Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Schmidt, Anja Hajduk, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/15738 – Verhalten der BaFin beim Thema Prämiensparverträge und Zinsanpassungsklauseln bei variablen Zinsen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Schon 2004 hatte der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil die beliebige Zinsgestaltung bei Sparverträgen für ungültig erklärt und höhere Anforderungen für gültige Klauseln verlangt (Az.: XI ZR 140/03). Trotzdem laufen diese Verträge bis heute weiter. 2014 berichtete das Verbrauchermagazin „Finanztest “ in einem Artikel, dass die Zinsen vieler Sparverträge falsch berechnet sind. Im Jahr 2017 erhielt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf eine Anfrage die Antwort, dass die Bundesregierung keinen Bedarf für eine weitere Stärkung der Aufsicht über die Zinsberechnung sieht, denn es gäbe „keine Anhaltspunkte für ein systematisches Fehlverhalten.“ Dieses Jahr haben sowohl das „ZDF“ (www.zdf.de/verbraucher/wiso/wenn-banken-falsche-z insen-aus-sparvertrag-berechnen-100.html), als auch „Das Erste“ (www.dasers te.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/musterfestellungsklag e-gegen-sparkasse-102.html) ausführlich zu diesem Thema berichtet. Es gibt nach Kenntnis der Fragesteller mittlerweile einzelne Urteile zugunsten von getäuschten Verbraucherinnen und Verbrauchern, unabhängige Untersuchungen der Verbraucherzentralen und eine anhängige Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen mit mehreren tausend Fällen. Bisher war von der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenig bis kein Handeln zu erkennen, und auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ließ viele Fragen unbeantwortet. 1. Bei wie vielen der in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14485 genannten 37 Institute , die variabel verzinste Verbraucherdarlehen anboten, wurden Mängel festgestellt? Insgesamt wurden bei 5 von 37 Instituten, die im Abfragezeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2016 variabel verzinste Verbraucherdarlehen vergeben haben, Mängel festgestellt. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16451 19. Wahlperiode 13.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2. Bei wie vielen der Institute wurden jeweils die folgenden Mängel beobachtet : a) fehlende Koppelungen des variablen Zinssatzes an einen Referenzzinssatz , b) das Fehlen eines festen Überprüfungszeitpunktes der Zinsanpassung, c) fehlende Angaben zu einem Schwellenwert, bei dessen Überschreiten eine Vertragszinsanpassung ausgelöst wird, d) dass Senkungen des Vertragszinses im billigen Ermessen der Bank lagen, e) andere? In allen fünf Fällen fehlte nach Auffassung der BaFin ein fester Überprüfungszeitpunkt für die Zinsanpassung. 3. Warum wurde die Marktanalyse der BaFin 2017 nur aus Sicht der Anbieter geführt, und auf eine Gegenüberstellung der Verbraucherseite verzichtet ? Gegenstand der BaFin-Untersuchung waren die Zinsanpassungsklauseln der Institute und die Frage, ob diese möglicherweise gegen die Rechtsprechung des BGH zu Zinsanpassungsklauseln verstoßen. Zur Untersuchung dieser Fragestellung waren die von den Instituten angeforderten Vertragsunterlagen ausreichend . Eine zusätzliche Einbeziehung der Verbraucherseite war hierzu nicht erforderlich . 4. Welche, durch die Marktanalyse 2017 festgestellten Verstöße wurden behoben , und warum gibt es bis heute Fälle, die immer noch nicht gelöst sind? Die im Rahmen der Marktuntersuchung festgestellten Verstöße wurden mit einer Ausnahme seitens der Institute behoben, indem die entsprechenden Klauseln durch die Institute angepasst wurden. Nur in einem Einzelfall erfolgte eine Anpassung der beanstandeten Klauseln trotz entsprechender Aufforderung und Zusage nicht. Dies wurde im Rahmen einer Überprüfung durch die BaFin festgestellt und das betroffene Institut nochmalig zum entsprechenden Handeln aufgefordert. 5. