Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sandra Weeser, Michael Theurer, Reinhard Houben, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15695 – Abgrenzung von Drittstrommengen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem im Dezember 2018 beschlossenen Energiesammelgesetz wollte die Bundesregierung unter anderem die Abgrenzung sogenannter Drittstrommengen vereinfachen. Neue Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollten dafür sorgen, dass EEG-privilegierte Strommengen bei der Weiterleitung an nichtprivilegierte Dritte – z. B. Dienstleister auf dem Firmengelände – praktikabler und einfacher abgegrenzt werden können. Entgegen der Intention sorgten „unbestimmte Rechtsbegriffe, eine kryptische Gesetzesbegründung und die rückwirkende Anwendung der neuen Regelung für ein völliges Chaos“ (www.energate-messenger.de/news/194674/schweizer-bei-drittverbra euchen-im-eeg-soll-es-die-bnetza-richten). In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu diesem Problem (Bundestagsdrucksache 19/12721) verwies die Bundesregierung unter anderem auf das im Juli von der Bundesnetzagentur (BNetzA) in einer Konsultationsfassung veröffentlichte Hinweispapier „Messen und Schätzen“ (vgl. www.bundesnetzagentur.de/DE/ Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEner gien/EEGAufsicht/Eigenversorgung/Konsultation_MessenSchaetzen/Konsult Messen_node.html), das den Unternehmen als Orientierungshilfe dienen sollte . Dieses erfüllt jedoch aus Sicht der Wirtschaft ebenfalls nicht seinen Zweck. Die Unsicherheit bei den Unternehmen besteht weiterhin (www.energate-mes senger.de/news/195056/becher-eeg-drittstrommengenabgrenzung-wer-beendet -den-irrsinn-). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16435 19. Wahlperiode 09.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 18. Dezember 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Gilt nach Auffassung der Bundesregierung bzw. der Behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich als Betreiber einer Stromverbrauchseinrichtung, wer überwiegend die Betreiberkriterien erfüllt oder wer kumulativ die Betreiberkriterien erfüllt (vgl. Antwort zu den Fragen 2 und 3 auf Bundestagsdrucksache 19/12721 sowie Seite 10 f. im BNetzA-Hinweispapier „Messen und Schätzen“)? 2. Kommt der Voraussetzung des Tragens des wirtschaftlichen Risikos bei der Feststellung der überwiegenden Erfüllung der Betreiberkriterien nach Ansicht der Bundesregierung eine besondere Bedeutung zu? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die Frage, wer Betreiber einer Stromerzeugungsanlage oder einer Stromverbrauchseinrichtung ist, ist anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kasuistik zu ermitteln. Nach dem Verständnis der Bundesregierung sind die Betreiberkriterien grundsätzlich kumulativ zu erfüllen. In den meisten Fällen ist – entgegen mancher Befürchtungen aus der Praxis – eine eindeutige Zuordnung eines Betreibers ohne weiteres auch dann möglich, wenn der Betreiber Dritten den alltäglichen Zugriff auf die Verbrauchseinrichtung nach seinen Vorgaben gewährt (vgl. Hinweis der Clearingstelle EEG/KWKG zu Allgemeinstromverbräuchen ). Auch dann können neben dem Kriterium der Tragung des wirtschaftlichen Risikos die Kriterien der Sachherrschaft und der Bestimmung der Arbeitsweise eingehalten werden. Die kumulative Beachtung der drei Kriterien kann im Einzelfall auch eine Zuordnung der Betreibereigenschaft auf Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung erforderlich machen, wobei der wirtschaftlichen Risikotragung nach der von der Rechtsprechung entwickelten Kasuistik im Zweifel ein besonderes Gewicht beigemessen werden kann. Maßstab für eine wertende Gesamtbetrachtung bleiben stets die objektiven Umstände . 3. Wie sollen nach Ansicht der Bundesregierung die betroffenen Unternehmen die überwiegende Erfüllung der Betreiberkriterien nachweisen (bitte praxistauglich darlegen)? Für den Nachweis gelten, wie für alle Tatbestandsvoraussetzungen des Erneuerbare -Energien-Gesetz (EEG), die üblichen Mitteilungs- und Darlegungsmodalitäten . Bei der Abrechnung der EEG-Umlage handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vorgang. Deswegen kann die Erfüllung der für die Betreibereigenschaft erforderlichen Kriterien im Streitfall durch sämtliche von der Zivilprozessordnung zugelassenen Beweismittel dargelegt werden. Dazu können beispielsweise Verträge und Eigenerklärungen vorgelegt werden. 4. Plant die Bundesregierung eine Regelung vorzulegen, wonach die Feststellung des Letztverbrauchers auf ein anderes Kriterium als die Betreibereigenschaft abstellt? Wenn ja, welches? Wenn nein, warum nicht? 