Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15923 – Problematik der einfachen Meldeauskunft und Auskunftssperren V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die einfache Melderegisterauskunft nach § 44 des Bundesmeldegesetzes erlaubt es jeder und jedem, Auskunft zu bestimmten Daten anderer Personen, einschließlich deren derzeitigen Anschriften, zu erlangen. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Auskunft verlangende Person die Identität der Person , über die eine Auskunft begehrt wird, eindeutig angeben kann und erklärt, die Daten nicht zu Werbezwecken oder Adresshandel zu verwenden. Eine Begründung , zu welchem Zweck die Daten begehrt werden, ist nicht erforderlich . Angesichts aktueller Bedrohungen von politisch oder sozial engagierten Personen durch die rechtsextreme Szene erscheint den Fragestellerinnen und Fragestellern diese Rechtslage dringend überarbeitungsbedürftig. Allein die Neonazi-Vereinigung „Nordkreuz“ hat Namen von fast 25.000 politischen Gegnern gesammelt. Das Meldegesetz erlaubt es den Neonazis im Prinzip, bei den Meldebehörden die Adressen dieser Personen zu erfragen. Eine Auskunftssperre nach § 51 des Bundesmeldegesetzes (BMG) setzt voraus , dass sich die betreffenden Personen selbst darum bemühen und plausibel machen, dass eine Auskunft für sie eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen bedeuten kann. Nach Informationen der Fragestellerinnen und Fragesteller beabsichtigt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, eine Änderung des Melderechts zu initiieren mit dem Ziel, Personen, die durch Gewalt gefährdet werden, besser zu schützen. Die Fragestellerinnen und Fragesteller halten einen unbegründeten Auskunftsanspruch ohnehin für einen Anachronismus. Nach heutigem Verständnis von Datenschutz sollten persönliche Daten nur bei Nachweis eines berechtigten Interesses und mit Einverständnis des Betroffenen oder gerichtlichem Beschluss übermittelt werden. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16284 19. Wahlperiode 02.01.2019 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 27. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung hat mit dem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen, im Melderecht gesetzliche Änderungen umzusetzen, um den Schutz von Personen, die durch Gewalt gefährdet werden, zu gewährleisten. Die betroffenen Personen sollen durch eine Änderung des Bundesmeldegesetzes (BMG) besser vor Gefahren geschützt werden, die ihnen auf Grund der Erteilung von Melderegisterauskünften entstehen können. Die dafür erforderliche Gesetzesänderung wird derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Nach dem geltenden Recht können Privatpersonen und nichtöffentliche Stellen mittels einer einfachen Melderegisterauskunft den Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und die derzeitige Anschrift einer Person erfragen. Voraussetzung für eine Auskunft ist, dass die betroffene Person von der Meldebehörde aufgrund der Angaben des Antragstellers eindeutig identifiziert wird, so dass Verwechslungen ausgeschlossen sind. Der Antragsteller muss also bereits einige Daten der betroffenen Person kennen, um einen Auskunftsantrag stellen zu können. Die gesetzlichen Regelungen zur Melderegisterauskunft verfolgen ein legitimes Regelungsziel. Die Kenntnis der aktuellen Anschrift einer Person ist unter anderem für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und die Zustellung von Korrespondenz, zum Beispiel bei Erbenermittlungen/Nachlasssachen und Forderungen , erforderlich. Mit der Melderegisterauskunft wird eine Informationsaufgabe für die Öffentlichkeit erfüllt, für die sonst private Auskunfteien in Anspruch genommen werden müssten. Die gesetzliche Regelung geht von dem Gedanken aus, dass sich der Einzelne nicht ohne triftigen Grund seiner Umwelt gänzlich entziehen kann, sondern erreichbar bleiben und es hinnehmen muss, dass andere – auch mit staatlicher Hilfe – mit ihm