Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Canan Bayram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/16079 – Qualität der Justiz und bundeseinheitliches Fortbildungsrecht und bundeseinheitliche Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die die Bundesregierung tragende Koalition aus CDU, CSU und SPD hatte in ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 Fortbildungen für Richterinnen und Richter insbesondere an Familiengerichten befürwortet und dazu verbindliche Regelungen in Abstimmung mit den Ländern angestrebt (Zeile 6250 ff.). In dem zwischen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 31. Januar 2019 vereinbarten sogenannten Pakt für den Rechtsstaat heißt es in Teil 5 (Qualitätssicherung in der Rechtspflege), Bund und Länder seien sich einig, dass allen in der Justiz arbeitenden Personen weitere Möglichkeiten zur Fortbildung eröffnet werden sollen. In der sogenannten Halbzeitbilanz der Bundesregierung vom 5. November 2019 taucht das Thema Fortbildung in der Justiz jedoch weder in der Rubrik „Was wir bereits auf den Weg gebracht haben“ noch in der Rubrik „Was wir noch vorhaben“ auf. Und das, obwohl es weder im Bund noch in den Ländern mittlerweile ein Recht auf Fortbildung und lediglich in vier Ländern (in einem weiteren geplant) eine Regelung der Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter in den Landesrichtergesetzen gibt (vgl. Bundestagsdrucksache 19/14099, Seite 2, Nummer 2). Diese Regelungen werden aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Verbindung von Recht und Pflicht zur Fortbildung einerseits, nötiger Förderung (bedarfsgerechte und kostenfreie Angebote) und ihrem Zusammenhang mit Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit andererseits nicht hinreichend gerecht. Gleichwohl macht der Bund von seiner diesbezüglichen Gesetzgebungskompetenz (siehe Bundestagsdrucksache 19/14099, Seite 3, Nummer 3) keinen Gebrauch, obwohl gerade dies, auch angesichts der Zustimmungsbedürftigkeit eines solchen Gesetzes (vgl. dazu den Gesetzentwurf bzw. Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/14099), zu den von der Koalition angestrebten verbindlichen Regelungen mit den Ländern beitragen und eine belastbare Finanzierungsgrundlage bieten würde. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16307 19. Wahlperiode 03.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher schutz vom 2. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die in der öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/8568 (dort Nummer II.1) gehörten Sachverständigen hatten sich weitestgehend einmütig für die gesetzliche Festschreibung bzw. Konkretisierung eines Fortbildungsrechts und einer Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter ausgesprochen (www.bundestag.de/ausschuesse/ a06_Recht/anhoerungen/stellungnahmen-656380). 1. Hat die Bundesregierung mit welchem Ergebnis geprüft, ob die Einführung einer Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter (vgl. de Maizière, FAZ, 24. September 2019, Seite 6) mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar ist? Für Richterinnen und Richter in Bund und Ländern besteht schon nach geltendem Recht in Ausgestaltung des Richterdienstverhältnisses eine allgemeine Pflicht zur Fortbildung. Diese Fortbildungspflicht ist im Deutschen Richtergesetz (DRiG) und in den ganz überwiegenden Richtergesetzen der Länder allerdings nicht ausdrücklich geregelt. Diese Gesetze verweisen vielmehr auf die einschlägigen Laufbahnvorschriften für Beamte, vgl. für Richterinnen und Richter des Bundes § 46 DRiG in Verbindung mit § 61 Absatz 2 des Bundesbeamtengesetzes . Soweit die Landesrichtergesetze von Baden-Württemberg (§ 8a LRiStAG), Bayern (Artikel 6 BayRiStAG), Nordrhein-Westfalen (§ 13 LRiStaG) und Sachsen-Anhalt (§ 7 LRiG) die Fortbildungspflicht in einer eigenständigen Regelung normieren und damit stärker sichtbar machen, wird diese als allgemeine Pflicht zur Fortbildung formuliert, die durch eine an den Dienstherrn gerichtete allgemeine Pflicht, die