Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15744 – Berechnungen zum Zuwanderungskorridor für das laufende Jahr 2019 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bei der Vorstellung der Asylzahlen für Mai 2018 hatte der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer behauptet, trotz des Rückgangs der Asylzahlen sei damit zu rechnen, dass der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte „Korridor für die jährliche Zuwanderung nach Deutschland in Höhe von 180.000 bis 220.000 Personen (…) in diesem Jahr erreicht oder sogar überschritten werden“ könnte. Die Fraktion DIE LIN- KE. hatte dem widersprochen und aufgrund vorliegender Zahlen der Bundesregierung hochgerechnet, dass der Korridor am Ende des Jahres bei Weitem nicht erreicht würde (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5153 und www.taz.de/As ylzahlen-des-Bundesinnenministers/!5518102/). Auf Bundestagsdrucksache 19/12878 gab die Bundesregierung zu Frage 7 die korrigierte Bilanz für das Jahr 2018 bekannt: Mit etwa 159.000 Personen lag der Wert – anders als vom Bundesinnenminister Horst Seehofer prognostiziert – deutlich unterhalb des von der Koalition vereinbarten Korridors zwischen 180.000 und 220.000 Menschen; die Abgeordnete Ulla Jelpke hatte nach Ansicht der Fragesteller den im Herbst 2018 hingegen zutreffend eine Zahl von 158.800 Personen geschätzt (www.ulla-jelpke.de/2018/10/prognose-zur-oberg renze-erweist-sich-als-falsch/). In die Berechnung der Bundesregierung gingen 162.000 Asylsuchende, 3.400 Aufnahmen im Rahmen des Resettlements sowie 33.0000 nachgezogene Familienangehörige von Flüchtlingen mit ein; 23.500 Abschiebungen und 16.000 freiwillige Ausreisen wurden davon abgezogen . Die Zahl der im Kontext der Fluchtmigration real nach Deutschland gekommenen Menschen liegt nach Auffassung der Fragestellenden aus mehreren Gründen noch einmal deutlich unterhalb dieses Wertes von 159.000: Zum einen wird die Zahl der freiwilligen Ausreisen Ausreisepflichtiger immer noch nicht umfassend erfasst – sie dürfte deutlich höher sein als die bislang nur verfügbare Zahl der mit Bundesmitteln finanziell geförderten Ausreisen. Zum anderen wird eine unbekannte – nach Einschätzung der Fragestellenden fünfstellige – Zahl von Geflüchteten doppelt gezählt: einmal als Asylsuchende, das andere Mal als Familienangehörige. Denn viele rechtmäßig nachgezogene Angehörige stellen in Deutschland einen Asylantrag zur Statusklärung: 2018 verfügten 18.338 Asylsuchende zum Zeitpunkt der Asylantragstellung bereits Deutscher Bundestag Drucksache 19/16279 19. Wahlperiode 02.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 27. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. über eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen (Bundestagsdrucksache 19/8701, Antwort zu Frage 2c). Schließlich handelte es sich bei etwa einem Fünftel aller Asylsuchenden des Jahres 2018 nicht um eingereiste Personen , sondern um hier geborene Kinder von Asylsuchenden, Flüchtlingen oder abgelehnten Asylsuchenden mit einer Duldung oder humanitären Aufenthaltserlaubnis (vgl. Bundestagsdrucksache 19/11001, Antwort zu Frage 8 und § 14a Absatz 2 des Asylgesetzes). Für den Fall „stabil bleibender Zuwanderungszahlen“ rechnete die Bundesregierung Ende August 2019 „mit einer Zuwanderung von 140.000 bis 150.000 im Gesamtjahr 2019“ (Bundestagsdrucksache 19/12878, Antwort zu Frage 8) – diese Angaben beziehen sich auf die „Netto-Zuwanderung“ im Bereich der Fluchtmigration nach Maßgabe des im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarten „Zuwanderungskorridors“. Eine Verdoppelung der von der Bundesregierung für das erste Halbjahr 2019 genannten Zahlen ergibt allerdings einen Wert von 