Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marc Jongen, Martin Hebner, Martin Erwin Renner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/15717 – Ausschüttungspraxis der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die 1959 gegründete Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) vertritt „Künstler, Hersteller und Veranstalter in der Wahrnehmung ihrer Leistungsschutzrechte“ (vgl. www.gvl.de/gvl/ueber-uns/unser-auftrag) und wird als privatrechtliche Vereinigung vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) staatlich beaufsichtigt. Nach eigenen Angaben setzt sich die GVL „mit Seriosität und Leidenschaft“ (ebd.) dafür ein, dass Leistungsberechtigte die ihnen zustehenden Erlöse aus der Verwertung ihrer Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Fristen (§ 28 des Verwertungsgesellschaftengesetzes – VGG: „Die Verwertungsgesellschaft bestimmt die Fristen so, dass die Einnahmen aus den Rechten spätestens neun Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie eingezogen wurden, verteilt werden.“) erhalten. Seit der Umstellung der Nutzermeldungen auf ein digitales Such-Archiv im Jahr 2010 haben sich die Beschwerden der Leistungsberechtigten gegen die GVL massiv erhöht. So beklagen zahlreiche Künstlervereinigungen und Labels u. a. die seit mehreren Jahren ausstehenden Sende-Ausschüttungen, welche aufgrund der nicht möglichen Zuordnung von Sendemeldungen zu den einzelnen Aufnahmen ganz überwiegend bislang zurückgehalten werden (vgl. www.bffs.de/2012/04/21/bffs-masnahmen-zum-ausschuttungs-desaster-dergvl /). Die Geschäftsführung der GVL ist sich der Problematik offenbar bewusst . So veröffentlichte sie in ihrem Geschäfts- und Transparenzbericht aus dem Jahr 2017 Rückstellungen für die Verteilung in Höhe von 621 Mio. Euro und beklagte gleichzeitig, dass gesetzliche Fristen „keine Rücksicht auf Projektfortschritte “ nehmen (vgl. www.gvl.de/sites/default/files/publications/dow nload/gvlgeschaefts-transparenzbericht-2017.pdf). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Gesellschaft zur Gewährung von Leistungsschutzrechten (GVL) nimmt für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller die so genannten Zweitverwertungsrechte wahr. Die GVL erzielt ihre Einnahmen im Wesentlichen aus der Deutscher Bundestag Drucksache 19/16459 19. Wahlperiode 13.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher schutz vom 10. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche für die Sendung, die öffentliche Wiedergabe und die private Vervielfältigung von Darbietungen ausübender Künstlerinnen und Künstler und der Aufnahmen von Tonträgerherstellern , also z. B. wenn deren Repertoire im Rundfunk gesendet wird oder private Nutzer CDs kopieren. Hörfunk- und Fernsehsender müssen der GVL das von ihnen gesendete Repertoire melden. Um eine Ausschüttung von der GVL zu erhalten, müssen Tonträgerherstellerinnen und Tonträgerhersteller ihrerseits melden, an welchen Aufnahmen sie Rechte haben, und Künstlerinnen und Künstler, an welchen Produktionen sie mitgewirkt haben. Die GVL prüft diese Meldungen und fordert gegebenenfalls Nachweise an. Bei der Ausschüttung berücksichtigt die GVL alle Meldungen, die binnen drei Jahren nach dem Jahr der Sendung abgegeben werden. Zu Verzögerungen bei der Ausschüttung kann es wegen verspäteter oder unvollständiger Meldungen der Sendeunternehmen kommen, oder auch deshalb, weil die GVL die von den Sendeunternehmen gemeldeten Informationen aufbereiten muss. Unter Aufbereitung der Meldedaten ist zum einen die Bereinigung von Doppelmeldungen zu verstehen, aber auch die Anreicherung der Meldungen mit weiteren Angaben, um ausübenden Kunstschaffenden ihrerseits die Meldung zu erleichtern. Die GVL hat im Jahr 2010 die Kriterien für die Verteilung an ausübende Künstlerinnen und Künstler an die auch von ausländischen Schwestergesellschaften verwendeten Kriterien angeglichen. Im Jahr 2016 hat sie anlässlich des Inkrafttretens des Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG) die Verteilung an Tonträgerherstellungsunternehmen geändert und musste auch im Übrigen ihre Geschäftsprozesse an die geänderte Rechtslage anpassen. 