestellt, dass Aufnahmen von Medien in die Liste jugendgefährdender Medien (Indizierungen) ausschließlich auf der Grundlage des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) erfolgen. Die Rechtsgrundlage für eine Indizierung stellt § 18 Absatz 1 JuSchG dar. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) wird auf Antrag oder Anregung von nach dem JuSchG hierzu berechtigten Stellen tätig. „Extremismus“ ist kein Wesensmerkmal der Jugendgefährdungstatbestände und wird daher nicht als eigenständige statistische Größe erfasst. Ein Medium darf nicht allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen werden. Indiziert werden können aber u. a. Medien, die zum Rassenhass anreizen, verrohend wirken, zu Gewalttätigkeit oder Verbrechen anreizen, Selbstjustiz propagieren, die Menschenwürde verletzen oder welche Menschengruppen (bspw. aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, politischer Gesinnung oder sexueller Orientierung) diskriminieren. Anhand der im Bereich Extremismus relevanten Tatbestände der Jugendgefährdung hat die Bundesprüfstelle im Jahr 2018 zwei Verfahren zu Telemedien durchgeführt. Noch offene Verfahren bzw. wegen fehlender Abrufbarkeit des Angebots eingestellte Verfahren können dabei nicht in der Statistik im Sinne der Fragestellung erfasst werden, da erst im Anschluss an die Gremiumsentscheidung bzw. nach Ergehen einer materiellen Entscheidung eine eindeutige statistische Zuordnung erfolgen kann. 16. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und alle 14 Landesmedienanstalten gemeinsam im Zeitraum März 2015 bis Februar 2019 in 87 Verfahren Verstöße im Bereich unzulässiger Internetinhalte im Bereich Extremismus festgestellt haben, letztlich jedoch keine einzige Sperrungsanordnung gegen Host- und Access-Provider wegen ausländischer, nach § 4 JMStV unzulässiger extremistischer Internetinhalte verfügt wurde (www.commu nity.beck.de/2019/10/22/blm-konsequent-gegen-hass-und-hetze-imnetz )? Aufgrund der derzeitigen Verteilung der Zuständigkeiten für die Durchsetzung des Kinder- und Jugendmedienschutzes im Telemedienbereich betrifft diese Frage den Aufgabenbereich der Länder, weswegen die Bundesregierung hierzu nicht wertend Stellung nimmt. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien für die 19. Legislaturperiode ist vereinbart worden, unter Wahrung der Kompetenzen der Länder für eine wirkungsvolle Durchsetzung des Kinder- und Jugendmedienschutzes auch gegenüber nicht in Deutschland ansässigen Angeboten zu sorgen. Demzufolge ist seitens des Bundes die in der Fragestellung beschriebene Aufsichtspraxis der KJM u. a. auch in den Bund-Länder-Gesprächen, die im Verlauf des Jahrs 2019 geführt wurden und an denen auch die KJM teilgenommen hat, thematisiert worden. 17. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um den Vollzug bestehender Gesetze (insbesondere der zuvor genannten) im Bereich des Extremismus zu verstärken? Um den dynamischen Entwicklungen gerecht zu werden und um auch im digitalen Einsatzraum handlungsfähig zu bleiben, müssen Priorität und Methodik Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16275 der polizeilichen Arbeit durch adäquaten Personalansatz, Schwerpunktsetzung sowie Änderungen am Organisationsaufbau und -ablauf proaktiv angepasst werden. Hierzu zählt im Hinblick auf das Bundeskriminalamt (BKA) u. a. der Ausbau der Zentralstelle PMK -links-/-rechts-, die Verstärkung der Ermittlungstätigkeit im Bereich PMK -links-/-rechts-, der Aufbau einer Zentralstelle für die Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet, die Entwicklung eines Risikobewertungsinstruments „RADAR-rechts“ zur besseren Identifizierung und Kategorisierung besonders gewaltbereiter Rechtsextremisten (Gefährder). 18. Existiert auf Bundesebene eine staatliche Institution oder Einheit, die sich explizit mit solchen Themen und Kommunikationsdiensten beschäftigt ? a) Falls ja, wo ist diese Einheit strukturell einzuordnen? b) Wie steht es um die personelle und finanzielle Ausstattung dieser Einheit? c) Falls keine staatliche Einheit hierfür zuständig ist, warum nicht? Das Thema Extremismus ist ebenso wie die Kommunikationsdienste für verschiedene Organisationseinheiten innerhalb der Bundesregierung im Rahmen ihrer fachlichen Zuständigkeit von Relevanz. So wurde beispielsweise beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Sommer 2019 eine Organisationseinheit zur explorativen Aufklärung von Internetplattformen eingerichtet. Zu deren Aufgaben gehören die Aufklärung potentieller Plattformen, die von rechtsextremistischen und rechtsterroristischen Einzeltätern oder Gruppen genutzt werden, die Erarbeitung eines grundsätzlichen Verständnisses der aufzuklärenden Plattformen, die Identifikation potentiell gefährlicher Nutzer sowie die Feststellung möglicher Hinweise auf Radikalisierung von Einzeltätern. Im Übrigen ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage nicht offen erfolgen kann. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten , die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik des BfV und insbesondere dessen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen. Insbesondere durch die Auskunft über die Größenordnung des eingesetzten Personals können Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV gezogen werden, was die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des Nachrichtendienstes auf diesem Gebiet gefährdet könnte. Auf die als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Anlage wird verwiesen.* Kommunikationsdienste sind für mehrere Fachbereiche des BKA von Relevanz . Eine Organisationseinheit, welche sich explizit nur um diese Thematik kümmert, ist beim BKA nicht verortet. So werden Kommunikationsdienste beispielsweise im Bereich der rechten Szene anlassbezogen im Rahmen des täglichen Monitorings der KIA-R beobachtet, im Zuge der Bekämpfung der Religiösen Ideologie (Abteilung TE) steht der für phänomenbezogene Internetermittlungen zuständige Bereich im Rahmen der dortigen Aufgabenerfüllung u. a. mit den Anbietern von Kommunikationsdiensten und -dienstleistern in Kontakt. Darüber hinaus ist diese Organisationseinheit als SPoC der Abteilungen TE und ST für die ausländischen OSP Ansprechpartner für grundsätzliche Fragestellungen mit direktem Bezug zum dortigen Aufgabenfeld. * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft . Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 19/16275 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Inwiefern erachtet die Bundesregierung die Entwicklungen in der Populär-kultur – über die Gaming-Szene hinaus – als problematisch bzw. als Ursache für Gewaltverbrechen? 20. Inwiefern erachtet die Bundesregierung die Entwicklungen in der Populärkultur mittels und innerhalb sozialer Medien als sicherheitsrelevante Bedrohung? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Bestimmte Entwicklungen, wie bspw. die Verbreitung von beleidigenden, herabwürdigenden oder gar Hass-Äußerungen im Internet sind als problematisch einzustufen, insbesondere, wenn sie strafrechtlich relevant sind. Auch extreme (bspw. suchtartige) Formen des Gamings bergen Risiken zumindest für die Person selbst. Inwieweit solche Phänomene tatsächlich ursächlich für Gewaltverbrechen sind, ist aber differenziert zu betrachten. Als alleinige Ursache für Gewaltverbrechen können weder Gaming noch andere populärkulturelle Entwicklungen gelten. 21. Sind der Bundesregierung Studien zur Kausalität von Populärkultur, insbesondere Gaming sowie der Bedeutung von sozialen Medien oder spielexternen Kommunikationsdiensten, und Gewalttaten bekannt, und falls ja, welche Studien sind dies? Der Bundesregierung sind insbesondere die nachfolgend aufgelisteten Studien bekannt: • Anderson, C. A., Bushman, B. J., Bartholow, B. D., Cantor, J., Christakis, D.,Coyne, S. M., ... & Huesmann, R. (2017). Screen violence and youth behavior . Pediatrics, 140(Supplement 2), S142 bis S147. • Del Rey, R., Elipe, P., & Ortega-Ruiz, R. (2012). Bullying and cyberbullying : Overlapping and predictive value of the co-occurrence. Psicothema, 24(4), 608 bis 613. • Demetrovics, Z., Urbán, R., Nagygyörgy, K., Farkas, J., Zilahy, D., Mervó, B., ... & Harmath, E. (2011). Why do you play? The development of the motives for online gaming questionnaire (MOGQ). Behavior research methods , 43(3), 814 bis 825. • Ferguson, C. J. (2007). The good, the bad and the ugly: A meta-analytic review of positive and negative effects of violent video games. Psychiatric quarterly, 78(4), 309 bis 316. • Ferguson, C. J. (2015). Do angry birds make for angry children? A metaanalysis of video game influences on children’s and adolescents’ aggression , mental health, prosocial behavior, and academic performance. Perspectives on psychological science, 10(5), 646 bis 666. • Greitemeyer, T., & Mügge, D. O. (2014). Video games do affect social outcomes : A meta-analytic review of the effects of violent and prosocial video game play. Personality and social psychology bulletin, 40(5), 578 bis 589. • Hsueh, M., Yogeeswaran, K., & Malinen, S. (2015). „Leave your comment below”: Can biased online comments influence our own prejudicial attitudes and behaviors?. Human communication research, 41(4), 557 bis 576. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16275 • Lemke, R., & Weber, M. (2016). Was wir über die Wirkung von Pornographiewissen (und warum wir vieles nicht wissen). In Pornographie (pp. 87-122). Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. • Markey, P. M., Markey, C. N., & French, J. E. (2015). Violent video games and real-world violence: Rhetoric versus data. Psychology of Popular Media Culture, 4(4), 277. • Patton, D. U., Hong, J. S., Ranney, M., Patel, S., Kelley, C., Eschmann, R., &Washington, T. (2014). Social media as a vector for youth violence: A review of the literature. Computers in Human Behavior, 35, 548 bis 553. • Valkenburg, P. M. (2015). The limited informativeness of meta-analyses of media effects. Perspectives on psychological science, 10(5), 680 bis 682. • Weber, M., Koehler, C., Ziegele, M., & Schemer, C. (2019). Online Hate Does Not Stay Online–How Implicit and Explicit Attitudes Mediate the Effect of Civil Negativity and Hate in User Comments on Prosocial Behavior .Computers in Human Behavior, 106192. 22. Sieht die Bundesregierung den Jugendmedienschutz bzw. Jugendschutz als geeignetes Instrument zur Extremismusbekämpfung an? Ein wirksamer Kinder- und Jugendmedienschutz kann einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung der Verbreitung und Verfestigung extremistischer Positionen leisten. Nach den Vereinbarungen der Regierungsparteien im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode muss ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gefährdenden Inhalten sicherstellen, den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte und ihrer Daten gewährleisten und die Instrumente zur Stärkung der Medienkompetenz weiterentwickeln. Auf die Antwort zu Frage 27 wird diesbezüglich verwiesen. 23. Wie bewertet die Bundesregierung die Abschlusserklärung der Innenminister und Innensenatoren von Bund und Ländern vom Freitag, den 18. Oktober 2019, in der eine „Identitätsprüfung bei FSK 16-Inhalten und höher eingestuften Online-Spielen“ gefordert wird (www.bmi.bund . d e / SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2019/massnahmen-IMK -halle.pdf?__blob=publicationFile&v=2)? Nach den Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages der Länder (JMStV) haben Anbieter von Angeboten, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, bereits jetzt dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen diese Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen. Die Aufsicht über die Einhaltung der Pflichten aus dem JMStV obliegt allein der Kommission für Jugendmedienschutz der Länder (KJM). Diesbezüglich wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen . Ergänzend ist aus Sicht der Bundesregierung zu berücksichtigen, dass die in der Fragestellung in Bezug genommene Forderung voraussetzt, dass im ersten Schritt auch im Online-Bereich eine verlässliche Alterskennzeichnung von Spielen erfolgt. Diesbezüglich wird ergänzend auf die Antwort zu den Fragen 27 bis 29 verwiesen. Drucksache 19/16275 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 24. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Abschlusserklärung der Innenminister und Innensenatoren von Bund und Ländern vom Freitag, den 18. Oktober 2019 formulierte Forderung, dass die „Identifizierbarkeit (anonymer Accounts) beschleunigt und erleichtert werden muss“ (www. bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2019/mass nahmen-IMK-halle.pdf?__blob=publicationFile&v=2)? 25. Wie können aus Sicht der Bundesregierung die Verantwortlichen für Gewalt , Hass und Hetze im Netz aus der Anonymität des Internets herausgeholt werden? 