Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16033 – Vorschläge der OECD zur Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ) ist von der G20 beauftragt, bis Ende 2020 einen Konsens über die Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft zu erzielen und hat hierfür erste Lösungsansätze veröffentlicht. Der Vorschlag sieht zwei Säulen vor: Einerseits eine Neuverteilung von Besteuerungsrechten von multinationalen Unternehmen , wodurch den sog. Marktstaaten, in denen die Nutzer und Empfänger von digitalen Leistungen sich befinden, höhere Besteuerungsrechte als bisher zugewiesen würden. Andererseits in einer zweiten Säule einen Maßnahmenkatalog für eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen (u. a. www.handelsblatt.com/politik/international/internationale-finanzpolitik-oecd-l egt-neues-konzept-fuer-globale-digitalsteuer-vor/25098408.html?ticket=ST-1 6931536-3tbsEsDbhaUwzO7Zrcnq-ap5). Die Bundesregierung gab dazu trotz mehrerer Nachfragen noch keine konkrete Stellungnahme ab (u. a. Bundestagsdrucksachen 19/6249, 19/9783). Der Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz verwies bei den gemachten Vorschlägen auf die damit einhergehenden fiskalischen Folgen für Deutschland mit Mindereinnahmen i. H. v. 17 Prozent der Unternehmensteuern in Deutschland (www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Reden/2019/2019-05-08- 150-Jahre-DPA.html;jsessionid=CC6B866C93368CC63E3BCC78E0FA 07F2). Mit der Veröffentlichung eines aktuellen Vorschlags der OECD zur Neuverteilung der Besteuerungsrechte aus dem Oktober 2019, schreitet die Erstellung der ersten Säule weiter voran. Vorgeschlagen wird demnach ein sogenannter Einheitlicher Ansatz „Unified Approach“, der eine Konsenslösung darstellen soll, wodurch gegebenenfalls entstehende Nachteile für Staaten durch die Neuverteilung der Besteuerungsrechte kompensiert beziehungsweise abgeschwächt werden sollen (www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-docume nt-secretariat-proposal-unified-approach-pillar-one.pdf). Im November hat die OECD ein zweites Papier zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung publiziert. Mit diesem Vorschlag soll sichergestellt werden , dass die Unternehmen unabhängig von ihrem Tätigkeitsort ein Mindestniveau an Steuern zahlen (www.oecd.org/tax/beps/public-consultation-docum ent-global-anti-base-erosion-proposal-pillar-two.pdf.pdf). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16306 19. Wahlperiode 03.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Inwiefern begleitet die Bundesregierung den Prozess der OECD zur Erarbeitung der Vorschläge über eine Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft auf OECD-Ebene? a) Wie stellt sich der verfahrenstechnische Ablauf auf OECD-Ebene dar? Welche Gremien auf OECD-Ebene sind eingebunden, und welche Gremien auf OECD-Ebene sind entscheidungsbefugt? b) Wie bringt sich die Bundesregierung innerhalb dieser Gremien ein, und welches Stimmrecht hat die Bundesregierung innerhalb dieser Gremien? c) Wie erfolgt die Abstimmung für diese Gremien auf OECD-Ebene innerhalb der Bundesregierung? Die Fragen 1 bis 1c werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck für eine faire Besteuerung international tätiger Unternehmen ein. Die Besteuerung soll dort erfolgen, wo sie ihre unternehmerischen Aktivitäten entfalten und ihre wirtschaftliche Wertschöpfung erzielen. Dies soll insbesondere auch Unternehmen mit digitalisierten Geschäftsmodelle umfassen. Die G20 haben die Organisation of Economic Cooperation and Development (OECD) damit beauftragt, bis zum Ende des Jahres 2020 einen Abschlussbericht zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft vorzulegen. Das maßgebliche