Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulrike Schielke-Ziesing, René Springer, Martin Sichert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/16034 – Zum Export der neuen Grundrente und zu weiteren Grundrentendetails V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach dem Koalitionsbeschluss der großen Koalition aus CDU, CSU und SPD vom 10. November 2019 soll zum 1. Januar 2021 eine Grundrente in Deutschland eingeführt werden (www.bit.ly/35rkOXq). Dabei sollen niedrige Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Zuschlag aufgewertet werden (ebd.). Mit der Aufwertung der Rentenansprüche soll laut Beschluss ein Niveau oberhalb der Grundsicherung erreicht werden. Überdies soll auch ein Freibetrag für die Einkommen aus der gesetzlichen Rente innerhalb der Grundsicherung eingeführt werden. Voraussetzung für den Rentenzuschlag und den Freibetrag sind jeweils 35 Beitragsjahre bzw. 35 Jahre an „Grundrentenzeiten“ (ebd.). Die Finanzierung sämtlicher Maßnahmen soll aus Steuermitteln erfolgen, vergleiche zum Ganzen den Koalitionsbeschluss vom 10. November 2019. Begünstigt von der neuen Grundrente werden schätzungsweise etwa 1,2 Mio. bis 1,5 Mio. Rentner sein (www.bit.ly/2QFGkDt). Es besteht aus Sicht der Fragesteller ein öffentliches Interesse an einer Klarstellung zu den Details der neuen Grundrente. 1. Welche europarechtlichen Folgen ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung aus der neuen Grundrente, und ist hier aufgrund der Beitragsabhängigkeit ein unionsrechtliches Exportgebot für die Grundrente anzunehmen mit der Folge, dass die anteilige berechnete Grundrente auch in das EU-Ausland zu zahlen ist? 2. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung gemäß dem Konzept der neuen Grundrente ein EU-Export beabsichtigt? Wenn nein, durch welche Maßnahmen wird eine EU-Exportpflicht der Grundrente verhindert? Deutscher Bundestag Drucksache 19/16581 19. Wahlperiode 17.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 15. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 3. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass bei einer vorliegenden EU-Exportpflicht der neuen Grundrente aus Sicht der Inländer, welche die Zugangsvoraussetzung von 35 Jahren sogenannter Grundrentenzeiten nicht erfüllen, nach Auffassung der Fragesteller wahrscheinlich eine neue Art einer „Inländer-Diskriminierung“ vorliegt? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Für Erwerbs- und Versicherungsbiografien in mehreren EU-Mitgliedstaaten (EU-MS) gelten die Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit. Die Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 gelten für alle EU-MS, die EWR-Staaten (Island, Norwegen, Liechtenstein) sowie die Schweiz. Mit Hilfe der Koordinierungsregelungen wird sichergestellt, dass für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit oder der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, in einem Land erworbene Ansprüche der sozialen Sicherheit gewahrt bleiben und nur durch eine Behörde koordiniert werden. Das betrifft nicht nur rentenrechtliche Zeiten von EU- Ausländerinnen und EU-Ausländern, sondern auch von Deutschen, die für einige Zeit in anderen EU-MS gearbeitet haben. Zur Prüfung der Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Grundrente könnten daher als Grundrentenzeiten auch entsprechende rentenrechtliche Zeiten in anderen EU-MS, der Schweiz bzw. EWR-Staaten relevant werden. Dagegen wird die von einem EU-MS zu leistende Rente der Höhe nach nur aus den in diesem EU-MS zurückgelegten Zeiten berechnet. Die genaue Ausgestaltung der Grundrente wird im anstehenden Gesetzgebungsverfahren geklärt werden. Daher sind definitive Aussagen zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Verfahren zu einer Inländerdiskriminierung führen könnte. Insbesondere bestimmen sich die für die Grundrentenberechtigung erforderlichen Grundrentenzeiten für EU-Ausländerinnen und EU-Ausländer nach den gleichen Regelungsvoraussetzungen wie für Deutsche. 