Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Judith Skudelny, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16187 – Brände und Gefahren bei beschädigten E-Fahrzeugen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Mobilität der Zukunft wird nach Ansicht der Fragesteller aus einem Antriebsmix aus Verbrennungsmotor und E-Fahrzeugen, Wasserstoff- oder Brennstoffzellen, Hybrid- und Gasantrieben bestehen. Ein Großteil der neu zugelassenen Fahrzeuge wird nach Ansicht der Fragesteller aufgrund der Fördermaßnahmen der Bundesregierung elektrisch betrieben sein. Es ist nach Ansicht der Fragesteller anzunehmen, dass durch den wachsenden Anteil von alternativ angetriebenen Fahrzeugen ebenso der Anteil von defekten oder verunfallten Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zunehmen wird. Von Lithium-Ionen-Batterien geht nach Ansicht der Fragesteller eine besondere Brandgefahr aus, da defekte oder beschädigte Batterien das Risiko der Selbstentzündung bergen. Bei einem Gewicht von über 500 Gramm sind die Unfallsicherung, der Abtransport und die Entsorgung in dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) gefahrengutrechtlich geregelt. Hieraus ergeben sich neue Herausforderung für die Ersthelfer und Einsatzkräfte sowie Transporteure vor Ort. Arbeitsanweisungen gibt hierfür die Landesfeuerwehrschule Baden- Württemberg (lfs-bw.de/Fachthemen/Einsatztaktik-fuehrung/Sonstiges/ Documents/Einsatzhinweise_Alternative_Antriebe.pdf). Folgt man diesen, steht am Anfang des Einsatzes die Identifikation der Antriebsform . Das einzige aus sicherer Entfernung sichtbare Merkmal ist dabei der Buchstabe „E“ im Kennzeichen. Ist dieses aber nicht sichtbar, so ist eine sichere Identifikation nicht möglich. Einsatzhinweise sind auch nach dem Grad der Beschädigung der Lithium-Batterie zu unterschieden. Die Bestimmung des genauen Beschädigungsgrads ist aber selbst für Spezialisten schwer vorzunehmen. Innere Beschädigungen sind grundsätzlich nicht auszuschließen und die Untersuchung des gesamten Batterieblocks ist schon aus praktischen Gründen im Einsatz oftmals nicht möglich. Folglich ist nach Ansicht der Fragesteller auch das Entzündungsrisiko kaum einschätzbar. Einsatzkräfte sind angehalten, die besonderen Bedingungen eines Brands von Lithium-Ionen-Batterien beim Einsatz zu berücksichtigen. Als effektive Brandbekämpfungsmittel stehen den Einsatzkräften vor Ort Wasser, Metallbrandpulver , Löschgase oder Sand zur Verfügung. Metallbrandpulver und Löschgase stehen je nach Ausmaß des Brands aber nicht in ausreichender Deutscher Bundestag Drucksache 19/16514 19. Wahlperiode 15.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra struktur vom 10. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Menge zur Verfügung. Die Brandbekämpfung durch Sand ist ebenso aufgrund der benötigten Menge im Einsatz nach Ansicht der Fragesteller nicht praktikabel . Die Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg empfiehlt daher, Wasser als Löschmittel einzusetzen. Auch hieraus ergeben sich aber Gefahren durch die elektrische Leitfähigkeit und die vermehrte Entstehung von giftigem Fluorwasserstoff . Aufgrund des Kühlungseffekts eignet sich Wasser aber neben der Brandbekämpfung auch zur Absenkung der Temperatur und somit zur Minimierung des Rückzündrisikos (www.lfs-bw.de/Fachthemen/Einsatztaktik-fu ehrung/Sonstiges/Documents/Einsatzhinweise_Alternative_Antriebe.pdf, S. 13). Beschädigte Lithium-Batterien bergen nach Ansicht der Fragesteller aber in jedem Fall ein Rückzündrisiko. Das Gefahrengutrecht schreibt für Sicherung und Abtransport einen ADR-Führerschein, ein nach ADR zertifiziertes Unternehmen und eine spezielle Verpackung zur Verhinderung einer Rückzündung, deren Anforderungen in der ADR P911 bestimmt sind, vor (www.bde.de/as sets/public/Dokumente/Sonderabfall/Broschure-Lithiumbatterien-Aktualisie rung-2019.pdf). Die Bereitstellung eines entsprechenden Behältnisses kann nach Ansicht der Fragesteller derzeit nicht sichergestellt werden. Das größte Hindernis ist nach Ansicht der Fragesteller dabei, dass keine Normierung der Anforderungen an ein solches Behältnis existiert und somit jede Verpackung behördlich geprüft und abgenommen werden muss. Als Zwischenlösung fungieren bei Bedarf zwei Container der PORSCHE AG. Die Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg empfiehlt daher bei hohem Rückzündrisiko den Abtransport zu einem zertifizierten Entsorgungsbetrieb in Begleitung der Feuerwehr . Zertifizierte Betriebe sind zwar in Deutschland zahlreich vorhanden, der Weg dorthin bindet allerdings Ressourcen der Feuerwehr und ist kostenintensiv . Die Herausforderung für die Einsatzkräfte und entsprechende Gefahren für diese und Beteiligte sowie die Umwelt variieren je nach