137.200 Personen für das Gesamtjahr 2019. Werden die genannten Faktoren für eine realistischere Berechnung berücksichtigt (s. o.), ergibt sich sogar ein Wert von nur etwa 80.000 Personen für das Jahr 2019 (wenn ca. 31.000 hier geborene Asylsuchende, etwa 14.000 zusätzliche, noch nicht erfasste freiwillige Ausreisen und ca. 15.000 Doppelzählungen von nachgezogenen Familienangehörigen mit Asylantragstellung vom Wert 137.000 abgezogen werden). Im Herbst 2019 wurde Bundesinnenminister Horst Seehofer nach seiner Ankündigung , Deutschland wolle ein Viertel der im Mittelmeer von Italien und Malta aus Seenot Geretteten aufnehmen, von der Vorsitzenden des Innenausschusses der Deutschen Bundestages Andrea Lindholz (CSU) kritisiert, dies widerspreche der von der Koalition festgelegten „Obergrenze“, „die in diesem Jahr erreicht werden könnte“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. September 2019). Die dem entgegenstehende Prognose der Bundesregierung, dass die „Obergrenze“ im Jahr 2019 „deutlich unterschritten wird“ (Bundestagsdrucksache 19/12878, Antwort zu Frage 6), lag zu diesem Zeitpunkt bereits vor. Horst Seehofer wies die Kritik „aufs Schärfste zurück“. In 15 Monaten seien gerade einmal 225 aus Seenot Gerettete durch Deutschland aufgenommen worden und der vereinbarte Korridor werde weit unterschritten. Damit sei man „Lichtjahre“ entfernt von einer Änderung der Migrationspolitik (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. September 2019). Im Gespräch mit der Zeitschrift „Die Welt“ am 7. Oktober 2019 ging der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union Thorsten Frei noch weiter, indem er die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Obergrenze“ indirekt in Frage stellte: Nur „ein Richtwert von höchstens 50.000 bis 75.000 Asylbewerbern pro Jahr wäre gesellschaftlich verkraftbar“, sagte er. Horst Seehofer wurde am Folgetag mit den Worten zitiert, die Debatte sei angesichts der niedrigen Ankunftszahlen „eigentlich beschämend“ (Die Welt vom 8. Oktober 2019). Allerdings erklärte er zugleich, „wenn also aus hunderten heute vielleicht tausende werden, dann kann ich morgen erklären, der Notfallmechanismus ist beendet. Das würde ich auch tun“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Oktober 2019). Quotenregelungen sind bei der Gewährleistung von Menschenrechten und bei der Erfüllung der Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz nach Auffassung der Fragestellenden grundsätzlich unzulässig. Die oben aufgezeigten Zahlen und Berechnungen zeigen nach ihrer Auffassung jedoch, dass die humanitären Aufnahmekapazitäten Deutschlands größer sind als gemeinhin angenommen bzw. umgekehrt, dass die Zahl der Asylsuchenden, die es trotz der Abschottungs- und Abschreckungsmaßnahmen nach Deutschland schaffen, noch geringer ist als die ohnehin gesunkene Zahl offiziell registrierter Asylsuchender vermuten lässt. Drucksache 19/16279 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Gibt es inzwischen genauere Angaben oder Einschätzungen zur Zahl freiwilliger Ausreisen Ausreisepflichtiger, d. h. über die Zahl der durch das REAG/GARP-Programm finanziell geförderten freiwilligen Ausreisen hinaus (wenn ja, bitte so differenziert wie möglich darlegen)? Was haben die diesbezüglichen Abstimmungen mit den Bundesländern zur Erfassung aller geförderten und nichtgeförderten Ausreisen mittlerweile erbracht (vgl. Bundestagsdrucksache 19/12878, Antwort zu Frage 2, bitte im Detail darlegen), vor dem Hintergrund, dass auch die Bundesregierung der Auffassung ist, dass mit der im Koalitionsvertag verwandten Formulierung „freiwillige Ausreisen“ nicht nur finanziell durch das REAG/ GARP-Programm geförderte freiwillige Ausreisen gemeint