26. Wie sähen aus Sicht der Bundesregierung konkrete Maßnahmen zur beschleunigten und erleichterten Identifizierung anonymer Internetnutzer aus? Die Fragen 24 bis 26 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung begrüßt Maßnahmen, die zu einer besseren Verfolgung der Urheber rechtswidriger Internetinhalte beitragen. Es ist Aufgabe des Staates , die Verfasserinnen und Verfasser strafbarer Inhalte einer effektiven Strafverfolgung zuzuführen. Ihnen ist durch Strafverfahren aufzuzeigen, dass Inhalte wie Morddrohungen und Volksverhetzung vom Rechtsstaat nicht geduldet werden und sie sich persönlich zu verantworten haben. In diesem Zusammenhang sieht auch das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität in Ziffer 1 Maßnahmen zur Verbesserung der Identifizierung bei Hasskriminalität im Netz vor. Es soll eine Meldepflicht für Diensteanbietende nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) eingeführt werden. Bestimmte strafbare Inhalte samt IP-Adresse sollen an eine Zentralstelle im BKA übermittelt werden. Außerdem sollen explizite Rechtsgrundlagen für die Erhebung von Bestandsdaten im Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten und in der Strafprozessordnung sowie korrespondierende Datenauskunftsverpflichtungen im Telemediengesetz geschaffen werden, damit die Strafverfolgungsbehörden die Urheberinnen und Urheber strafrechtlich relevanter Inter-netinhalte schnell ermitteln können. Ferner prüft die Bundesregierung derzeit, wie die Forderungen aus der Abschlusserklärung der Innenminister und Innensenatoren von Bund und Ländern vom 18. Oktober 2019 konkret umgesetzt werden können. 27. Wie plant die Bundesregierung, dem Ziel eines konvergenten, flexiblen und international anschlussfähigen Jugendschutzsystems gerecht zu werden? Zu den mit der Fragestellung beschriebenen Herausforderungen, die auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien für die 19. Legislaturperiode aufgegriffen werden, stimmt sich die Bundesregierung derzeit sowohl intern als auch mit den im gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutz relevanten Akteuren mit dem Ziel der Umsetzung des Koalitionsvertrages in der laufenden Legislaturperiode intensiv ab. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16275 28. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass seit Einführung des International Age Rating Coalition (IARC)-Systems die Jugendschutzstandards der USK auch für Millionen von Online-Spielen und Apps gelten? a) Plant die Bundesregierung, solche Best-Practice-Beispiele zu unterstützen , und falls ja, wie genau? b) Sofern keine Unterstützung solcher Best-Practice-Beispiele angedacht wird, warum nicht? Klarstellend ist auszuführen, dass es sich bei dem IARC-System nicht um ein nach § 14 Absatz 6 des JuSchG durch die Obersten Landesbehörden anerkanntes System der Alterskennzeichnung handelt, sondern um ein von der Wirtschaft selbstorganisiertes System. Daher kann die mit der Fragestellung zugleich aufgestellte Behauptung der – unveränderten – Geltung der auf der Grundlage des JuSchG erarbeiteten und bewährten Jugendschutzstandards der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) außerhalb des Trägermedienbereichs nicht bestätigt werden. Im Rahmen der in der Antwort zu Frage 27 beschriebenen Abstimmungen wird jedoch auch geprüft, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen derartige Systeme künftig geeignet sein können, die erforderliche Orientierung durch verlässliche Alterskennzeichen auch im Online-Bereich zu vermitteln. Auf die Antwort zu Frage 29 wird ergänzend verwiesen. 29. Wie steht die Bundesregierung zum System der Freiwilligen Selbstkontrolle , und gibt es Pläne, dieses System durch geeignete Bundesmaßnahmen zu stärken? Das im Jugendschutzgesetz für den Bereich der Trägermedien geregelte System der Freiwilligen Selbstkontrollen, welches eine Verlässlichkeit der danach vergebenen Alterskennzeichen über die steuernde Einbeziehung der Obersten Landesbehörden gewährleistet, hat sich dem Grunde nach bewährt. Im Zuge der erforderlichen Schaffung eines zeitgemäßen gesetzlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes wird auch eine Stärkung dieses Systems und dessen Modernisierung vor dem Hintergrund der Herausforderungen der aktuellen Mediennutzung durch Kinder und Jugendliche in den Blick genommen. Auf die Antwort zu den Fragen 27 und 28 wird im Übrigen Bezug genommen. Drucksache 19/16275 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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