5. Welches andere Kriterium als die Betreibereigenschaft ist aus Sicht der Bundesregierung als Kriterium für die Zuordnung zu Eigen- oder Fremdverbrauch geeignet, um die Abgrenzung künftig zu vereinfachen? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Frage der Betreibereigenschaft sowohl von Stromerzeugungsanlagen als auch von Stromverbrauchseinrichtungen ist durch die Rechtsprechung und An- Drucksache 19/16435 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wendungspraxis hinreichend ausdifferenziert. Würde der Gesetzgeber in diesen Fragekomplex mit einer Sonderregelung eingreifen, bestünde ein nicht unerhebliches Risiko von Rechtsunsicherheiten und beträchtlicher nachteiliger Wirkungen weit über Fragestellungen der EEG-Umlagepflichten hinaus. Diese wären vor allem aufgrund von Umkehrschlüssen zu befürchten. Vor diesem Hintergrund plant die Bundesregierung derzeit keine Neuregelung in diesem Bereich. 6. Sind der Bundesregierung Probleme bei der Abgrenzung von Drittstrommengen und der Zuordnung von Letztverbräuchen (Betreibereigenschaft von Stromverbrauchseinrichtungen) bekannt? Falls ja, was plant die Bundesregierung, um in den betroffenen Unternehmen für eine ausreichende Rechts- bzw. Planungssicherheit bei der Abgrenzung von Drittstrommengen zu sorgen? Der Bundesregierung sind Fragen bezüglich der Abgrenzung von Drittstrommengen und der Zuordnung von Letztverbräuchen bekannt. Vor diesem Hintergrund ist die Neufassung der §§ 62a und 62b EEG erfolgt. Nach Auffassung der Bundesregierung wurden ferner mit der Konsultationsfassung des Hinweises zum Messen und Schätzen bei EEG-Umlagepflichten der Bundesnetzagentur (im Folgenden: „Hinweis“) viele Fragen beantwortet. So wurde von der Bundesnetzagentur nicht nur eine sogenannte White-List mit Stromverbrauchseinrichtungen und Verbrauchskonstellationen erarbeitet, sondern es wurden auch die weiteren im Gesetz angelegten Vereinfachungsmöglichkeiten für die Praxis aufbereitet. Hier sind beispielhaft die Messung am vorgelagerten Punkt, die exemplarische Messung als Grundlage für eine Schätzung und die gewillkürte Nachrangregelung zu nennen. Die Bundesnetzagentur hat am 5. Dezember 2019 eine öffentliche Anhörung zu der Konsultationsfassung ihres Hinweises durchgeführt. Sie plant, den Hinweis vor dem Hintergrund der bei ihr eingegangenen Stellungnahmen noch im ersten Quartal 2020 zu überarbeiten. 7. Erwägt die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative zur Einführung eines festen Schwellenwertes bei sogenannten Bagatellabgrenzungsfällen, um Rechtssicherheit zu schaffen und Ungleichbehandlungen von Unternehmen zu vermeiden? Nein. Ein solcher fester Schwellenwert wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren erwogen, dann aber auf ausdrücklichen Wunsch des überwiegenden Teils der Wirtschaft verworfen. Ein fester Schwellenwert hat nicht nur den Nachteil des Erfordernisses eines Nachmessens, ob der Schwellenwert tatsächlich überschritten wurde, sondern er nimmt dem Rechtsanwender auch jegliche in der Regelung enthaltene Flexibilität in der Anwendung. 8. Wie bewertet die Bundesregierung das von der Bundesnetzagentur veröffentlichte Hinweisblatt „Messen und Schätzen“ hinsichtlich der Intention , als Orientierungshilfe für Unternehmen zu dienen? Der Hinweis der Bundesnetzagentur hat schon in der Konsultationsfassung zu einer erheblichen Klarstellung geführt. Durch Vereinfachungen, Erläuterungen und Beispiele für die Praxis ist für die Rechtsanwender deutlich geworden, wie die neuen Regelungen praxistauglich angewendet werden können. Durch die umfassende Konsultation des Hinweises, einen öffentlichen Workshop sowie durch Vorträge auf weiteren Veranstaltungen ist die Auslegung der Regelungen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16435 verdeutlicht worden. Die Bundesnetzagentur konnte zahlreiche praxisrelevante Vorschläge und Ergänzungen aufnehmen. 9. Welche Mehreinnahmen bei der EEG-Umlage erwartet die Bundesregierung aus den mit dem Energiesammelgesetz geänderten Regelungen zur Abgrenzung von Drittstrommengen? Der Bundesregierung liegen diesbezüglich keine Informationen vor. Sie erwartet auch keine signifikanten Mehreinnahmen. Die gesetzliche Klarstellung zur Abgrenzung von Drittstrommengen erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch der Wirtschaft, um hinsichtlich des ordnungsgemäßen Vorgehens zur Drittstrommengenabgrenzung Rechtssicherheit zu erlangen. 10. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um den bürokratischen Mehraufwand, der aus der Abgrenzung von Drittstrommengen nach dem Energiesammelgesetz entstanden ist und sich nach ersten Schätzungen auf über 170 Mio. Euro allein im Jahr 2019 beläuft , zu reduzieren (www.energate-messenger.de/news/195056/becher-e eg-drittstrommengenabgrenzung-wer-beendet-den-irrsinn-)? Der Gesetzgeber hat bereits im Gesetz verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie Drittstrommengen möglichst einfach abgegrenzt werden können. Die Bundesnetzagentur hat darüber hinaus in ihrem Hinweis verschiedene Wege und Vereinfachungen aufgezeigt, wie Drittstrommengen möglichst unbürokratisch abgegrenzt werden können. 11. Sind der Bundesregierung Probleme hinsichtlich der Abgrenzung von weitergeleiteten Strommengen in Bezug auf Ladesäulen in Unternehmen bekannt? Falls ja, plant die Bundesregierung Initiativen, um beispielsweise eine Belastung des Stroms für Elektromobilität mit voller EEG-Umlage zu vermeiden? Der Bundesregierung sind Fragen hinsichtlich der Abgrenzung und Abrechnung der EEG-Umlage im Zusammenhang mit dem Betrieb von Ladesäulen bekannt. Wie die Bundesnetzagentur in der Konsultationsfassung ihres Hinweises exemplarisch veranschaulicht, lassen sich die Praxisfragen im Wesentlichen nach den allgemeinen Regelungen beantworten und die Vereinfachungsmöglichkeiten unabhängig davon nutzen, ob E-Mobile oder andere Verbrauchsgeräte mit Strom versorgt werden. 12. Wie ist der Stand der Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission hinsichtlich der Übertragbarkeit des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) C-405/16 P vom 28. März 2019 auf spätere Fassungen des EEG sowie das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz – KWKG – (vgl. Antwort zu Frage 8 auf Bundestagsdrucksache 19/12721)? Die Gespräche dauern an. Drucksache 19/16435 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Plant die Bundesregierung, möglichen beihilferechtlichen Spielraum zu nutzen, um die Abgrenzung von Drittstrommengen einfacher zu gestalten ? 14. Gibt es innerhalb der Bundesregierung Überlegungen, den Begrenzungszeitraum bei der Besonderen Ausgleichsregelung von bisher einem Jahr auf künftig zwei Jahre zu verlängern, um die Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen zu erhöhen? Die Fragen 13 und 14 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung beabsichtigt mögliche Spielräume zu gegebener Zeit zu nutzen. 15. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die im Klimaschutzprogramm 2030 vorgesehene Senkung der EEG-Umlage aus staatlich kontrollierten Einnahmen zu einer europarechtlichen Einstufung der Besonderen Ausgleichsregelung des EEG 2017 als Beihilfe führt? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Abgrenzung von Drittstrommengen nach Ansicht der Bundesregierung? Eine anteilige Finanzierung der EEG-Förderung aus dem Haushalt würde aus Sicht der Bundesregierung eine Neubewertung des Beihilfecharakters des EEG erforderlich machen. Das Ergebnis dieser Bewertung hinge von der konkreten Ausgestaltung der Finanzierung ab. 16. Wann plant die Bundesregierung, für eine Konkretisierung zur ¼-h- Messung von Notstromaggregaten zu sorgen? Notstromaggregate sind grundsätzlich als Stromerzeugungsanlagen im Sinne des EEG einzustufen. Es gelten insoweit die allgemeinen Regelungen. Es kann daher z. B. geprüft werden, ob die selbst erzeugten Mengen im Wege der Schätzung erfasst werden können. Hinsichtlich der ¼-Messung enthält der Hinweis der Bundesnetzagentur weitere Konkretisierungen. 17. Nach welchen Grundsätzen wird Strom aus Erzeugungsanlagen oder aus einem Notstromaggregat in den Liegenschaften des Bundes vermarktet? Soweit in den bundeseigenen Liegenschaften Erzeugungsanlagen installiert sind oder Notstromaggregate vorgehalten werden, gibt es sowohl Eigenverbrauchssachverhalte als auch (Überschuss-)Einspeisungen. Eine einheitliche Aussage zur Vermarktung der Stromerzeugung im letztgenannten Fall ist mangels zentraler Erfassung aller Erzeugungskapazitäten in sämtlichen Liegenschaften des Bundes nicht möglich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16435 18. Wie wurde die Strommengenabgrenzung in den Bundesministerien und den ihnen nachgeordneten Behörden für die Kalenderjahre 2010 bis 2018 vorgenommen? Soweit eine Drittstrommengenabgrenzung für den abgefragten Zeitraum erforderlich ist, erfolgte diese entweder im Wege mess- und eichrechtskonformer Zähler oder im Wege einer sachgerechten Schätzung. Eine solche Schätzung kann im Wege einer exemplarischen Messung erfolgen, indem die Stromverbräuche Dritter gemessen werden und mit angemessenem Sicherheitsaufschlag die Grundlage einer Schätzung für die Vergangenheit bilden. Drucksache 19/16435 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333