4. Welche Folgen ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung aus den bereits vorliegenden bilateralen Sozialversicherungsabkommen (www. bit.ly/2rkP9b7), soweit diese eine Berücksichtigung von ausländischen Rentenversicherungszeiten vorsehen, und der neuen Grundrente? Für Versicherungszeiten in einem Staat, mit dem Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen unter Einbeziehung der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschlossen hat, gelten die Regelungen des jeweiligen Abkommens. Soweit es sich um mit Grundrentenzeiten vergleichbare Zeiten handelt, sind diese grundsätzlich bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Grundrente zu berücksichtigen. Drucksache 19/16581 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Wie viele Rentner wären nach Kenntnis der Bundesregierung auf Basis des Jahres 2018 bei der neuen Grundrente bezugsberechtigt, und wie hoch wären die Gesamtkosten (bitte soweit möglich nach den zugrunde gelegten Berechnungsfaktoren wie den Bezugsberechtigten in West und Ost, EU-Ausland, sonstigem Ausland, dem Geschlecht sowie dem „Aufwertungsbetrag “ und der Gesamtrente jeweils im Durchschnitt und Median aufschlüsseln)? 6. Wie viele Rentner wären nach Kenntnis der Bundesregierung bei der neuen Grundrente bezugsberechtigt auf der Basis des Jahres 2021 – dem Jahr der Einführung der Grundrente, vgl. Vorbemerkung der Fragesteller, und wie hoch wären die Gesamtkosten (bitte soweit möglich nach den zugrunde gelegten Berechnungsfaktoren wie den Bezugsberechtigten in West und Ost, EU-Ausland, sonstigem Ausland, dem Geschlecht sowie dem „Aufwertungsbetrag “ und der Gesamtrente jeweils im Durchschnitt und im Median aufschlüsseln)? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Nach dem Koalitionsbeschluss vom 10. November 2019 werden etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Rentnerinnen und Rentner von der Grundrente profitieren. Konkretere Zahlen zu Begünstigten und die damit verbundenen Kosten können erst genannt werden, wenn ein in der Bundesregierung abgestimmter Gesetzentwurf vorliegt. 7. Wie hoch wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Finanzierungsanteil zur neuen Grundrente durch die noch einzuführende Finanztransaktionssteuer in den Jahren 2021 bis 2025 jeweils sein (bitte tabellarische Angaben in Euro und in Prozent)? Die Bundesregierung geht davon aus, dass das jährliche Steuermehraufkommen aus der Finanztransaktionsteuer im gennannten Zeitraum rund 1,5 Mrd. Euro betragen dürfte. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 8. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass über die einzuführende Finanztransaktionssteuer (FTT) ein wesentlicher Finanzierungsbetrag zur Grundrente zum großen Teil durch die mit der FTT belasteten Kleinaktionäre und Kleinsparer von Fondanteilen aufgebracht werden soll (www.bit.ly/34aw89X), welche ihrerseits private Altersvorsorge betreiben ? Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde vereinbart, dass an dem Ziel, eine Finanztransaktionsteuer im europäischen Kontext einzuführen, festgehalten wird. In diesem Jahr beschlossen die Finanzminister der verstärkten Zusammenarbeit, den Verhandlungen einen neuen Impuls zu geben und die Bemessungsgrundlage einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene an dem Modell der in Frankreich bereits eingeführten und bewährten Finanztransaktionsteuer zu orientieren. Frankreich besteuert den Erwerb von Aktien von Unternehmen, die die Grenze einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. Euro überschritten haben. Ebenfalls wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Grundrente einzuführen. Nach dem Grundsatz der Gesamtdeckung dienen alle Steuereinnahmen der Finanzierung aller Ausgaben. Mit der Umsetzung beider im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele kommt es zum einen zu haushaltsrelevanten Einnahmen und andererseits zu haushaltsrelevanten Ausgaben. Eine Zweckbindung entsteht vor diesem Hintergrund nicht. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16581 9. Mit welchen Regelungen und Kontrollmechanismen wird nach Kenntnis der Bundesregierung eine vollständige Erstattung der Kosten der neuen Grundrente für die Deutschen Rentenversicherung dauerhaft sichergestellt (bitte die rechtlichen Grundlagen benennen)? Die Grundrente wird vollständig durch eine Anhebung des allgemeinen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung finanziert, damit es nicht zu einer Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in der Rentenversicherung kommt. 10. Bezieht sich nach Kenntnis der Bundesregierung die geplante Aufwertung (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller) auf die letzten 35 Beitragsjahre oder die 35 Beitragsjahre mit den niedrigsten Entgeltpunkten? Die geplante Aufwertung bezieht sich auf den Durchschnittswert an Entgeltpunkten aus allen Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten. Die genaue Ausgestaltung der Grundrente wird im Gesetzgebungsverfahren geklärt werden. 11. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus den Aussagen von Prof. Dr. Franz Ruland in seinem Gutachten zur Grundrente, Seite 5 ff. (www.bit.ly/37w5KcC), der hinsichtlich des Zugangs zur Grundrente von einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Rentner mit weniger als 35 Beitragsjahren ausgeht? 12. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenen Handelns zieht die Bundesregierung aus der Aussage von Prof. Dr. Franz Ruland in seinem Gutachten zur Grundrente, Seite 5 f. (www.bit.ly/37w5KcC), der hinsichtlich des neuen Freibetrages bei der Grundsicherung von einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Rentner mit weniger als 35 Jahren an Grundrentenzeiten ausgeht? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Der Gesetzgeber hat ein gesetzgeberisches Ermessen bzgl. der Auswahl des richtigen Mittels zur Verfolgung des von ihm angestrebten Ziels, hier insbesondere der Anerkennung der Lebensleistung. Diese Entscheidungsprärogative umfasst innerhalb der Grenzen des Artikels 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) auch die Auswahl der Kriterien für die Festlegung der Begünstigten einer gesetzlichen Regelung. Mit der Regelung eines Übergangsbereichs in Bezug auf die erreichte Dauer der Grundrentenzeiten nimmt der Gesetzgeber seine Ausgestaltungsfreiheit wahr und mildert damit die Kriterien zur Begrenzung der nach Artikel 3 Absatz 1 GG gleich zu behandelnden Gruppe der Anspruchsberechtigten . 13. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus dem Hinweis des genannten Wissenschaftlers in seinem Gutachten zur Grundrente, Seite 16 (ebd.), hinsichtlich ungelöster Fragen zur Behandlung von nichtehelichen Gemeinschaften und einer von ihm befürchteten Ungleichbehandlung von nichtehelichen Gemeinschaften und verheirateten Paaren? Der Gesetzgeber hat ein gesetzgeberisches Ermessen bzgl. der Auswahl des richtigen Mittels zur Verfolgung des von ihm angestrebten Ziels, hier insbesondere der Anerkennung der Lebensleistung bei gleichzeitiger Zielgenauigkeit einer Leistung. Dabei können auch Möglichkeiten der technischen Umsetzung ei- Drucksache 19/16581 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode nes Vorhabens in einer Massenverwaltung in die Erwägung einbezogen werden. Die genaue Ausgestaltung der Grundrente wird im Gesetzgebungsverfahren geklärt werden. 14. Welche positiven und negativen Lenkungswirkungen der neuen Grundrente werden durch die Bundesregierung erwartet? Die Grundrente zielt auf die Anerkennung der Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder (sozialversicherungspflichtig ) selbstständig tätig waren, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben. Diese Menschen sollen nach einem langen Erwerbsleben, auch bei unterdurchschnittlichem Einkommen, besser dastehen als jemand, der wenig oder gar nicht gearbeitet und somit wenige oder keine rentenrechtlichen Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Damit kann das Vertrauen in das Grundversprechen des Sozialstaats und in die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16581 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333