Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio De Masi, Pascal Meiser, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15913 – Schiedsverfahren gegen Deutschland im Rahmen des Energiecharta-Vertrags V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut Branchendienstleister Investment Arbitration Reporter wird aufgrund des Abkommens zur Energiecharta von 1991 ein Schiedsgerichtsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengt (www.iareporter.com/articles/asvattenfall -nuclear-case-sees-new-round-of-pleadings-germany-faces-another-e nergy-charter-treaty-arbitration-following-modification-of-renewables-incenti ves-regime/). Die Klage wurde eingereicht durch den österreichischen Baukonzern STRABAG AG und seine beiden „Tochterfirmen“ Erste Nordsee- Offshore Holding und Zweite Nordsee-Offshore Holding, die mittlerweile abgewickelt wurden. Klageanlass ist die Änderung des Erneuerbare-Energien- Gesetzes (EEG) vom 8. Juni 2016, mit der ab 2017 die bis dato geltenden Festsätze für Einspeisung von Windstrom durch niedrigere, marktbasierte Preise ersetzt wurden. 1. Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass STRABAG eine mögliche Klage anstrengen würde, und was wurde unternommen, um sich jenseits einer Klage vor dem Schiedsgericht zu einigen? Das österreichische Unternehmen Strabag SE machte gegenüber der Bundesregierung erstmals mit Schreiben vom 20. April 2016 geltend, dass aufgrund einer Novellierung des Erneuerbare-Ernergien-Gesetz und des Inkrafttretens des Windenergie-auf-See-Gesetzes seine Investitionen in Windparkprojekte auf See sowie in die Entwicklung einer neuen Fundamenttechnologie für Windkraftanlagen auf See beeinträchtigt würden. Dabei verwies Strabag SE unspezifisch auf die Möglichkeit „von nationalen und internationalen juristischen Verfahren seitens betroffener Unternehmen“. Mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2017 leiteten Strabag SE sowie Tochterunternehmen der Strabag SE (im Folgenden: Strabag) gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ein sog. Konsultationsverfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung ein, welches Voraussetzung eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens nach dem Energiecharta-Vertrag ist. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16418 19. Wahlperiode 08.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 23. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Im Anschluss an dieses Schreiben führte die Bundesregierung Konsultationen mit Strabag bzw. deren Anwältinnen und Anwälten durch, um das Anliegen der Strabag zu prüfen und ggf. ein Investor-Staat-Schiedsverfahren zu verhindern. Strabag unterließ es während der gesamten Konsultationen, konkrete Forderungen zu stellen oder die abstrakten Forderungen näher zu begründen. Ab Mitte März 2018 führte Strabag die Konsultationen nicht mehr fort und kontaktierte die Bundesregierung in dieser Sache nicht mehr bis zur Einreichung einer Schiedsanzeige zur Einleitung eines internationalen Schiedsverfahrens („Request for Arbitration“) im September 2019. 2. Wann wurde die Klageschrift durch den Prozessbevollmächtigten von STRABAG (Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer) eingereicht, und wann der Bundesrepublik Deutschland übermittelt? Strabag hat am 10. September 2019 beim Sekretariat des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) eine Schiedsanzeige (sog. Request for Arbitration) eingereicht. Eine Klageschrift mit Begründung (sog. Memorial) liegt derzeit noch nicht vor. Diese ist durch die Kläger erst nach Bildung des Schiedsgerichts und auf dessen Aufforderung abzugeben. Der Bundesregierung wurde der „Request for Arbitration“ am 17. September 2019 zugestellt. Die offizielle Registrierung des Schiedsverfahrens durch das ICSID erfolgte am 20. September 2019 unter dem Aktenzeichen ARB/19/29. 3. Hat die Bundesregierung ihrerseits bereits eine rechtliche Stellungnahme abgegeben und eingereicht? 4. Wie bewertet die Bundesregierung inhaltlich die Klage von STRABAG? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Da die Klageschrift (sog. „Memorial“) noch nicht vorliegt, hat die Bundesregierung noch keine rechtliche Stellungnahme zu der Streitsache eingereicht. Es gab bislang lediglich Schriftwechsel zu den Modalitäten der Konstituierung des Schiedsgerichts. Im Übrigen äußert sich die Bundesregierung nicht öffentlich zur inhaltlichen Bewertung eines laufenden Klageverfahrens. 5. Wann wird über die Zulässigkeit des Verfahrens entschieden, und wie ist konkret der zeitliche, prozedurale Ablauf des möglichen Schiedsverfahrens ? Über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens sowie den zeitlichen und prozeduralen Ablauf des Schiedsverfahrens wird durch das Schiedsgericht entschieden, nachdem dieses konstituiert ist. Das Schiedsgericht kann über Zulässigkeitsfragen ganz oder teilweise vorab entscheiden oder eine Entscheidung erst zusammen mit der Endentscheidung treffen. 6. Wie hoch ist die Klagesumme, auf die Deutschland auf „Schadenersatz“ von STRABAG verklagt wird? Eine Bezifferung durch die Klägerinnen ist bislang nicht erfolgt. Drucksache 19/16418 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. In wie vielen Fällen wird Deutschland über das Verfahren Vattenfall- Deutschland hinaus im Rahmen der Energiecharta verklagt (bitte nach Kläger, Klagesumme und bislang angefallenen Prozesskosten auflisten)? Das Schiedsverfahren der Strabag SE und ihrer Tochterunternehmen ist derzeit das einzige auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags anhängige Investor- Staat-Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, neben dem genannten Schiedsverfahren von Vattenfall u. a. (ARB/12/12). Für die Kläger des Schiedsverfahrens der Strabag (ARB/19/29) vgl. Antwort zu Frage 1. Die Klagesumme wurde bislang nicht beziffert (vgl. Antwort zu Frage 6). Seit Beginn der Konsultationen Mitte 2017 bis Ende November 2019 sind Rechtsanwalts- und Gutachterkosten nebst Auslagen und Steuern in Höhe von insgesamt 199.699,07 Euro entstanden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16418 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333