Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Hess, Stefan Keuter, Dr. Bernd Baumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/16211 – Hinweistelefon „Rechtsextremismus/-terrorismus, Reichsbürger und Selbstverwalter“ (RechtsEX) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach einer Pressemitteilung vom 28. Oktober 2019 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein „Hinweistelefon Rechtsextremismus/-terrorismus , Reichsbürger und Selbstverwalter“ eingerichtet und dies mit einer gestiegenen Bedrohungslage gerechtfertigt (www.verfassungsschutz.de/de/oeffent lichkeitsarbeit/presse/pm-20191028-bfv-richtet-hinweistelefon-rechtsex-ein). Das BfV bittet in seiner Mitteilung um Unterstützung und vertrauliche Kontaktaufnahme wenn: Planungen von Gewaltakten und Terroranschlägen bekannt sind, man Personen kennt, die sich an solchen Planungen beteiligen, in der eigenen Umgebung für Terror und Gewalt geworben wird oder man beobachtet, dass sich Personen aus dem gemeinsamen Umfeld diesbezüglich radikalisieren (ebd.). Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang äußerte sich zu diesem Vorgehen in der Pressemeldung wie folgt (ebd.): „Das neue Angebot des BfV ist daher auch ein Zeichen für ein gemeinschaftliches Handeln von Staat und Zivilgesellschaft – für Sicherheit und Freiheit.“ Am 3. November 2019 warnte hingegen der derzeitige Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung nach einem Angriff auf eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma vor politischen Morden durch Linksextremisten, die nicht mehr weit seien (www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2019/11/Oberbuergermeister-Jungwarnt -nach-Angriff-auf-Mitarbeiterin-einer-Immobilienfirma-vor-politischen- Morden-302667). Insofern eröffnen sich aus Sicht der Fragesteller einige Fragen an die Bundesregierung . V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 2 und 9 nur teilweise und eine Beantwortung der Frage 11 nicht – jeweils auch nicht in eingestufter Form – erfolgen kann. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16673 19. Wahlperiode 21.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 17. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Gegenstand des Informations- bzw. Auskunftsersuchens sind diesbezüglich Informationen , die in besonders hohem Maße Belange des Staatswohls berühren. Das verfassungsrechtlich verankerte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch schutzwürdige Interessen von Verfassungsrang begrenzt, wozu auch und insbesondere Staatswohlerwägungen zählen. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und insbesondere dessen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen. Durch die Auskunft über die genauen Meldegründe (Frage 2) bzw. über konkrete Aufklärungsmaßnahmen (Frage 9) können jeweils Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV geschlossen werden . Die erbetenen Auskünfte über die Größenordnung des eingesetzten Personals (Frage 11) betreffen wesentliche Strukturelemente des BfV. Aus dem Bekanntwerden all dieser Informationen könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure Rückschlüsse auf Personalentwicklung, Modus Operandi, die Fähigkeiten und Methoden des BfV ziehen. Durch diese Kenntnisnahme durch Unbefugte würden die Fähigkeiten, nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu gewinnen, in erheblicher Weise negativ beeinflusst werden, was wiederum die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen könnte. Die Gewinnung von offenen und nachrichtendienstlichen Informationen ist für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und für die Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden jedoch unerlässlich. Sofern solche Informationen entfallen oder wesentlich zurückgehen sollten, würden empfindliche Informationslücken auch im Hinblick auf die Sicherheitslage in Deutschland drohen. Dieses, wenn auch geringfügige, Risiko des Bekanntwerdens im Falle einer eingestuften Beantwortung der Frage kann in keinem Fall hingenommen werden. Daraus folgt, dass die erbetenen Informationen derartig schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen berühren, so dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt. In der Abwägung des Informationsrechts und Informationsinteresses der Abgeordneten einerseits und den Geheimhaltungsinteressen andererseits muss das Recht der Abgeordneten daher ausnahmsweise zurückstehen. 1. Plant die Bundesregierung unter Berücksichtigung der oben genannten Warnung durch den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und des Umstandes, dass die Entwicklung der linksextremistischen Gewaltdelikte in den letzten zehn Jahren um 30,6 Prozent zugenommen hat (www.verfas sungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-linksextremismus/zahlen-und-fakten-lin ksextremismus/linksextremistisch-motivierte-straftaten-2018) auch die Einrichtung eines entsprechenden Hinweistelefons bzw. einer E-Mail- Adresse für Fälle des Linksextremismus? Wenn nein, weshalb nicht? Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 33 des Abgeordneten Johannes Huber auf Bundestagsdrucksache 19/15583 mitgeteilt , hat die Bundesregierung veranlasst, dass im BfV für den Bereich Linksextremismus ein Hinweistelefon eingerichtet wird. Drucksache 19/16673 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie viele Anrufe erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung über das „Hinweistelefon Rechtsextremismus/-terrorismus, Reichsbürger und Selbstverwalter“ bis zum Stichtag 1. Dezember 2019 (bitte nach monatlichen Anrufen, E-Mails und Meldegründen geeignet aufschlüsseln)? Seit der Einführung des Hinweistelefons „Rechtsextremismus/-terrorismus, Reichsbürger und Selbstverwalter“ (Hinweistelefon „RechtsEX“) am 28. Oktober 2019 gingen bis zum 1. Dezember 2019 insgesamt 1.862 Anrufe sowie 1.957 E-Mails ein. Bei den Meldegründen handelt es sich sowohl um (mögliche ) Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern zum Rechtsextremismus/-terrorismus oder dem Bereich „Reichsbürger und Selbstverwalter“ als auch um Fragen oder kritische, teils auch beleidigende Äußerungen zur Initiierung des Hinweistelefons. Zeitraum (Stichtag jeweils freitags um 12:00 Uhr) Anzahl der eingegangenen Hinweise Anrufe E-Mails 28.10.2019 bis 08.11.2019 1.540 1080 08.11.2019 bis 15.11.2019 120 415 15.11.2019 bis 22.11.2019 89 361 22.11.2019 bis 29.11.2019 108 74 29.11.2019 bis 01.12.2019 5 27 gesamt 1.862 1.957 Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. In wie vielen Fällen führten die Hinweise zu sachdienlichen Ergebnissen aus Sicht des BfV (Stichtag 1. Dezember 2019)? Seit dem 28. Oktober 2019 bis zum 1. Dezember 2019 sind über das Hinweistelefon „RechtsEX“ 770 Hinweise eingegangen, die einer weiteren Bearbeitung bedürfen. 4. An wen können sich die Bürger bereits heute wenden, wenn sie von geplanten linksextremistisch motivierten Straftaten erfahren? Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 33 des Abgeordneten Johannes Huber auf Bundestagsdrucksache 19/15583 mitgeteilt , besteht bereits die Möglichkeit, dem BfV über seine regulären Erreichbarkeiten fernmündlich, elektronisch oder postalisch jederzeit Hinweise auf Sachverhalte aus dem Phänomenbereich „Linksextremismus/-terrorismus“ zukommen zu lassen. 5. Was geschieht mit den personenbezogenen Daten, die in diesem Zusammenhang erfasst werden, und wie lange werden diese Daten gespeichert? Gemäß § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) darf das BfV zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen , wenn sich im Rahmen der Bearbeitung der eingehenden Hinweise beim Hinweistelefon „RechtsEX“ tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung ergeben. Das BfV hat gemäß § 10 Absatz 3 BVerfSchG die Spei- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16673 cherdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken . 6. Werden alle gemeldeten Personen im NADIS (Nachrichtendienstliches Informationssystem ) gespeichert? Falls ja, aus welchem Grund? Nein. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. In wie vielen Fällen waren die durch den Anrufer bzw. Melder benannten Personen bereits beim BfV erfasst (Stichtag 1. Dezember 2019)? In 39 Fällen waren die durch einen Anrufer/Melder genannten Personen bereits beim BfV bekannt. 8. In wie vielen Fällen gaben die Anrufer bzw. E-Mail-Absender ihre Personalien an (Stichtag 1. Dezember 2019)? Das Hinweistelefon räumt explizit die Möglichkeit der anonymen Kontaktaufnahme ein. Soweit Anrufer oder E-Mail-Absender in Einzelfällen dennoch Personalien im Sinne der Fragestellung angeben sollten, wird dies nicht statistisch erfasst. Eine Beantwortung der Frage ist daher nicht möglich. 9. Welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen werden aufgrund eines solchen Hinweises in der Regel durchgeführt? Das BfV führt die im Einzelfall notwendigen Maßnahmen im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse durch. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 10. Wie verhindert die Bundesregierung, dass dieses Meldeverfahren nicht zu einer Denunziationsplattform verkommt? Durch das Hinweistelefon werden erste Hinweise zu Sachverhalten aufgenommen . Eine intensivierte Bearbeitung erfolgt erst dann, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung ergeben. Nach den bisherigen Erfahrungen ist das Hinweistelefon nicht signifikant für gezielte Denunziation missbraucht worden. 11. Wie viele Mitarbeiter werden mit der Entgegennahme und Auswertung der Hinweise betraut? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 12. Ist die Einrichtung dieses Hinweistelefons für eine bestimmte Dauer befristet ? Wenn ja, bis wann? Nein. Drucksache 19/16673 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333