Fortbildung durch geeignete Maßnahmen zu fördern, ergänzt wird. Die konkrete Ausgestaltung der Fortbildungspflicht muss die in Artikel 97 Absatz 1 des Grundgesetztes garantierte richterliche Unabhängigkeit wahren. So wäre eine inhaltliche Einflussnahme im Wege der Fortbildung, die eine bestimmte „Rechtsprechungslinie“ nahelegt oder gar vorgibt, unzulässig. Unzulässig wäre beispielsweise auch, Richterinnen und Richter kurzfristig zu zeitlich und örtlich derart gebundenen Fortbildungsmaßnahmen zu verpflichten, dass sie gezielt an der Ausübung ihrer Rechtsprechungstätigkeit in bestimmten Verfahren gehindert werden. Dies haben auch etwaige Maßnahmen der Dienstaufsicht zu respektieren, § 26 Absatz 1 DRiG. 2. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Recht und Pflicht zur Fortbildung zu den zentralen Voraussetzungen des Richterdienstverhältnisses gehören und sich der Befähigungserwerb nicht auf eine einmalige Ausbildungsphase (Studium und Vorbereitungsdienst) beschränken lässt, sondern Erhalt und Fortentwicklung der Qualifikation umfassen muss, insbesondere in Bereichen, die nicht oder allenfalls am Rande Gegenstand der Ausbildungsphase sein können, und wenn nein, warum nicht? Fortbildung ist unverzichtbar für die Bewältigung des Berufsalltags der Richterinnen und Richter. Der Leitgedanke des lebenslangen Lernens ist daher ein selbstverständliches Postulat in der Justiz. Die umfangreichen Fortbildungsangebote der Deutschen Richterakademie, die sich bundesweit mit jährlich knapp 150 Tagungen an Richterinnen und Richter aller Gerichtszweige und Aufgabengebiete richten, sowie die landeseigenen Fortbildungsprogramme belegen dies eindrucksvoll. Drucksache 19/16307 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Inwiefern teilt die Bundesregierung weiterhin die auf Bundestagsdrucksache 19/5500 (Seite 192/193, Nummer 9.3) wiedergegebene Auffassung des Bundes, wonach der Bund für die im Landesdienst stehenden Richterinnen und Richter, weil sie als Teil der im Grundgesetz (GG) verankerten Dritten Gewalt tätig sind, eine Mitverantwortung trage und der Bund für die Qualität der Justiz insgesamt verantwortlich sei? Das von den Fragestellern herangezogene Zitat betrifft das Prüfverfahren des Bundesrechnungshofs zur 50-prozentigen Finanzierung der Deutschen Richterakademie durch den Bund. An dieser Stelle gibt der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen eine Argumentation des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wieder, die einen anderen Fragenkreis betrifft, nämlich die Finanzierungskompetenz des Bundes. Die Mitverantwortung des Bundes für die Qualität der Justiz insgesamt begründet – neben zahlreichen weiteren Gesichtspunkten wie zum Beispiel, dass der Bund sein qualifiziertes Justizpersonal größtenteils aus den Ländern rekrutiert – ein berechtigtes Bundesinteresse an der 50-prozentigen Finanzierung und gibt dem Bund damit eine Finanzierungskompetenz nach Artikel 104a des Grundgesetzes. 4. Hat der Bund nach Ansicht der Bundesregierung die Gesetzgebungskompetenz für eine Regelung von Fortbildungsrecht und Fortbildungspflicht für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auch im Landesdienst (Artikel 98 Absatz 3 i. V. m. Artikel 74 Absatz 1 Nummer 27 GG – Statusrechte und -pflichten), und wenn nein, warum nicht (bitte im Einzelnen begründen; vgl. Bundestagsdrucksache 19/14099, Seite 3, Nummer 3 bis 3.5)? Der Bund besitzt keine Gesetzgebungskompetenz, Fragen der Fortbildung für die Richterinnen und Richter im Landesdienst zu regeln. Seit der Föderalismusreform 2006 hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Statusrechte und -pflichten der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung, Artikel 98 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 74 Absatz 1 Nummer 27 des Grundgesetzes. Statusrechte und -pflichten sind zum einen Wesen, Voraussetzungen und Rechtsform der Begründung , Arten, Dauer sowie Nichtigkeits- und Rücknahmegründe des Dienstverhältnisses , zum anderen statusprägende Pflichten und Folgen ihrer Nichterfüllung sowie wesentliche Rechte. Die Fortbildungspflicht ist keine Statuspflicht . Denn Fortbildungen prägen den (aktuellen) Status nicht. Sie können sich allenfalls mittelbar auf einen zukünftigen, jedoch ungewissen höheren Status insoweit auswirken, als sie mit Blick auf den Grundsatz der Bestenauslese gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes geeignet sind, Eignung, Befähigung , fachliche Leistung nach Abschluss der Fortbildung positiv zu beeinflussen . 5. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Gesamtkonzeption für die Fortbildung (im Sinne von einem allgemeinen wie funktionsspezifischen , auf den Justizdienst bezogenen Erhalt sowie Vertiefung und Erweiterung der in der Ausbildungsphase erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten) der in der Justiz tätigen Personen, und welche Konzeption hat bzw. plant die Bundesregierung insoweit? Die Deutsche Richterakademie, die als föderale Einrichtung von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird, verwirklicht mit ihren Jahresprogrammen ein Gesamtkonzept. Gegenstand der Jahresprogramme sind neben Fachtagungen zahlreiche Veranstaltungen mit interdisziplinärem Ansatz und zahlreiche Angebote zur Vermittlung von Soft Skills. Des Weiteren wird auf die Antwort Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16307 zu Frage 10 verwiesen. Im Übrigen sind die Länder in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich für die Konzeption der auf Landesebene und regionaler Ebene umfangreich angebotenen Fortbildungskonzepte zuständig. 6. Hat die Bunderegierung mit welchem Ergebnis geprüft, ob eine verpflichtende Fortbildung für im Justizdienst tätige Personen für diese kostenfrei sein sollte? Für die im Bundesdienst stehenden Richterinnen und Richter ist die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen kostenfrei. Für die im Landesdienst stehenden Richterinnen und Richter ist diese Frage an die insoweit zuständigen Länder zu richten. 7. Inwiefern trägt die Bundesregierung über ihren Beitrag zur Finanzierung der Deutschen Richterakademie hinaus zur Gewährleistung eines bundesweit bedarfsgerechten Fortbildungsangebots für im Justizdienst tätige Personen bei, und beabsichtigt die Bundesregierung, ihren Finanzierungsbeitrag zu erhöhen? Wenn ja, in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist für Deutschland Mitglied im European Judicial Training Network (EJTN). Das EJTN deckt mit seinen zahlreichen Fortbildungsangeboten für Richterinnen und Richter eine spezifische europäische Dimension ab, die über die Mitarbeit des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in den Gremien des Netzwerks vornehmlich den im Dienst der Länder stehenden Richterinnen und Richter zu Gute kommt. So haben im Jahr 2018 knapp 500 Richterinnen und Richter, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen an den mit erheblichen Mitteln der EU- Kommission geförderten Veranstaltungen teilgenommen. Des Weiteren hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) das Projekt „Rassismus und Menschenrechte – Stärkung der Strafjustiz“ durchgeführt und gefördert. Darüber hinaus fördert die Bundesregierung aus Mitteln des Nationalen Aktionsplanes zur Behindertenpolitik und Teilhabebericht das Projekt „UN-Behindertenrechtskonvention in der betreuungsgerichtlichen Praxis“ des DIMR. Ziel des dreijährigen Projektes (2019 bis 2021) ist es, durch bundesweite fachliche Tagungen u. a. den Richterinnen und Richtern der Betreuungsgerichtsbarkeit die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) systematisch und bundesweit bekannt zu machen, über ihre Stellung innerhalb der Rechtsordnung und insbesondere inhaltliche Dimensionen der einzelnen Bestimmungen konkret, zielgruppengerecht und anwendungsorientiert zu informieren sowie für ihre erforderliche Berücksichtigung in der Praxis zu werben. Bereits 2017-2018 wurde ein Projekt gefördert, welches Wissen über die UN-BRK und ihre Rechtsanwendung im Rahmen von Fortbildungsangeboten für Richterinnen und Richter der