Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Hessel, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15765 – Gewerbesteuer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Gewerbesteuer belastet die Unternehmer und Unternehmen in Deutschland . Es ist nach Ansicht der Fragesteller an der Zeit, die Gewerbesteuer zu reformierten. Dabei verfolgen die Freien Demokraten das Ziel, die Gewerbesteuer durch ein kommunales Hebesatzrecht auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu ersetzen. Da diese große Reform in einem ersten Schritt wohl nicht zu erreichen sein wird, sollte dies jedoch den Gesetzgeber nicht davon abhalten, die bestehenden Regelungen zu verbessern, um Nachteile und nicht gewollte Besteuerungsergebnisse zu verhindern. In der Antwort der Bundesregierung zu Frage 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/6308 hat sie die Entwicklung der Gewerbesteuer dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Gewerbesteuerbelastung immer mehr ansteigt. Die Anrechnung bei der Einkommensteuer (§ 35 des Einkommensteuergesetzes – EStG) reicht darum häufig nicht aus, um die steigenden Gewerbesteuerhebesätze auszugleichen. Hier ist nach Ansicht der Fragesteller Handlungsbedarf geboten. Weitere Themen wie die Selbstveranlagung oder Gewerbesteuer-Clearingstelle werden von der Bundesregierung nicht aufgegriffen. 1. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Entwicklung der Gewerbesteuerhebesätze in Deutschland seit 2008 in den einzelnen Bundesländern (bitte durchschnittlichen Hebesatz nach Bundesländern auflisten)? Eine Zusammenstellung der durchschnittlichen Hebesätze 2008 bis 2018 nach Ländern auf Grundlage der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Realsteuervergleiche ist als Anlage beigefügt. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16294 19. Wahlperiode 02.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Entwicklung der Gewerbesteuerhebesätze in Städte a) mit mehr als 1 Mio. Einwohnern, b) mit mehr als 500.000 Einwohnern, c) mit mehr als 250.000 Einwohnern, d) mit mehr als 100.000 Einwohnern (bitte den aktuellen durchschnittlichen Hebesatz auflisten)? Die im aktuellen Realsteuervergleich 2018 ausgewiesenen Gewerbesteuerhebesätze nach den im Statistischen Bundesamt verfügbaren Gemeindegrößenklassen können der nachstehenden Tabelle entnommen werden. Gewogene Durchschnittshebesätze (Gewerbesteuer) 2018 nach Gemeindegrößenklassen Gemeindegrößenklasse (Gemeinden mit ... bis unter ... Einwohnern) Deutschland Kreisfreie Städte 20 000 – 50 000 ............................... 369 50 000 – 100 000 .................... 406 100 000 – 200 000 ............................. 432 200 000 – 500 000 .............................. 464 500 000 und mehr ................................ 458 Zusammen ... 451 Kreisangehörige Gemeinden unter 1 000 .......................... 350 1 000 – 3 000 .............................. 348 3 000 – 5 000 ..................... 345 5 000 – 10 000 ....................... 350 10 000 – 20 000 ..................... 349 20 000 – 50 000 ......................... 379 50 000 – 100 000 ....................... 424 100 000 und mehr ........................ 467 Zusammen ... 372 Gemeinden insges. ... 402 3. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Entwicklung der Gewerbesteuerhebesätze in deutschen Ballungsgebieten? Sogenannte Ballungsgebiete sind keine statistische Einheit und nicht hinreichend eindeutig abgrenzbar. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Drucksache 19/16294 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie beurteilt die Bundesregierung im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland den Umstand, dass durch z. T. deutlich höhere Gewerbesteuerhebesätze (>400 Prozent) die Unternehmenssteuerbelastung in manchen Gemeinden auch deutlich über 30 Prozent hinausgeht (www.gewerbesteuer.de/gewerbesteuerhebesatz; www.welt.de/wirtsc haft/article199856304/Gewerbesteuer-Wie-klamme-Kommunen-ihre-Zuk unft-verspielen.html)? Die Gemeinden haben das Recht auf eine mit einem Hebesatzrecht ausgestaltete wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle (Artikel 28 Absatz 