sind (vgl. Antworten zu den Fragen 1 und 2 auf Bundestagsdrucksache 19/5153)? Zu freiwilligen Ausreisen liegen der Bundesregierung lediglich im Bereich des Bund-Länder-Programms REAG/GARP belastbare Daten vor. Aufgrund unterschiedlicher Zählweisen der Länder mit Blick auf freiwilligen Ausreisen außerhalb von REAG/GARP bedarf es einer bundeseinheitlichen Vorgehensweise, auf die noch keine Verständigung erfolgen konnte. Soweit eine Vergleichbarkeit angenommen werden kann, wurde eine erste Schätzung vorgenommen, siehe Antwort zu Frage 9. Das Zweite Datenaustauschverbesserungsgesetz schafft zukünftig eine Grundlage zur optimierten Erfassung aller freiwilligen Ausreisen. 2. Werden bei der Berechnung der „Zuwanderungszahlen“ im Sinne des Koalitionsvertrages durch die Bundesregierung auch weiterhin die in Deutschland geborenen Kinder von Asylsuchenden, Flüchtlingen, abgelehnten Asylsuchenden mit Duldung oder Aufenthaltserlaubnis mitgezählt, wenn für diese – zum Teil von Amts wegen (vgl. § 14a Absatz 2 des Asylgesetzes ) – ein Asylantrag gestellt wird, obwohl diese Kinder nicht nach Deutschland „zugewandert“ sind? Falls ja, wie ist dies damit zu vereinbaren, dass auch Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Regierungsbefragung am 23. Oktober 2019 auf eine Frage zum „Zuwanderungskorridor“ erklärt hat: „Wir haben jetzt 110 000 Menschen; darunter sind 20 000 Kinder im ersten Lebensjahr, die hier geboren worden sind. Das heißt: Wirklich über die Grenze kamen 90 000 Leute“ (Plenarprotokoll 19/120, Seite 14810; bitte begründen)? Die Zahl der Asylerstanträge ist die Basis zur Berechnung der Zuwanderung laut Koalitionsvertrag. Gleichwohl wird in dieser Zahl der Anteil der in Deutschland Geborenen unter einem Jahr gesondert aufgeführt, die sich um etwa 20 Prozent bei den Asylerstanträgen bewegt. Damit ist eine Differenzierung jederzeit möglich. Die entsprechenden Daten werden monatlich veröffentlicht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16279 3. Ist die erstmalig in der Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern , für Bau und Heimat (BMI) vom 18. November 2019 (www.bmi.bun d.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/11/asylzahlen-oktober-201 9.html) verwandte und genannte Zahl „grenzüberschreitender Asylanträge “, d. h. der Asylerstanträge, abzüglich solcher Anträge „für nach Einreise der Eltern in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr, welche für die grenzüberschreitende Zuwanderung nach Deutschland nicht relevant sind“ (ebd.), eine Konsequenz aus der Beobachtung, dass zuletzt etwa ein Fünftel der in Deutschland gestellten Asylanträge nicht von Personen stammt, die nach Deutschland „zugewandert“ sind? Wird die Bundesregierung auch vor diesem Hintergrund künftig bei der Berechnung des „Zuwanderungskorridors“ solche um hier geborene Kinder bereinigten Asylzahlen verwenden (bitte ausführen und begründen)? Diese Pressemeldung wurde im Wesentlichen aus den in der Frage genannten Gründen formuliert, nämlich um die Zahl der in Deutschland von Asylantragstellern nachgeborenen Kinder unter einem Jahr auszuweisen. Grundsätzlich werden aber weiterhin die Erstanträge für die nach Einreise der Eltern in Deutschland geborenen Kinder im Alter von unter einem Jahr Bestandteil der Asylstatistik bleiben, da die Anträge dieser Personengruppe, wie alle anderen auch, vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft und bearbeitet werden müssen. Die Bundesregierung wird wie bisher auch künftig, und zwar auch im Zusammenhang mit der Berechnung des Zuwanderungskorridors sowie bei den Pressemitteilungen zur Asylstatistik, die Zahl der in Deutschland Geborenen von unter einem Jahr gesondert ausweisen. 