Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hagen Reinhold, Michael Theurer, Dr. Martin Neumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16316 – Kraftwerke mit Schwarzstartfähigkeit V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Kraftwerke mit Schwarzstartfähigkeit sind nach Ansicht der Fragesteller besonders wichtig für die strategische Energieversorgung. Insbesondere bei einem flächendeckenden Stromausfall in ganzen Regionen oder auch ganzen Ländern sind große Kraftwerkskapazitäten notwendig, um nach einem Stromausfall überhaupt wieder ans Netz zu gelangen. Viele Kraftwerke sind dafür nicht ausgelegt oder an nicht strategischer Stelle. Um das Energienetz nach einem Blackout wieder in Betrieb zu nehmen, muss ein Initial-Anfahren und somit Energie von schwarzstartfähigen Erzeugungseinheiten mobilisiert werden . So können auch die nicht schwarzstartfähigen Kraftwerke wieder ans Netz gehen. In jedem Energienetz muss eine ausreichende Anzahl von Kraftwerken mit Schwarzstartfähigkeit vorhanden sein, um für ein Wiederhochfahren nach einem Zusammenbruch eine Wiederaufnahme zu gewährleisten (https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzstart).  1. Wie definiert die Bundesregierung schwarzstartfähige Kraftwerke? Hat die Bundesregierung eine Definition, und wenn ja, wie lautet diese? Schwarzstartfähige Kraftwerke sind Kraftwerke, die beim Ausfall des Stromnetzes ohne Spannungsvorgabe von außen angefahren werden können.  2. Hat die Bundesregierung eine Übersicht der strategisch wichtigen und im Falle eines Blackouts schwarzstartfähigen Kraftwerke in Deutschland? Auf Grundlage des Monitorings nach § 35 EnWG erfasst die Bundesnetzagentur regelmäßig den aktuellen Kraftwerksbestand, darunter auch schwarzstartfähige Anlagen. Der Bundesnetzagentur liegt eine vollständige Übersicht vor, einschließlich der von den Anlagenbetreibern als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gekennzeichneten Schwarzstartfähigkeit. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16714 19. Wahlperiode 22.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 20. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.  3. Wie viele schwarzstartfähige Kraftwerke gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland? Gemäß Monitoring nach § 35 EnWG gibt es in Deutschland 174 schwarzstartfähige Anlagen (Kraftwerksblöcke bzw. Turbinen), die über eine Netto-Nennleistung von mindestens 10 MW verfügen. Diese sind aktuell in Betrieb oder werden als Teil der Netzreserve für den Schwarzfall vorgehalten. Von den insgesamt 174 schwarzstartfähigen Anlagen werden 26 Anlagen tatsächlich von den Übertragungsnetzbetreibern für einen Netzwiederaufbau vorgesehen.  4. Wo befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die schwarzstartfähigen Kraftwerke in Deutschland? Zum Schutz der im Rahmen des Monitorings nach § 35 EnWG als Betriebsund Geschäftsgeheimnis gekennzeichneten Informationen kann bei der Beantwortung dieser Frage keine Zuordnung zu einzelnen Bundesländern getroffen werden. Eine Übersicht der deutschlandweiten Aufteilung ist aber über eine Nord-Süd- Betrachtung möglich. Dabei wird die Mainlinie als Grenze zwischen Nord- und Süddeutschland herangezogen. Demnach befinden sich 101 schwarzstartfähige Anlagen (Kraftwerksblöcke bzw. Turbinen) nördlich der Mainlinie, südlich der Mainlinie sind es laut Monitoring der Bundesnetzagentur 73 Anlagen.  5. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung dafür zuständig, dass im Falle eines Blackouts ausreichend schwarzstartfähige Kraftwerkskapazitäten vorhanden sind? Die Übertragungsnetzbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, den Netzwiederaufbau in ihrer Regelzone zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass für diesen Zweck schwarzstartfähige Kraftwerke vorgehalten werden. Darüber hinaus befinden sich weitere schwarzstartfähige Kraftwerke in einzelnen Verteilnetzen. Diese werden von den zuständigen Verteilnetzbetreibern zur teilweisen Wiederversorgung ihrer Netze bis zum systemweiten Netzwiederaufbau durch die Übertragungsnetzbetreiber eingesetzt. Die Betreiber schwarzstartfähiger Kraftwerke , die dem systemweiten Netzwiederaufbau dienen, sind vertraglich zur Vorhaltung entsprechender Kapazitäten verpflichtet. Die aktuell zur Verfügung stehenden Kapazitäten sind ausreichend, um den Bedarf zu decken.  6. Welche Herausforderungen stellen Kraftwerke mit Schwarzstartfähigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung an die Stromnetze? Kraftwerke mit Schwarzstartfähigkeit stellen keine besonderen Anforderungen an die Stromnetze. Vielmehr sind es die Stromnetze, die Anforderungen an den Anschluss (schwarzstartfähiger) Kraftwerke definieren. Entsprechende Vorschriften ergeben sich beispielsweise aus dem Network Code „Requirements for Generators“ (EU-Verordnung 2016/631), der in Deutschland durch die vom VDE|FNN herausgegebenen „Technischen Anschlussregeln Höchstspannung“ (VDE-AR-N-4130) konkretisiert wird. Drucksache 19/16714 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  7. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Stromnetzsystem in Deutschland auf eine mögliche Einbindung entsprechender Kraftwerke vorbereitet, und wer trägt die Verantwortung für das diesbezügliche Netzmanagement? In einem marktwirtschaftlich organisierten Energieversorgungssystem steht es jedem Kraftwerksbetreiber frei, schwarzstartfähige Anlagen zu betreiben. Kraftwerke, die aufgrund ihrer Schwarzstartfähigkeit in die Netzreserve überführt wurden, erhalten zudem eine Vergütung für die Leistungsvorhaltung. Im Schwarzfall führen die systemverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber den Netzwiederaufbau mit geeigneten Mitteln durch. Dazu kann auch der Einsatz schwarzstartfähiger Kraftwerke gehören.  8. Mit welchen Energieträgern wird der Strom in den schwarzstartfähigen Kraftwerken in Deutschland erzeugt (hier bitte Aufzählung nach Hauptenergieträger und Ersatzbrennstoff)? Welche Energieträger werden für die Energiegewinnung genutzt, und wie hoch ist der prozentuale Anteil der jeweiligen Energieträger am jeweiligen schwarzstartfähigen Kraftwerke „am Netz“? Beim überwiegenden Teil der am Übertragungsnetz angeschlossenen und vertraglich zum Netzwiederaufbau gebundenen schwarzstartfähigen Kraftwerke handelt es sich um Wasserkraftwerke. In Ausnahmefällen kommen auch Erdgas oder Öl als Energieträger zum Einsatz. Die Energieträger, die beim Schwarzstart eingesetzt werden können, unterscheiden sich nicht von den eingesetzten Energieträgern im „Marktbetrieb“. Somit ist hinsichtlich des Energieträgereinsatzes nicht zwischen verschiedenen Anwendungsfällen zu differenzieren.  9. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wo sich in Europa schwarzstartfähige Kraftwerke befinden? Der Bundesregierung liegen keine Daten über schwarzstartfähige Kraftwerke in Europa vor. 10. Werden in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung momentan Steinkohlekraftwerke mit alternativen Konzepten zu schwarzstartfähigen Kraftwerken aus- bzw. umgebaut? a) Wenn ja, wo gibt es entsprechende Überlegungen und Konzepte? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 10 bis 10b werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass es Bestrebungen gibt, gezielt Steinkohlekraftwerke zur Schwarzstartfähigkeit zu ertüchtigen. Tatsächlich sind Steinkohlekraftwerke aufgrund ihrer Größe und Anlagentechnik für einen Schwarzstart weniger geeignet als beispielsweise Gaskraftwerke. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16714 11. Welche schwarzstartfähigen oder bisher mit Kohle genutzten Kraftwerke innerhalb Deutschlands haben Auswirkungen auf das Wiederhochfahren der Stromversorgung bei einem Blackout europäischer Nachbarländer bzw. sind für deren Energieversorgung dann zu Hilfe zu ziehen? Bei einem Ausfall eines Übertragungsnetzes werden die Übertragungsnetzbetreiber zunächst immer versuchen, ihr Netz mit einer Spannungsvorgabe aus einem benachbarten Netz wieder anzufahren. Im Fall eines großflächigen, Ländergrenzen überschreitenden Ausfalls der Übertragungsnetze versucht zunächst jeder Übertragungsnetzbetreiber, sein eigenes Netz mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wieder unter Spannung zu setzen. Der unmittelbare Schwarzstart mit Kraftwerken aus dem Ausland ist dabei nicht vorgesehen. 12. Plant die Bundesregierung, strategisch wichtige Kraftwerke in Deutschland mit Auswirkungen für Europa in besonderem Maße zu fördern und sicherheitsrelevant auszubauen? In einer marktwirtschaftlich organisierten Energieversorgung treffen die Betreiberunternehmen die Entscheidung, ob Kraftwerke errichtet werden und über welche Eigenschaften sie verfügen sollen. Dies gilt auch in Bezug auf strategisch wichtige schwarzstartfähige Kraftwerke. Für die Vorhaltung schwarzstartfähiger Anlagen erhalten die Betreiber eine Vergütung auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit den Übertragungsnetzbetreibern. Die Bundesregierung sieht daher keine Notwendigkeit, den Ausbau bestimmter Kraftwerke gesondert zu fördern. Im Fall einer geplanten Stilllegung bestehender schwarzstartfähiger Kraftwerke haben die Übertragungsnetzbetreiber überdies die Möglichkeit, die betreffenden Anlagen als systemrelevant auszuweisen. Wird diese Ausweisung von der Bundesnetzagentur genehmigt, werden die Kraftwerke in die Netzreserve überführt . 13. Plant die Bundesregierung eine Überprüfung, in deren Verlauf eine Reihenfolge der weniger relevanten Kraftwerke und ein Zeitplan erstellt wird, diese Kraftwerke vom Netz zu nehmen? a) Wenn ja, wann ist mit den Ergebnissen der Evaluation zu rechnen? b) Wenn nein, warum nicht? Schwarzstartfähige Kraftwerke sind derzeit entweder am Markt aktiv oder in der Netzreserve gebunden. Die Systemrelevanz eines stillzulegenden Kraftwerkes ist stets im Einzelfall zu überprüfen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben im Fall einer Stilllegungsanzeige die Möglichkeit, gegenüber der Bundesnetzagentur die Systemrelevanz des betreffenden Kraftwerks anzuzeigen. Wird diese Ausweisung von der Bundesnetzagentur genehmigt, werden die Kraftwerke in die Netzreserve überführt. 14. Welche Kraftwerke könnten bei Fehlen eines schwarzstartfähigen Kraftwerks für ein vergrößerndes Inselnetz herangezogen werden? Wenn eine Spannungsvorgabe aus dem Netz möglich ist, kann grundsätzlich jedes Kraftwerk angefahren werden. Drucksache 19/16714 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Welche Energieträger können zur Schaffung einer Schwarzstartfähigkeit miteinander gekoppelt werden? Welche Potenziale an kombinierbaren Kraftwerken auch unterschiedlicher Energieträger gibt es in Deutschland? Grundsätzlich ist die Kopplung eines schwarzstartfähigen Kraftwerks mit jedem anderen Kraftwerk möglich. Voraussetzung ist, dass über das Übertragungsnetz eine Verbindung zwischen den Kraftwerken hergestellt werden kann und die Leistung der schwarzstartfähigen Anlage ausreicht, das andere Kraftwerk anzufahren. Hinsichtlich der Energieträger wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 16. Warum gibt es in der Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur den Kraftwerkstatus „Sonderfälle“, und welche Fälle werden