1 Satz 3 GG). Nach geltendem Recht ist dies die Gewerbesteuer (Artikel 106 Absatz 6 Satz 1 GG). Das Hebesatzrecht und damit das kommunale Besteuerungsniveau ist Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 GG). Im Übrigen erfordern wichtige Standortfaktoren, wie etwa Infrastruktur, Ausbildung bzw. Qualifikation der Arbeitskräfte, öffentliche Sicherheit und eine effiziente Verwaltung, d. h. die Finanzierung dieser elementaren Aufgaben zur Sicherung von öffentlicher Daseinsvorsorge und Wettbewerbsfähigkeit auch eine angemessene kommunale Einnahmebasis. Unternehmen berücksichtigen auch diese Faktoren bei ihrer Standortentscheidung. Darüber hinaus überprüft die Bundesregierung das Unternehmensteuerrecht laufend auf Anpassungsbedarf an veränderte Rahmenbedingungen. 5. Hat die Bundesregierung darüber Kenntnis, wie viele Gemeinden jeweils in den letzten drei Jahren die Gewerbesteuerhebesätze gesenkt oder erhöht haben? Gemeinden, in denen der Gewerbesteuerhebesatz … Jahr 2017 2018 2019 (1. Halbjahr) … gesenkt wurde 52 76 43 … erhöht wurde 1.159 924 619 6. Plant die Bundesregierung Änderungen bei der Gewerbesteuer? a) Wenn ja, wie sehen diese aus? b) Wenn nein, wird hier auch im Hinblick auf die Verhandlungen zur Gemeinsamen (konsolidierten) Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage kein Handlungsbedarf gesehen? Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht keine strukturellen Änderungen bei der Gewerbesteuer vor. Die Verhandlungen zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB) dauern an. Mögliche sich hieraus ergebende künftige Änderungen bei der Gewinnermittlung wirken sich über den bestehenden § 7 des Gewerbesteuergesetzes auch auf die gewerbesteuerliche Bemessungsrundlage aus. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16294 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit einer Gewerbesteuer- Clearingstelle für Unternehmen, die in mehreren bzw. vielen Gemeinden tätig sind? 8. Plant die Bundesregierung eine Gewerbesteuer-Clearingstelle einzuführen ? a) Wenn ja, wann? b) Wenn nein, wieso nicht? Die Fragen 7 und 8 werden zusammengefasst beantwortet. Die Einführung einer „Gewerbesteuer-Clearingstelle“ hätte im Vergleich zum Status quo eine Zuständigkeitserweiterung der Finanzämter zur Folge, da diese nunmehr – anstelle der jeweiligen Gemeinden – auch für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer zuständig wären. Derartige Überlegungen wurden bereits in der Vergangenheit mehrfach geprüft. Von Seiten der Länder wurden diese wegen des damit verbundenen administrativen Mehraufwandes für die Finanzverwaltung und von Seiten der Kommunen wegen des Kompetenzverlustes für die jeweilige Gemeinde abgelehnt. Eine „Gewerbesteuer-Clearingstelle“ kann nur im Konsens mit den Ländern und den Kommunen eingeführt werden. Ein solcher besteht nach wie vor nicht. 9. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit einer Selbstveranlagung bei der Gewerbesteuer? 10. Hat die Bundesregierung die Möglichkeit der Selbstveranlagung wissenschaftlich untersuchen lassen? a) Wenn ja, zu welchem Ergebnis kam die Untersuchung? b) Wenn nein, ist dies geplant? 11. Plant die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative zur Einführung einer Selbstveranlagung bei der Gewerbesteuer? a) Wenn ja, wann? b) Wenn nein, wieso nicht? Die Fragen 9 bis 11 werden zusammengefasst beantwortet. Die Bundesregierung hatte im Jahr 2014 eine Machbarkeitsstudie zur Einführung eines Selbstveranlagungsverfahrens zur Ertragsbesteuerung von Unternehmen mit dem Ziel in Auftrag gegeben, die Weiterentwicklung des Steuerverfahrensrechts in Richtung eines Selbstveranlagungsverfahrens zu untersuchen . Die Studie hielt eine Selbstveranlagung im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich für möglich. Hinsichtlich der Gewerbesteuerveranlagung wurden höhere rechtliche und technische Anforderungen festgestellt, insbesondere wegen der Zuständigkeit der Gemeinden für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 verwiesen. Drucksache 19/16294 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16294 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333