Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/15453 – Auswirkungen des sogenannten Agrarpaketes auf die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Svenja Schulze und die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner stellten am 4. September 2019 eine Reihe vom Kabinett beschlossener Maßnahmen vor. Das sogenannte Agrarpaket, bestehend aus dem Aktionsprogramm Insektenschutz, dem Tierwohlkennzeichengesetz und der Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes, hat nach Ansicht der Fragesteller zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Produktion von tierischen und pflanzlichen Produkten in Deutschland. Befürchtet wird nach Ansicht der Fragesteller, dass vor allem das Aktionsprogramm Insektenschutz Einschnitte für die konventionelle Landwirtschaft mit sich bringen wird. Es sieht eine Vielzahl von Maßnahmen vor, vor allen Dingen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark einzuschränken. So soll ab 2021 die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, genauer von Herbiziden und Insektiziden, die nach Ansicht der Bundesregierung die „Biodiversität schädigen“, in „ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen“ verboten sein. Zudem wird geplant, den Wirkstoff Glyphosat bis spätestens 31. Dezember 2023 zu verbieten. Die vorgelegten Pläne beinhalten nach Aussagen des Bundesumweltministeriums auch Änderungen bei den Anwendungsregelungen von Pflanzenschutzmitteln und deren Zulassung in Deutschland (www.bmu.de/publikation/aktionspro gramm-insektenschutz/). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16618 19. Wahlperiode 20.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 16. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wie hat sich der Flächenumfang von Schutzgebieten – FFH-Gebiete (FFH = Fauna-Flora-Habitat), Naturschutzgebiete, Nationalparks, Nationale Naturmonumente, Naturdenkmäler und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes – innerhalb der letzten zehn Jahre in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung entwickelt (bitte nach Kategorie und Flächenumfang des Schutzgebietes, Art der landwirtschaftlichen Nutzung und Bundesland angeben)? a) Wie hat sich der Flächenumfang dieser Schutzgebiete, der landwirtschaftlich genutzt wird, innerhalb der letzten zehn Jahre nach Kenntnis der Bundesregierung geändert (bitte nach Kategorie des Schutzgebietes , Art der landwirtschaftlichen Nutzung und Bundesland angeben)? Die Tabellen 1 bis 3 in der Anlage stellen die Entwicklungen des Flächenumfangs von FFH-Gebieten, Naturschutzgebieten und Nationalparks innerhalb der letzten zehn Jahre in Deutschland dar, soweit sie der Bundesregierung bekannt sind. Dabei wurde nicht zwischen terrestrischen und marinen Anteilen unterschieden, so dass marine Flächen in den Angaben enthalten sind. Das erste von bislang vier Nationalen Naturmonumenten wurde im Jahr 2016 in Mecklenburg-Vorpommern mit 75,15 ha ausgewiesen. Das zweite Nationale Naturmonument wurde in 2017 in Nordrhein-Westfalen mit 23,80 ha ausgewiesen , so dass die Flächenkulisse 2018 98,95 ha betrug. Im Jahr 2019 kamen zwei weitere Naturmonumente in Nordrhein-Westfalen (30,57 ha) und in Thüringen (6.506,89 ha) dazu. Damit betrug die Flächenkulisse für Nationale Naturmonumente im Jahr 2019 in Nordrhein-Westfalen 54,37 ha und in Deutschland insgesamt 6.636,40 ha. Bei der Interpretation der Flächenangaben ist zu berücksichtigen, dass sich die verschiedenen Schutzgebietskategorien zum Teil überlagern. Der Bundesregierung liegen keine Daten zu Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen im Sinne von § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) vor. Ebenso liegt keine jährliche Aufschlüsselung der landwirtschaftlich genutzten Flächen in den jeweiligen Schutzgebieten vor. b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Anteil an konventionell genutzten Flächen in diesen Schutzgebieten? Hierzu liegen keine Daten vor. 2. Wie groß ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche, die als Folge des „Aktionsprogramms Insektenschutz“ der Bundesregierung im Rahmen von FFH-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen im Sinne des § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes, die von den geplanten Einschränkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes betroffen sein werden und die das Aktionsprogramm Insektenschutz als „ökologisch besonders schutzbedürftige Bereiche“ beschreibt (bitte die Flächengröße, die nach Plänen des Aktionsprogramms