Einsatzbedingungen (beispielsweise in Tunneln oder Parkhäusern). Aufgrund der Rauchkonzentration , optischen oder physischen Hindernisse sind hier die Identifikation des Antriebs, der Löschvorgang, die Kühlung, die Sicherung und der Abtransport weiter erschwert. Ebenso wie der Anteil defekter oder verunfallter Fahrzeuge, wird der Anteil öffentlicher und privater Ladestationen und Wallports zunehmen. Diese sind auch in Garagen eingebaut und stellen somit den Gebäudebrandschutz vor neue Herausforderungen. Wo Ladestationen sind, stehen konsequenterweise häufig elektrisch betriebene Autos. Hier müssen insbesondere die Entstehung von Fluorwasserstoff und die Gefahr der Selbstentzündung von funktionierenden , aber beschädigten Batterien Niederschlag finden. Insgesamt betrachtet stellen verunfallte und beschädigte alternativ betriebene Fahrzeuge die Einsatzkräfte und die Brandschutzverordnung vor neuartige Herausforderungen , die in der Zukunft zunehmen werden. Es ist dringend erforderlich , dass die Einsatzkräfte und Kommunen auf die Entwicklung durch die Bereitstellung von fachgerechter Ausrüstung für die Brandbekämpfung, die Sicherung und den Transport reagieren und entsprechend geschult sind. Inwiefern die fachlichen und praktischen Kenntnisse vorhanden sind, kann derzeit nicht beurteilt werden.  1. Plant die Bundesregierung eine Anpassung des Gefahrgutrechts hinsichtlich des Abtransports von E-Fahrzeugen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Nein. Für den Transport gefährlicher Güter wurden internationale Regelwerke geschaffen, mit denen der sichere Transport dieser Güter grundsätzlich gewährleistet ist. Drucksache 19/16514 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße gilt das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Auch Lithiumbatterien und batteriebetriebene Fahrzeuge unterliegen den Vorschriften des Gefahrgutrechts. Sofern Fahrzeuge im Straßenverkehr als Ladung befördert werden, gilt für diese jedoch lediglich die Anforderung, dass die in Fahrzeugen eingebauten Lithiumbatterien einem nach Teil III Unterabschnitt 38.3 UN Handbuch Prüfungen und Kriterien geprüften Typ entsprechen müssen . Diese Typprüfung ist für alle zu befördernden Lithiumbatterien vorgesehen . Weitere Anforderungen an die Beförderung der Fahrzeuge werden nicht gestellt. Bei einem Unfall eines E-Fahrzeuges kann es dazu kommen, dass die Batterie durch eine Beschädigung nicht mehr einem geprüften Typ entspricht. Ein Abtransport von Fahrzeugen im Rahmen von Notfallmaßnahmen durch die zuständigen Behörden oder unter deren Aufsicht ist jedoch von den Vorschriften des ADR freigestellt (Unterabschnitt 1.1.3.1 d des ADR). Außerhalb von Notfallbeförderungen kommt ebenfalls eine spezielle Regelung zur Anwendung: Sofern die Beschädigung oder der Defekt keinen maßgeblichen Einfluss auf die Sicherheit der Batterie hat, kann das Fahrzeug ohne spezielle Anforderungen weiter befördert werden. Andernfalls soll die Batterie nach Möglichkeit entnommen werden und nach den speziellen Bedingungen für beschädigte Batterien befördert werden. Wenn dies nicht möglich ist, darf das Fahrzeug auch als Ganzes abgeschleppt und befördert werden. Für das Abschleppen bzw. Befördern des gesamten Fahrzeuges gibt es derzeit keine weiteren spezifischen gefahrgutrechtlichen Anforderungen.  2. Wie viele geeignete Behältnisse nach ADR P911 sind der Bundesregierung in Deutschland bekannt (bitte nach Anzahl, Eigentümer und Ort aufstellen)?  3. Ist die Versorgung nach Ansicht der Bundesregierung durch die in Frage 2 erfragten Behältnisse flächendeckend gesichert? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Für beschädigte Lithiumbatterien, die während der Beförderung gefährlich reagieren können, gibt es die Möglichkeit, die Beförderung gemäß den Festlegungen der zuständigen Behörde durchzuführen (Einzelfallfestlegungen) oder eine Verpackung zu verwenden, deren Leistungsmerkmale nach einem von der zuständigen Behörde festgelegten Prüfverfahren validiert wurde (Verpackung nach Verpackungsanweisung P 911 oder LP 904). Zuständige Behörde für die Festlegungen ist in Deutschland die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Die Möglichkeit der Verfahrensfestlegungen nach P911/LP906 besteht erst seit dem ADR 2019. Damit kann der Inhaber eigene Verpackungen nach dem festgelegten Verfahren qualifizieren. In Deutschland wurde eine Verfahrensfestlegung nach P911/LP906 ausgestellt, zwei weitere Anträge liegen vor. Firmennamen im Einzelnen dürfen aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden. Die Anzahl und die Standorte der jeweils hergestellten Behältnisse sind der Bundesregierung nicht bekannt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16514  4. Wer ist nach Ansicht der Bundesregierung für die Beschaffung von Transportbehältnissen zuständig? Wenn nach ADR eine spezielle Verpackung zu verwenden ist, hat nach § 18 Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) der Absender dafür zu sorgen, dass nur Verpackungen verwendet werden, die zugelassen und geeignet sind.  5. Plant die Bundesregierung, die Kommunen zur Bereitstellung von geeigneten Behältnissen zu verpflichten?  