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es ausreichend ist, wenn bei einem Missstand die gerügten Mängel nur in der überwiegenden Zahl und nicht vollständig abgestellt werden? Wenn nein, warum wurden die Mängel bis heute nicht abgestellt? Wie in der Antwort zu Frage 4 ausgeführt, wurde das einzige Institut, das die gerügten Mängel nicht behoben hatte, von der BaFin nochmalig zum entsprechenden Handeln aufgefordert. Grundsätzlich ist die Bundesregierung der Ansicht , dass jeder von der BaFin festgestellte Missstand im Sinne des § 4 Absatz 1a FinDAG vollständig abgestellt werden muss. Drucksache 19/16451 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welche durchschnittliche Verfahrensdauer wird für ein Prüfverfahren der BaFin für angemessen erachtet? Die Dauer einer Marktuntersuchung ist von vielen Faktoren abhängig wie bspw. deren Umfang und Gegenstand, der Qualität der Rückmeldungen und der Anzahl und dem Umfang erforderlicher Nachfragen. Welche Verfahrensdauer angemessen erscheint, kann daher nur im Einzelfall beurteilt werden. 7. Weshalb sind langwierige Gespräche von mehreren Jahren zwischen der BaFin und den Instituten nötig, um festgestellte Fehlverhalten zu korrigieren ? Es trifft nicht zu, dass es langwieriger Gespräche von mehreren Jahren zwischen der BaFin und den Instituten bedurfte, um festgestelltes Fehlverhalten zu korrigieren. Vielmehr haben die Unternehmen regelmäßig die angemahnten Maßnahmen nach Aufforderung durch die BaFin umgesetzt. Lediglich in einem Einzelfall war es nach einer Überprüfung der BaFin hinsichtlich der Umsetzung der geforderten Maßnahmen erforderlich, dieses Unternehmen erneut zur Korrektur des Fehlverhaltens aufzufordern (vgl. Antwort zu Frage 4). 8. Was sind die Kriterien für die Veröffentlichung einer Untersuchung oder Recherche durch die BaFin? Die in den jeweiligen Aufsichtsgesetzen enthaltenen Vorschriften über die Veröffentlichung von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sind für Marktuntersuchungen nicht einschlägig, da diese allenfalls der Vorbereitung von Maßnahmen dienen , selbst aber keine sind. Maßgebliches Kriterium für eine Veröffentlichung ist für die BaFin daher die Frage, ob die gefundenen Ergebnisse für die Öffentlichkeit unter den Gesichtspunkten der Transparenz und Aufklärung von Interesse bzw. von Nutzen sind. Zudem sind auch Gesichtspunkte der aufsichtlichen Verschwiegenheitspflicht und des Schutzes von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen zu berücksichtigen. 9. Weshalb wurden die Ergebnisse der Marktuntersuchung 2017 nicht veröffentlicht ? Von der Veröffentlichung wurde u. a. deshalb abgesehen, weil die betroffenen Institute die festgestellten Mängel kurzfristig behoben haben (vgl. Antwort zu Frage 4). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 10. Welche Ansicht vertritt die Bundesregierung gegenüber dem Vorschlag der Verbraucherzentralen, die Ergebnisse von Marktuntersuchungen der BaFin zur Erhöhung der Transparenz und besseren Verbraucheraufklärung grundsätzlich zu veröffentlichen? Es erscheint sachgerecht, über eine Veröffentlichung nur und erst nach Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16451 11. Welche besonderen Überprüfungsinstrumente wendet die BaFin für auffällige Kreditinstitute an, wenn sie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14485 von „besonderem Augenmerk“ spricht? Mit der Formulierung, dass die BaFin auf die in der Marktwächteruntersuchung negativ aufgefallenen Institute ein besonderes Augenmerk legt, sollte ausgedrückt werden, dass die BaFin bei der Konzeption ihrer eigenen Marktuntersuchung auch die Einbeziehung der vom Marktwächter benannten Institute geprüft hat. 12. Plant die Bundesregierung, zur Erhöhung der Transparenz und einer damit einhergehenden besseren Verbraucheraufklärung die Verschwiegenheitsklausel der BaFin zu überarbeiten? Die Bundesregierung plant keine diesbezügliche Änderung. Bei einer Diskussion um eine Lockerung der bestehenden Vertraulichkeitsvorschriften sind u. a. die Urteile des EuGH zur Auslegung des europarechtlich bestimmten Berufsgeheimnisses von Aufsichtsbehörden zu beachten („Altmann“-Urteil, C-140/13; „Baumeister“-Urteil, C-15/16). 13. Gibt es Zweifel an den von der BaFin festgestellten Mängeln oder weitere Gründe? Wenn ja, welche? Die Bundesregierung hat keine Zweifel an den Mängelfeststellungen der BaFin. 14. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung möglich, dass es durch die Verstöße der Institute gegen gesetzliche Vorgaben zu Schäden bei Verbrauchern gekommen ist? Liegen der Bundesregierung dafür konkrete Anhaltspunkte vor? Es erscheint grundsätzlich möglich, dass Verbrauchern durch Verstöße der Institute gegen gesetzliche Vorgaben zur Zinsanpassung Schäden entstanden sind. Konkrete Anhaltspunkte hierzu liegen jedoch nicht vor. 15. Plant die Bundesregierung, die Sichtbarkeit und Qualität der BaFin als Beschwerdestelle für Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen? Wenn ja, wie soll dies umgesetzt werden, und was plant die Bundesregierung dazu konkret? Die BaFin klärt Verbraucherinnen und Verbraucher auf ihrer Internetseite unter der Rubrik „Verbraucher“ über die Möglichkeit auf, sich über von der BaFin beaufsichtigte Unternehmen zu beschweren (www.bafin.de/DE/Verbraucher/Be schwerdenAnsprechpartner/Ansprechpartner/BaFin/bafin_node.html). In diesen Verbraucherinformationen zeigt die BaFin u. a. auf, welche Angaben von Verbraucherinnen und Verbrauchern für die Beschwerdebearbeitung erforderlich sind und wie eine Beschwerde bei der BaFin eingereicht werden kann. Außerdem stellt die BaFin Online-Beschwerdeformulare unter dem o. g. Link zur Verfügung. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich darüber hinaus auch an das Verbrauchertelefon der BaFin wenden, um sich über den Ablauf eines Beschwerdeverfahrens bei der BaFin zu informieren. Darüber hinaus weist Drucksache 19/16451 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode die BaFin in ihren Publikationen (z. B. Flyer, Broschüren) und im Rahmen von Vorträgen und beispielsweise auf Messen regelmäßig auf die Möglichkeit der Beschwerde hin. 16. Warum wurde die Fallgruppe der Zinsanpassungen bei Prämiensparverträgen erst 2018 statistisch erfasst, obwohl die Stiftung Warentest in „Finanztest “ bereits 2014 berichtete, dass viele Sparverträge gegen geltendes Recht verstoßen und manche Banken Sparern tausende Euro nachzahlen müssen (Finanztest 11/2014, S. 38 ff.)? Bis zum Jahr 2018 wurden die Eingaben unter dem allgemeinen Oberbegriff „Zinsberechnung im Einlagengeschäft“ erfasst, welcher auch andere Themenkomplexe umfasst und sich auf sämtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Zinsberechnung bezieht. 17. Hält die Bundesregierung, aufgrund von mangelnder Kontrolle der Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, die Preisbehörden der Länder weiterhin für die qualitativ und quantitativ geeigneten Institutionen? Den Preisbehörden der Bundesländer obliegt insbes. die Überwachung der Angaben bei Krediten zum effektiven Jahreszins sowie der Pflichtangaben in der Werbung für Kredite (vgl. §§ 6, 6a PAngV). Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Preisbehörden hierfür nicht geeignet wären. 18. Plant die BaFin im Zusammenhang mit der „ARD“-Berichterstattung vom 2. September 2019 eine neue Untersuchung zur Sollzinsberechnung und Zinsanpassung bei Kontokorrent- und Dispositionskrediten? Wenn ja, wann wird diese eingeleitet, und wenn nein, warum nicht? Die BaFin hat unmittelbar im Anschluss an die Medienberichterstattung die erwähnten Einzelfälle aufgegriffen. Die in der Medienberichterstattung erwähnten Fälle betrafen ausschließlich größere Betriebsmittelkredite, die nicht ohne weiteres mit einem Verbraucherdarlehen vergleichbar sind. Unabhängig davon prüft die BaFin den Sachverhalt weiter. Die Prüfung dauert an. 19. Um welche BaFin-Maßnahmen in Bezug auf Verbrauchersparverträge handelt es sich bei den in der Antwort zu Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 19/14485 genannten Maßnahmen konkret? Wann wurden diese konkret eingeleitet, und bis wann wird mit deren Abschluss gerechnet? Neben der Prüfung der Eingaben einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher hat die BaFin Gespräche mit Bankenverbänden und mit Verbraucherschutzorganisationen geführt. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse fließen in die aufsichtliche Prüfung ein. Darüber hinaus beobachtet die BaFin die Rechtsprechung, insbesondere die gegenwärtig vor dem OLG Dresden anhängige Musterfeststellungsklage zur rechtskonformen Berechnung von Zinsen aus Prämiensparverträgen (Az. 5 MK 1/19), die der Klärung noch offener Detailfragen dienen wird. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, lässt sich gegenwärtig nicht absehen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16451 20. Wann wurde die Prüfung bezüglich Sollzinsberechnung der BaFin, ob aufgrund der aus den Medien bekannt gewordenen Einzelfälle bzw. inzwischen ergangener Urteile andere Beurteilungen für Verträge mit Verbraucherinnen und Verbrauchern angezeigt sind, eingeleitet? Bis wann wird mit deren Abschluss gerechnet (vgl. Bundestagsdrucksache 19/14485, Antwort zu Frage 9)? Auf die Antwort zu Frage 18 wird verwiesen. Drucksache 19/16451 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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