Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15693 – Verschärfung der Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Türkei wurden nach Angaben von „SPIEGEL Online“ unter Bezugnahme auf Informationen aus dem Auswärtigen Amt seit Anfang Oktober 2019 insgesamt 14 Deutsche unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Hintergrund der Festnahmewelle ist nach Angaben von Angehörigen und Anwälten die Mitgliedschaft der Betroffenen in kurdischen Vereinen in Deutschland. Mitgliederlisten dieser Vereine mit hunderten Namen liegen laut den Angehörigen und Anwälten den türkischen Behörden vor (www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-auswaertiges-amt-verschaerft-reisehi nweise-a-1294436.html). Ende Oktober ließ die Bundesregierung die Reiseund Sicherheitshinweise für die Türkei verschärfen. „Es kommt in letzter Zeit vermehrt zu Festnahmen deutscher Staatsangehöriger, die in Deutschland in kurdischen Vereinen aktiv sind oder waren“, heißt es nun (www.auswaertigesamt .de/de/aussenpolitik/laender/tuerkei-node/tuerkeisicherheit/201962). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 36 der Abgeordneten Helin Evrim Sommer auf Bundestagsdrucksache 19/15250 verwiesen . Über weitergehende eigene Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung nicht. 1. Wie genau begründet die Bundesregierung die Verschärfung der Reiseund Sicherheitshinweise für die Türkei Ende Oktober? Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung der Sicherheitslage weltweit aufmerksam und passt die Reise- und Sicherheitshinweise bei Bedarf an. Erfahrungen aus der konsularischen Betreuung deutscher Staatsangehöriger im Ausland fließen in die Analyse ein. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16314 19. Wahlperiode 03.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 2. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2. In welchen konkreten Fällen besteht nach Kenntnis und Ansicht der Bundesregierung für Mitglieder kurdischer Vereine aus Deutschland bei Reisen in die Türkei die Gefahr einer Festnahme? Die Bundesregierung beobachtet, dass es in letzter Zeit in der Türkei vermehrt zu Festnahmen deutscher Staatsangehöriger gekommen ist, die in Deutschland in kurdischen Vereinen aktiv sind oder waren. Nicht in allen Fällen erhält die Bundesregierung Kenntnis vom konkreten Tatvorwurf. Daher sind belastbare Einschätzungen im Sinne der Fragestellung nicht möglich. 3. Unter welchen Umständen rät die Bundesregierung Mitgliedern kurdischer Vereine aus Deutschland von Reisen in die Türkei ab? Die Einreise in die Türkei ist eine individuelle Entscheidung jeder Einzelperson . Die Bundesregierung rät hierbei weder zu noch ab. Die Reise- und Sicherheitshinweise können bei der Entscheidungsfindung als Orientierung dienen. 4. Wie erklärt sich die Bundesregierung eine in den Medien berichtete Festnahmewelle von Mitgliedern kurdischer Vereine aus Deutschland in der Türkei seit Oktober 2019 (www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-auswae rtiges-amt-verschaerft-reisehinweise-a-1294436.html)? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Wie viele Deutsche oder aus Deutschland stammende Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2016 aufgrund deren Mitgliedschaft in kurdischen Vereinen in Deutschland in der Türkei unter dem Vorwurf der Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen (bitte Staatsbürgerschaft, Datum der Festnahme, Verhaftung, mögliche Freilassung und mögliches Ausreiseverbot und Stand eines möglichen Strafverfahrens angeben)? Auf die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen. Die Bundesregierung hat Kenntnis von insgesamt fünf deutschen Staatsangehörigen, bei denen der Tatvorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in kurdischen Vereinen in Deutschland stehen soll. Die Festnahmen erfolgten seit dem 11. Oktober 2019. Eine der fünf Personen befindet sich in Untersuchungshaft, gegen die anderen Betroffenen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Ausreisesperren mit Meldeauflagen verhängt . 6. In welchen Vereinen oder Vereinsföderationen im Einzelnen waren die Festgenommenen nach Kenntnis der Bundesregierung aktiv, und welche Funktion nahmen sie darin ein (z. B. Vorstände oder einfache Mitglieder)? Eine Auflistung einzelner Vereinsnamen und Funktionen der Betroffenen kann zum Schutz der Betroffenen sowie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht erfolgen. Drucksache 19/16314 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Inwieweit handelt es sich um Vereine, die in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und nach Kenntnis der Bundesregierung in den Verfassungsschutzberichten der Länder oder sonstigen Veröffentlichungen dieser Behörden aufgrund einer vermeintlichen Nähe oder Zugehörigkeit zur Arbeiterpartei Kurdistans PKK aufgelistet wurden oder werden? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Soweit der in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte Onlineartikel sowie der zugehörige Artikel in „Der Spiegel“ (Ausgabe 45/2. November 2019) Bezug auf den deutsch-kurdischen Verein das „Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e. V.“ (NAV-DEM) nimmt, wird dieser sowohl in Verfassungsschutzberichten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) als auch in den Verfassungsschutzberichten der Landesämter für Verfassungsschutz als „Dachverband der PKK-nahen Vereine in Deutschland“ genannt. Dies gilt nicht für den darüber hinaus ebenfalls aufgeführten „Hevkar-Jugendvereine e. V.“. 