darunter gefasst? Unter Sonderfälle werden in der Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur Kraftwerke geführt, welche vorübergehend (z. B. Reparatur nach Schadensfall) nicht oder nur eingeschränkt in Betrieb sind. 17. Welche Gründe liegen der Bundesregierung vor, warum die Kraftwerke „Dampfkraftwerk Marbach am Neckar“ (EnBW) und das Kraftwerk „Ingolstadt“ (Uniper) mit dem Energieträger Mineralöl an der Stilllegung gehindert wurden (www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Elektrizi taetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Erzeugun gskapazitaeten/Kraftwerksliste/kraftwerksliste-node.html)? Die genannten Kraftwerke wurden nicht stillgelegt, damit in besonders kritischen Netzsituationen ausreichendes Redispatch-Potenzial zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des elektrischen Energieversorgungssystems zur Verfügung steht (vgl. www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Elektrizi taetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Erzeugungskapa zitaeten/Systemrelevante_KW/Systemrel_KW_node.html). 18. Mit welchem zusätzlichen Bedarf an Kraftwerks- und Netzkapazitäten rechnet die Bundesregierung an den Hafenstandorten, wenn dort Landstrom verpflichtend wird (bitte nach Hafenstandorten und zu erwartender Abnahmemenge auflisten)? Für die Nutzung von Landstrom ist derzeit keine Abnahmepflicht auf nationaler Ebene geplant. Die Bundesregierung möchte sich auf europäischer Ebene für Maßnahmen zur vermehrten Nutzung von Landstrom einsetzen. Ob und in welcher Höhe dadurch ein zusätzlicher Bedarf an Kraftwerks- und Netzkapazitäten entsteht, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab und ist derzeit noch nicht abschätzbar. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16714 19. Mit welchem zusätzlichen Bedarf an Kraftwerks- und Netzkapazitäten rechnet die Bundesregierung bei der Bereitstellung von Wasserstoff und synthetischen strombasierten Kraftstoffen (E-Fuels), und wo und wie wird die Energie für die steigende Nachfrage bereitgestellt? Für einen bedarfsgerechten Ausbau der Strom- und Gasnetzinfrastruktur erstellen die Übertragungsnetzbetreiber (Strom) bzw. Fernleitungsnetzbetreiber (Gas) alle zwei Jahre jeweils einen Netzentwicklungsplan (NEP). Mit Bestätigung des NEP 2019-2030 hat die Bundesnetzagentur zuletzt im Dezember 2019 den zusätzlichen Ausbaubedarf im Bereich der Übertragungsnetze festgestellt . Der dem NEP zugrundeliegende Szenariorahmen trifft dabei erstmals Annahmen zur Höhe der installierten Leistung von Power-to-Gas-Anlagen. Je nach betrachtetem Szenario wird hier von 1 bis 3 GW im Zieljahr 2030 ausgegangen . Damit bildet der Szenariorahmen auch den resultierenden Verbrauchsanstieg ab. Im Rahmen der Netzentwicklungsplanung findet jedoch keine Analyse zum spezifischen Netzausbaubedarf einzelner Technologien statt. Dieser ergibt sich stets aus dem Zusammenspiel aller Erzeuger und Verbraucher und kann folglich nicht isoliert auf einzelne Entwicklungen (z. B. den Ausbau von Power-to-X-Anwendungen) zurückgeführt werden. Die Auswirkungen der Bereitstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen auf die Stromerzeugungskapazitäten hängen wesentlich vom zukünftigen Mengenbedarf dieser Energieträger ab. Ferner spielt eine wesentliche Rolle, in welchem Umfang diese Energieträger in Deutschland erzeugt oder importiert werden. Angesichts der Umwandlungsverluste, die mit der Erzeugung dieser Energieträger verbunden sind, und der begrenzten Flächenpotenziale in Deutschland werden insbesondere synthetische Kohlenwasserstoffe im Falle einer umfangreicheren Nutzung perspektivisch auch importiert werden müssen. Drucksache 19/16714 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333