Gremium, das diese Arbeiten ausführt und entscheidungsbefugt ist, ist das bei der OECD angesiedelte Inclusive Framework on BEPS (Base Erosion and Profit Shifting). Ihm gehören gegenwärtig 137 Staaten und Jurisdiktionen an; sie alle haben das gleiche Stimmrecht. Bei der Entwicklung eines Lösungsvorschlags verfolgt das Inclusive Framework on BEPS ein „Zwei-Säulen-Konzept“. Die erste Säule betrifft die zwischenstaatliche Verteilung von Besteuerungsrechten, die zweite Säule beinhaltet das von Deutschland und Frankreich entwickelte Konzept einer globalen effektiven Mindestbesteuerung. Die Bundesregierung wirkt führend an den Arbeiten des Inclusive Framework on BEPS mitsamt seiner Unterarbeitsgruppen mit. Dazu findet innerhalb der Bundesregierung ein regelmäßiger Austausch statt. 2. Liegen der Bundesregierung Folgenabschätzungen zu den Auswirkungen einer Neuverteilung der Besteuerungsrechte aus Unternehmensgewinnen (Säule 1) im Rahmen der OECD-Vorschläge (basierend auf dem OECD- Papier von Mai 2019) auf das deutsche Steueraufkommen vor? a) Wenn ja, unter welchen Annahmen, und auf welcher Grundlage kommen diese Abschätzungen zustande? b) Mit welchen Minder- bzw. Mehreinnahmen rechnet die Bundesregierung ? c) Falls nein, auf welcher Grundlage begleitet und bewertet die Bundesregierung dieses Vorhaben? 3. Liegen der Bundesregierung Folgenabschätzungen zu den Auswirkungen einer Neuverteilung der Besteuerungsrechte aus Unternehmensgewinnen (Säule 1) unter Berücksichtigung eines „Unified Approach“ im Rahmen der OECD-Vorschläge auf das deutsche Steueraufkommen vor? a) Wenn ja, unter welchen Annahmen, und auf welcher Grundlage kommen diese Abschätzungen zustande? Drucksache 19/16306 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Mit welchen Minder- bzw. Mehreinnahmen rechnet die Bundesregierung ? c) Falls nein, auf welcher Grundlage verfolgt und begleitet die Bundesregierung dieses Vorhaben? 4. Liegen der Bundesregierung Folgenabschätzungen zu den Auswirkungen einer globalen Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen (Säule 2) auf das deutsche Steueraufkommen vor? a) Wenn ja, unter welchen Annahmen, und auf welcher Grundlage kommen diese Abschätzungen zustande? b) Mit welchen Minder- bzw. Mehreinnahmen rechnet die Bundesregierung ? c) Falls nein, auf welcher Grundlage verfolgt und begleitet die Bundesregierung dieses Vorhaben? 5. Liegt der Bundesregierung eine aggregierte Folgenabschätzung zu den Auswirkungen der gesamten Maßnahmen der OECD-Vorschläge (Säule 1 und 2) auf das Steueraufkommen vor? 6. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit einem niedrigeren oder einem höheren Steueraufkommen in Deutschland mit einer Implementierung der OECD-Vorschläge zu rechnen? Die Fragen 2 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Wesentliche Merkmale bei der Ausgestaltung der beiden Säulen werden derzeit noch entwickelt. Dementsprechend liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine konkreten Folgenabschätzungen zu den Reformvorhaben vor. Da die ökonomischen und fiskalischen Auswirkungen der weiteren Reformpläne für die Bundesregierung von zentraler Bedeutung sind, hat sie einen Forschungsauftrag zu den nationalen Steueraufkommenswirkungen einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten im Rahmen der grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung vergeben. Die OECD und die Europäische Kommission haben erste, vorläufige Einschätzungen zu den fiskalischen Auswirkungen abgegeben (vgl. „OECD Secretary- General Tax Report to G20 Finance Ministers and Central Bank Governors“, Oktober 2019 und DKOR: Sitzung der Ratsarbeitsgruppe Steuerfragen (Direkte Steuern – Digital) am 11. und 25. Oktober 2019 in Brüssel). Nach der jeweiligen Aussage der OECD und der EU-Kommission sind diese Einschätzungen aufgrund der schwierigen Datenlage nicht belastbar. 