Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Leidig, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/15761 – Zukunft des Nachtzugverkehrs V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zuge der sich ausweitenden Klimaproteste wird aktuell wieder mehr über die Nachtzüge gesprochen, ermöglichen sie doch ein klimafreundliches und zugleich komfortables Reisen mit der Bahn auch über weite Strecken. Dabei wird wesentlich weniger Energie verbraucht und werden wesentlich weniger klimaschädliche Gase ausgestoßen, als bei einem Flug auf der gleichen Strecke (vgl. Umweltbundesamt: „Daten zum Verkehr“). Während Reisen von vielen Stunden in der Bahn von den meisten Menschen als lang empfunden werden , ist nach Ansicht der Fragesteller auch eine zehnstündige Reise schlafend über Nacht eine gute Alternative auf Langstrecken. Damit haben Nachtzüge das Potenzial, viele innereuropäische Flüge auf die wesentlich umweltschonendere Bahn zu verlagern. Mit Nachtzügen sind hier keine Züge allein mit Sitzwagen gemeint, sondern Züge, die durch Schlaf- und/oder Liegewagen auch ein komfortables Reisen über Nacht im Schlaf ermöglichen – ergänzt durch Sitzwagen. Nur so können Nachtzüge mehrere Funktionen für unterschiedliche Bedürfnisse von Reisenden erfüllen: Hotel- bzw. Hostel-Standard für die Langstrecke sowie Sitzwagen für die nächtlichen Kurzstrecken und Spät- bzw. Frühpendlerinnen und Spät- bzw. Frühpendler. Noch vor wenigen Jahren wurden nach Ansicht der Fragesteller die Initiativen der Opposition für den Erhalt der Nachtzüge eher belächelt (vgl. Bundestagsdrucksachen 18/2494 und 18/7904). Inzwischen wird aber wieder zunehmend über eine Wiederausweitung des Nachtzugverkehrs und über neue Linien diskutiert . Angeblich denkt inzwischen sogar die Deutsche Bahn AG (DB AG) über eine Renaissance des Nachtzugverkehrs nach (vgl. Wirtschaftswoche vom 13. September 2019: „Deutsche Bahn prüft Comeback der Nachtzüge“). In Schweden wird der Nachtzugverkehr in Anbetracht einer deutlich ansteigenden Nachfrage bereits ausgeweitet, und die Schweiz denkt intensiv über einen Wiedereinstieg in das Nachtzuggeschäft in Kooperation mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) nach (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 3. August 2019: „Renaissance des Schlafwagens“). Nach dem Ausstieg der DB AG aus dem Nachtzuggeschäft im Dezember 2016 hatten die ÖBB einen Teil der Strecken übernommen und ihre gesamte Nachtzugsparte unter der Marke „NightJet“ neu aufgestellt. Sehr schnell wur- Deutscher Bundestag Drucksache 19/16579 19. Wahlperiode 17.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra struktur vom 15. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. de klar, dass diese Bemühungen offensichtlich sehr erfolgreich waren und die Züge auch wirtschaftlich stabil betrieben werden können (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Januar 2018: „Österreichische Bahn zufrieden mit Nachtzügen in Deutschland“; Manager-Magazin vom 5. Januar 2019: „Der neue Boom der Nachtzüge“). Damit straften die ÖBB auch die DB AG Lügen, die in den Nachtzügen lediglich unvermeidliche Verlustbringer gesehen hatte (vgl. die Aussagen des damaligen DB-Vorstands Ulrich Homburg, Protokoll des Bundestagsausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur 18/26 vom 14. Januar 2015). Die ÖBB haben zwischenzeitlich sogar noch weitere Nachtzuglinien (u. a. Berlin – Wien) übernommen, werden in den nächsten beiden Jahren weitere Linien einrichten (Brüssel – Wien und Amsterdam – Wien) und denken über zusätzliche Linien nach, insbesondere, wenn ab Ende 2022 neue Züge zur Verfügung stehen (vgl. www.oebb.at/de/neuigkeiten/neue-fernverkehrszuege.html sowie Vortrag von Kurt Bauer auf der Konferenz „Flugverkehr und Klimaschutz : Fakten und Forderungen“ in Zürich am 6. September 2019). 1. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Situation und die Zukunft für den Nachtzugverkehr insbesondere in Anbetracht der Bemühungen zum Klimaschutz (bitte ausführlich begründen)? Die Bundesregierung steht einer Ausweitung des Angebotes für Nachtzugverkehre offen gegenüber. Voraussetzung ist eine wirtschaftlich tragfähige Gestaltung des Angebots. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 1 und 8 der Kleinen Anfrage auf Bundestagdrucksache 19/15701 verwiesen. 2. Wie schätzt die Bundesregierung die Aussichten für eine Ausweitung des Nachtzugverkehrs zwischen Deutschland und den Nachbarländern sowie erweiterten Nachbarländern ein (bitte ausführlich begründen und ggf. nach den einzelnen Ländern a) Norwegen, Schweden und Dänemark, b) Niederlande und Belgien, c) Tschechien und Slowakei, d) Polen und Ukraine, e) Ungarn, f) Frankreich, g) Nordspanien (z. B. Barcelona), h) Italien, i) Slowenien und Kroatien aufschlüsseln)? Die Bundesregierung begrüßt Überlegungen zum Ausbau von Nachtzugverbindungen . Aktuell wird im Jahr 2020 der Nachtzug Wien – Düsseldorf der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) mit Schlaf- und Liegewagen an ca. 60 Verkehrstagen bis Brüssel verlängert. Die DB AG unterstützt diese Angebotsanpassung operativ und vertrieblich. Dadurch wird eine Nachtreise von Frankfurt nach Brüssel möglich. Drucksache 19/16579 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Welche Bemühungen zur Schaffung bzw. Wiederherstellung von Nachtzuglinien durch die DB AG oder andere Eisenbahnverkehrsunternehmen sind der Bundesregierung bekannt (vgl. Wirtschaftswoche vom 13. September 2019: „Deutsche Bahn prüft Comeback der Nachtzüge“)? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Darüber hinausgehend hat die Bundesregierung keine eigenen Kenntnisse. 4. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Kooperation zwischen DB AG und ÖBB in Anbetracht der Tatsache, dass die Nachtzüge auch in Deutschland weiterhin von den ÖBB allein verantwortet werden, die deutschen BahnCards dort nicht anerkannt werden und eine weitere Ausweitung der Streckenangebote in und von bzw. nach Deutschland bislang nicht stattgefunden hat (bitte erläutern)? 5. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen und was plant sie weiter , um die erste Forderung des Deutschen Bundestages gemäß Antrag 18/12363 („als Vertreter des Bundes gegenüber dem Vorstand der DB AG anzuregen, dass die bisherigen Kooperationen auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten werden und eine regelmäßige Überprüfung zur Ausweitung der Streckenangebote gerade im grenzüberschreitenden Nacht- und Autoreisezugverkehr auch in kooperativer Zusammenarbeit mit anderen Bahnunternehmen erfolgt“) umzusetzen, und wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Nachtzüge auch in Deutschland weiterhin von den ÖBB allein betrieben werden, die deutschen BahnCards dort nicht anerkannt werden und eine weitere Ausweitung der Streckenangebote in und von bzw. nach Deutschland bislang nicht stattgefunden hat (bitte erläutern)? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung begrüßt die Kooperation der DB AG mit anderen europäischen EVU. Die ÖBB wird künftig die BahnCard innerhalb ihres Geltungsgebietes anerkennen. 6. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, und was plant sie weiter , um die Forderung 5 des Deutschen Bundestages gemäß Antrag auf Bundestagsdrucksache 18/12363 („sich dafür einzusetzen, dass im Nachtzugverkehr ein einheitliches Buchungssystem geschaffen wird, welches Fahrkarten der jeweiligen Länder integriert“) umzusetzen, und wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Nachtzüge in Deutschland bequem, zuverlässig und günstig nur über das Buchungssystem ÖBB gebucht werden können und dass dadurch die Nachtzüge mit anderen Zügen im Vor- und Nachlauf nicht auf einem Ticket kombinierbar sind, was zu höheren Kosten und geringeren Fahrgastrechten für die Kundschaft führt (vgl. Tagesspiegel vom 5. November 2019, www.tagessp iegel.de/wirtschaft/muehsame-online-tickets-wie-ich-fast-daran-verzweifel te-eine-bahnreise-nach-rom-zu-buchen/25182816.html; bitte erläutern)? Nach Auskunft der DB AG bieten die meisten europäischen Anbieter von Schlaf- und Liegewagenverkehren ihre Verkehre im Rahmen eines Globaltarifs an. Häufig ist dieser nicht mit Verbindungen im Zu- und Nachlauf kombinierbar , was zu einem Mehraufwand für den Kunden führt. Die DB AG bietet jedoch standardmäßig die Buchung des ÖBB Nightjet mit Zügen des DB- Fernverkehrs an. Durch eine besondere vertragliche Vereinbarung zwischen der ÖBB und der DB AG gelten dennoch die üblichen Fahrgastrechte. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16579 7. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, und was plant sie weiter , um die Forderung 6 des Deutschen Bundestages gemäß Antrag auf Bundestagsdrucksache 18/12363 („gegenüber dem Vorstand der DB AG dafür einzutreten, dass die Beschäftigten der DB-Tochterfirma DB European Railservice (ERS) GmbH sozialverträglich in alternative Beschäftigungsbereiche innerhalb der DB AG und an andere Nachtzugbetreiber weitervermittelt werden“) umzusetzen, und wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es keinen geregelten Betriebsübergang von der DB ERS GmbH zu anderen Unternehmen der DB AG gab und auch nur sehr wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu den ÖBB bzw. der von ihnen beauftragten Firma „Newrest“ übergegangen sind (bitte erläutern )? Nach Auskunft der DB AG hat die DB Fernverkehr AG im Zuge der Beendigung der Nachtzugverkehre zum Ende 2016 mit den verantwortlichen Arbeitnehmervertretern und den Gewerkschaften der DB European Railservice GmbH (DB ERS) einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt. Betroffen waren zum damaligen Zeitpunkt knapp 420 Mitarbeiter der DB ERS. Es wurde für alle Mitarbeiter eine einvernehmliche Lösung gefunden. 8. Welche Studien, Berichte oder Gutachten zum Nachtzugverkehr wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2015 von der DB AG, der Bundesregierung selbst, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) oder anderen Bundesinstitutionen in Auftrag gegeben , und mit welchem Ergebnis? a) Wo, und wann wurden diese Studien veröffentlicht (bitte tabellarische Auflistung aller Veröffentlichungsorte und Veröffentlichungsdaten, ggf. mit Links), bzw. b) warum wurden diese Studien nicht veröffentlicht (bitte ausführliche Begründung für jede nicht veröffentlichte Studie)? Der Bundesregierung und der DB AG sind derzeit keine Studien bekannt. 