Kontakt aufnehmen (BVerwG, NJW 2006, S. 3367, 3368). Nach Angabe des Deutschen Städtetages ist die Melderegisterauskunft mit über 60 Mio. Auskünften bundesweit im Jahr die am häufigsten nachgefragte Verwaltungsleistung. Eine Melderegisterauskunft wird beim Vorliegen einer Auskunftssperre bereits nach dem geltenden Recht nicht erteilt, wenn durch die Auskunft eine Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen für die nachgefragte Person erwachsen könnte. Soweit die Fragesteller Bezug nehmen auf das Sammeln der Namen von fast 25.000 politischen Gegnern, verweist die Bundesregierung auf ihre Antwort auf die Schriftliche Frage 63 der Abgeordneten Martina Renner auf Bundestagsdrucksache 19/12437, wonach in einem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen zwei Mitglieder der Chatgruppe „Nordkreuz“ wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a des Strafgesetzbuches (StGB) eine Aufstellung von Kundendaten zu 24.521 Personen festgestellt wurde, die im Jahr 2015 im Rahmen eines Hackerangriffs auf einen Online-Versandhandel illegal erlangt und im September 2016 im Internet veröffentlicht worden war. Drucksache 19/16284 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Änderung der Regelungen zur Meldeauskunft und zu Auskunftssperren im Bundesmeldegesetz (BMG), und inwieweit erwägt sie derzeit, eine entsprechende Gesetzesinitiative zu ergreifen (bitte ggf. den angestrebten Zeitraum angeben )? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 2. Wie beurteilt die Bundesregierung die mögliche Problematik der Nutzung der Auskunftsregelungen im BMG durch Neonazis? Die Daten des Empfängers einer Melderegisterauskunft werden von der Meldebehörde protokolliert und sind der betroffenen Person bei Geltendmachung ihres Auskunftsrechts nach der Datenschutzgrundverordnung mitzuteilen. Melderegisterauskünfte sind außerdem gebührenpflichtig. 3. Hat die Bundesregierung versucht herauszufinden, inwiefern gewaltbereite rechtsextreme Gruppierungen versucht haben, Adressen von politischen Gegnern bei den Meldebehörden zu eruieren, und wenn ja, mit welchem Ergebnis, und welche Schlussfolgerungen zieht sie hieraus? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass rechtsextreme Gruppierungen personenbezogene Daten über Melderegisterauskünfte bezogen haben . 4. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Anzahl von Anträgen auf Melderegisterauskünfte in den Jahren 2017, 2018 und 2019 (falls ja, bitte nach Bundesländern und Entscheidungen über die Anträge aufgliedern)? 5. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Anzahl von Anträgen auf Auskunftssperren nach § 51 BMG in den Jahren 2017, 2018 und 2019 (falls ja, bitte nach Bundesländern und Entscheidungen über die Anträge aufgliedern )? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu – über die Angabe in der Vorbemerkung hinaus – keine eigenen Erkenntnisse vor. Nach Artikel 83 des Grundgesetzes wird das Bundesmeldegesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt . 6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in bestimmten Bundesländern Einschränkungen bzw. weitere Anforderungen bezüglich der einfachen Melderegisterauskunft, die über § 44 BMG hinausgehen, und wenn ja, welche? Mit dem Bundesmeldegesetz hat der Bund von der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Meldewesen Gebrauch gemacht. Die ausschließliche Bundeskompetenz bedeutet nach Artikel 71 des Grundgesetzes, dass die Länder Regelungen nur noch treffen dürfen, sofern sie dazu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Der Bund hat den Ländern zu § 44 BMG keine Regelungsbefugnisse eingeräumt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16284 7. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Gründe, die einer Aufhebung von § 44 BMG oder einer Änderung, die ein Einverständnis des Betroffenen bzw. einen gerichtlichen Beschluss voraussetzen, entgegenstehen, und wenn ja, welche? Wie ist nach ihrer Auffassung hierbei das Schutzbedürfnis von Personen, die sich öffentlich kritisch über Neonazi-Gruppierungen oder Rechtspopulisten äußern, zu gewichten? Einer vollständigen Abschaffung der einfachen Melderegisterauskunft gemäß § 44 BMG steht das prinzipiell anzuerkennende Informationsbedürfnis innerhalb einer sozialen Gemeinschaft entgegen. Ein genereller Einwilligungsvorbehalt würde dazu führen, dass sich der Einzelne seiner Umwelt entziehen kann, so dass die Durchsetzung von Rechtsansprüchen anderer Privatpersonen und nichtöffentlicher Stellen erschwert oder sogar vereitelt wird. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 8. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Gründe, die einer Änderung von § 51 BMG dahingehend, dass Anträge auf Auskunftssperren nicht näher begründet werden müssen, entgegenstehen, und wenn ja, welche? Es ist davon auszugehen, dass die voraussetzungslose Eintragung einer Auskunftssperre die Zahl der Auskunftssperren stark ansteigen lassen würde. Auskunftssperren im Melderegister führen dazu, dass Melderegisterauskünfte an den privaten Sektor (z. B. zur Geltendmachung von Forderungen) zu einer gesperrten Person nur erteilt werden dürfen, wenn nach einem umfangreichen Prüfverfahren mit Anhörung der betroffenen Person eine Gefährdung durch die Auskunftserteilung ausgeschlossen werden kann. Ferner wird das automatisierte Abrufverfahren zwischen öffentlichen Stellen nach § 38 BMG bei Vorliegen einer Auskunftssperre abgebrochen und die Prüfung muss im manuellen (händischen ) Verfahren durch die Meldebehörden fortgesetzt werden. Damit würde die bereits durchgeführte Digitalisierung der Behördenauskunft sowie die bereits durch die Kommunen zu verzeichnenden Digitalisierungserfolge bei der einfachen Melderegisterauskunft deutlich erschwert. Eine durchgängig manuelle Bearbeitung von Melderegisterauskünften ist in einem Massenverfahren wie die Melderegisterauskunft und dem Behördenabruf durch die Meldebehörden nicht leistbar. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Drucksache 19/16284 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Sieht die Bundesregierung ein Problem darin, dass nach derzeitiger Rechtslage die Adresse von Frauen, die in einem Frauenhaus unterkommen , auf dem Personalausweis vermerkt wird – und damit die Adresse des Frauenhauses, die aufgrund des Schutzbedürfnisses der Frauen geheim bleiben sollte – und dadurch der Schutz, der durch diese Einrichtungen den Frauen gewährleistet werden soll, möglicherweise unterlaufen wird? Falls nein, bitte begründen, falls ja, bitte angeben, inwiefern sie eine Änderung der Rechtslage anstrebt? Als Wohnanschrift wird in den Personalausweis die Wohnung eingetragen, mit welcher die antragstellende Person zum Zeitpunkt der Antragstellung aufgrund des Melderegisters als Hauptwohnung gemeldet ist. Der Eintrag im Personalausweis erfolgt neutral ohne Hinweis auf den Charakter der Wohneinrichtung. In Fällen, in denen die schutzsuchende Person nur in ausgewählten Situationen die Wohnanschrift preisgeben möchte, kann alternativ der Reisepass als Identitätsdokument verwendet werden. Der Reisepass enthält lediglich die Angabe des Wohnorts; die Postleitzahl sowie andere postalische Zusätze dürfen in den Reisepass nicht eingetragen werden. Zudem haben die Melderechtsreferentinnen und -referenten des Bundes und der Länder in ihrer letzten Sitzung im November 2019 einen einheitlichen Umgang der Meldebehörden mit Auskunftssperren für Schutzsuchende in Einrichtungen zum Schutz vor häuslicher Gewalt, Menschenhandel oder Zwangsverheiratung beschlossen. Für Personen, die sich zum Schutz vor häuslicher Gewalt, Menschenhandel oder Zwangsverheiratung an Adressen von Schutzeinrichtungen wie beispielsweise den sogenannten „Frauenhäusern“ anmelden, soll von Amts wegen eine Auskunftssperre eingetragen werden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16284 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333