Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Jörg Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/16319 – Gefährdung der Behandlungs- und Versorgungssicherheit von Patienten durch Verschiebung der Einführung der europäischen Datenbank für Medizinprodukte V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Europäische Union hat am 5. April 2017 eine neue europäische Medizinprodukteverordnung beschlossen (MDR = Medical Device Regulation; Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nummer 178/2002 und der Verordnung (EG) Nummer 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates). Geltungsbeginn ist nach einer Übergangsfrist der 26. Mai 2020. Die Medical Device Regulation (MDR) verpflichtet in Artikel 29 ff. die Hersteller von Medizinprodukten, die Daten über sich und über ihre Produkte in der europäischen Datenbank für Medizinprodukte (European Databank on Medical Devices – EUDAMED) zu speichern. Der Zweck der Datenmeldung und Datenspeicherung geht zurück auf einen Beschluss der EU-Kommission im Jahr 2010 (2010/227/EU): „Die Europäische Datenbank für Medizinprodukte soll die Marktüberwachung verbessern, indem den zuständigen Behörden ein rascher Zugriff auf Informationen über die Hersteller und ihre Bevollmächtigten, über Produkte und Bescheinigungen sowie auf Vigilanzdaten gewährt wird; ferner soll sie zum Austausch von Informationen über klinische Prüfungsdaten sowie zur einheitlichen Anwendung der oben genannten Richtlinien, insbesondere hinsichtlich der Meldevorschriften, beitragen “ (www.johner-institut.de/blog/regulatory-affairs/eudamed/). Dieser Beschluss aus dem April 2010 erfolgte zeitgleich mit dem Verbot der Brustimplantate des Herstellers PIP mit dem Ziel, die Patientensicherheit durch Gewährleistung einer hohen Produkt- und Versorgungsqualität in Europa zu verbessern (ebd.). Deshalb verpflichtet Artikel 31 Absatz 1 MDR Hersteller, Bevollmächtigte und Importeure, bevor ein Produkt in Verkehr gebracht wird, die vorgeschriebenen Angaben in die europäische Datenbank einzugeben und sich registrieren zu lassen (bei sog. Benannten Stellen). Gleichzeitig verpflichtet Artikel 29 Absatz 4 MDR die Hersteller, bereits eingegebene Daten und Informationen auf dem neuesten Stand zu halten. Folgende Daten müssen zur Gewährleistung sicherer Behandlungs- und Versorgungsstandards für Patienten eingegeben und gepflegt werden (ebd.): Deutscher Bundestag Drucksache 19/16705 19. Wahlperiode 22.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Gesundheit vom 20. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. – Akteur (Hersteller, Bevollmächtigter) mit Kennung, Name, Straße, Ort, Postleitzahl, Land, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse; – Produkt mit Produkt-Code, Produktbezeichnung/-fabrikat und gegebenenfalls zusätzlich Identifikationsnummer, Risikoklasse, wiederverwendbares Produkt (j/n), mit tierischem oder menschlichem Gewebe (j/n) usw.; – Bescheinigung mit Nummer der Bescheinigung, Art der Bescheinigung, Ausstellungsdatum, Ende der Gültigkeit, Hersteller und gegebenenfalls Bevollmächtigter, Benannte Stelle, Allgemeine Beschreibung der Gültigkeit und gegebenenfalls Einzelheiten zum Produkt, Status und gegebenenfalls Gründe für die Entscheidung der benannten Stelle; – Vorkommnis mit Aktenzeichen der zuständigen Behörde, Hersteller und gegebenenfalls Bevollmächtigter, Kontaktangaben zum Hersteller, Aktenzeichen des Herstellers/Nummer der sicherheitsrelevanten korrektiven Maßnahmen im Feld (Field Safety Corrective Action, FSCA), Produkt sowie gegebenenfalls Losnummer, Seriennummer, Softwareversion, Benannter Stelle, Markt, auf dem das Produkt in Verkehr gebracht wird, vollständiger Untersuchung, Hintergrundinformation, Schlussfolgerung, Empfehlung sowie Maßnahmen und Maßnahmenbeschreibung; – Klinische Prüfung mit Hersteller und gegebenenfalls Bevollmächtigter, Produkt, Bezeichnung der Prüfung, Protokollnummer, Hauptziel, Kontaktpersonen für die klinische Prüfung bei der zuständigen Behörde, von der zuständigen Behörde getroffenen Entscheidungen, Datum der Entscheidung und Gründe, Angaben zu einer vorzeitigen Beendigung aus Sicherheitsgründen sowie Datum der Entscheidung und Gründe (www.johner-in stitut.de/blog/regulatory-affairs/eudamed/). Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/14166 zu Versorgungsengpässen bei Medizinprodukten hervorgeht, liegen die Voraussetzungen zur Durchführung der geforderten Zertifizierung und damit die Grundvoraussetzungen für die Meldung der oben genannten Kriterien noch immer nicht vor. Die Datenbank soll außerdem auch für die Öffentlichkeit (teilweise) einsehbar sein, um eine weitergehende Information zu Medizinprodukten sicherzustellen (www.johner-institut.de/blog/regulatory-affairs/eudamed/). Am 30. Oktober 2019 hat die Europäische Kommission bekannt gegeben, dass die EUDAMED nicht wie ursprünglich geplant modulweise freigegeben werden soll, sondern nunmehr erst insgesamt nach vollständiger Fertigstellung im März 2022 eingeführt wird (https://ec.europa.eu/growth/sectors/medical-devic es/new-regulations/eudamed_en, https://ec.europa.eu/growth/sectors/medicaldevices /new-regulations/eudamed_en). Die MDR treten jedoch nach derzeitigem Sachstand bereits am 26. Mai 2020 in Kraft (siehe oben). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die europäische Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745 (MDR) macht es erforderlich, dass eine vollständig neue europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) aufgebaut werden muss. Gegenüber der auf Beschluss der EU-Kommission im Jahr 2010 (2010/227/EU) in Betrieb genommenen Datenbank EUDAMED (alt) muss das neue System zahlreiche andere Datenerfassungsmodule (z. B. Registrierung von Wirtschaftsakteuren, von Produkten oder Unique Device Identification – Identifikationsdaten) enthalten, mehrere regulatorische Prozesse (z. B. Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen) erstmalig abbilden sowie die Mehrzahl der gespeicherten oder prozessierten Daten der breiten Öffentlichkeit verfügbar machen. Somit wäre das neue MDR- Drucksache 19/16705 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode EUDAMED als multinationales Medizinprodukte-Datenbanksystem weltweit einzigartig. Vor dem Hintergrund dieser sehr ambitionierten Aufgabe und dem erfahrungsgemäß hohen Risiko von zeitlichen Verzögerungen hat der europäische Gesetzgeber in der MDR Vorkehrungen getroffen für den Fall, dass EUDAMED nicht rechtzeitig voll funktionsfähig ist. Daraus folgt, dass bisherige auf den aktuellen EU-Medizinprodukterichtlinien basierende nationale Erfassungssysteme weiter aufrecht erhalten werden. Zudem ist erforderlich, dass die Mitgliedstaaten festlegen, wie die Wahrnehmung von mit EUDAMED im Zusammenhang stehenden Pflichten und Anforderungen erfolgen soll (z. B. durch alternative Kommunikationsmittel und Meldewege). Im aktuellen Gesetzentwurf zum Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz ist vorgesehen, dass das Bundesministerium für Gesundheit entsprechende Informationen rechtzeitig im Wege einer Bekanntmachung mitteilt. 1. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung im Hinblick auf die Patientenversorgung in Deutschland aus der Verschiebung der in der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) vorgesehenen Europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) auf das Jahr 2022? Die MDR enthält detaillierte Regelungen für den Fall, dass die volle Funktionsfähigkeit von EUDAMED nicht rechtzeitig gegeben ist. Negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung aufgrund der Verschiebung von EUDAMED sind derzeit nicht erkennbar. 2. Welche Schlussfolgerungen für ihr eigenes Handeln zieht die Bundesregierung aus der um zwei Jahre später als dem vorgesehenen Geltungsbeginn der MDR erfolgten Einführung der Datenbank EUDAMED, obwohl eine gleichzeitige schrittweise Einführung der Datenbank, wie ursprünglich vorgesehen, möglich wäre? a) Was bedeutet dies aus Sicht der Bundesregierung für die Medizinproduktehersteller in Deutschland? b) Was bedeutet dies für die Informationsmöglichkeiten betroffener Patienten zu Medizinprodukten? Die Fragen 2 bis 2b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis darüber, ob eine schrittweise Einführung von EUDAMED rechtlich zulässig und technisch möglich wäre. Die MDR enthält detaillierte Regelungen für den Fall, dass EUDAMED zum Geltungsbeginn der Verordnung nicht voll funktionsfähig ist. Entsprechend dieser Regelungen erfolgt die Registrierung deutscher Medizinproduktehersteller im bisherigen nationalen Medizinprodukte-Informationssystem. Auch die Produkte deutscher Hersteller werden wie bisher in Deutschland registriert. Dies ist gegenüber den von der MDR vorgesehenen UDI- und Produktregistrierungsanforderungen eine erhebliche (vorübergehende) bürokratische Entlastung. Trotz fehlender Funktionsfähigkeit von EUDAMED zum Geltungsbeginn werden Patientinnen und Patienten im Vergleich zur heutigen Situation verbesserte Informationsmöglichkeiten erhalten. Insbesondere die von den Herstellern von Hochrisikoprodukten anzufertigenden und von den Benannten Stellen zu validierenden Kurzberichte zur Sicherheit und klinischen Leistung (Artikel 32 MDR) sollen bis zur Inbetriebnahme von EUDAMED z. B. auf den Internetseiten der Hersteller öffentlich zugänglich gemacht werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16705 3. Welche Auswirkungen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Verschiebung der Einführung der Datenbank EUDAMED auf die Versorgung der Leistungserbringer in Deutschland mit Medizinprodukten? Negative Auswirkungen auf die Versorgung der Leistungserbringer in Deutschland sind derzeit nicht erkennbar (siehe auch Antwort zu Frage 1). 4. Welche zusätzlichen Aufgaben kommen im Verschiebungszeitraum und darüber hinaus auf das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die sonst beteiligten Überwachungsbehörden zu? Die betroffenen Bundesoberbehörden müssen rechtzeitig vor dem 26. Mai 2020 geringfügige Anpassungen an den aufgrund der Verschiebung von EUDAMED auf nationaler Ebene weiter zu betreibenden elektronischen Datenerfassungssystemen vornehmen, um den Behörden, Herstellern, Bevollmächtigten und Benannten Stellen ein rechtlich einwandfreies Handeln im Einklang mit den Bestimmungen der MDR zu ermöglichen. 5. Welcher zusätzliche Bürokratieaufwand entsteht durch die Verschiebung der Einführung von EUDAMED nach Kenntnis der Bundesregierung für medizinische Einrichtungen und die Medizinproduktehersteller in Deutschland? Nach Kenntnis der Bundesregierung entsteht für medizinische Einrichtungen und Medizinproduktehersteller kein unmittelbarer zusätzlicher Bürokratieaufwand durch die Verschiebung der Einführung von EUDAMED. 6. Wie viele der nach der MDR neu zu akkreditierenden Benannten Stellen sind aktuell zugelassen (bitte nach Mitgliedsländern auflisten)? Die nach der MDR notifizierten Benannten Stellen sind auf der Internetseite der Europäischen Kommission veröffentlicht: https://ec.europa.eu/growth/tool s-databases/nando/index.cfm?fuseaction=directive.main. Demnach gibt es neun nach MDR Benannte Stellen (vier in Deutschland, eine in Großbritannien, drei in den Niederlanden, eine in Italien). Zudem gibt es drei Benannte Stellen (eine in Deutschland, eine in Großbritannien, eine in den Niederlanden), die nach der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR) für In-vitro-Diagnostika notifiziert wurden (siehe Anlage). 7. Verfügen die Benannten Stellen über ausreichende Kapazitäten, um die Aufgaben der MDR wahrnehmen können? Die MDR sieht vor, dass vor der Notifizierung einer Benannten Stelle im Rahmen eines komplexen Begutachtungsverfahrens, an dem neben der nationalen benennenden Behörde auch Experten von anderen Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission teilnehmen, nachgewiesen wird, dass eine Benannte Stelle über ausreichende Kapazitäten sowie technische und personelle Ausstattungen verfügen, um ihre Aufgaben nach der MDR wahrnehmen zu können. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass bis zum Geltungsbeginn eine ausreichend hohe Anzahl an Benannten Stellen notifiziert sein wird. Drucksache 19/16705 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Welche konkreten Maßnahmen, außer dem Vorschlag eines Corrigendums durch die EU-Kommission (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/14166), plant die Bundesregierung angesichts der Verschiebung der Einführung von EUDAMED und der bisher bekannten Situation zu den Benannten Stellen, um sich für eine Verschiebung oder einen geänderten Geltungsbeginn der MDR einzusetzen? Die Bundesregierung plant derzeit keine konkreten Maßnahmen in Bezug auf eine Verschiebung oder Änderung des Geltungsbeginns der MDR. Mit dem zweiten Corrigendum, welches am 27. Dezember 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist, konnte ein entscheidender Schritt zur Entlastung der Benannten Stellen erreicht werden. Wichtig ist, dass alle betroffenen Hersteller effektiven Gebrauch von der korrigierten Übergangsregelung machen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16705 Drucksache 19/16705 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333