1. Ist der Bundesregierung die Anzahl der Anfragen, die an den Beschwerdeausschuss der GVL in den letzten zwei Jahren gestellt worden sind (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller), bekannt? a) Wenn ja, wie viele Beschwerden hat es in den Jahren 2017/2018 gegeben ? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 1b werden gemeinsam beantwortet. Nach § 12.2 des Gesellschaftsvertrages der GVL in der Fassung vom 18. April 2019 (abrufbar unter www.gvl.de/gvl/dokumente-und-formulare) entscheidet der Beschwerdeausschuss der GVL nur über Beschwerden, denen die Geschäftsführung der GVL nicht abgeholfen hat. Im Zeitraum 2017/2018 musste der Beschwerdeausschuss nach Kenntnis der Bundesregierung nicht über Beschwerden entscheiden. 2. Wie viele Beschwerden sind beim DPMA im Zeitraum von 2010 bis 2019 im Zusammenhang mit der GVL eingegangen? Im Zeitraum 2010 bis 2019 sind beim DPMA insgesamt 167 die GVL betreffende Beschwerden eingegangen. Drucksache 19/16459 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Konnten die Problemstellungen, die zu diesen Beschwerden geführt haben , durch die Hilfestellung des DPMA behoben werden? Wenn nein, warum nicht? Die aufsichtsrechtliche Prüfung des DPMA hat bei der weit überwiegenden Zahl der Beschwerden ergeben, dass ein aufsichtsrechtliches Einschreiten nicht veranlasst war, weil die GVL keine der ihr nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWahrnG) bzw. VGG obliegenden Pflichten verletzt hatte. Einige Beschwerden haben dazu geführt, dass die GVL auf entsprechenden Hinweis des DPMA hin die Regelungen ihres Verteilungsplans angepasst hat. 4. Wie erklärt sich die Bundesregierung die jährlich steigenden Aufwendungen für den IT-Bereich der GVL (vgl. www.gvl.de/sites/default/files/publi cations/download/gvlgeschaefts-transparenzbericht-2017.pdf und www.gv l.de/sites/default/files/publications/download/gvltransparenz-undgeschaeft sbericht2016.pdf), ohne dass sich die Ausschüttungsquote oder die Menge der noch nicht vollständig abgearbeiteten Jahre entschieden verringert hat? Der Anstieg der IT-Kosten der GVL ist im Wesentlichen dem Umstand geschuldet , dass die GVL die Kriterien für die Verteilung an ausübende Künstlerinnen und Künstler und an Tonträgerhersteller geändert hat (siehe Vorbemerkung der Bundesregierung). 5. Ist der Bundesregierung ein Geschäftsjahr seit 2010 bekannt, in dem die GVL alle Entgelte restlos verteilen konnte? An Tonträgerhersteller hat die GVL die auf diese entfallenden Einnahmen der Jahre 2010 bis 2015 vollständig und die Einnahmen der Jahre 2016 bis 2018 zu über 80 Prozent ausgeschüttet. An ausübende Kunstschaffende hat die GVL die Einnahmen der Jahre 2010 bis 2012 mit Ausnahme der Unterbudgets für Dokusoaps, musikalische Einzelbeiträge in Fernsehsendungen, Dokumentarfilme, Musik in Hörspielen und Lesungen sowie für Jingles und Werbung vollständig ausgeschüttet. 6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob Künstler aufgrund nicht ausgekehrter Erlöse aus ihren Leistungsschutzrechten Transferleistungen beziehen mussten? a) Wenn ja, wie viele Personen betrifft dies (bitte nach Personengruppen, Alter und Jahr aufschlüsseln)? b) Wie hoch waren bzw. sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Transferleistungen für den Zeitraum 2010 bis 2019, die aufgrund nicht ausgekehrter Leistungen gezahlt werden mussten? Die Fragen 6 bis 6b werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16459 7. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, warum es Differenzen in der Auszahlungsquote zwischen sog. Majors, Independents und Einzelkünstlern bei der GVL gibt (Quelle: internes Schreiben an die Geschäftsleitung der GVL, welches den Fragestellern vorliegt)? a) Wenn ja, welche Gründe gibt es dafür, und in welchen Größenordnungen bewegen sich die Unterschiede (bitte nach Jahren seit 2010 und Gruppen aufschlüsseln)? b) Wenn nein, warum kann die Bundesregierung hier keine Gründe angeben ? Die Fragen 7 bis 7b werden gemeinsam beantwortet. In den Verteilungsplänen der GVL wird nicht zwischen Major- und Independent-Labels unterschieden (vgl. insb. Punkt I.1. der Verteilungspläne der GVL für die Jahre 2010 bis 2016, abrufbar unter: www.gvl.de/gvl/dokumen te-und-formulare). Unterschiedlich hohe Ausschüttungen an einzelne Tonträgerherstellungsunternehmen sind einer unterschiedlich starken Nutzung des jeweiligen Repertoires geschuldet. Auch die Aufteilung der Einnahmen zwischen ausübenden Kunstschaffenden und Tonträgerherstellungsunternehmen ergibt sich aus den jeweils geltenden Verteilungsplänen. Sie hat sich im angefragten Zeitraum nicht geändert. Die Vergütung für das Senden erschienener Tonträger, die Vervielfältigung und die Zugänglichmachung von Tonträgern sowie für den Verleih von erschienenen Tonträgern und Filmen werden im Verhältnis 50 Prozent zu 50 Prozent zwischen ausübenden Künstlerinnen und Künstlern und Tonträgerherstellungsunternehmen aufgeteilt. Die Aufteilungssätze betragen bei der öffentlichen Wiedergabe (ausgehend von einem Gesamtverhältnis von 55 Prozent zu 45 Prozent ) bei Tonträgern und Tonträger begleitenden Bildtonträgern (Videoclips) 50 Prozent zu 50 Prozent, bei der öffentlichen Wiedergabe von Radiosendungen 60 Prozent zu 40 Prozent und bei der öffentlichen Wiedergabe von Fernsehsendungen 90 Prozent zu 10 Prozent Die Aufteilung der Erlöse für die private Vervielfältigung ergibt sich – auch für die Veranstaltenden – aus der Zuweisung der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) an die Berechtigtengruppen der GVL und dem jeweiligen Anteil des Repertoires, an dem ihnen Rechte zustehen. 8. Ist der Bundesregierung die Problematik bekannt, dass Sammelausschüttungen der GVL über mehrere Jahre aufgrund des dann oftmals gegebenen Überschreitens des Grundfreibetrages eine Einkommensteuerpflicht bei den Empfängern begründen, die insbesondere für Versorgungsbezieher zu Nettovermögensverlusten führt? a) Wenn ja, welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus dieser Problematik? b) Wenn nein, warum kommt die Bundesregierung in diesem Punkt ihrer Aufsichtspflicht nicht nach? Die Fragen 8 bis 8b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse zur steuerlichen Auswirkung von Sammelausschüttungen der GVL im Einzelfall. Drucksache 19/16459 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Liegt der Bundesregierung eine Zeitplanung vor, bis wann die GVL ihre IT-Umstellung so weit optimiert hat, dass eine gesetzeskonforme Jahresabrechnung der Sendemeldungen erfolgen kann? a) Wurde diese Zeitplanung von der zuständigen Aufsichtsbehörde DPMA geprüft und für valide befunden? b) Liegt der Zeitplanung eine dokumentierte IT-Projektplanung (Zeitund Ressourcenplanung) zugrunde? Die Fragen 9 bis 9b werden gemeinsam beantwortet. Verzögerungen bei der Ausschüttung sind nicht nur auf eine noch nicht hinreichend optimierte Informationstechnik der GVL zurückzuführen, sondern insbesondere auch auf verspätete oder unvollständige Meldungen der Sendeunternehmen (vgl. Vorbemerkung der Bundesregierung). Der von der Gesellschafterund Delegiertenversammlung der GVL verabschiedeten Budgetplanung liegt eine detaillierte Zeit- und Ressourcenplanung zugrunde. Bei der Aufstellung dieser Planung wurde die GVL von einem anerkannten IT-Experten beraten. Aus Sicht des DPMA besteht derzeit kein Anlass, insoweit aufsichtsrechtlich einzuschreiten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16459 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333