Sozialgerichtsbarkeit anbot. Das Projekt trug damit dazu bei, die Sozialgerichtsbarkeit weiter über die Verpflichtungen aus der UN-BRK zu informieren und dafür zu sensibilisieren. Drucksache 19/16307 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Wie geht die Bundesregierung mit der Kritik des Bundesrechnungshofes (Bundestagsdrucksache 19/5500, Bemerkung 9) am angeblich zu hohen Anteil des Bundes an der Finanzierung der Deutschen Richterakademie um? a) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? b) Gehört zu den Konsequenzen die Schaffung einer belastbaren gesetzlichen Grundlage für die Finanzierung? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 8 bis 8b werden gemeinsam beantwortet. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat einem Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestags in seiner Sitzung vom 1. Februar 2019 folgend mit den Bundesländern im Gespräch gemeinsam geprüft, „ob die Finanzierungsanteile von Bund und Ländern im Lichte der Bemerkung des Bundesrechnungshofes noch angemessen sind“. Der Bericht, der inzwischen dem Rechnungsprüfungsausschuss übermittelt worden ist, kommt zum Ergebnis, dass die verfassungsrechtlich zulässige hälftige Finanzierung der Deutschen Richterakademie durch den Bund sich seit 46 Jahren bewährt hat und ist weiterhin sachgerecht ist. 9. Hat die Bundesregierung mit welchem Ergebnis geprüft, ob bei der Fortbildung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten eine Zusammenarbeit bzw. Kooperation mit Anbietern der anwaltlichen Fortbildung erfolgen sollte, und falls ja, wie könnte diese Zusammenarbeit konkret aussehen, und in welcher Weise könnte die Bundesregierung dazu beitragen? Die Rechtsanwaltschaft ist bei zahlreichen Tagungen der Deutschen Richterakademie eingebunden, vornehmlich als Referentinnen und Referenten. Darüber hinaus besteht auf Bundesebene keine spezielle Kooperation mit Anbietern der anwaltlichen Fortbildung. Zu Kooperationen auf Ebene der für die Fortbildung ihrer Richterinnen und Richter zuständigen Länder liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 10. Inwiefern plant die Bundesregierung, zur Entwicklung und laufenden Aktualisierung von E-Learning-Einheiten zur Fortbildung der im Justizdienst tätigen Personen beizutragen (falls kein Beitrag geplant ist, bitte ausführlich begründen)? Gemeinsam mit den Ländern überprüft das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz regelmäßig die Aktualität bestehender Fortbildungsformate . Im Rahmen der im Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern vereinbarten Qualitätssicherung in der Rechtspflege wird deshalb gegenwärtig von Bund und Ländern gemeinsam die Nutzung von eLearning-Plattformen für Fortbildungskonzepte für im Justizdienst tätige Personen geprüft. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16307 11. Plant die Bundesregierung die Aufnahme von spezifischen qualitativen Eingangsvoraussetzungen für Familienrichterinnen und Familienrichter, insbesondere a) die Wahrnehmung der Geschäfte einer Familienrichterin bzw. eines Familienrichters erst drei Jahre nach Ernennung, b) den Nachweis von Kenntnissen auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts sowie des Kinder- und Jugendhilferechts, der Psychologie, Pädagogik und Sozialen Arbeit in das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) oder das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), und wenn nein, warum nicht? 12. Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Regelung des § 23b Absatz 3 Satz 2 GVG, wonach Richterinnen bzw. Richter auf Probe im ersten Jahr nach Ernennung Geschäfte der Familienrichterin bzw. des Familienrichters nicht wahrnehmen dürfen, als eine zureichende Qualifikationssicherung für die Tätigkeit als Familienrichter bzw. Familienrichterin bewährt (bitte begründen)? Die Fragen 11 und 12 werden wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Regelung des § 23b Absatz 3 Satz 2 GVG sieht vor, dass eine Richterin oder ein Richter auf Probe im ersten Jahr nach ihrer oder seiner Ernennung Geschäfte des Familienrichters nicht wahrnehmen darf. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Familienrichterin oder der Familienrichter über eine gewisse Erfahrung in der richterlichen Tätigkeit verfügt (vgl. Bundestagsdrucksache 12/1217, S. 46). Die Regelung gewährleistet, dass Proberichterinnen und Proberichter innerhalb des ersten Jahres nach der Ernennung ausreichend Erfahrungen insbesondere im Bereich der Verhandlungsführung und der organisatorischen Dezernatstätigkeit sammeln kann. Entsprechende Verwendungsbeschränkungen gelten für Insolvenzrichter, für Betreuungsrichter sowie als Vorsitzender eines Schöffengerichts. Eine weitergehende Anhebung der gesetzlichen Eingangsvoraussetzungen für Familienrichterinnen und Familienrichter ist derzeit nicht vorgesehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat im Anschluss an die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 7. Juli 2016 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Bundestagsdrucksache 18/9092) die Landesjustizverwaltungen gebeten, zu den Forderungen in der Entschließung Stellung zu nehmen. Diese haben einen Regelungsbedarf überwiegend abgelehnt . Wie zum Teil auch von Sachverständigen in der Anhörung vom 25. September 2019 zum Antrag auf Bundestagsdrucksache 19/8568 im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz geäußert, ließe eine Anhebung der gesetzlichen Eingangsvoraussetzungen für Familienrichterinnen und Familienrichter erhebliche personalwirtschaftliche Schwierigkeiten befürchten. Dabei wäre gleichzeitig zu bezweifeln, dass durch die Anhebung zeitlicher oder statusrechtlicher Eingangsvoraussetzungen tatsächlich eine höhere Qualifikation von Familienrichterinnen und Familienrichter erreicht werden kann. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch bei anderen amtsrichterlichen Tätigkeiten mit vergleichbarer Grundrechtsbetroffenheit (zum Beispiel in Betreuungs- oder Schöffensachen) derartigen Qualifikationsanforderungen nicht vorgesehen sind. Drucksache 19/16307 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Plant die Bundesregierung eine Änderung des GVG im Sinne des Kammerprinzips , insbesondere a) obligatorisch in Kinderschutzverfahren und b) fakultativ in hochstreitigen Sorgerechts- und Umgangsverfahren, d. h. auf Antrag eines Beteiligten – der Eltern oder Verfahrensbeistände – und des als Fachbehörde anzuhörenden Jugendamtes, zwecks Besetzung des Familiengerichts mit drei Berufsrichterinnen bzw. Berufsrichtern, und wenn nein, warum nicht? Eine Änderung des GVG zur Einführung eines Kammerprinzips in bestimmten Kindschaftssachen – sei es in Kinderschutzverfahren oder in hochstreitigen Sorge- und Umgangsverfahren – ist nicht vorgesehen. Auch die Sachverständigenanhörung vom 25. September 2019 hat hierzu kein eindeutiges Ergebnis erbracht . Vielmehr verwiesen die Sachverständigen überwiegend darauf, dass das Kammerprinzip notwendigerweise zu einer Konzentration von Familiensachen bei ausgewählten Amtsgerichten führe. Gerade in Kindschaftssachen ist aber mit Blick auf die hohe Zahl der anzuhörenden Beteiligten und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit vor Ort eine wohnortsnahe Familiengerichtsbarkeit erforderlich . 14. Plant die Bundesregierung die Schaffung einer eigenständigen Familiengerichtsbarkeit , und wenn nein, warum nicht? Nein. Die Einführung einer eigenständigen Familiengerichtsbarkeit mit einem eigenen Bundesfamiliengericht wäre nicht nur mit einem hohen personellen, materiellen und organisatorischen Aufwand verbunden, sondern auch rechtlich nur über eine Grundgesetzänderung (Artikel 95 Absatz 1 des Grundgesetzes) möglich. 15. Plant die Bundesregierung eine gesetzliche Vorgabe für die Qualifikationsvoraussetzungen für Verfahrensbeistände sowie das Recht und die Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung (auch zum Verfahrensrecht) und die Kostenfreiheit der Fortbildung für Verfahrensbeistände, und wenn nein, warum nicht? Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Qualitätsentwicklung und -sicherung sowie die Forschung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, des Familienrechts und des Gutachterwesens voranzubringen. Insbesondere wurde vereinbart, rechtlich verbindlich sicherzustellen, „dass auch Verfahrensbeistände über die erforderliche Qualifikation und Eignung verfügen“ (S. 22, Zeilen 841 bis 844). Die Frage der Qualifikation von Verfahrensbeiständen wurde im Rahmen einer Fachkonferenz zur Auswertung der Evaluierung der FGG-Reform erörtert, die am 21. September 2018 im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz stattfand. Dabei befürworteten die Experten die Normierung von Mindeststandards . Die Bundesregierung prüft die Möglichkeiten einer gesetzlichen Konkretisierung des Merkmals der „Geeignetheit“ des Verfahrensbeistandes in § 158 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie die Frage, welche weiteren Maßnahmen zur Qualifikation von Verfahrensbeiständen zu ergreifen sind. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16307 16. Haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Regelungen in § 37 des Jugendgerichtsgesetzes und § 22 Absatz 6 GVG mit ihren Qualifikationsvoraussetzungen für Jugendrichterinnen und Jugendrichter sowie Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälte und für Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter in der Praxis bewährt, d. h. als ausreichend und wirksam erwiesen, oder sieht die Bundesregierung Änderungsbedarf, und wenn ja, welchen? Der Bundesregierung sind Erfahrungsberichte, Beobachtungen aus der Praxis sowie empirische Studien bekannt, wonach den von § 37 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) vorausgesetzten besonderen Qualifikationsanforderungen bei der Besetzung der Jugendgerichte und der Bestellung von Jugendstaatsanwälten und Jugendstaatsanwältinnen nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Sie hat deshalb in der vorletzten Wahlperiode im Rahmen der Arbeiten am Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG; Bundestagsdrucksache 17/6261) vorgeschlagen, die jugendspezifischen Qualifikationsanforderungen im Gesetz noch verbindlicher und zeitgemäßer zu gestalten. Dieser Vorschlag hat letztlich zwar nicht zu einer entsprechenden Neufassung des § 37 JGG geführt, er hat jedoch erheblich zu einer weiteren Sensibilisierung der für die Personalentscheidungen in der Jugendgerichtsbarkeit Verantwortlichen sowie zu einem Ausbau einschlägiger Fortbildungsangebote beigetragen . Die Bundesregierung betrachtet es auch weiterhin als ihre Aufgabe, auf die Übereinstimmung von gesetzlichen Vorgaben einerseits und justizieller Praxis andererseits zu achten und gegebenenfalls gesetzliche Änderungen vorzuschlagen . Die Qualifikationsvoraussetzungen für Insolvenzrichterinnen und Insolvenzrichter nach § 22 Absatz 6 Satz 2 GVG haben sich nach den Ergebnissen der Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) im Wesentlichen bewährt (S. 235 ff. des Evaluationsberichts der beauftragten Forschergemeinschaft , Bundestagsdrucksache 19/4480). Die in diesem Zusammenhang durchgeführte Befragung von Insolvenzpraktikern hat allerdings auch ergeben, dass die Auffassung verbreitet ist, dass die Qualifikationsanforderungen an die Gerichtspersonen in den Insolvenzgerichten weiter erhöht werden sollten, auch wenn die Gerichte im Großen und Ganzen mit den Verfahren kompetent umgegangen sind. Zu den weiteren Schlussfolgerungen des Berichts gehört die Empfehlung , dass sich über eine weitere Konzentration der Zuständigkeiten in Insolvenzsachen die Spezialisierung und Professionalisierung der Insolvenzgerichte weiter verbessern lässt. Diese Erkenntnis wird die Bundesregierung im Zuge der anstehenden Reform des Unternehmensinsolvenzrechts, bei der die Vorgaben der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU) 2019/1023 (ABl. L 172 vom 26. 06. 2019, S. 18 bis 55) umzusetzen und die Konsequenzen aus der ESUG-Evaluation zu ziehen sein werden, berücksichtigen. Drucksache 19/16307 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333