Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16152 – Absatz und Nutzung von Verhütungsmitteln in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Für die Familienplanung ist die Nutzung von Verhütungsmitteln inzwischen meist eine Selbstverständlichkeit. Dabei bestehen unterschiedliche Möglichkeiten der Empfängnisverhütung. Frauen können beispielsweise hormonelle Mittel einnehmen („Die Pille“), um eine Schwangerschaft zu verhindern. Weiter gibt es die Möglichkeit, mit physischen Methoden wie Kondomen oder Femidomen zu verhüten, welche oft auch noch einen zusätzlichen Gesundheitsschutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen bieten. Weiter sind chirurgische Eingriffe zur Empfängnisverhütung möglich, sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Daneben bestehen sowohl natürliche Verhütungsmethoden (wie etwa die Temperaturmethode, Hormonmessungen etc.) wie auch chemische Verhütungsmethoden (wie etwa Spermizide). Laut Pearl-Index, anhand dessen das Risiko einer Schwangerschaft bei der Verwendung des jeweiligen Verhütungsmittels gemessen werden kann, bieten hormonelle Verhütungsmittel den besten Schutz vor einer ungewünschten Schwangerschaft. Allerdings bieten hormonelle Verhütungsmittel keinen Schutz gegen Geschlechtskrankheiten, wie etwa das Kondom als physische Methode (www.welt.de/gesundheit/article153210967/Das-sind-die-zehn-siche rsten-Verhuetungsmittel.html). Außer bei natürlichen und chirurgischen Methoden haben alle Verhütungsmittel auch einen Einfluss auf die Umwelt, sei es durch Müll bei physischen Verhütungsmitteln , sei es durch die Einleitung von Hormonen und Chemikalien in die Umwelt. Zudem bergen sie teilweise auch Gesundheitsgefahren, bei physischen Mitteln etwa durch Allergien, bei hormonellen Mitteln teilweise durch ungewollte physische und psychische Nebenwirkungen (www.pharmazeutisch e-zeitung.de/werden-frauen-schlecht-beraten/). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16697 19. Wahlperiode 22.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Welche Anzahl an Personen in Deutschland nutzt aktuell nach Kenntnis der Bundesregierung regelmäßig Verhütungsmittel oder Verhütungsmethoden ? a) Welche Verhütungsmittel oder Verhütungsmethoden werden nach Kenntnis der Bundesregierung von welcher Anzahl an Personen welcher Altersgruppen und Geschlechter jeweils genutzt, und wie hat sich diese Nutzung jährlich seit dem Jahr 2010 entwickelt? b) Welche Mengen der einzelnen Verhütungsmittel wurden nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils jährlich seit dem Jahr 2010 in Deutschland verkauft? c) Welche Umsätze wurden nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils mit den einzelnen Verhütungsmitteln jährlich seit dem Jahr 2010 in Deutschland generiert? Die Fragen 1 bis 1c werden gemeinsam beantwortet. Die unter der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stehende Abteilung 4 der Bundeszentale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat im Jahr 2018 im Rahmen einer repräsentativen Wiederholungsbefragung Frauen und Männer zu ihrem Verhütungsverhalten befragt. Für die Gruppe der 18- bis 49-Jährigen liegen folgende empirische Erkenntnisse vor: Diese sexuell aktive bundesdeutsche Bevölkerung nutzt bei der Verhütung am häufigsten die Pille (47 Prozent) oder das Kondom (46 Prozent). Männer (56 Prozent) nennen das Kondom deutlich häufiger als Frauen (37 Prozent). Weniger häufig sind daneben die Spirale (10 Prozent), die Sterilisation (des Mannes: 3 Prozent/der Frau: 2 Prozent), die Kalendermethode (3 Prozent), die Temperaturmethode (2 Prozent), der Vaginalring/Nuvaring (2 Prozent) und die Dreimonatsspritze (1 Prozent). Empirisch vergleichbare Zahlen liegen für das Jahr 2011 vor. Entsprechende Entwicklungen im Verhütungsverhalten lassen sich der folgenden Tabelle entnehmen : Verhütungsmittel Anteil Nutzende 2018 (in %) Differenz zu 2011 (in %-Punkten) Pille 47 - 6 Kondom 46 + 9 Spirale 10 +/- 0 Sterilisation des Mannes 3 - 2 Kalendermethode 3 + 2 Sterilisation der Frau 2 - 3 Temperaturmethode 2 + 1 Vaginalring/Nuvaring 2 +/- 0 Dreimonatsspritze 1 +/- 0 Quelle: BZgA, Verhütungsverhalten Erwachsener 2018. Drucksache 19/16697 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Laufe des Lebensalters verändert sich das Verhütungsverhalten – das lässt sich am unterschiedlichen Nutzungsverhalten verschiedener Altersgruppen festmachen (siehe folgende Tabelle): 18-29 Jahre (in %) Differenz