Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Herbst, Frank Sitta, Oliver Luksic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15797 – Fristen für die Beteiligung von Verbänden an der Gesetzgebung des Bundes V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Mitwirkung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden an der Gesetzgebung ist ein entscheidendes Wesensmerkmal von repräsentativen Demokratien. Denn sowohl die Exekutive als auch die Legislative sind bei der Erarbeitung neuer bzw. der Anpassung bestehender Gesetze auf externes Wissen maßgeblich angewiesen. In demokratischen Systemen besteht daher gemeinhin Einigkeit darüber, dass erst durch die Mitwirkung diverser gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure am Prozess der parlamentarischen Gesetzgebung die Akzeptanz von staatlichem Handel sichergestellt wird. Zudem kann sich durch Stellungnahmen von gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden die Qualität der Gesetzgebung in einem frühen Stadium erhöhen . In Deutschland erfolgt diese Beteiligung von Interessengruppen auf verschiedenen Ebenen und zu verschiedenen Zeitpunkten des Gesetzgebungsprozesses . Die erste Möglichkeit für Verbände, an der Gesetzgebung des Bundes auf offiziellem Wege mitzuwirken, erfolgt in der Regel auf Ministerialebene. Geübte Praxis im politischen System der Bundesrepublik ist es, Referentenentwürfe von Gesetzen betroffenen Stakeholdern mit der Bitte um Bewertung und Kommentierung zukommen zu lassen. Auf diesem Wege können bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Prozesses mögliche Konfliktfelder sowie die Auswirkungen von Gesetzesinitiativen identifiziert werden. Aufgabe der Bundesregierung muss es nach Auffassung der Fragesteller dabei sein, den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden genügend Zeit einzuräumen , um Gesetzentwürfe zu lesen, auszuwerten und eine Position bilden zu können. Immer häufiger werden jedoch Beispiele bekannt, dass eben diese Beteiligung an der Gesetzgebung aufgrund zu kurzer Fristen erheblich erschwert wird. So erhielten nach Angaben des „Handelsblatts“ bereits in der vergangenen Legislaturperiode verschiedene Gewerkschaften und Verbände am frühen Abend des 18. Januar 2017 die korrigierten Gesetzentwürfe zur Einführung der Maut mit Fristsetzung für die Rückmeldung „19. Januar 2017 Dienstschluss“ (Quelle : Handelsblatt, „Unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, 23. Januar 2017). Weitere Beispiele für dieses Vorgehen der Bundesregierung häufen sich auch in der laufenden 19. Legislaturperiode. So wurde der Entwurf eines Gesetzes Deutscher Bundestag Drucksache 19/16282 19. Wahlperiode 02.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 27. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich am Freitag, dem 1. November 2019, durch das federführende Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit der Bitte um Rückmeldung bis Montag, den 4. November 2019, an die beteiligten Verbände versandt. Klar ist, dass die Exekutive in vereinzelten Ausnahmesituationen auch kurzfristig Handlungsfähigkeit beweisen und entsprechende Gesetzesvorlagen schnell vorlegen können muss. Nach Auffassung der Fragesteller ist eine solche Ausnahmesituation jedoch häufig, wie bei den aufgeführten Beispielen, nicht erkennbar. Sollte es sich demnach um eine anhaltende und sich verstärkende Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren der Bundesrepublik Deutschland handeln, wäre dies aus Sicht der Fragesteller höchst bedenklich. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/16162 verwiesen, in der bereits umfassend auf die Bestrebungen der Bundesregierung, ihr Regierungshandeln transparent und damit für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar zu gestalten , sowie die Beteiligung der Verbände und Veröffentlichung der Stellungnahmen aus der Verbändeanhörung eingegangen ist. 1. Welche Bedeutung hat nach Ansicht der Bundesregierung die Beteiligung von Verbänden an Gesetzgebungsprozessen in einem demokratischen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland? Im Rahmen der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs ist gemäß § 47 Absatz 3 i. V. m. Absatz 1 und 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vorgesehen, die Zentral- und Gesamtverbände sowie Fachkreise, die auf Bundesebene bestehen, möglichst frühzeitig zu beteiligen. Die Bundesregierung hält diese Verbändebeteiligung für ein wesentliches Element des Entwurfsprozesses , in dem die Belange aller Betroffenen sowie die wesentlichen Auswirkungen des Gesetzes berücksichtigt werden sollen. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/16162 wird verwiesen. Ergänzend hebt die Bundesregierung hervor, dass der Zeitpunkt der Beteiligung sowie Umfang und Auswahl von Zentral- und Gesamtverbänden und von Fachkreisen im Ermessen des federführenden Bundesministeriums liegen. Den Bundesministerien steht es frei, mündliche Anhörungen durchzuführen, § 47 Absatz 5 GGO. Hierdurch wird sichergestellt, dass alle Belange dieser Verbände sachgerecht und umfassend im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzentwurfs aufgenommen werden können. Drucksache 19/16282 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie viele Referentenentwürfe von Gesetzen hat die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode beteiligten Verbänden zur Stellungnahme übermittelt (bitte nach Ressort und Jahr aufschlüsseln)? Die Frage wird tabellarisch wie folgt beantwortet: Ressort Anzahl 2017 (ab 24.10.2017) Anzahl 2018 Anzahl 2019 AA 0 1 1 BMAS 0 8 12 BMBF 0 1 3 BMEL 1 9 1 BMFSFJ 0 3 4 BMF 0 14 14 BMG 0 6 14 BMI 0 9 11 BMJV 3 20 26 BMU 0 7 5 BMVI 1 11 13 BMVg 0 1 0 BMWi 0 5 14 BMZ 0 0 0 BKM 0 1 0 3. Bei wie vielen Gesetzentwürfen wurde in der laufenden Legislaturperiode keine Verbändeanhörung zum Zeitpunkt des Referentenentwurfs durchgeführt (bitte nach Ressort und Jahr aufschlüsseln)? Die Frage wird tabellarisch wie folgt beantwortet: Ressort Anzahl 2017 (ab 24.10.2017) Anzahl 2018 Anzahl 2019 AA 1 1 3 BMAS 0 0 1 BMBF 0 0 0 BMEL 0 0 0 BMFSFJ 0 0 0 BMF 0 0 3 BMG 0 0 0 BMI 0 1 0 BMJV 0 0 0 BMU 0 0 0 BMVI 0 0 0 BMVg 0 0 0 BMWi 0 1 0 BMZ 0 0 0 BKM 0 0 1 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16282 4. Wie viel Zeit wurde den beteiligten Verbänden für eine Stellungnahme bei den in der laufenden Legislaturperiode vorgelegten Referentenentwürfen durchschnittlich eingeräumt (bitte nach Ressort aufschlüsseln)? 6. Wie hat sich die den beteiligten Verbänden für eine Stellungnahme durchschnittlich eingeräumte Zeit in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte nach Jahr und Ressort aufschlüsseln)? 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklungen der Fristen für Stellungnahmen in den vergangenen zehn Jahren, und welche Gründe sind für etwaige Veränderungen nach Auffassung der Bundesregierung ursächlich? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4, 6 und 7 zusammen beantwortet. Die Stellungnahmefrist wird nicht systematisch erfasst. Somit wären für die laufende Legislaturperiode wie auch für die vergangenen zehn Jahre die konkreten Stellungnahmefristen für alle Gesetzgebungsverfahren (Gesamtzahl der beim Bundesrat bzw. Bundestag eingebrachten Gesetzesvorhaben) händisch zu ermitteln und daraus anschließend der Durchschnitt zu berechnen: 17. Legislaturperiode: 906 18. Legislaturperiode: 788 19. Legislaturperiode (Stand 2. Dezember 2019): 453 Gesamt: 2.147 Gesetzesvorhaben; vgl. www.bundestag.de/resource/blob/191006/3436ee1834db4e0cb9f1584ac1d a7ccf/gesetzgebung_wp17-data.pdf, www.bundestag.de/resource/blob/194870/ cf6769441cb2c733ca5f3948644d25e9/gesetzgebung_wp18-data.pdf, und www.bundestag.de/resource/blob/533188/d74d91f26b7359e6f4e2ba967406f4b 4/gesetzgebung_wp19-data.pdf). Es wären für über 2.000 Vorgänge jeweils oft mehrere Akten zu sichten. Mitunter lassen sich die formelle Verbändeanhörung im Rechtsetzungsvorhaben und die fortlaufende enge Fachkommunikation mit den Verbänden schwer trennen. Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/16162 dargelegt, wären beispielsweise allein innerhalb einer einzigen Arbeitseinheit eines Ressorts 64 Aktenbände händisch zu überprüfen. Allein das Heraussuchen der die aktuelle Legislaturperiode betreffenden Aktenbestandteile hätte mehrere Beschäftigte gebunden, die anschließende Durchsicht ebenfalls und wäre in Anbetracht des Umfangs nicht zu realisieren . Dies wäre flächendeckend in allen Ressorts und Arbeitseinheiten der Bundesregierung erforderlich um sicherzustellen, dass alle Stellungnahmen von Verbänden erfasst werden. Selbst dann wären mangels systematischer Erfassung Doppelzählungen oder Nichtberücksichtigung nicht ausgeschlossen Die Ermittlung der durchschnittlichen Stellungnahmefrist für über 2.000 Rechtsetzungsvorhaben der letzten zehn Jahre ist mit zumutbarem Aufwand daher nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Drucksache 19/16282 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Bei welchen Gesetzentwürfen in der laufenden Legislaturperiode betrug die Frist zur Stellungnahme zum Zeitpunkt des Referentenentwurfes für beteiligte Verbände sieben Tage oder weniger (bitte Ressort und konkreten Fristzeitraum angeben)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 10, 11, 12 und 13 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/16162 wird verwiesen. 8. Bei welchen Gesetzentwürfen der Bundesregierung sind in der laufenden Legislaturperiode zwischen Übersendung des Referentenentwurfs an beteiligte Verbände und Kabinettsbeschluss 31 Tage oder weniger vergangen (bitte Ressort und Zeitraum angeben)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 10, 11, 12, 13, 14 und 15 der Kleinen Anfrage der Bundestagsdrucksache 19/16162 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16282 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333