Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15362 – Die Lage von Schutzsuchenden in Bosnien und Herzegowina V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Nordwesten des Staates Bosnien und Herzegowina wurde von der Stadt Bihać ein illegales Lager für Schutzsuchende auf der ehemaligen Mülldeponie Vučjak errichtet. Nach Informationen der Fragesteller und Fragestellerinnen spitzt sich dort die Lage für die Bewohnerinnen und Bewohner zu. Um nach eigener Aussage Aufmerksamkeit für die Situation zu schaffen, hat der Bürgermeister von Bihać, Šuhret Fazlić, Mitte Oktober angekündigt, ab dem 21. Oktober 2019 die sowieso sehr spärliche Versorgung des Camps Vučjak mit Wasser und Nahrung komplett einzustellen. Er wolle „die Krise eskalieren lassen“, um die Regierung in Sarajevo zum Handeln zu zwingen (https://bal kanstories.net/2019/10/16/vucjak-stadt-verweigert-fluechtlingen-nahrung/). Die humanitäre Lage für Schutzsuchende in Bosnien und Herzegowina hatte sich bereits in den letzten Wochen zunehmend verschlechtert. Die Europäische Kommission und die Vereinten Nationen (VN) halten Vučjak für „eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Migranten“ (http://gleft.de/3fK). Auch der VN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten, Felipe González Morales, erklärte Anfang Oktober 2019, der Standort sei „absolut unangemessen und für die Unterbringung von Menschen ungeeignet“ (http://g left.de/3h8). Aktuell harren über 2.000 Menschen in dem seit über vier Monaten bestehenden Lager in menschenunwürdigen Bedingungen aus. Das Lager war auf Initiative der Stadt entstanden, um Schutzsuchende aus Bihać zu entfernen (http://gleft.de/3gp). Es befindet sich neben einem Minenfeld, das noch aus dem Bürgerkrieg der 1990er-Jahre stammt. Aufgrund von Methangasen unter der Oberfläche besteht die akute Gefahr von Bränden (http://gleft.de/ 3gq). Die notdürftige medizinische Versorgung wurde in den letzten Monaten überwiegend durch ein ehrenamtliches Team um den deutschen Journalisten Dirk Planert aufrechterhalten. Dirk Planert spricht von 200 medizinischen Behandlungen pro Tag. Die Gesundheitsministerin des Kantons Una-Sana, Nermina Ćemalović, hat die Ambulanz vor drei Wochen geschlossen, die Helferinnen und Helfer mit einem Bußgeld von jeweils 150 Euro belegt und des Landes verwiesen (https://taz.de/Fluechtlingslager-bei-Bihac/!5630745/). Durch die nach Ansicht der Fragesteller erfolgte Kriminalisierung der Unterstützungsarbeit und die Bedrohung der Freiwilligen sind die Schutzsuchenden seitdem ohne ausreichende medizinische Versorgung (Stand: 21. Oktober 2019; http:// Deutscher Bundestag Drucksache 19/16277 19. Wahlperiode 30.12.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 20. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. gleft.de/3fB). Diese ist nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller jedoch dringend notwendig, denn viele der Schutzsuchenden erleiden laut Presseberichten beim Versuch, die EU-Außengrenze in Richtung Kroatien zu überqueren, teils schwere Verletzungen nicht zuletzt durch Übergriffe der kroatischen Grenzpolizei (https://taz.de/Gefluechtete-an-der-EU-Aussengrenze/!5 626469/). Die EU weiß nach Ansicht der Fragesteller seit langem um diese systematische Gewaltanwendung gegenüber Schutzsuchenden und die zahlreichen illegalen Push-Backs aus Kroatien und Slowenien (www.borderviolen ce.eu/violence-reports/), hat sich dazu bisher jedoch nicht bzw. nur lobend zu der Politik Kroatiens an seinen EU-Außengrenzen geäußert (http://gleft.de/ 3hb). Amnesty International kritisierte bereits im März 2019, dass sich die europäischen Regierungen durch die Finanzierung der kroatischen Grenzkontrolle an den brutalen Angriffen sowie den systematischen und rechtswidrigen Zurückweisungen von Asylsuchenden mitschuldig machen (Amnesty-Bericht „Pushed to the edge: Violence and abuse against refugees and migrants along the Balkan Route“, http://gleft.de/3h9). Über das Camp Vučjak berichten mehrere Quellen, dass Schutzsuchende durch Gewalt (unter anderem durch die bosnische Polizei) am Verlassen des Camps gehindert und dadurch faktisch inhaftiert werden (https://balkansto ries.net/2019/10/16/vucjak-stadt-verweigert-fluechtlingen-nahrung/). Außerdem wurden am 16. Oktober 2019 weitere 1.700 Menschen von Bihać nach Vučjak zwangsumgesiedelt (www.hrw.org/news/2019/10/19/bosnia-should-im mediately-close-inhumane-migrant-camp; http://gleft.de/3gb). Laut dem Journalisten Dirk Planert sind in der Region Bihać bisher 20 Schutzsuchende gestorben. Einige von ihnen, nachdem sie in einem geschlossenen Haus Feuer gemacht hätten, einige durch „äußere Gewalt“ (http://gleft.de/3fB). Dirk Planert befürchtet weitere Todesfälle, sollten die Bundesregierung und die EU nicht schnell im Sinne der Schutzsuchenden handeln (http://gleft.de/3gc). Nach Ansicht der Fragesteller und Fragestellerinnen müssen das illegale Camp sofort geschlossen und den Schutzsuchenden alternative, menschenwürdige Unterbringungsmöglichkeiten angeboten werden. Die Lager in Bihać und Velika Kladusa sind ebenfalls maximal ausgelastet, weshalb viele Menschen bei Nässe und Kälte unter freiem Himmel und in verlassenen Häusern schlafen müssen (http://gleft.de/3il). In Bosnien und Herzegowina werden menschenrechtliche Standards in den Unterkünften häufig nicht erfüllt. Die Lage für gestrandete Asylsuchende ist generell aussichtslos, da Bosnien und Herzegowina nach Ansicht der Fragesteller nicht über ein funktionierendes Asylsystem verfügt (Amnesty-Bericht „Pushed to the edge: Violence and abuse against refugees and migrants along the Balkan Route“). Die aktuelle Situation in Bihać und die systematische Misshandlung von Schutzsuchenden an der kroatischen Grenze sind nach Ansicht der Fragesteller und Fragestellerinnen unmittelbare Folgen der