zu 2011 (in %-Punkten) 30-39 Jahre (in %) Differenz zu 2011 (in %-Punkten) 40-49 Jahre (in %) Differenz zu 2011 (in %-Punkten) Pille 56 - 16 45 - 6 39 + 5 Kondom 58 + 7 44 + 11 34 + 8 Spirale 5 + 2 6 - 8 20 + 7 Sterilisation 0 +/- 0 3 - 3 13 - 10 Quelle: BZgA, Verhütungsverhalten Erwachsener 2018. In der Gruppe der rund Zwanzigjährigen (18 bis 29 Jahre) findet man den größten Anteil an Pillennutzerinnen (56 Prozent), gleichzeitig aber auch den höchsten Anteil an Kondomnutzenden (58 Prozent). Aus der Größenordnung dieser Zahlen wird ersichtlich, dass es gerade in diesem Bereich Doppelnutzungen gibt. Sterilisation kommt noch nicht in Frage, und die Spirale ist nicht sehr relevant (5 Prozent). Darüber hinaus ergibt sich aus der repräsentativen Wiederholungsbefragung zur Jugendsexualität 2015, dass auch bei den 14- bis 25-Jährigen Pille und Kondom die Hauptverhütungsmittel darstellen. Auch in dieser Gruppe wird die Zweifachstrategie (Nutzung Pille und Kondom) besonders häufig angewandt. Zu den Fragen 1b und 1c liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 2. Bestehen bei den einzelnen Verhütungsmitteln nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahresverlauf regelmäßig deutliche Absatzunterschiede, wenn ja, bei welchen, und aus welchem Grund? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Das Befragungsergebnis zum Nutzungsverhalten von Verhütungsmitteln (siehe Antwort zu Frage 1) lässt keinen Schluss auf den tatsächlichen Absatz von Verhütungsmitteln zu. 3. Welche Aufklärungskampagnen finanziert die Bundesregierung in welcher Höhe, um über die Nutzung, den richtigen Gebrauch und über mögliche Gesundheitsgefahren von Verhütungsmitteln aufzuklären? a) Welche Anzahl an Personen wurde durch diese Kampagnen erreicht? b) Welche Bedeutung hat hier der Gesundheitsschutz? Die Fragen 3 bis 3b werden gemeinsam beantwortet. Der gesetzliche Auftrag der BZgA ist es, Menschen dabei zu unterstützen, sichere Entscheidungen zu persönlichen Fragen der Sexualität und Familienplanung zu treffen (§ 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – SchKG). Explizite Kampagnen zu Verhütung und Verhütungsmethoden sind nicht Bestandteil der Umsetzung des SchKG. Die BZgA informiert mit ihren wissenschaftlich gesicherten , neutralen Informationen zu Verhütungsmitteln und Verhütungsmethoden die Bevölkerung mit Internetauftritten wie www.loveline.de (für Jugendliche ) und www.familienplanung.de (für Erwachsene) sowie altersgerechten Printmedien ab Beginn der Pubertät. Bei Medien zu hormoneller Verhütung führt die BZgA auch mögliche Nebenwirkungen und unerwünschte Begleiterscheinungen auf. Die Förderung einer selbstbestimmten und informierten Ent- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16697 scheidung von jungen Menschen und Erwachsenen unterstützt ein gesundheitserhaltendes Verhalten. Im Rahmen der BIS-Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen der Bundesregierung (BIS: bedarfsorientiert , integriert und sektorübergreifend) werden durch Maßnahmen und Kampagnen Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die Risiken und Schutzmöglichkeiten vor sexuell übertragbaren Infektionen erzielt und zielgruppenspezifisch Bevölkerungsgruppen mit Präventions-, Test- und Versorgungsangeboten erreicht. Schwangerschaftsverhütung steht hierbei nicht im Fokus. 4. Welche Anzahl an Erkrankungen und Fehltagen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2017, 2018 und 2019 durch Nebenwirkungen welcher Verhütungsmittel verursacht (außer ungewollte Schwangerschaften )? Der Bundesregierung liegt die Zahl der Erkrankungen und der dadurch bedingten Fehltage durch Nebenwirkungen, die durch Verhütungsmittel verursacht wurden, nicht vor. 5. Welche Schäden für die Umwelt treten durch die Nutzung der einzelnen Verhütungsmittel auf, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung , um Umweltschäden durch die Nutzung von Verhütungsmitteln zu vermeiden? Wie auch bei anderen Arzneimitteln oder Medizinprodukten können Rückstände von Verhütungsmitteln über den Ablauf von kommunalen Kläranlagen mit dem gereinigten Abwasser in das aufnehmende Oberflächengewässer gelangen und Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die Auswirkungen auf den Gewässerzustand sind bisher nicht vollständig untersucht. Mit der Spurenstoffstrategie des Bundes und einer Kampagne des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur sachgerechten Entsorgung von Arzneimitteln werden weitere Schritte zur Reduzierung der Gewässerbelastungen ergriffen. Eine ordnungsgemäße und sachgerechte Entsorgung von gebrauchten oder ungebrauchten Verhütungsmitteln erfolgt über die „graue Tonne“ des Hausmülls. Diese Abfälle werden in Deutschland thermisch verwertet, wobei die ggf. in den Verhütungsmitteln enthaltenen Schadstoffe vernichtet werden. 