Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tabea Rößner, Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/15986 – Informationszugang der Medien gegenüber Bundesbehörden – Regierungsentwurf für ein Presseauskunftsgesetz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die die Bundesregierung tragenden Koalitionsfraktionen CDU, CSU und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 zur Stärkung von Auskunftsrechten der Medien bekannt (Zeile 669 f.) und dazu, dass Journalistinnen und Journalisten verlässliche Rahmenbedingungen seitens der Politik brauchen (Zeile 8173 f.). In der sogenannten Halbzeitbilanz der Bundesregierung vom 5. November 2019 taucht das Thema Auskunftsrechte der Medien weder in der Rubrik „Was wir bereits auf den Weg gebracht haben“ noch in der Rubrik „Was wir noch vorhaben“ auf. Und das, obwohl das Bundesverwaltungsgericht seit 2013 in nunmehr ständiger Rechtsprechung davon ausgeht , dass die Pressegesetze der Länder auf Bundesbehörden nicht anwendbar sind und sich Medienangehörige seitdem trotz des verfassungsunmittelbaren, allerdings auf Minimalstandards begrenzten und beim konkreten Umfang im Ungewissen bleibenden Auskunftsanspruchs ihre Rechte in über 20 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts erkämpfen mussten (zuletzt Urteil vom 18. September 2019 – 6 A 7.18). Gleichwohl hat die Koalition den Entwurf eines Gesetzes zum Auskunftsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden (Presseauskunftsgesetz) – Bundestagsdrucksache 19/4572(neu) – der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der auf Bundestagsdrucksache 19/13600 wiedergegebenen Fassung im zuständigen Ausschuss entgegen Ergebnissen der durchgeführten Sachverständigenanhörung abgelehnt (ebenda, eine Begründung findet sich dort nicht). Einen eigenen Vorschlag bzw. Gesetzentwurf hat die Koalition aber nicht vorgelegt – abgesehen von zwischenzeitlichen folgenlosen Ankündigungen der SPD (vgl. „Der Tagespiegel“, 1. Dezember 2018 S. 1/5, 24. September 2019 S. 5 und zuletzt 23. Oktober 2019 S. 1 – „Union will Presse nicht stärken“). Nunmehr besteht aus Sicht der anfragenden Fraktion die Gefahr, dass es auch in der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (2013 hatte die SPD-Fraktion noch einen eigenen, wenn auch aus Sicht der anfragenden Fraktion unzureichenden Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 17/12484 vorgelegt) zu keinem rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden eindeutigen, Transparenz und Willkürfreiheit ge- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16413 19. Wahlperiode 09.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 7. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. währleistenden Presseauskunfts- bzw. Medieninformationszugangsgesetz des Bundes kommt. 1. Verfolgt die Bundesregierung das Koalitionsziel einer Stärkung der Auskunftsrechte der Medien weiter, und wenn ja, wodurch? 2. Hält die Bundesregierung den gegenwärtigen Rechtszustand beim Presseauskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden für ausreichend, und wenn ja, warum? 3. Verfolgt die Bundesregierung die Linie eines einheitlichen Medieninformationszugangsrechts (Presseauskunftsrechts) gegenüber Bundesbehörden oder soll die Materie fachgesetzlich unterschiedlich geregelt werden bzw. geregelt bleiben, und wie will die Bundesregierung dabei für Journalistinnen und Journalisten Rechtssicherheit, Überschaubarkeit und schnelle Ergebnisse gewährleisten? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Zur Frage eines Gesetzes zur Regelung der Presseauskunftsrechte gegenüber der Bundesregierung und Bundesbehörden ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung nicht abgeschlossen. 4. Umfasst nach Ansicht der Bundesregierung der Schutzbereich der Pressefreiheit auch die Informationsbeschaffung aus nicht allgemein zugänglichen Quellen, und wenn nein, warum nicht? Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch behördliche Auskunftspflichten, die es der Presse erleichtern, ihre in der repräsentativen Demokratie unerlässlichen Kontroll- und Vermittlerfunktionen zu erfüllen. Der Auskunftsanspruch der Presse endet dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen. 5. Wird nach Ansicht der Bundesregierung die – soweit ersichtlich – singuläre Behauptung im Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste (Hrsg. Dietrich/Eiffler, 2017, dort Wolff, Auskunfts- und Informationspflichten der Nachrichtendienste, S. 1657, Rz.44, 45), die Pressefreiheit ginge inhaltlich in der allgemeinen Informationsfreiheit auf mit der Folge, dass die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes (einschließlich der dortigen Bereichsausnahmen, etwa Ausklammerung der Nachrichtendienste) auch für die Medien ausreichten, der vom Bundesverfassungsgericht ausgeformten objektiv-rechtlichen Institutionsgarantie für die Presse gerecht (wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht – bitte begründen)? Die Bundesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 8. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung keine öffentliche Bewertung einzelner Auffassungen im wissenschaftlichen Diskurs vor. Drucksache 19/16413 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Inwieweit genügt nach Ansicht der Bundesregierung der gegenwärtige Rechtszustand beim Presseauskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden den anerkannten Standards des Vorbehalts des Gesetzes, namentlich der Grundrechtsrelevanz (Presse- bzw. Medienfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes – GG), dem Demokratiegebot und rechtsstaatlicher Vorhersehbarkeit? Die bisherige Praxis, ein Presseauskunftsrecht unmittelbar auf der Basis von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) zu gewähren, ist vom Bundesverfassungsgericht (Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 – 1 BvR 1452/13, NVwZ 2016, S. 50) nicht beanstandet worden. 