9. Wie bewertet die Bundesregierung die Erhöhung der Gebühren für die Nutzung von Autoreisezug-Anlagen, die die Betreiberinnen und Betreiber von Autozügen und kombinierten Nacht-/Autozügen wie die ÖBB trifft (bitte begründen)? Nach Auskunft der DB AG besteht kein Zusammenhang zwischen Nachtzügen und den Entgelthöhen von Autoverlade-Terminals, da Nachtzugverkehre diese Infrastruktur nicht nutzen. Eine Ausnahme bilden kombinierte Nacht-/Autoreisezüge . Beim weit überwiegenden Anteil der Kosten für Autoverlade-Terminals handelt es sich um Fixkosten. Durch den Ausstieg der DB Fernverkehr AG aus dem Segment Autoreisezugverkehre hat sich die Zahl der Nutzungen der Autoverlade-Terminals stark verringert. Dies führt zu steigenden Preisen für die einzelne Nutzung. Drucksache 19/16579 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Welche Trassenpreise zahlten in der Vergangenheit und zahlen heute Nachtzügebetreiber (Annahme einer klassischen Zugkomposition mit Elektrolok der Baureihe 101 + 2 einstöckige Schlafwagen + 3 Liegewagen + 3 Sitzwagen) jeweils pro Zugkilometer nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte jeweils tabellarische Auflistung für die Fahrplanjahre 2000, 2010 und 2020 und folgende Strecken a) Hamburg Altona – Hannover – Fulda – Würzburg – Nürnberg – Augsburg – München, b) Hamburg Altona – Hannover – Fulda – Frankfurt (M.) Süd – Mannheim – Basel (Bad.), c) Berlin Hbf – Magdeburg – Braunschweig – Fulda – Frankfurt (M.) Süd – Basel (Bad.), d) Düsseldorf – Köln Hbf – Koblenz – Frankfurt (M.) Süd – Würzburg – Nürnberg – Augsburg – München, e) Berlin – Wolfsburg – Hannover – Dortmund – Düsseldorf – Köln Hbf)? Die Trassenpreise auf den genannten Relationen fallen nach Angaben der DB AG in folgender durchschnittlicher Höhe an: Relation 2004 2010 2017 2020 Durchnittsentgelt je Trkm Durchnittsentgelt je Trkm Durchnittsentgelt je Trkm Durchnittsentgelt je Trkm a) HH Altona–München 2,67 € 3,05 € 3,62 € 2,67 € b) HH Altona–Basel 2,67 € 3,06 € 3,64 € 2,67 € c) Berlin Hbf–Basel 2,51 € 2,96 € 3,53 € 2,67 € d) Düsseldorf–München 2,35 € 2,55 € 3,02 € 2,67 € e) Berlin–Köln Hbf 2,33 € 2,70 € 3,20 € 2,67 € 11. Wie bewertet die Bundesregierung die Veränderungen der Trassenpreise über die Zeit mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit der Züge (bitte begründen )? Nach Angaben der DB AG hat die DB Netz AG mit der Einführung des Trassenpreissystems 2018 ein eigenes Marktsegment „Nacht“ für SPFV-Verkehre im Zeitraum von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr eingeführt. Für diese Verkehre ist gegenüber dem Trassenpreissystem 2017, das noch auf Streckenkategorien basierte , eine deutliche Absenkung der Trassenentgelte für Nachtverkehre im Zeitraum zwischen 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr erfolgt. 12. Stimmt die Bundesregierung zu, dass eine Bundesfinanzierung von aus betriebswirtschaftlicher Sicht defizitären Nachtzugverbindungen geeignet ist, die Klimaziele Deutschlands durch Verlagerung von Flugverkehr auf die Bahn zu erreichen, auch mit Blick auf die Tatsache, dass in verschiedenen Ländern Europas Nachtzüge Teil des gemeinwirtschaftlichen Verkehrs sind (bitte ausführlich begründen)? Die Bundesregierung begrüßt den Ausbau der Nachtzugverkehre der DB AG und anderer EVU auf Basis schneller Verbindungen, um insbesondere mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu bringen. Da Nachtzüge im Gegensatz zum Schienenpersonennahverkehr nicht Teil des gemeinwirtschaftlichen Verkehrs sind, entscheiden jedoch die EVU über ihr Angebot einschließlich Nachtzugverkehren, welches sie eigenwirtschaftlich verantworten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16579 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333