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Pläne der OECD vor dem Hintergrund der europäischen Arbeiten an einer Gemeinsamen (konsolidierten) Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage G(K)KB? Die Bundesregierung setzt sich unverändert für eine stärkere Angleichung der Unternehmensbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten der EU ein. Die Europäische Kommission hat hierzu ein zweistufiges Konzept vorgelegt. Danach soll in einem ersten Schritt die steuerliche Gewinnermittlung harmonisiert werden (GKB), anschließend sollen Arbeiten an einer grenzüberschreitenden Konsolidierung mit formelbasierter Aufteilung erfolgen (GKKB). Der GKB- Richtlinienentwurf, der derzeit von den zuständigen Ratsarbeitsgruppen diskutiert wird, würde die Rechtssicherheit in der EU erhöhen und Möglichkeiten der Steuerarbitrage verringern; die Bundesregierung setzt sich daher aktiv für dieses Reformvorhaben ein. Mit dem Zwei-Säulen-Konzept von OECD und Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16306 G20 soll die Fairness der Unternehmensbesteuerung international und über die EU hinaus erhöht werden. 8. Wie wirkt sich nach Ansicht der Bundesregierung eine Implementierung des Unified Approach auf a) den Verwaltungsaufwand der Wirtschaft aus? b) den Administrationsaufwand der Verwaltung aus? 9. Stehen nach Ansicht der Bundesregierung die in Frage 7 angeführten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den fiskalischen Auswirkungen? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Für die Bundesregierung sind bei den internationalen Verhandlungen zum Zwei-Säulen-Konzept der Verwaltungsaufwand für die Wirtschaft und der Administrationsaufwand der Verwaltung und die finanziellen Auswirkungen auf das Steueraufkommen wichtige Faktoren. Da wesentliche Merkmale bei der Ausgestaltung beider Säulen derzeit noch entwickelt werden, sind konkrete Aussagen zum jeweiligen Aufwand und zum Verhältnis zu den fiskalischen Auswirkungen gegenwärtig noch nicht möglich. 10. Worin sieht die Bundesregierung die Vorteile, sich auf Säule 1 zu einigen , anstatt – zumindest unionsweit – eine Digital Service Tax, die sich – wie von der EU vorgesehen – an Geschäftsmodelle der Digitalen Wirtschaft richtete, einzuführen? Die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung stellen sich im globalen Kontext und können zu einer Zersplitterung der internationalen Steuerlandschaft führen. Daher setzt sich die Bundesregierung für eine global abgestimmte Lösung ein. 11. Will die Bundesregierung Instrumente wie etwa die Hinzurechnungsbesteuerung oder Zinsschranke abschaffen, wenn eine internationale Einigung auf die Mindestbesteuerung erfolgte, oder soll die Mindestbesteuerung als ein weiteres Instrument hinzutreten? Über das Verhältnis der globalen effektiven Mindestbesteuerung zu bestehenden Regelungen kann erst entschieden werden, wenn die wesentlichen Ausgestaltungsmerkmale einer globalen effektiven Mindestbesteuerung feststehen. 12. Erachtet die Bundesregierung die derzeitigen Überlegungen zu Säule 1 und Säule 2 als mit dem Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar? Da wesentliche Merkmale des „Zwei-Säulen-Konzepts“ noch erarbeitet werden , ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine abschließende Einschätzung möglich. Die Bundesregierung geht davon aus, dass beide Säulen in verfassungsrechts- und unionsrechtskonformer Weise ausgestaltet werden können und wird dies bei den weiteren Verhandlungen fortwährend berücksichtigen . Drucksache 19/16306 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333