Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16094 – Videoüberwachungsysteme in Schlachthöfen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Obwohl es seitens der zuständigen Behörden und auch aus der Schlachtwirtschaft selbst in der Vergangenheit vielfältige Initiativen gab, um den Tierschutz im Schlachtprozess zu verbessern, wurden einzelne Verstöße bekannt. Die Berichte über vereinzelte tierschutzrechtliche Verstöße in Schlachthöfen und Misshandlungen von Schlachttieren riefen eine Debatte über die Effizienz und Wirksamkeit der bisherigen Kontrollen hervor. Die Bundesländer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fordern die Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag dazu auf, kameragestützte Überwachungssysteme in Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere einzuführen (www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0001-0100/69-19.pdf ?__blob=publicationFile&v=1). Derzeit stehen jedoch datenschutzrechtliche Fragen im Raum, die eine verpflichtende Kameraüberwachung und auch die weitergehende Übermittlung der Daten für die amtliche Überwachung betreffen . Landwirtschaftliche Betriebe und ihre betrieblichen Prozesse sind besonders mit Regelungen konfrontiert, wovon viele dieser Regelungen Dokumentationspflichten und Meldungen von betrieblichen Informationen sind (Rothfuß , Kathrin Maria, Bürokratie in landwirtschaftlichen Betrieben – Dargestellt am Beispiel von Milchviehbetrieben in Baden-Württemberg, Dissertation, 2012, www.d-nb.info/1037391500/34, Abruf 12. November 2019). Diese im Allgemeinen als Bürokratie bezeichneten Auflagen belasten vor allem kleinere Betriebe, auch solche der Fleischwirtschaft, wie etwa Direktvermarkter, in besonderem Maße. Nach Auffassung der Fragesteller muss daher im Bestreben das Kontrollwesen, auch mit Hilfe technischer Maßnahmen, besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, landwirtschaftliche Betriebe der Fleischwirtschaft nicht durch Dokumentations- und Informationspflichten unverhältnismäßig zu belasten. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16582 19. Wahlperiode 17.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 15. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wie bewertet die Bundesregierung die von den Ländern Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen in den Bundesrat eingebrachte Initiative zur Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere? Der Entschließung gingen die Aufdeckung von Tierschutzverstößen und Ankündigungen aus den Ländern als Reaktion auf von durch Nichtregierungsorganisationen aufgedeckte Tierschutzverstöße an mehreren Schlachthöfen voraus. Aus Sicht der Bundesregierung ist zu prüfen, ob Verfolgung und Verhinderung dieser und weiterer in jüngerer Zeit bekannt gewordener Tierschutzverstöße an Schlachthöfen statt durch eine Videoüberwachung nicht ebenso effektiv durch wirksame amtliche Vor-Ort-Kontrollen hätten erreicht werden können. Gleichwohl ist vorstellbar, dass Kameras zusätzliche Sicherheit bringen könnten . Sofern vorrangige EU-rechtliche Vorschriften keine Regelung enthalten, dürfte eine durchgängige Videoüberwachung verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen . Denn angesichts des mit einer solchen Überwachung verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der überwachten Personen, sowie in die Eigentums- und Berufsfreiheit der Schlachthofbetreiber dürfte eine Videoüberwachung nur unter engen Voraussetzungen und nur in begrenztem Umfang zulässig sein. Zudem werden die datenschutzrechtlichen Vorgaben insbesondere der Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) zu beachten sein. 2. Plant die Bundesregierung derzeit eine Initiative, kameragestützte Überwachungssysteme verpflichtend in Schlachthöfen einzuführen, auf den Weg zu bringen? Mit Blick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme bedarf es zunächst der Klärung, welche Bereiche in Schlachthöfen als besonders tierschutzrelevant erachtet werden. Aus Sicht der Bundesregierung wären diese und weitere Fragen aus der Praxis zunächst zu klären, um eine mögliche Einführung einer Kamerapflicht auch rechtlich prüfen zu können. Ohne die Klärung dieser Fragen ist auch eine abschließende rechtliche Bewertung nicht möglich. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung, die angenommene Entschließung des Bundesrates umzusetzen? Die Kontrolle tierschutzrechtlicher Vorschriften und insoweit auch die Überwachung von Schlachthöfen obliegt den zuständigen Behörden der Länder. Die Bundesregierung hat die Länder bereits darauf hingewiesen, dass für eine Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten im Hinblick auf die Einführung einer Videoüberwachung an Schlachthöfen die Klärung der in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 genannten Fragen erforderlich ist. 4. Finden derzeit schon Gespräche des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit anderen beteiligten Ressorts statt? Wenn ja, welche Gespräche auf welcher Ebene laufen derzeit? Im Rahmen der Abstimmung einer gemeinsamen Stellungnahme der Bundesregierung zur genannten Entschließung des Bundesrates fanden auf Fachebene erste Gespräche zwischen den betroffenen Ressorts statt. Drucksache 19/16582 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Sieht die Bundesregierung derzeit eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Einführung eines standardisierten kameragestützten Überwachungssystems in besonders tierschutzrelevanten Bereichen im Schlachthof, das auch für amtliche Überwachungszwecke zur Verfügung steht, gegeben? Nach Auffassung der Bundesregierung ist derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage zur Einführung eines standardisierten kameragestützten Überwachungssystems vorhanden. a) Wenn nein, welche Initiativen auf nationaler Ebene wären dafür nach Kenntnis der Bundesregierung notwendig? Nach Auffassung der Bundesregierung bedarf es hierzu zunächst der Klärung der oben genannten Fragen durch die Länder. Insoweit wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. b) Wäre die Einführung von kameragestützten Überwachungssysteme in Schlachthöfen nach jetzigem EU-Recht nach Kenntnis der Bundesregierung möglich? Das EU-Recht lässt strengere nationale Vorschriften im Hinblick auf den Tierschutz beim Schlachten nur unter sehr engen Bedingungen zu. Das insoweit nach Artikel 26 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 vorgesehene Verfahren setzt unter anderem voraus, dass es ein Mitgliedstaat auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse für erforderlich hält, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen in Bezug auf Betäubungsverfahren ein umfassenderer Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sichergestellt werden soll. Zudem werden die datenschutzrechtlichen Vorgaben insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten sein. 6. Wie definiert die Bundesregierung den Umfang der ausreichenden Dauer der Aufzeichnung, sofern die kameragestützte Überwachung auch dem uneingeschränkten Zugriff der amtlichen Überwachung unterliegen würde? Aus Sicht der Bundesregierung bedarf es zur Beantwortung dieser Frage zunächst der Klärung durch die für die Überwachung der Schlachthöfe zuständigen Bundesländer. Insoweit wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen . 7. Welche behördlichen Ebenen und Organe sollten nach Kenntnis der Bundesregierung befugt sein, Aufzeichnungen zu einzusehen bzw. zu erhalten ? Die Überwachung der Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften in den Schlachthöfen obliegt den zuständigen Behörden der Länder. Insofern bedarf es zunächst einer Bewertung durch die Länder, in welchem Umfang die Behörden Zugriff auf mögliche Videoaufzeichnungen erhalten müssten, um eine wirksame Nutzung eines solchen Überwachungsinstruments zu gewährleisten. 8. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung bereits bundesweit einheitliche Vorgaben, solche Aufnahmen aus Schlachthöfen auszuwerten? Nach Kenntnis der Bundesregierung bestehen keine entsprechenden Vorgaben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16582 9. In wie vielen Schlachthöfen in Deutschland kommen nach Kenntnis der Bundesregierung bereits kameragestützte Systeme zum Einsatz (bitte Anzahl der Schlachthöfe nach Bundesland angeben)? Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 10. Wie definiert die Bundesregierung die Größe eines Schlachtbetriebes, nach welcher eine besondere Kontrolle mittels kameragestützter Überwachung erforderlich sein würde? Dazu kann die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage treffen. Insoweit wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 11. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass kleine und mittlere Betriebe der Fleischwirtschaft, insbesondere jene, die als Absatzwege die Direktvermarktung nutzen, durch zusätzliche Überwachungssysteme, wie die kameragestützte Überwachung, nicht durch zusätzliche Regelungen wie Dokumentationspflichten und Meldungen von betrieblichen Informationen zusätzlich belastet werden? Es bedarf noch der Klärung zahlreicher Fragen zu den Voraussetzungen, wie eine mögliche Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in den Schlachthöfen sinnvoll gestaltet werden könnte. Die Bundesregierung ist insoweit auch auf die Mitwirkung der Bundesländer angewiesen. Eine Auskunft darüber , wie die Belange der kleineren und mittleren Betriebe im Falle der Einführung einer solchen Kamerapflicht zu berücksichtigen wären, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. 12. Welcher Anteil der Schlachthöfe in Deutschland setzt derzeit schon eine kameragestützte Überwachung ein (bitte prozentualen Anteil nach Bundesland angeben)? 13. Welche Bundesländer setzten bereits im Rahmen von Vereinbarungen der amtlichen Kontrollbehörden mit der Fleischwirtschaft auf eine freiwillige Kameraüberwachung sensibler Bereiche in Schlachthöfen? Zu den in den Fragen 12 und 13 erbetenen Angaben liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 14. Müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schlachthöfen, die auf eine kameraunterstützte Überwachung setzen, nach Kenntnis der Bundesregierung zustimmen? Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Das Erfordernis einer datenschutzrechtlichen Einwilligung hängt von der konkreten Ausgestaltung sowie den Umständen des Einzelfalls ab. 15. Sind der Bundesregierung bereits Fälle bekannt, wonach eine kameraunterstützte Überwachung zu der Aufklärung von Tierschutzverstößen beigetragen hat (bitte nach Bundesland aufführen)? Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Drucksache 19/16582 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einbeziehung moderner Technik, wie z. B. 3D-Visualisierung oder die Nutzung automatisierter Auswertungen mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Verbesserung des Tierschutzes in Schlachthöfen? Die Auswertung umfangreicher Datensätze ist in der Praxis mit Schwierigkeiten behaftet. Diesen könnte eventuell mit der Nutzung automatisierter Auswertungen mit künstlicher Intelligenz begegnet werden. Aufgrund der noch zu klärenden Fragen (siehe Frage 2) ist eine Ermittlung der auf dem Markt zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten noch nicht erfolgt. 17. In wie vielen Schlachthöfen kommt nach Kenntnis der Bundesregierung moderne Technik, wie z. B. 3D-Visualisierung oder die Nutzung automatisierter Auswertungen mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Verbesserung des Tierschutzes zum Einsatz? Dazu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 18. Welche Projekte fördert die Bundesregierung derzeit zur Verbesserung des Tierschutzes in Schlachthöfen mittels moderner Technik, wie z. B. 3D-Visualisierung oder die Nutzung automatisierter Auswertungen mit Künstlicher Intelligenz (KI; bitte Projekt, Projektträger und Fördersumme angeben)? Derzeit fördert die Bundesregierung keine Projekte dieser Art. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16582 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333