7. Hält die Bundesregierung es für richtig, dass der Informationszugang für Medien gegenüber Bundesbehörden nach Wahl der Antragsteller als Auskunft , Einsichtnahme oder Übermittlung von Kopien erfolgen, dass das Informationszugangsrecht zu ermittelnde und zu beschaffende Informationen – soweit diese mit zumutbarem Aufwand bereitgestellt werden können – umfassen und dass Informationen kostenlos, vollständig und unverzüglich erteilt werden sollten, und wenn nein, warum nicht? Der Informationszugang für Medien erfolgt auf Grundlage von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Dabei wird im Ergebnis ein Auskunftsanspruch eingeräumt, der hinter dem Gehalt der – untereinander im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung im Einzelfall zielenden – Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen nicht zurückbleibt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen. 8. Hat die Bundesregierung juristisch geprüft, ob Informationszugangsansprüche der Medien gegenüber den Bundesbehörden denen für jeden und jede geltenden Informationszugangsansprüchen nach anderen Gesetzen vorgehen? Und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Bundesregierung ist sich der Reichweite der Gewährleistungen des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG bewusst. 9. Plant die Bundesregierung Regelungen dahin gehend, dass es bei Informationszugangsbegehren von Medien, die im Wege einstweiliger Anordnung geltend gemacht werden, abweichend von § 123 Absatz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 920 Absatz 2 der Zivilprozessordnung, keiner Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes bedarf? Und wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16413 10. Praktiziert die Bundesregierung bei der Verweigerung von Informationszugang für Journalistinnen und Journalisten durch sie, ihre Mitglieder und Geschäftsbereichsbehörden zusätzlich zu der Prüfung einzelner Verweigerungsgründe (wie gesetzlichen Vorschriften über die Geheimhaltung , ausnahmsweisem Überwiegen öffentlicher Interessen, schutzwürdigen Interessen Dritter, Beeinträchtigung sachgerechte Durchführung schwebender Gerichts-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren) eine Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG)? Und wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung, die einzelnen Ressorts, ihre Mitglieder und ihre jeweiligen Geschäftsbereichsbehörden nehmen bei jedem Auskunftsverlangen der Medien die erforderliche Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Reichweite der Gewährleistungen aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG vor. 11. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Einschätzungen der Sachverständigen Döhring und Partsch aus der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat vom 11. März 2019 zum Presseauskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden (www.bundestag.de/ausschu esse/a04_innenausschuss/anhoerungen#url=L2F1c3NjaVlc3NlL2EwNF9 pbm5lbmF1c3NjaHVzcy9hbmhvZXJ1bmdlbi8xMC0xMS0wMy0yM DE5LTYyNzM1NA==&mod=mod541724)? In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat vom 11. März 2019 haben sechs Sachverständige vorgetragen. Die Bundesregierung hat die zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangten Einschätzungen der Sachverständigen zur Kenntnis genommen und berücksichtigt diese in ihrem Meinungsbildungsprozess . 12. Gab oder gibt es in der Bundesregierung, bei ihren Mitgliedern und den Geschäftsbereichsbehörden Praktiken und/oder Anordnungen, und wenn ja, wo welche, die das Zugänglichmachen von (nach den in Frage 9 genannten Maßstäben nicht zu verweigernden) Informationen an Medien überhaupt, an diejenigen einer bestimmten Richtung oder an ein bestimmtes Medium verbieten oder die verbieten, den Medien Akten zugänglich zu machen bzw. diese auf das Informationsfreiheitsgesetz und die Fachgesetze verweisen (bitte für den Zeitraum ab Beginn der 18. Legislaturperiode beantworten)? Nein. Drucksache 19/16413 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Wie stellt die Bundesregierung für sich und ihre Geschäftsbereichsbehörden Gleichbehandlung der Medien bei Auskunftsbegehren und proaktiver Informationsweitergabe an Medien, insbesondere der Weitergabe amtlicher Bekanntmachungen bzw. Informationen sicher? 14. Machen die Bundesregierung und ihre Geschäftsbereichsbehörden bei Informationsweitergaben an Medien Vorgaben für die Verwendung von Informationen, und wenn ja, welche? 15. Hält die Bundesregierung eine Praxis selektiver Auskunftserteilung bzw. Informationsweitergabe durch die Bundesregierung, ihre Mitglieder und Geschäftsbereichsbehörden an einzelne Medien für zulässig und praktiziert sie dies (z. B. Hintergrundgespräche, auf bestimmte Medienangehörige begrenzte Gesprächskreise)? Die Fragen 13 bis 15 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antworten zu den Fragen 8 und 10 wird verwiesen. Die Bundesregierung hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2019 (6 A 7.18), das sich mit der Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit von Behörden befasst, zur Kenntnis genommen und wird dieses berücksichtigen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16413 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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