4. Auf welchen Berechnungen basierte die von Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Regierungsbefragung vom 23. Oktober 2019 genannte Zahl von „400“ „an einem Tag auf den Landrouten“ aufgenommenen „Flüchtlingen“ (Plenarprotokoll 19/120, Seite 14810 f.)? a) Gehen die Fragestellenden richtig in der Annahme, dass Asylsuchende gemeint waren und die Zahl der bisherigen Asylerstanträge auf das Jahr hoch- und auf Anträge pro Tag umgerechnet wurde – wobei aber nicht berücksichtigt wird, dass mehr als ein Fünftel der Asylanträge „für die grenzüberschreitende Zuwanderung nach Deutschland nicht relevant“ sind (so das BMI in einer Pressemitteilung: www.bmi.bun d.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/11/asylzahlen-oktober- 2019.html) und dass auch bei Asylanträgen von rechtmäßig nachgezogenen Familienangehörigen von in Deutschland anerkannten Flüchtlingen im Regelfall keine Einreise über die Landgrenzen, sondern per Flugzeug erfolgt sein dürfte (2018 verfügten 18.338 Menschen zum Zeitpunkt der Asylantragstellung über eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen; Bundestagsdrucksache 19/8701, Antwort zu Frage 2c; bitte ausführen und begründen)? Die Zahl der Asylerstanträge vom 1. Januar bis zum 30. September 2019 betrug 110.282. Wenn man diese Zahl durch die Zahl der Tage des bis dahin abgelaufenen Jahres teilt (273 Tage), ergibt dies durchschnittlich rund 400 Erstantragsteller pro Tag. Die Zahl der in Deutschland Geborenen unter einem Jahr wurde hierbei nicht in Abzug gebracht. Grundsätzlich kann eine Einreise nach Deutschland erfolgen, wenn Familienangehörige im Rahmen des Familiennachzugs ein Visumverfahren durchlaufen haben und danach ein Visum erhalten. Wie und auf welchem Weg dann die Einreise nach Deutschland erfolgt, wird durch die Bundesregierung nicht erfasst. Drucksache 19/16279 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Zahl der täglich über die Landgrenzen einreisenden Schutzsuchenden (bitte darlegen und begründen)? Wie und auf welchem Weg die Einreise der Asylantragsteller nach Deutschland stattfindet, wird von der Bundesregierung nicht statistisch erfasst. 5. Inwieweit kann nach Auffassung der Bundesregierung der Umstand, dass syrische Asylsuchende an allen durch die Bundespolizei nach unerlaubter Einreise Aufgegriffenen zuletzt nur einen Anteil von knapp 5 Prozent ausmachten (Bundestagsdrucksache 19/13945, Antwort zu Frage 3), während sie im Allgemeinen bis September 2019 gut 27 Prozent aller Asylerstantragstellenden ausmachten (www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilun gen/DE/2019/10/asylzahlen-september-2019.html), damit erklärt werden, dass viele oder womöglich sogar eine Mehrheit der syrischen Asylsuchenden inzwischen legal im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland kommen, wofür nach Ansicht der Fragestellenden auch spricht, dass der Anteil des Familienschutzes an allen GFK-Anerkennungen (GFK = Genfer Flüchtlingskonvention) bei syrischen Asylsuchenden im zweiten Quartal 98 Prozent ausmachte (ebd., Frage 2; bitte ausführen)? Nach der Polizeilichen Eingangsstatistik machten syrische Staatsangehörige im Zeitraum von Januar bis Oktober 2019 mit insgesamt 1.691 festgestellten unerlaubten Einreisen 5,1 Prozent an allen festgestellten unerlaubten Einreisen aus. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 6. Wie ist die Antwort zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/12878, „im Rahmen des Familiennachzugs findet eine Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus der Referenzperson nicht statt. Ob ein Nachzug zu Deutschen oder zu Schutzberechtigten stattfindet, wird somit nicht erfasst“, damit vereinbar, dass laut Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 19/14640 eine Aufschlüsselung der erteilten Visa zum Familiennachzug „nach dem Schutzstatus der stammberechtigten Person“ statistisch „seit dem 3. Quartal 2018 möglich“ ist? Die Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 19/14640 bezieht sich auf die erteilten Visa von Familienangehörigen zum Familiennachzug zum Schutzberechtigten , das heißt Asylberechtigten, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten . Diese statistische Darstellungsmöglichkeit besteht seit dem dritten Quartal 2018. Die Antwort zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/12878 bezieht sich auf die Anzahl von erteilten Visa zum Familiennachzug, zur Berechnung des Zuwanderungskorridors nach den sieben Hauptherkunftsländern. Im Rahmen dieser Berechnung findet eine Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus der Referenzperson nicht statt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16279 7. Gibt es inzwischen eine Einschätzung fachkundiger Bediensteter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dazu, wie viele Asylantragstellende ungefähr zuvor im Rahmen des Familiennachzugs zu Flüchtlingen einreist sind, etwa auch angesichts des Umstands, dass 2018 18.338 Personen zum Zeitpunkt der Asylantragstellung über eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen verfügten (Bundestagsdrucksache 19/8701, Antwort zu Frage 2c), und wenn nicht, warum nicht (bitte ausführen )? Mit dem Familiennachzugsneuregelungsgesetz, welches am 1. August 2018 in Kraft trat, wurden im Ausländerzentralregister Speichersachverhalte eingeführt, die es möglich machen, den Familiennachzug zu schutzberechtigten Personen abzubilden. Die Sachverhalte konnten erstmalig mit jeweiligem Erteilungsdatum ab dem 9. Januar 2019 durch die Ausländerbehörden erfasst werden. Angaben zu Personen, die einen dieser Titel besaßen und zu einem späteren Zeitpunkt einen Asylantrag gestellt haben können der nachfolgenden Tabelle zum Stichtag 30. November 2019 entnommen werden: Anzahl Personen, die nach einem Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung mit einem Schutzberechtigten einen Asylantrag gestellt haben Jahr der Asylantragstellung 2019 nach § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3c Variante 3 Aufenth G* (Ehegattennachzug zu Asylberechtigtem) 16 nach § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer. 3c Variante 4 Aufenth G (Ehegattennachzug zu anerkanntem Flüchtling) 519 nach § 32 Absatz 1 Nummer. 2 AufenthG (Kindesnachzug zu Asylberechtigtem oder anerkanntem Flüchtling) 1.862 nach § 36a Absatz. 1 Satz 1 Variante 1 AufenthG (Ehegattennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten) 135 nach § 36a Absatz 1 Satz 1 Variante 2 AufenthG (Kindesnachzug zu subsidiär Schutzberechtigten) 298 nach § 36a Absatz 1 Satz 2 AufenthG (Elternnachzug zu minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten) 187 Gesamt 3.017 *AufenthG = Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet 8. Hat die Bundesregierung eine Haltung zur Auffassung der Fragestellenden , wonach bei der Berechnung des Zuwanderungskorridors im Sinne des Koalitionsvertrages Asylsuchende, die zuvor im Wege des Familiennachzugs legal eingereist sind und nur zur Statusklärung einen Asylantrag stellen, nicht doppelt gezählt werden sollten – als Asylsuchende und als Familienangehörige (bitte begründen)? Was unternimmt sie, um zur Bestimmung dieser Zahl zu näheren Einschätzungen kommen zu können (bitte darlegen)? Die Berechnung des Zuwanderungskorridors hat gemäß Zeile 4802 f. des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018 „die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte , Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration)“ zur Grundlage. Es wird beispielhaft auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 19/12878 verwiesen. Drucksache 19/16279 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche aktuellen Zahlen und Einschätzungen liegen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Zuwanderungskorridor derzeit vor (bitte aktuelle Zahlen entsprechend den unterschiedlichen Formen der Ein- bzw. Auswanderung so präzise wie möglich auflisten, d. h. mindestens auch nach dem Familiennachzug zu international bzw. subsidiär Schutzberechtigten differenzieren)? Auf welche ungefähre voraussichtliche Zuwanderungszahl für das Jahr 2019 kommt die Bundesregierung auf der Grundlage dieser Zahlen (bitte Berechnungsweise konkret darlegen)? Der Berechnung des Zuwanderungskorridors (laut Koalitionsvertrag 180.000 bis 220.000) für das bisherige Jahr 2019 wurden folgende Zahlen zugrunde gelegt : – Die Asylerstantragszahlen (jeweils inklusive und exklusive in Deutschland Geborener unter einem Jahr), – die Zahl für Resettlement und humanitäre Aufnahmen, – die Zahl für den Familiennachzug nach Visaerteilung an Staatsangehörige der sieben Hauptherkunftsländer (Afghanistan, Eritrea, Iran, Irak, Syrien, Somalia, Jemen inklusive Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ), – die Zahl der Rückführungen (inklusive Abschiebungen und Dublin- Überstellungen) und – die Zahl der „Freiwilligen Rückkehrer“. Der Ermittlung der Nettozuwanderung werden die Asylerstantragszahlen sowie die Zahlen zu Resettlement und zu Humanitäre Aufnahmen und zum Familiennachzug zu den sieben Haupt-Herkunftsländern zugrunde gelegt. Darin enthalten sind auch die Zahlen zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten . Dabei wird in allen Fällen auf die Anzahl der erteilten Visa abgestellt. Daneben wird die Zahl der in Deutschland nachgeborenen Kindern im Alter unter einem Jahr bei den Asylerstanträgen weiter erfasst, jedoch gesondert ausgewiesen . In Abzug gebracht werden die Rückführungszahlen sowie die verfügbaren Zahlen zur freiwilligen Rückkehr. Nachfolgend ist auf der Grundlage der gegenwärtig verfügbaren Zahlenbasis die Zuwanderungsberechnung für das bisherige Jahr 2019 dargestellt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16279 Grenzüberschreitende Asylerstanträge (Januar – November 2019) (Ohne in Deutschland Geborene im Alter von unter einem Jahr) rund 104.000 Asylerstanträge (Januar – November 2019) (Mit in Deutschland Geborenen im Alter von unter einem Jahr) rund 133.500 Resettlement und Humanitäre Aufnahmen Aufnahmen aus der Türkei (1. – 4. Quartal insgesamt 2.430) Resettlement (3. – 4. Quartal insgesamt 2.459. Resettlement – Aufnahmen über das Bundesprogramm haben erst im August dieses Jahres begonnen und werden noch bis Ende des Jahres stattfinden.) zuzüglich rund 4.900 Familiennachzug nach Visaerteilung zu den 7 Haupt- Herkunftsländern darunter Visaerteilung zu subsidiär Schutzberechtigten (Schätzwert) zuzüglich rund 26.000 Rückführungen (Januar – Oktober 2019) inklusive Dublin-Überstellungen abzüglich rund 18.500 Freiwillige Rückkehr, gefördert nach dem REAG/GARP- Programm (Januar – November 2019) Freiwillige Ausreisen ohne REAG/GARP-Förderung (Januar – September 2019) abzüglich rund 12.000 abzüglich rund 7.200 Summe (Ohne in Deutschland Geborene im Alter von unter einem Jahr) rund 97.200 Summe (Mit in Deutschland Geborenen im Alter von unter einem Jahr) rund 126.700 Die Zuwanderung nach Deutschland im Sinne des Koalitionsvertrages beträgt nach derzeitigem Stand für Januar bis November 2019 rund 97.200 Menschen, ohne die in Deutschland Geborenen im Alter von unter einem Jahr. Einschließlich dieser Gruppe beläuft sich diese Zuwanderung auf rund 126.700 Menschen . 