6. Plant die Bundesregierung, die Kommunen bei der Beschaffung geeigneter Behältnisse zu unterstützen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach dem Batteriegesetz (BattG) sind Hersteller von Industriebatterien, wozu Batterien zum Antrieb von Elektrofahrzeugen gehören, verpflichtet, sowohl den Vertreibern für zurückgenommene als auch den Behandlungseinrichtungen für dort anfallende Industriebatterien eine kostenfreie Möglichkeit der Rückgabe anzubieten und diese Batterien nach dem Stand der Technik zu behandeln und zu verwerten. Für Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ist keine Regelung zur Rücknahme von Industriebatterien im BattG enthalten.  7. Plant die Bundesregierung eine Änderung der Zulassung von geeigneten Behältnissen nach ADR P911, um den Genehmigungsprozess zu beschleunigen ? Nein.  8. Wie viele Brände von E-Fahrzeugen sind der Bundesregierung bekannt (bitte nach Datum, Anzahl und Ort aufstellen)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Informationen vor.  9. Gibt es eine Datenbank, welche zum Abtransport zertifizierte Unternehmen listet und auf welche Einsatzkräfte schnell zugreifen können? Rechtsgrundlage für die Entsorgung von Altfahrzeugen (zu denen auch die Fahrzeuge der Elektromobilität zählen) ist die Altfahrzeugverordnung (Altfahrzeug V). Danach sind die Hersteller von Fahrzeugen verpflichtet, flächendeckende Rückgabemöglichkeiten für Altfahrzeuge für die Letzthalter zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Annahme- und Rücknahmestellen sowie Demontagebetriebe für Altfahrzeuge müssen den Vorgaben der Altfahrzeugverordnung zufolge anerkannt sein, damit sie Altfahrzeuge annehmen und demontieren dürfen. Die Anerkennung erfolgt dabei durch entsprechende Sachverständige . Diese müssen der Gemeinsamen Stelle der Länder (GESA) mitteilen, welche Betriebe von ihnen anerkannt wurden. Die GESA veröffentlicht die entsprechenden Daten (www.altfahrzeugstelle.de). Drucksache 19/16514 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Wie plant die Bundesregierung, Einsatzkräfte auf die neuen Herausforderungen durch E-Fahrzeuge vorzubereiten? Das Rettungswesen sowie die Brandbekämpfung gehören zur allgemeinen Gefahrenabwehr, für die nach Artikel 30 und Artikel 70 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) die Länder zuständig sind. Maßnahmen der Brandbekämpfung führen die Länder bzw. die örtlich zuständigen Kommunen und Landkreise als eigene Angelegenheit durch. Im Rahmen der Erfüllung seiner grundgesetzlichen Aufgabe nach Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 GG ergänzt der Bund den Katastrophenschutz der Länder in den Aufgabenbereichen Brandschutz, ABC-Schutz, Sanitätswesen und Betreuung für Zwecke des Zivilschutzes (§ 13 Absatz 1 ZSKG). Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 13 Absatz 3 ZSKG dürfen die Länder diese ergänzende Ausstattung auch im Katastrophenfall nutzen (Doppelnutzen). Die Sicherstellung einer angemessenen Ausbildung von Einsatzkräften im Rahmen der allgemeinen örtlichen Gefahrenabwehr im Bereich des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung ist eine kommunale Pflichtaufgabe und liegt allein in der Zuständigkeit der Länder bzw. der betroffenen Kommunen (Artikel 30, 70 GG). 11. Plant die Bundesregierung Änderungen des Gebäudebrandschutzes bezüglich des Baus von Ladestationen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Nein, da der Brandschutz in Gebäuden Teil des Bauordnungsrechts ist und somit in der alleinigen Zuständigkeit der Bundesländer liegt. 12. Wer entscheidet und ist verantwortlich für die Bewertung, ob die Batterie unbeschädigt ist oder eine potenzielle Schädigung vorliegen kann und diese dann entsprechend dem Gefahrengutrecht transportiert werden muss? Gibt es hierzu Vorschriften? Wenn ja, welche? Auch nicht beschädigte Lithiumbatterien unterliegen den Vorschriften des Gefahrgutrechts . Die Sondervorschrift 376 des ADR enthält Regelungen zu beschädigten Lithiumbatterien. Demnach muss bei der Beurteilung, ob eine Batterie beschädigt oder defekt ist, der Batterietyp und die vorherige Verwendung und Fehlnutzung der Batterie berücksichtigt werden. Verantwortlich ist der Absender bzw. der Auftraggeber des Absenders (§§ 17, 18 GGVSEB). Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16514 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333