EU-Abschottungspolitik. Durch die finanzielle und personelle Unterstützung kroatischer Grenzbehörden , das Schweigen zu Menschenrechtsverletzungen und den zunehmenden Aufbau Bosniens zum Türsteher Europas – unter anderem durch den bevorstehenden Frontex-Einsatz – tragen die Bundesregierung und die EU nach Ansicht der Fragesteller dazu bei, dass tausende Schutzsuchende in Bosnien und Herzegowina ohne Perspektive und Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren festsitzen. Die Fluchtwege in die EU sind nach Ansicht der Fragesteller mittlerweile nahezu hermetisch abgeschlossen. Die Bundesregierung lobt Kroatien für den guten Schutz seiner Außengrenzen, der ein entscheidendes Kriterium für die unmittelbar bevorstehende Schengen-Mitgliedschaft ist, und schweigt zu den gut dokumentierten völkerrechtswidrigen Zurückweisungen an der Grenze (http://gleft.de/3hi). Drucksache 19/16277 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele Schutzsuchende befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung momentan in dem Lager Vučjak und in der Nähe bzw. in der Stadt Bihać, und bei wie vielen von ihnen handelt es sich um Minderjährige bzw. unbegleitete Minderjährige? Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) befanden sich am 17. November 2019 ca. 8.200 Migrantinnen und Migranten in Bosnien und Herzegowina, davon 87 Prozent (rund 7.100 Personen) im Una-Sana Kanton. 4.151 Personen sind in offiziellen Aufnahmezentren registriert. Davon sind 24 Prozent begleitete Minderjährige, 11 Prozent unbegleitete Minderjährige und 1 Prozent alleinreisende Frauen. Im Lager Vučjak befanden sich am 17. November 2019 etwa 700 bis 800 Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten. Die bosnischen Behörden haben am 9. Dezember 2019 mit der Schließung des Lagers begonnen, die inzwischen abgeschlossen ist. Die aufhältigen Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung auf freiwilliger Basis in Aufnahmezentren im Kanton Sarajewo gebracht. 2. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung angesichts der nach Ansicht der Fragesteller bestehenden humanitären Katastrophe an der bosnisch-kroatischen Grenze für die sofortige Schließung des Lagers Vučjak und für die Unterbringung der Schutzsuchenden in internationalen Menschenrechtsstandards entsprechenden Unterkünften, insbesondere angesichts des nahenden Winters und dessen gesundheitlichen Gefahren für die Bewohner des Camps (Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 20, Plenarprotokoll 19/120)? Welche Unterstützung bietet die Bundesregierung ggf. an? 4. Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Behörden von Bosnien und Herzegowina auf die Aufforderung der Europäischen Kommission und der Vereinten Nationen, die Zwangsumsiedlungen nach Vučjak einzustellen und die Schutzsuchenden unverzüglich von Camp in eine menschenwürdige Unterkunft mit angemessenen Bedingungen zu verlegen , reagiert, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus (http://gleft.de/3gd)? 5. Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Behörden von Bosnien und Herzegowina auf die Aufforderung der Europäischen Kommission , unverzüglich zusätzliche geeignete Einrichtungen zu ermitteln, reagiert, und inwieweit plant die Bundesregierung, diese finanziell, ggf. auch auf EU-Ebene, zu unterstützen bzw. das weitere Vorgehen Bosnien und Herzegowinas zu kontrollieren (http://europa.ba/?p=64769)? Die Fragen 2, 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat die Regierung von Bosnien und Herzegowina wiederholt zur Schließung des Lagers Vučjak und zur raschen Bereitstellung alternativer , menschenwürdiger Unterbringungsmöglichkeiten aufgefordert und hierzu wiederholt Unterstützung angeboten. Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI), Herr Stephan Mayer, hat im Rahmen seiner Delegationsreise nach Bosnien und Herzegowina am 18. und 19. November hochrangige Gespräche geführt, in denen abermals an die Verantwortung aller Entitäten Bosniens und Herzegowinas bei der Bewältigung der sich stellenden Herausforderungen appelliert und unterstrichen wurde, dass allen Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten, ungeachtet ihres gewährten Schutzstatus, eine menschenwürdige Behandlung zukommen müsse. Einigkeit bestand über die Schließung des Lagers Vučjak, die die bosnischen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16277 Behörden am 9. Dezember 2019 aufgenommen haben. Bei der Herrichtung und Ausstattung eines neuen Aufnahmezentrums im Kanton Sarajewo leistet das Technische Hilfswerk (THW) Unterstützung. 3. Inwiefern zieht die Bundesregierung eine Aufnahme von Schutzsuchenden aus Bosnien und Herzegowina in Betracht, um eine Eskalation der Situation für Schutzsuchende zu verhindern und das Land zu entlasten? Eine Aufnahme von Schutzsuchenden aus Bosnien-Herzegowina im Rahmen humanitärer Aufnahmeprogramme nach Deutschland ist derzeit nicht geplant. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 6. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Schutzsuchende durch Gewaltanwendung der bosnisch-herzegowinischen Sicherheitskräfte am Verlassen des Camps Vučjak gehindert wurden bzw. werden, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung allgemein zu dem gewaltsamen Vorgehen gegenüber Schutzsuchenden durch bosnisch-herzegowinische Sicherheitskräfte (http://gleft.de/3gg)? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden und werden keine Maßnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten umgesetzt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 7. Welche Rolle hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Bosnien und Herzegowina, und welche Aktivitäten führt sie dort aus? Trifft es nach neueren Kenntnissen der Bundesregierung zu, dass die IOM Fahrzeuge der bosnischen Polizei (zumindest teilweise) finanziert hat, mit denen Schutzsuchende nach Vučjak zwangsumgesiedelt wurden? Die IOM engagiert sich als einer der aktivsten Akteure vor Ort sowohl im Bereich des Betriebs von Aufnahmeeinrichtungen und der Versorgung von Flüchtlingen , Migrantinnen und Migranten als auch bei der Beratung zur Organisation und Durchführung freiwilliger Rückkehr und Reintegration. Hierbei setzt IOM mit Mitteln der EU unter anderem Maßnahmen zur Unterstützung der lokalen Bevölkerung um. Zum Engagement von IOM in Bezug auf das Lager Vučjak wird auf die Antwort auf die Mündliche Frage 20 der Abgeordneten Ulla Jelpke in der Fragestunde vom 23. Oktober 2019 (Plenarprotokoll 19/120) verwiesen . Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von rassistischen Übergriffen auf Schutzsuchende in Bosnien und Herzegowina, insbesondere in Bihać und Vučjak, und über die Bedrohung und Kriminalisierung von Freiwilligen und Menschenrechtsverteidigern, die Schutzsuchende in Bosnien unterstützen (http://gleft.de/3ge)? Zu rassistisch motivierten Übergriffen auf Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten in Bosnien und Herzegowina liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Drucksache 19/16277 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Inwieweit geht die Bundesregierung gegen die nach Ansicht der Fragesteller erfolgte Kriminalisierung und Ausweisung der Freiwilligen um den deutschen Journalisten Dirk Planert durch bosnische Behörden vor? Über die Medienberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse zur Ausreise von Herrn Planert und der Ausweisung weiterer Helfer aus Bosnien und Herzegowina liegen der Bundesregierung nicht vor. Gemäß öffentlichen Quellen wurde Herr Planert nicht ausgewiesen. Rechtliche und konsularische Betreuung durch die deutsche Botschaft Sarajewo wurde nicht nachgefragt. 10. Wie viele Schutzsuchende kamen nach Kenntnis der Bundesregierung monatlich seit dem 1. Januar 2019 in Bosnien und Herzegowina an, und wie viele halten sich momentan dort auf? Nach Angaben der bosnischen Behörden kamen vom 1. Januar bis zum 17. November 2019 insgesamt 27.274 Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten nach Bosnien und Herzegowina. Am 17. November 2019 hielten sich nach Schätzungen von IOM etwa 8.200 registrierte und nichtregistrierte Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten in Bosnien und Herzegowina auf. Einzelheiten zu registrierten Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Monat Zahl der neu registrierten Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten Januar 2019 821 Februar 2019 1.054 März 2019 1.822 April 2019 2.337 Mai 2019 2.884 Juni 2019 2.109 Juli 2019 4.116 August 2019 3.206 September 2019 3.812 Oktober 2019 3.958 11. Welche Unterstützungsprogramme bestehen oder sind nach Kenntnis der Bundesregierung für die in Bosnien und Herzegowina gestrandeten Schutzsuchenden von Seiten der EU und/oder der Bundesregierung geplant ? Zur Unterstützung der Bundesregierung wird auf die Antwort zu Frage 18 verwiesen . Von der EU werden Sondermittel aus dem Instrument für Heranführungshilfe (IPA) sowie Mittel der Humanitären Hilfe zur Verfügung gestellt, die gemeinsam von IOM, UNHCR, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und dem Danish Refugee Council in Bosnien und Herzegowina umgesetzt werden. Darüber hinaus erhält Bosnien und Herzegowina Unterstützung aus EU- Regionalprogrammen für den Westbalkan. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16277 a) Wofür sind insbesondere die 13 Mio. Euro, die zur „finanziellen Unterstützung zur Bewältigung der Herausforderungen, die sich im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten sowie irregulärer Migration“ in Bosnien und Herzegowina ergeben, vorgesehen (Bundestagsdrucksache 19/11950)? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die EU bisher insgesamt 36 Mio. Euro bereitgestellt für die Errichtung von Aufnahmezentren, die humanitäre Versorgung der Flüchtlinge sowie die Unterstützung der lokalen Behörden. Bei den Mitteln im Sinne der Fragestellung handelt es sich um eine Sondermaßnahme im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA II), um die Unterbringung und Versorgung mit Lebensmitteln von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten sowie die Verbesserung von Lebensbedingungen in den temporären Aufnahmezentren zu finanzieren. Weiterführende Informationen finden sich unter https://ec.europa.eu/ neighbourhood-enlargement/news_corne r/news/eu-supports-bosnia-and-herzegovina-managing-migration-flows-additio nal-eur-13_en. b) Wofür wurden die 34 Mio. Euro, die Bosnien und Herzegowina von der EU zur „humanitären und operativen Unterstützung […] zur Bewältigung der Migrationssituation“ zur Verfügung gestellt bekommen hat, nach Kenntnis der Bundesregierung eingesetzt (http://gleft.de/ 3fK), und inwiefern lässt es sich nach Ansicht der Bundesregierung angesichts dieser Zahlungen erklären, dass den Menschen in Vučjak seit Monaten das Allernötigste fehlt? Es wird auf die Antwort zu Frage 11a verwiesen. Die Mittel wurden infolge des starken Zustroms von Migrantinnen und Migranten, Asylsuchenden und Geflüchteten nach Bosnien und Herzegowina eingesetzt, um neue Aufnahmezentren einzurichten. Die bestehenden Zentren waren überbelastet, was auch zu einer Verschlechterung der dortigen Sicherheitslage geführt hatte. Die EU hat Vorschläge für neue Standorte für die Aufnahme von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten von den zuständigen nationalen Behörden in Bosnien und Herzegowina angefordert, um in diesem Rahmen die bosnischen Behörden bei der Schaffung geeigneter Unterkünfte und Versorgungsbedingungen für alle Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten zu unterstützen. Auch die Bundesregierung unterstützt durch das THW die Herrichtung neuer Aufnahmekapazitäten . Auf die Antwort zu Frage 2 wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Drucksache 19/16277 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode c) Welche Unterstützung hat Bosnien und Herzegowina von Seiten der EU und/oder der Bundesregierung allgemein im Bereich Migration, Flucht und Grenzsicherung seit 2015 erhalten, und wie viel davon ist für den Bereich Grenzschutz bzw. humanitäre Hilfe vorgesehen? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die EU 30,75 Mio. Euro, etwa 75 Prozent der Gesamtunterstützung für die humanitäre Versorgung der Flüchtlinge aufgebracht; die Aufteilung der Mittel ergibt sich aus der folgenden Tabelle: Einsatzbereich bereitgestellte Mittel Infrastruktur und Kapazitätsbildung der Grenzpolizei ca. 6,3 Mio. € Informationssysteme und Infrastruktur an Grenzübergängen ca. 4,5 Mio. € Grenzschutz; technischer Unterstützung des Grenzmanagements ca. 4 Mio. € Anschaffung von Ausrüstung ca. 3,5 Mio. € Weiterentwicklung des Migration-Informations-Systems mit biometrischen Daten ca. 2,5 Mio. € Ausstattung für die Grenzbewachung ca. 2,3 Mio. € Einrichtung eines Empfangszentrums für irreguläre Migrantinnen und Migranten in Ost-Sarajewo ca. 1 Mio. € Errichtung eines Asylzentrums in Delijaš ca. 0,8 Mio. € Seit 2016 greift außerdem das Programm „Support to Protection-Sensitive Migration Management“ über 8 Mio. Euro zur weiteren Verbesserung des Kapazitätsaufbaus im Grenzschutz sowie bei der Identifikation und Registrierung und für Maßnahmen zur Unterstützung von freiwilliger Rückkehr. Weitere Informationen finden sich unter https://europa.ba/?p=64423 und http:// europa.ba/?p=65185. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung ein Projekt der IOM zur Ermöglichung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration aus den Staaten des Westbalkans mit insgesamt 2,5 Mio. Euro sowie die Herrichtung von neuen, den internationalen Standards entsprechenden Aufnahmekapazitäten durch das THW mit rund 660.000 Euro. Für die deutsche Unterstützung im Bereich der Grenzsicherung wird auf die Quartalsanfragen der Fraktion DIE LINKE. zu „Polizei- und Zolleinsätzen im Ausland“ verwiesen, siehe zuletzt Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/12554. d) Auf welche Weise wird die Verwendung der EU-Mittel überprüft? Nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgt die Verwendungsprüfung über Monitoring- und Evaluierungsprozesse, die durch die entsprechende Verordnung zur Umsetzung von IPA II, Regulation (EU) No. 231/2014 vorgegeben sind; sie werden während der Umsetzung und insbesondere auch nach Beendigung der Maßnahmen durch die EU-Delegation begleitet. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16277 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die aktuelle Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden in Bosnien und Herzegowina (bitte Anzahl der Menschen der jeweiligen Unterkunft zuordnen und angeben , wie viele Frauen und Minderjährige darunter sind)? Wie viele Schutzsuchende leben nach Kenntnis der Bundesregierung in irregulären Lagern, in nicht winterfesten Aufnahmezentren oder sind ohne Obdach? Nach Angaben von IOM, UNHCR und dem bosnischen Sicherheitsministerium waren die Unterbringungsmöglichkeiten zum 17. November 2019 wie nachstehend belegt: Aufnahmezentrum Zahl der untergebrachten Menschen Bira 1.846 Borici 338 Miral 556 Sedra 349 Ušivak 745 Salakovac 195 Deljas 66 Istocno Sarajewo 56 Informationen zu Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten außerhalb der regulären Unterbringungsmöglichkeiten liegen der Bundesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. a) Wie lange halten sich Schutzsuchende nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich in Bosnien und Herzegowina auf? Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Angaben zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer vor. Grundsätzlich ist von einer hohen Fluktuation auszugehen . b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die humanitären Bedingungen in bosnischen Aufnahmeeinrichtungen, und inwiefern lässt sich hier von einer „Verbesserung der Bedingungen“ sprechen (http://g left.de/3fK), insbesondere vor dem Hintergrund, dass Amnesty International den Flüchtlingslagern schlechte Lebensbedingungen und mangelnde Sicherheit bescheinigt (Amnesty-Bericht „Pushed to the edge: Violence and abuse against refugees and migrants along the Balkan Route“) und die Bedingungen laut Pro Asyl selbst in den IOM- Camps internationalen Standards widersprechen (http://gleft.de/3gg)? Nach Kenntnis der Bundesregierung entsprechen die aus Mitteln der Europäischen Union finanzierten Unterbringungsmöglichkeiten internationalen Standards . Die durch die Europäische Kommission angesprochene Verbesserung bezieht sich auf den Zeitraum vor der Finanzierung durch die Europäische Union . c) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Mitarbeiter der IOM in dem von der IOM betriebenen Miral Camp arabischsprachigen Menschen regelmäßig keinen Zugang gewähren (Border Violence Monitoring Network: http://gleft.de/3gh)? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse darüber vor, dass einzelne Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten oder Gruppen von ihnen aus Gründen ihrer Nationalität, religiösen, kulturellen oder sonstigen Zugehörigkeit der Zugang zu den offiziellen Aufnahmeeinrichtungen verweigert wurde. Drucksache 19/16277 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode d) Welche Aufnahmeeinrichtungen für Schutzsuchende werden in Bosnien und Herzegowina von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betrieben? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die humanitäre Situation in diesen Einrichtungen, welche Missstände sind der Bundesregierung ggf. bekannt, und setzt sich die Bundesregierung ggf. auch auf EU-Ebene für eine Evaluation der IOM-Camps ein? Die Aufnahmeeinrichtungen Bira, Borici, Miral, Sedra und Ušivak werden von der IOM betrieben, die in ständigem Austausch mit der Europäischen Union steht, die ihren Betrieb finanziert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12b verwiesen. e) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass aufgrund der erreichten Aufnahmekapazität in den Zentren in Bihać und Velika Kladusa zahlreiche Schutzsuchende vor Ort ohne Obdach sind (http://glef t.de/3il), und inwiefern unterstützt die Bundesregierung angesichts dessen die angekündigte Schließung der beiden Lager (http://gleft.de/ 3in)? Wo sollen die dortigen Geflüchteten nach Kenntnis der Bundesregierung in Zukunft untergebracht werden? Die Bundesregierung begrüßt die erreichte Verlängerung der Mietverträge für die Aufnahmezentren Bira (in Bihac) und Miral (in Velika Kladusa) und fordert weiterhin nachdrücklich die Bereitstellung zusätzlicher angemessener Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten. Ein monokausaler Zusammenhang zwischen den begrenzten Kapazitäten in den Aufnahmeeinrichtungen und der Zahl der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten , die außerhalb dieser Einrichtungen nächtigen, besteht nach Einschätzung der Bundesregierung nicht. Freie Kapazitäten in Aufnahmezentren werden nach Einschätzung der Bundesregierung teilweise nicht in Anspruch genommen , da eine Nächtigung unter freiem Himmel in Grenznähe zu Kroatien von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten als vielversprechendere Option für den eigenen Migrationsweg verstanden wird. f) Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die medizinische und psychologische Versorgung von Asylsuchenden in Bosnien und Herzegowina sichergestellt, nachdem sie zu Beginn dieses Jahres nach einem Bericht von Amnesty International mangelhaft war (Amnesty-Bericht „Pushed to the edge: Violence and abuse against refugees and migrants along the Balkan Route“)? g) Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die medizinische und psychologische Versorgung von Asylsuchenden in Bosnien und Herzegowina sichergestellt angesichts der Tatsache, dass z. B. die vom Kanton eingerichtete Ambulanz im Dorf Zavalje nur ca. 60 Patienten in der Woche behandeln kann, während das Team um den Journalisten Dirk Planert nach eigenen Angaben vor seiner Ausweisung rund 1.400 Behandlungen in einer Woche durchgeführt hat (http://glef t.de/3fB), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus ? Die Fragen 12f und 12g werden gemeinsam beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird in den offiziellen, von IOM betriebenen Aufnahmezentren eine medizinische und psychologische Grundversorgung sichergestellt. Darüber hinaus sind die verantwortlichen bosnischen Stellen nach Kenntnis der Bundesregierung bemüht, für alle Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten eine solche Grundversorgung sicherzustellen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16277 h) Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern in den bosnischen Aufnahmeeinrichtungen berücksichtigt und diese insbesondere vor sexualisierter Gewalt geschützt (bitte differenzieren zwischen von der IOM betriebenen Lagern, Lagern der bosnischen Behörden und Lagern, die ggf. durch Hilfsorganisationen betrieben werden)? Besonders schutzbedürftige Gruppen werden in eigenen Aufnahmeeinrichtungen der IOM oder auch in speziell vorgehaltenen Bereichen von Aufnahmeeinrichtungen der IOM untergebracht. Die innere und äußere Sicherheit der Aufnahmezentren wird nach Kenntnis der Bundesregierung durch private Sicherheitsdienste sichergestellt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. i) Inwieweit haben EU und VN nach Kenntnis der Bundesregierung Zugang zu welchen bosnischen Lagern, in denen Schutzsuchende untergebracht sind? Der Zugang von Vertretern der Europäischen Union und der Vereinten Nationen zu den von IOM betriebenen Aufnahmezentren ist gewährleistet. j) Welche anderen Hilfsorganisationen betreiben nach Kenntnis der Bundesregierung Aufnahmeeinrichtungen in Bosnien (dpa-Meldung vom 13. September, „Bosniens Rotes Kreuz sieht sich mit Migranten im Stich gelassen“)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. k) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Schutzsuchende in Bihać unter freiem Himmel schlafen (Stand: September 2019, Border Violence Monitoring Network: http://gleft.de/3gh)? Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es Fälle im Sinne der Fragestellung. Die Bundesregierung setzt sich für den Erhalt bestehender und die Schaffung weiterer Kapazitäten, die internationale Standards erfüllen, in Aufnahmeeinrichtungen ein. Im Übrigen wird auf Antwort zu Frage 12e verwiesen. l) Inwiefern werden nach Kenntnis der Bundesregierung auch dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für die Aufnahme von Schutzsuchenden in Bosnien genutzt, und inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, diese Möglichkeit in Bosnien als Alternative zum Lagersystem auszubauen? Eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten ist derzeit in Bosnien und Herzegowina nach Kenntnis der Bundesregierung nicht geplant. Die Bundesregierung setzt sich für eine Entlastung des Una-Sana Kantons ein und begrüßt in diesem Sinne die Identifizierung von Standorten neuer Aufnahmeeinrichtungen in den Kantonen Tuzla und Sarajewo. Drucksache 19/16277 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter welcher EU- oder VN- Institutionen bzw. Agenturen sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit welchen Aufgaben im Kontext von Flucht und Migration in Bosnien und Herzegowina eingesetzt, wie viele davon kommen aus Deutschland, und welchen Aufgaben gehen sie nach? 22. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung Beamte von EU-Behörden im migrationspolitischen Rahmen in Bosnien und Herzegowina eingesetzt, falls ja, aus welchen Staaten, wo, und mit welcher Aufgabe? Die Fragen 13 und 22 werden gemeinsam beantwortet. Laut Information der Europäischen Delegation in Sarajewo sind dort insgesamt acht Personen mit dem Thema betraut. In den Generaldirektionen Nachbarschaft und Erweiterung sowie Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz sind jeweils drei Personen in diesem Bereich tätig. Ein Experte der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Koordinierung im Bereich des Migrationsmanagements soll zeitnah im bosnischen Sicherheitsministerium seine Arbeit aufnehmen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 14. Welche Unterstützung leisten Behörden des Bundes oder der Europäischen Union oder Nicht-EU-Staaten nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Unterstützung der Grenzsicherung Kroatiens (seit Bundestagsdrucksache 19/7530), und wie viele Beamte kommen hier ggf. zum Einsatz ? Im Rahmen von Maßnahmen der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex („Joint Operation Focal Points Land 2019“ und „Joint Operation Focal Points Air 2019“) unterstützt die Bundespolizei die kroatischen Grenzbehörden an den Grenzübergängen Bajakovo, Tovarnik und Nova Sela sowie am Flughafen Zagreb. Darüber hinaus unterstützt die Bundespolizei die kroatische Grenzpolizei im Rahmen des Informations- und Erfahrungsaustausches in grenzpolizeilichen Angelegenheiten sowie durch die Entsendung eines grenzpolizeilichen Unterstützungsbeamten Ausland während der Hauptreisezeit in den Monaten Juli und August 2019 zum internationalen kroatischen Flughafen Split. Insgesamt waren 16 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei im Jahr 2019 temporär in Kroatien eingesetzt. Weiterhin setzt die Bundespolizei einen permanenten Verbindungsbeamten bei der Deutschen Botschaft in Zagreb ein. Über den Beteiligungsumfang anderer Mitgliedstaaten oder Nicht-EU-Staaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von Verletzungen internationalen Rechts und exzessiver Gewaltanwendung gegenüber Schutzsuchenden auf der sogenannten Balkanroute in Kroatien, insbesondere durch kroatische Sicherheitskräfte, die nach Ansicht der Fragesteller regelmäßig mit völkerrechtswidrigen Push-Backs einhergehen, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus (http://glef t.de/3gj)? b) Welche neueren Kenntnisse hat die Bundesregierung dazu, dass kroatische Polizeibeamte Schutzsuchenden regelmäßig Handys, Geld, Dokumente sowie ihre Kleidung abnehmen bzw. diese zerstören, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus (http://glef t.de/3gk/)? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16277 c) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass es regelmäßig zu kollektiven Kettenabschiebungen von in Slowenien und Italien aufgegriffenen Schutzsuchenden nach Bosnien und Herzegowina kommt, bei denen die Asylbegehren der Schutzsuchenden in den jeweiligen Ländern ignoriert werden (Amnesty-Bericht „Pushed to the edge: Violence and abuse against refugees and migrants along the Balkan Route “; www.nonamekitchen.org/en/violence-reports/)? Was hat die Bundesregierung bislang unternommen, um gegen diese Verstöße gegen das völkerrechtlich verankerte Refoulement-Verbot sowie gegen EU-Recht vorzugehen, und inwieweit plant sie, auch auf EU-Ebene gegen diese Rechtsverstöße vorzugehen? Die Fragen 14a bis 14c werden gemeinsam beantwortet. Berichte von Medien und Nichtregierungsorganisationen über Versuche des Zurückdrängens von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten durch die kroatische Grenzpolizei an der bosnisch-kroatischen Grenze sind der Bundesregierung bekannt und werden aufmerksam verfolgt. Darüber hinausgehende eigene Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung hat die Bundesregierung nicht. d) Inwieweit plant die Bundesregierung, unabhängiges Monitoring der bosnisch-kroatischen Grenze finanziell oder durch die Entsendung von „Menschenrechtsbeobachtern“ zu unterstützen, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und vorzubeugen? Der Bundesregierung liegen mit Stand 9. Dezember 2019 keine Anfragen vor, um ein Vorhaben im Sinne der Fragestellung finanziell oder personell zu unterstützen . e) Inwieweit hat die Bundesregierung die dokumentierte illegale Zurückweisung von über 300 Schutzsuchenden an der kroatisch-bosnischen Grenze im September/Oktober 2018 gegenüber der kroatischen Regierung kritisiert, und welche Konsequenzen hatte dies (https://taz.de/Kro atien-betreibt-illegale-Push-backs/!5556569/)? Die Bundesregierung thematisiert die Lage an der bosnisch-kroatischen Grenze in ihren Konsultationen mit der kroatischen Regierung und bringt dabei ihre Erwartung zum Ausdruck, dass geltendes internationales und europäisches Recht von allen Staaten eingehalten wird. f) Welche Untersuchungen, Ermittlungen bzw. Strafverfahren sind in diesem Kontext nach Kenntnis der Bundesregierung gegen kroatische Behörden bzw. einzelne Beamte mit welchem Ergebnis durchgeführt worden bzw. aktuell anhängig? Nach einer Erklärung vom 22. Oktober 2019 (COM(2019) 497 final) hat die Europäische Kommission die Vorwürfe der unangemessenen Behandlung von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten an den Außengrenzen Kroatiens thematisiert und Kroatien hat sich verpflichtet, diese zu untersuchen und die Europäische Kommission über die erzielten Fortschritte zu informieren. Weitergehende Informationen im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung derzeit nicht vor. Drucksache 19/16277 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode g) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Äußerung der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, die Grenzpolizei verwende nur „a little bit of force when doing push-backs“ (http://g left.de/3gl)? Die kroatische Regierung distanzierte sich von der zitierten Aussage der Staatspräsidentin (Innenminister Božinović am 19. Juli 2019) und versicherte in öffentlichen Mitteilungen und bilateralen Konsultationen wiederholt, dass das Handeln der kroatischen Grenzpolizei im Einklang mit internationalem Recht und EU-Vorschriften stehe. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 14e verwiesen. 15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Abschiebungen bzw. Zurückweisungen und Push-Backs seit Beginn 2019 von auf der sogenannten Balkanroute reisenden Geflüchteten durch bosnischherzegowinische Behörden in welche Länder? Nach Angaben der bosnischen Behörden wurden bis zum 1. November 2019 insgesamt 2.203 Zurückweisungen an den Außengrenzen Bosnien und Herzegowinas vorgenommen. Davon erfolgten 445 Zurückweisungen nach Montenegro , 594 Zurückweisungen nach Kroatien und 572 Zurückweisungen nach Serbien und 582 im Bereich der Flughäfen von Bosnien und Herzegowina. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über Polizeigewalt und willkürliches Verhalten von Behörden in Bosnien und Herzegowina gegenüber Geflüchteten (www.proasyl.de/news/perspektivlos-entrechtet-in-bos nien-die-folgen-der-abschottungspolitik/)? Die Bundesregierung hat keine über die Medienberichterstattung hinausgehenden Erkenntnisse. 17. Über welchen Rechtsstatus verfügen Schutzsuchende in Bosnien und Herzegowina nach Kenntnis der Bundesregierung, und inwieweit ist ihre Bewegungsfreiheit gewährleistet (http://gleft.de/3hc)? Der Rechtsstatus von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in Bosnien und Herzegowina ist davon abhängig, ob bei den bosnischen Behörden ein Antrag auf Asyl oder subsidiären Schutz gestellt und im weiteren Verlauf gewährt wird. Die erklärte Absicht, einen Asylantrag stellen zu wollen, ermöglicht einen zweiwöchigen legalen Aufenthalt in Bosnien und Herzegowina, währenddessen die Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/16277 18. Inwieweit trägt die Bundesregierung in Bosnien und Herzegowina finanziell bzw. personell ggf. auch im Rahmen der EU oder VN zu Beratungen über die Möglichkeit der „freiwilligen“ Rückkehr bei (Bundestagsdrucksache 19/6990), und wie viele Schutzsuchende sind im Jahr 2019 bisher wohin „freiwillig“ ausgereist? Die Bunderegierung unterstützt derzeit ein Projekt der IOM in den Staaten des Westbalkans zur freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in ihre jeweiligen Herkunftsländer sowohl bilateral mit rund 2,5 Mio. Euro, als auch im Rahmen der Europäischen Union. Im Jahr 2019 reisten bis zum 17. November 2019 insgesamt 276 Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten freiwillig aus Bosnien und Herzegowina aus. Die meisten Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten kehrten nach Iran (61), Tunesien (55), Irak (49), Algerien (35) und Pakistan (25) zurück. 19. Welche legalen Einreisemöglichkeiten in die EU gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für die Schutzsuchenden in Bosnien und Herzegowina , und auf welche Weise werden die Schutzsuchenden durch wen über ihre weiteren Möglichkeiten informiert? Die Möglichkeiten der legalen Einreise nach Deutschland ergeben sich aus dem geltenden Recht, insbesondere dem Aufenthaltsgesetz, wenn und soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Die relevanten Rechtsvorschriften sind öffentlich zugänglich. 20. In wie vielen Fällen wurden seit Beginn 2018 besonders schutzbedürftige Personen aus Bosnien und Herzegowina in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat im Rahmen welcher Programme aufgenommen, und inwieweit wurden dabei persönliche Bindungen berücksichtigt? Seit Beginn 2018 wurden keine besonders schutzbedürftigen Personen aus Bosnien und Herzegowina in Deutschland aufgenommen. Die laufenden Programme des Bundes und der Länder zur humanitären Aufnahme/Resettlement sehen keine Aufnahmen aus Bosnien-Herzegowina vor. Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse darüber, ob andere EU-Mitgliedstaaten besonders schutzbedürftige Personen aus Bosnien-Herzegowina aufgenommen haben und inwieweit in diesem Zusammenhang persönliche Bindungen berücksichtigt wurden. 21. Inwieweit haben Asylsuchende in Bosnien und Herzegowina nach Kenntnis der Bundesregierung Zugang zu einem rechtsstaatlichen, fairen Asylverfahren, bei dem ihre Asylgründe individuell geprüft werden? Nach Kenntnis der Bundesregierung verfügt Bosnien und Herzegowina über eine umfassende Aufenthalts- und Asylgesetzgebung, deren Umsetzung in der Praxis jedoch durch administrative Hürden und knappe personelle Ressourcen beeinträchtigt sein kann. Die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention, sowie der Schutz vor Verfolgung durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften sind rechtlich gegeben. Im Falle der Rechtsverletzung steht der Rechtsweg offen. Drucksache 19/16277 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Inwieweit haben Asylsuchende in Bosnien und Herzegowina Zugang zu unabhängiger Rechts- und Verfahrensberatung, und inwieweit stehen ihnen Rechtsmittel zur Verfügung (bitte ausführlich darstellen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/7700 verwiesen. b) Welche Beratungsangebote, die über die reine Asylverfahrensberatung hinausgehen, stehen den in Bosnien und Herzegowina gestrandeten Schutzsuchenden an welchen Orten wie häufig zur Verfügung? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. c) Wie viele Schutzsuchende haben nach Kenntnis der Bundesregierung in Bosnien und Herzegowina im Jahr 2019 bisher Asyl beantragt (bitte die zehn wichtigsten Herkunftsländer angeben und wenn möglich spezifizieren , ob es sich um einen Erstantrag handelt), und in wie vielen Fällen wurde ein Schutzstatus gewährt (bitte zwischen Flüchtlingsstatus , subsidiärem Schutz und Abschiebungsverboten differenzieren und die zehn wichtigsten Herkunftsländer angeben)? Nach Kenntnis der Bundesregierung haben im Jahr 2019 bis Ende November insgesamt 691 Personen ein Schutzersuchen in Bosnien und Herzegowina gestellt . In 629 Fällen kam es zu keiner abschließenden Entscheidung, da die Antragssteller unter ihren angegebenen Kontaktadressen nicht erreichbar waren. Von den 62 Entscheidungen, die getroffen wurden, wurde in 33 Fällen subsidiärer Schutz gewährt. Keine Person erhielt Asyl. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. d) Wie viele Asylsuchende haben 2019 nach Kenntnis der Bundesregierung gegen einen ablehnenden Bescheid der Asylbehörde in Bosnien und Herzegowina Rechtsmittel eingelegt, und in wie vielen Fällen wurde ihnen durch ein Gericht doch noch ein Schutzstatus zugesprochen ? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor. e) Wie lange dauert nach Kenntnis der Bundesregierung momentan im Schnitt ein Asylverfahren in Bosnien und Herzegowina? Die Dauer des Asylverfahrens in Bosnien und Herzegowina variiert stark. Viele Verfahren werden wegen der Weiterreise der Antragssteller nicht zu Ende geführt . Es wird auf die Antwort zu Frage 21c verwiesen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/16277 f) Wie viele Visa zur Familienzusammenführung zu in Deutschland lebenden Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten wurden in der deutschen Botschaft in Sarajewo 2018 und 2019 beantragt, zurückgezogen, erteilt und abgelehnt (bitte nach Jahren aufschlüsseln und Angaben zu den wichtigsten Staatsangehörigkeiten der Stammberechtigten machen)? Auf die nachstehende Tabelle wird verwiesen. Botschaft Sarajewo 2018 1. bis 3. Quartal 2019 Familiennach zug zu erteilt abgelehnt zurückgezo gen bearbeitet er teilt abge lehnt zurückgezo gen bearbei tet Asylberechtigten 2 0 0 2 6 0 0 6 anerkannten Flüchtlingen 2 0 0 2 2 0 0 2 subsidiär Schutzberechtigten 0 0 0 0 0 0 0 0 Summe 4 0 0 4 8 0 0 8 Die Staatsangehörigkeit der Stammberechtigten wird statistisch nicht erfasst. g) Welche Mängel bestehen nach Ansicht der Bundesregierung in der „Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen“ für die Durchführung von Asylverfahren in Bosnien und Herzegowina (Bundestagsdrucksache 19/7700), und inwieweit plant die Bundesregierung, ggf. auch auf EU-Ebene, Bosnien in der tatsächlichen Umsetzung rechtsstaatlicher Asylverfahren zu unterstützen? h) Inwieweit hält die Bundesregierung Bosnien und Herzegowina für ein Land mit einem funktionierenden Asylsystem angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2018 bei 1.567 gestellten Asylanträgen in keinem einzigen Fall Asyl und nur in 16 Fällen subsidiärer Schutz gewährt wurde (Bundestagsdrucksache 19/7700)? Die Fragen 21g und 21h werden gemeinsam beatwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung bestehen administrative Hürden. Personelle Kapazitäten sind begrenzt. Eine für die Asylantragsstellung bestehende Hürde ist insbesondere die Notwendigkeit, eine offiziell registrierte Adresse in Bosnien und Herzegowina vorzuweisen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. i) Was ist der Bundesregierung über die Rechte anerkannter Flüchtlinge in Bosnien und Herzegowina bekannt? Inwieweit haben sie Zugang zum Arbeitsmarkt, zu medizinischer Versorgung , Bildung, Sprachkursen und sozialen Transferleistungen? Nach Analyse der Europäischen Kommission ist die rechtliche Grundlage für den Zugang von Asylsuchenden in Bosnien und Herzegowina zum Arbeitsmarkt , zum Bildungssystem sowie zu psychologischer und sozialer Versorgung gewährleistet. Im Übrigen wird auf den Analytischen Bericht verwiesen, der der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 29. Mai 2019 zum Beitrittsantrag Bosnien und Herzegowinas in die Europäische Union beigefügt ist. Drucksache 19/16277 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 23. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (EBCG, ehemals Frontex) aus welchen europäischen Ländern sind an der EU-Außengrenze in Kroatien im Einsatz , und inwiefern haben diese über die in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierten Rechtsverletzungen und Übergriffe auf Schutzsuchende auf der Balkanroute in Kroatien berichtet? Zu welchen Ergebnissen kamen die Grundrechtsbeauftragten der Agentur in der Untersuchung der Vorfälle (www.heise.de/tp/features/Hilft-Fro ntex-bei-illegalen-Push-Backs-4542820.html)? Über den Beteiligungsumfang anderer Mitgliedstaaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Nach Kenntnis der Bundesregierung untersucht die Frontex-Menschenrechtsbeauftrage derzeit den Sachverhalt, ein Ergebnis steht noch aus. 24. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EBCG aus welchen europäischen Ländern werden an der EU-Außengrenze in Bosnien und Herzegowina zu welchem Zeitpunkt welche Aufgaben übernehmen (http://gl eft.de/3gm; http://gleft.de/3gh)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Statusvereinbarung zwischen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowina über die Durchführung von Aktionen durch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache im Hoheitsgebiet von Bosnien und Herzegowina ist noch nicht unterzeichnet. 25. In wie vielen Fällen wurden Schutzsuchende von der EBCG im Jahr 2019 an der bosnisch-kroatischen Grenze bei dem Versuch gesichtet, die Grenze zu überqueren, und inwieweit kann nach Kenntnis der Bundesregierung ausgeschlossen werden, dass die durch die EBCG an kroatische Behörden weitergegebenen Informationen zur Durchführung illegaler Push-Backs genutzt werden (http://gleft.de/3gn)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/16277 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333