betroffen wäre, nach Art dessen Bewirtschaftung , und Bundesland, in welchem, diese liegt, angeben)? Das hängt davon ab, ob und wie die Länder Beschränkungen für Vogelschutzgebiete erlassen werden. Drucksache 19/16618 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Für welche Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel sollen nach den Plänen der Bundesregierung die Anwendungsbestimmungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geändert werden, wie es unter Nummer 4.4 des Aktionsplanes vorgesehen ist (www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools /Broschueren/aktionsprogramm_insektenschutz_kabinettversion_bf.pdf) (bitte nach Wirkstoff, Pflanzenschutzmittel und Art und Umfang der geplanten Änderung angeben)? Welche Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenschutzmittelwirkstoffe betroffen sein werden, hängt von den Resultaten der Risikobewertung in den jeweilig maßgebenden Verfahren ab. Gleiches gilt für Biozide mit vergleichbarem Expositions- und Emissionsszenario. 4. Geht mit den geplanten Maßnahmen nach Einschätzung der Bundesregierung eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland hervor? Welchen Einfluss haben die vorgestellten Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Flächeneffizienz in Deutschland, also auf die gesamte Erntemenge pro landwirtschaftlich genutzter Fläche? Mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz verfolgt die Bundesregierung nicht das Ziel einer flächendeckenden Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion . 5. Welche Auswirkungen hat eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion auf Gunststandorte in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung im Hinblick auf den Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES, wonach eine Ausweitung der Produktionsfläche in den Tropenregionen wesentlich für den globalen Biodiversitätsrückgang verantwortlich ist (www.ufz.de/export/data/2/228053_IPBES-Factsheet_2-Auflage.pdf)? Konkrete Informationen wie sich die Maßnahme 4.1 des Aktionsprogramms Insektenschutz auf die Ausweitung der Produktionsfläche in den Tropenregionen auswirkt, liegen der Bundesregierung nicht vor. 6. Welche Kriterien sind nach Ansicht der Bundesregierung geeignet, um einen möglichen negativen Einfluss der Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel auf die Biodiversität zweifelsfrei belegen zu können? 7. Welchen konkret messbaren Anteil hat nach Erkenntnis der Bundesregierung der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln an einem möglichen Rückgang der Biodiversität, und welche dafür- bzw. dagegensprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung dazu vor? Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die Prüfung hierzu ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16618 8. Hält die Bundesregierung den Erlass von Kompensationsmaßnahmen in Folge einer möglicherweise die Biodiversität schädigenden Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auch bei einem nicht direkt mittelbaren Zusammenhang für rechtlich zulässig? 9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Urteilen des Verwaltungsgerichts Braunschweig (9A11/19 und 9A11/18), wonach die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht mit einer Biodiversitätsauflage , also einer faktischen Flächenstilllegung, verknüpft werden darf? Die Fragen 8 und 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beatwortet. Derzeit prüfen das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), wie zum Schutz der Biodiversität vor Auswirkungen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ein Refugial- oder Rückzugsflächenansatz , wie im Aktionsprogramm Insektenschutz verabredet, ausgestaltet werden könnte. Die genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 4. September 2019, Aktenzeichen 9 A 11719 und 9 A 18/19, werden noch innerhalb der Bundesregierung ausgewertet. 10. Bis wann plant die Bundesregierung, einen Entwurf zum Insektenschutz- Gesetz gemäß des „Aktionsplanes Insektenschutz“ vorzulegen? Die Bundesregierung plant, einen solchen Entwurf unter Beteiligung aller betroffenen Akteure im Kalenderjahr 2020 vorzulegen. 11. Welche genauen Rechtsänderungen erachtet die Bundesregierung als notwendig , um den Insektenschutz in den Planungsverfahren gemäß Nummer 2.4 des Aktionsprogramms Insektenschutz (www.bmu.de/fileadmin/ Daten_BMU/Pools/Broschueren/aktionsprogramm_insektenschutz_kabi nettversion_bf.pdf) ausreichend zu berücksichtigen? Die konkrete Ausgestaltung der in das Insektenschutzgesetz aufzunehmenden Regelungen – darunter auch derjenigen zur Stärkung des Insektenschutzes in den Planungsverfahren – ist gegenwärtig noch Gegenstand interner Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung. 12. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung durch die geplante Verankerung des Insektenschutzes in den Planungsverfahren die Gefahr, dass sich künftige Bau- und Infrastrukturprojekte, wie z. B. der Energieleitungsausbau , weiter verzögern könnten? Falls ja, wie plant die Bundesregierung, dem entgegenzuwirken? Die Bundesregierung geht davon aus, dass es durch die Berücksichtigung des Insektenschutzes in den Planungsverfahren bei künftigen Bau- und Infrastrukturprojekten zu keinen Verzögerungen kommen wird. In der Regel verzögern sich Infrastrukturprojekte, wenn diese nicht ausreichend kommuniziert oder wenn gesetzliche und inhaltliche Anforderungen unzureichend berücksichtigt werden. Drucksache 19/16618 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Auf welcher Ebene wurden die Bundesländer in den Abstimmungsprozess zum Aktionsprogramm Insektenschutz einbezogen? Der Bund hat die Länder in der Umweltministerkonferenz (UMK) und in der Agrarministerkonferenz (AMK), in der auf Abteilungsleitungsebene tagenden Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA), in Bund/Länder-Gesprächen auf Arbeitsebene und im Rahmen des 9. Nationalen Forums zur biologischen Vielfalt zum Insektenschutz, an dem u. a die nordrheinwestfälische Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz auftrat, in die Erarbeitung des Aktionsprogramms Insektenschutz einbezogen. 14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz vom 12. April 2019 in Landau/Pfalz in der Ausgestaltung des Aktionsprogramms Insektenschutz (www.agrarministerkonfe renz.de/documents/endgueltiges-ergebnisprotokoll_1556268137.pdf) ausreichend berücksichtigt worden sind? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Beschlüsse in der Ausgestaltung des Aktionsprogramms Insektenschutz im Rahmen der Möglichkeiten ausreichend berücksichtigt worden sind. Im Umsetzungsprozess des Aktionsprogramm Insektenschutz (API) sollen u. a. die Länder eng eingebunden werden. 15. Wie sollen die veranschlagten 100 Mio. Euro zum Aktionsprogramm Insektenschutz haushälterisch dargestellt werden? In welchem Einzelplan sollen die Mittel nach Kenntnis der Bundesregierung abgebildet werden? Die Aufteilung der Mittel ist in Abschnitt B.8 des Aktionsprogramms Insektenschutz dargestellt. Betroffen sind die Einzelpläne 10 – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft –, 16 – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – und 30 – Bundesministerium für Bildung und Forschung. Von den 100 Mio. Euro sind 50 Mio. Euro für den Sonderrahmenplan für Maßnahmen des Insektenschutzes (SRP) in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (G AK) eingeplant, davon 25 Mio. Euro zusätzliche Mittel; weitere 25 Mio. Euro für den SRP kommen aus Umschichtungen innerhalb der GAK (Einzelplan 10). Mittel in Höhe von 25 Mio. Euro/Jahr werden vom Bund in den einschlägigen Bundesförderprogrammen bereitgestellt. Dazu gehören insbesondere das Bundesprogramm Biologische Vielfalt des BMU mit 12 Mio. Euro/Jahr, das Förderprogramm Auen des BMU mit 6 Mio. Euro/Jahr und Mittel aus dem Haushalt des BMEL z. B. über das Bundesprogramm „Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltige Landwirtschaft“ oder die Innovationsförderung des BMEL mit insgesamt 7 Mio. Euro/Jahr. Die neue Forschungsinitiative des BMBF zum Erhalt der Artenvielfalt trägt mit 20 Mio. Euro direkt oder indirekt zur Insektenforschung bei. Dazu kommen zusätzliche Mittel des BMU für das Insektenmonitoring und die Ressortforschung in Höhe von 5 Mio. Euro/Jahr. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16618 16. Konnte bereits ein Einvernehmen zwischen dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hinsichtlich sämtlicher Inhalte einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung gemäß § 22 Absatz 1 des Entwurfs für ein Gesetz zur Einführung und Verwendung eines Tierwohlkennzeichens hergestellt werden, und falls ja, bestand dieser Konsens bereits am 4. September 2019? Die Ressortabstimmung zu der Tierwohlkennzeichenverordnung läuft derzeit noch. Drucksache 19/16618 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16618 Anlage Drucksache 19/16618 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16618 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333