6. Welche Anzahl von Produktrückrufen gab es bei Verhütungsmitteln in den Jahren 2017, 2018 und 2019, welche Produkte waren aus welchen Gründen betroffen? Qualitätsbezogene Arzneimittelrückrufe werden im Regelfall eigenverantwortlich von den betroffenen Zulassungsinhabern durchgeführt und von den zuständigen Landesüberwachungsbehörden überwacht. In der Regel werden die Rückrufe auf der Ebene der Apotheken durchgeführt. Die zuständigen Bundesoberbehörden erhalten Meldungen über Arzneimittelrückrufe, wenn die Landesüberwachungsbehörden oder die ausländischen Kollegialbehörden diese über das Schnellwarnsystem melden. Für das Jahr 2019 wurden nach Kenntnis der Bundesregierung fünf Arzneimittelrückrufe für Verhütungsmittel auf dem deutschen Markt durchgeführt. Diese bezogen sich auf vaginale Verhütungsringe, von denen mehrere Chargen unterschiedlicher Zulassungsinhaber zurückgerufen wurden. Ursache waren ver- Drucksache 19/16697 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode mehrte Ringbrüche nach Einsetzen. Zudem gab es einen chargenbezogenen Rückruf aus dem Jahr 2018 von einem oralen Kontrazeptivum mit den Wirkstoffen Levonorgestrel und Ethinylestradiol. Hier war ein fehlerhafter Blisteraufdruck Grund für den Rückruf. Im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 20. Dezember 2019 wurden dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fünf Rückrufe von Medizinprodukten zur Empfängnisregelung gemeldet , diese sind sämtlich auf der Medizinprodukte-Homepage des BfArM, Rubrik „Maßnahmen von Herstellern“ abrufbar. Drei dieser Rückrufe betrafen Kupferspiralen und erfolgten auf Grund unvertretbarer Risiken bei der Insertion oder durch Brüche der Spiralen auf Grund von Fertigungsproblemen. Zu dieser Problematik weist das BfArM auch auf seine aktuelle Empfehlung vom 20. Dezember 2019 hin (www.bfarm.de/Shared Docs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/intrauterinpessare.html). Zwei der genannten Rückrufe betrafen Kondome und hatten eine eingeschränkte Produkthaltbarkeit oder die Beschädigung einzelner Kondome im Herstellungsprozess als Hintergrund. 7. Welche Anzahl an Verhütungsmitteln wie Kondomen wurde in den Jahren 2017, 2018 und 2019 kostenlos durch die Bundesregierung oder von ihr ganz oder teilweise finanzierten Projekten und Organisationen ausgegeben und welche Kosten sind hierbei entstanden? Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Modellprojekt des pro familia Bundesverbandes „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ ermöglichte Frauen ab 20 Jahren eine Kostenübernahme für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel, wenn sie eine der folgenden staatlichen Unterstützungen erhielten: Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Kinderzuschlag, Berufsausbildungsbeihilfe, Wohngeld, Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Asylbewerberleistungsgesetz . Im Rahmen des Projektes erfolgten in den Jahren 2018 und 2019 9.015 Kostenübernahmen für Verhütungsmittel mit einem Kostenvolumen in Höhe von 1,310 Mio. Euro (s. folgende Tabelle): Verhütungsmittel Anzahl der Frauen, die das jeweilige Verhütungsmittel erhielten Pille 3.361 in Prozent 37 Prozent Hormonspirale 2.298 in Prozent 25 Prozent Kupferspirale 1.177 in Prozent 13 Prozent Depotspritze 761 in Prozent 8 Prozent Vaginalring 475 in Prozent 5 Prozent Hormonimplantat 227 in Prozent 3 Prozent Minipille 335 in Prozent 4 Prozent Kupferkette 212 in Prozent 2 Prozent Verhütungspflaster 86 in Prozent 1 Prozent Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16697 Verhütungsmittel Anzahl der Frauen, die das jeweilige Verhütungsmittel erhielten Pille danach 7 in Prozent 0 Prozent Sonstiges 7 in Prozent 0 Prozent keine Angabe 69 in Prozent 1 Prozent Summe 9.015 Durch die BZgA und die von ihr finanzierten Zuwendungsempfänger erfolgte folgende Verteilung von Kondomen: BZgA Verteilung 2017 2018 2019 Kondomabgaben (Menge) 100.522 215.275 172.883 Kosten in Euro 10.052,20 € 21.527,50 € 19.017,13 € Drucksache 19/16697 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333