8. Inwieweit und mit welcher Absicht haben türkische Behörden bezüglich welcher kurdischen Vereine in Deutschland Kontakte zur Bundesregierung , zu Behörden des Bundes oder nach Kenntnis der Bundesregierung zu Landesregierungen und Landesbehörden Kontakt aufgenommen? Bei der Bundesregierung gehen regelmäßig Anfragen türkischer Sicherheitsbehörden zu Personen und/oder Vereinen im Zusammenhang mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen oder Veranstaltungen in Deutschland ein. Bezüglich nachrichtendienstlicher Kontakte kann die Beantwortung der Frage 8 aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen. Eine Beantwortung könnte Informationen zur Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten einem nicht eingrenzbaren Personenkreis im In- und Ausland zugänglich machen. Dies könnte für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des BfV und des Bundesnachrichtendienstes (BND) und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Zudem könnten sich Nachteile für die zukünftige Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten ergeben. Die Bedeutung der „Third-Party-Rule“ für die internationale nachrichtendienstliche Zusammenarbeit hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss 2 BvE 2/15 vom 13. Oktober 2016 gewürdigt. Die „Third-Party-Rule“ betrifft den internationalen Austausch von Informationen der Nachrichtendienste. Diese Informationen sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie sicherheitsrelevante Erkenntnisse enthalten. Eine Bekanntgabe dieser Information kann einen Nachteil für das Wohl des Bundes bedeuten, da durch die Missachtung einer zugesagten und vorausgesetzten Vertraulichkeit die künftige Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des BfV bzw. des BND einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden, zumal mit Nachrichtendiensten anderer Staaten, erschwert würden. Die zugesagte Vertraulichkeit erstreckt sich dabei auch auf Sachverhalte zum Thema der Verschärfung der Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16314 9. Hat die Bundesregierung – oder nach ihrer Kenntnis eine Landesregierung bzw. Landesbehörde – zu den betroffenen Vereinen oder Vereinsföderationen Kontakt aufgenommen, um sie vor einer möglichen Verfolgung ihrer Mitglieder in der Türkei zu warnen? Wenn nein, warum nicht? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Wird eine Gefährdung von Einzelpersonen bekannt, werden die Sicherheitsbehörden des Bundes in enger Abstimmung mit den zuständigen Polizeibehörden gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag aktiv. 10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zur Behauptung von Anwälten und Angehörigen der in der Türkei Festgenommenen, dass den türkischen Behörden Mitgliederlisten von kurdischen Vereinen aus Deutschland vorliegen (www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-auswaertiges-am t-verschaerft-reisehinweise-a-1294436.html)? a) Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, auf welche Weise türkische Behörden an Mitgliederlisten oder Namen von Mitgliedern und Vorständen kurdischer Vereine aus Deutschland gelangt sind, und kann sie ausschließen, dass diese Informationen aus von Bundesoder Landesbehörden erhobenem Datenmaterial stammen (falls die Bundesregierung dies nicht ausschließen kann, bitte weiter konkretisieren )? Die Fragen 10 und 10a werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. b) Haben die Bundesregierung bzw. Bundesbehörden oder nach ihrer Kenntnis eine Landesregierung oder Landesbehörden – auch im Bereich nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit – jemals Mitgliederlisten von kurdischen Vereinen oder die Namen einzelner Mitglieder oder Vorstände solcher Vereine an türkische Behörden weitergegeben, und wenn ja, wann, zu welchem Anlass, auf welcher rechtlichen Grundlage, in welchem Umfang und an welche Behörde? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Eine weitergehende Beantwortung der Frage kann nach sorgfältiger Abwägung aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen. Eine Beantwortung könnte Informationen zur Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten einem nicht eingrenzbaren Personenkreis im In- und Ausland zugänglich machen. Dies könnte für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des BfV und des BND und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Zudem könnten sich Nachteile für die zukünftige Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten ergeben. 11. Inwieweit verfügen die Bundesregierung und Bundesbehörden oder nach ihrer Kenntnis Landesregierungen und Landesbehörden über Mitgliederlisten von kurdischen Vereinen in Deutschland sowie über die Namen der Vereinsvorstände, und auf welche Weise sind sie gegebenenfalls an diese Daten gelangt? Die Beantwortung dieser Frage kann nicht offen erfolgen. Die Offenlegung von Informationen zur Arbeitsweise und Methoden der Erkenntnisgewinnung des Bundeskriminalamts (BKA) kann für die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Diese Informationen werden da- Drucksache 19/16314 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode her gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz vom 10. August 2018 (Verschlusssachenanweisung – VSA) als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.* 12. Inwieweit und in welchem Umfang sind Sicherheitsbehörden des Bundes oder nach Kenntnis der Bundesregierung der Länder im Zuge von juristischen Ermittlungen und polizeilichen Maßnahmen in den Besitz von Mitgliederlisten welcher kurdischen Vereine gelangt? Wo werden diese Listen gegebenenfalls verwahrt, wer hat Zugriff darauf, und inwieweit kann die Bundesregierung ausschließen, dass solche Daten an türkische Behörden weitergegeben wurden? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 13. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass der türkische Nachrichtendienst kurdische Vereine und deren Mitglieder in Deutschland ausspäht (www.deutschlandfunk.de/tuerkischer-geheimdien st-in-deutschland-prozessbeginn-gegen.1773.de.html?dram:article_id=39 5287)? Im Fokus des türkischen Nachrichtendienstes (MIT) stehen nach Kenntnis der Bundesregierung vor allem solche Organisationen, welche die Türkei als extremistisch oder terroristisch einstuft. Darüber hinaus besteht nach Kenntnis der Bundesregierung ein erhebliches Aufklärungsinteresse an Vereinigungen und Einzelpersonen, die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Somit stand in den vergangenen Jahren weiterhin auch die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) verstärkt im Blickpunkt des MIT. 14. Wie genau setzt sich die Bundesregierung für Deutsche ein, die in der Türkei aufgrund ihrer Mitgliedschaft in kurdischen Vereinen in Deutschland festgenommen, inhaftiert oder mit Ausreiseverbot belegt wurden? Die deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei betreuen Betroffene auf deren Wunsch konsularisch. Weiterhin wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/15960 verwiesen. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16314 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333