10. Inwieweit haben die Bemühungen der Bundesregierung „um möglichst aussagekräftige Zahlenangaben“, die sie „in ihre Berechnungen einbeziehen “ möchte (Bundestagsdrucksache 19/12878, Antwort zu Frage 9), dazu geführt, dass sie bei der Berechnung des Zuwanderungskorridors inzwischen die Zahl von Asylsuchenden, die hier geboren wurden oder die zuvor als Familienangehörige im Wege des Familiennachzugs gekommen sind, bzw. von weiteren freiwilligen Ausreisen, die nicht mit Bundesmitteln gefördert wurden, berücksichtigt (bitte den genauen Stand und die Auswirkungen dieser Bemühungen darlegen)? Hinsichtlich der Frage zu der Zahl der freiwilligen Ausreisen, die nicht mit Bundesmitteln gefördert wurden, wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 9 verwiesen. Ergänzend wird hinsichtlich der Berechnung des Zuwanderungskorridors auf die Antworten zu den Fragen 8 sowie 9 verwiesen. Drucksache 19/16279 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Inwieweit sieht die Bundesregierung – angesichts der nach ihrer Einschätzung , aber umso mehr noch nach der Einschätzung der Fragestellenden (siehe zu beidem die Vorbemerkung der Fragesteller), deutlich unter dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Zuwanderungskorridor bleibenden Zahlen im Bereich der Fluchtmigration – erweiterte Handlungsspielräume für eine humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen, und wenn nicht, warum nicht? Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, einen angemessenen Beitrag zu Aufnahmekontingenten humanitär Schutzbedürftiger zu leisten. Zur Umsetzung dieser Vereinbarung hat die Bundesregierung im Rahmen des EU-Resettlement-Programms 2020 der EU-Kommission 5.500 Plätze für humanitäre Aufnahmen und Resettlement gemeldet. Die Bundesregierung hat damit ihr humanitäres Engagement in diesem Bereich nicht nur verstetigt, sondern die Aufnahmekontingente substantiell erhöht. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/12878 verwiesen. 12. Welche Planungen gibt es bei der Bundesregierung und – soweit ihr bekannt – in einzelnen Bundesländern zur Aufnahme von Schutzsuchenden im Rahmen von Aufnahmeprogrammen – Resettlement, Relocation, Aufnahme besonders Schutzbedürftiger usw. (bitte ausführen)? Zu Aufnahmen auf Veranlassung der Bundesregierung wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Darüber hinaus plant Schleswig-Holstein nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufnahme von 200 besonders schutzbedürftigen Personen im Jahr 2020 aus Ägypten im Rahmen eines Landesaufnahmeprogramms. Nach Kenntnis der Bundesregierung führen derzeit die Länder Berlin, Brandenburg , Hamburg, Schleswig-Holstein und Thüringen Landesaufnahmeprogramme zugunsten syrischer (und teilweise irakischer) schutzbedürftiger Personen durch; diese sollen auch über den 31. Dezember 2019 hinaus fortgeführt werden . Zudem gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Überlegungen der Länder Berlin, Bremen und Hessen zu neuen Landesaufnahmeprogrammen auf der Grundlage des § 23 Absatz 1 AufenthG. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16279 13. Inwieweit ist der Bundesinnenminister Horst Seehofer angesichts der nach Auffassung der Fragestellenden bestehenden humanitären Aufnahmekapazitäten Deutschlands bereit, eine Initiative, etwa im Rahmen der Innenministerkonferenz, zu prüfen oder zu unterstützen, die es Bundesländern , die dies wollen, erlaubt, eine Anordnung nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zu treffen, mit der es wiederum aufnahmebereiten Städten und Kommunen ermöglicht wird, über die üblichen Aufnahmesysteme hinaus zusätzlich Geflüchtete aufzunehmen, auch vor dem Hintergrund, dass es ein Bündnis von Städten gibt („sichere Häfen “), die entsprechende Beschlüsse gefasst haben und hierzu bereit sind und die für etwa 23 Millionen Menschen, d. h. 28 Prozent der deutschen Bevölkerung, stehen (vgl. Beitrag des Potsdamer Oberbürgermeisters Mike Schubert in einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses vom 4. November 2019, https://dbtg.tv/cvid/7397573; bitte begründen )? Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ist bisher von keinem Land um die Erteilung des Einvernehmens nach § 23 Absatz 1 Satz 3 AufenthG zu einem Landesaufnahmeprogramm im Sinne der Fragestellung ersucht worden . Zu hypothetischen Fragestellungen nimmt die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung. 14. Wie begründet Bundesinnenminister Horst Seehofer seine Haltung, den angekündigten Ad-hoc-Verteilungsmechanismus (Übernahme von einem Viertel der von Italien und Malta aus Seenot Geretteten) zu beenden, wenn aus „hunderten heute vielleicht tausende“ werden (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Oktober 2019), auch vor dem Hintergrund, dass selbst bei einer Aufnahme von Tausenden aus Seenot Geretteten der im Koalitionsvertrag vereinbarte Zuwanderungskorridor auch nach Einschätzung der Bundesregierung (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) bei Weitem nicht erreicht würde und der Bundesinnenminister selbst erklärt hat, dass die diesbezüglichen Debatten angesichts der niedrigen Ankunftszahlen „eigentlich beschämend“ seien (siehe Vorbemerkung der Fragesteller)? Der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat hat sich, unabhängig von der Entwicklung des im Koalitionsvertrags vereinbarten Zuwanderungskorridors , dafür eingesetzt, dass in die gemeinsame Absichtserklärung über einen kontrollierten Notfallmechanismus eine Regelung aufgenommen wird, die eine vorzeitige Beendigung im Falle von Missbrauch ermöglicht. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/14637 verwiesen. 15. Inwieweit wird die Bundesregierung an dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Zuwanderungskorridor in Höhe von 180.000 bis 220.000 festhalten , vor dem Hintergrund, dass ein maßgeblicher Politiker der Koalition nur bis zu 75.000 Asylbewerber pro Jahr für „gesellschaftlich verkraftbar “ hält (siehe Vorbemerkung)? a) Sieht die Bundesregierung irgendwelche Hinweise dafür, dass die Aufnahme von jährlich mehr als 75.000 Asylsuchenden in den Jahren 1988 bis 2002 bzw. von 2012 bis heute von der bundesrepublikanischen Gesellschaft nicht verkraftet wurde (bitte darlegen)? Die Bundesregierung legt bei der Berechnung des Zuwanderungskorridors die Vorgaben Koalitionsvertrages zugrunde. Drucksache 19/16279 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Welche Ausführungen zu möglicherweise positiven Auswirkungen und zur gelungenen Integration von Flüchtlingen, die etwa von 1988 bis 2002 als Asylsuchende nach Deutschland gekommen sind, kann die Bundesregierung gegebenenfalls machen (bitte ausführen)? Mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 wurden Grundangebote des Bundes für die Integration von Zugewanderten eingeführt. Hierzu zählen insbesondere der Integrationskurs und die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE). Es können daher erst nach 2005 Aussagen zur Wirksamkeit dieser Maßnahmen des Bundes gemacht werden. Zudem bleibt die Messung der Wirkung konkreter Maßnahmen für den Integrationserfolg eine Herausforderung, da der individuelle Integrationserfolg auch maßgeblich von soziostrukturellen und weiteren individuellen Merkmalen abhängt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16279 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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