Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Florian Toncar, Christian Dürr, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16077 – Auswirkungen des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Deutsche Bundestag hat mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen der CDU, CSU und SPD eine Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags („Soli“) beschlossen. Ab 2021 werden nach dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 (www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitt eilungen/Finanzpolitik/2019/08/2019-08-21-Gesetzentwurf-Abschaffung-Soli. pdf;jsessionid=D75D050FE9F3CD4CDE45076824D3412E.delivery2-replicat ion?__blob=publicationFile&v=3) 90 Prozent der Steuerzahler von der Ergänzungsabgabe befreit. Für 6,5 Prozent gilt eine Gleitzone, jedoch für 3,5 Prozent bleibt der Soli vollumfänglich erhalten. Auf die Kapitalertragsteuer sowie auf die Körperschaftsteuer wird der Soli jedoch weiterhin erhoben, somit gilt Gleiches für Sparer ebenso wie für Unternehmen und Selbstständige. Die Kosten für den Bund werden mit ca. 11 Mrd. Euro im Jahr 2021 beziffert. Unklar ist nach Ansicht der Fragesteller bislang noch, ab welchem Einkommen genau der Soli wegfallen wird (www.welt.de/politik/deutschland/article203490808/S oli-Bundestag-schafft-Solidaritaetszuschlag-ab-2021-weitgehend-ab.html) sowie der weitere Abbaupfad. Gutachten des Bundesrechnungshofs und des ehemaligen Vorsitzenden des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, kommen zu dem Schluss, dass die Teilabschaffung verfassungswidrig sein könnte, und ein großes Haushaltsrisiko bedeute, wenn etwa nach einem Urteil des BVerfG der Bund Milliarden an zu Unrecht weiter erhobenem Solidaritätszuschlag zurückzahlen müsste. Verbände und politische Parteien haben bereits Klagen gegen das Gesetz angekündigt (www.handelsblatt.com/politik/deutschland/soli-a bbau-gesetz-solidaritaetszuschlag-faellt-ab-2021-fuer-die-meisten-buerger-we g/25226892.html?ticket=ST-13021280-uczOxIVzAZtJRHINF77L-ap1). Deutscher Bundestag Drucksache 19/16715 19. Wahlperiode 22.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Wie viele Kapitalgesellschaften gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, und wie hoch war ihr Anteil am Aufkommen des Solidaritätszuschlags in den letzten drei Jahren (absolut und relativ zum Aufkommen am Solidaritätszuschlag)? Die Anzahl der grundsätzlich zur Zahlung von Solidaritätszuschlag (SolZ) verpflichteten Kapitalgesellschaften ergibt sich aus der Körperschaftsteuerstatistik. Die aktuellste Ausgabe vom 27. März 2019 enthält die Daten für das Veranlagungsjahr 2014. Danach gab es im Jahr 2014 insgesamt 1.079.403 körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften (ohne Organgesellschaften). Die Statistik der kassenmäßigen Steuereinnahmen weist für den SolZ lediglich eine Aufgliederung nach den Steuerarten auf, auf die SolZ erhoben wird. Das Kassenaufkommen des SolZ zur Körperschaftsteuer betrug im Jahr: 2016 1.622,2 Mio. Euro (9,6 Prozent des Aufkommens des SolZ), 2017 1.744,2 Mio. Euro (9,7 Prozent des Aufkommens des SolZ), 2018 1.831,3 Mio. Euro (9,7 Prozent des Aufkommens des SolZ). In diesen Beträgen sind auch die Zahlungen von Körperschaftsteuerpflichtigen enthalten, die keine Kapitalgesellschaften sind. Nicht enthalten ist der von Kapitalgesellschaften gezahlte SolZ, der auf die Kapitalertragsteuer erhoben wurde (siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 3). 2. Wie viele selbstständige Unternehmer gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, und wie hoch war ihr Anteil am Aufkommen des Solidaritätszuschlags in den letzten drei Jahren (absolut und relativ zum Aufkommen am Solidaritätszuschlag)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine aktuellen Informationen vor. Hinsichtlich der Anzahl können die Daten der Gewerbesteuer- und Einkommensteuerstatistiken zumindest einen Anhaltspunkt liefern. In der Gewerbesteuerstatistik 2014 sind 2,57 Millionen. Einzelunternehmen und Personengesellschaften und in der Einkommensteuerstatistik 2014 rd. 876 Tausend Steuerpflichtige mit überwiegenden Einkünften aus selbständiger Tätigkeit erfasst. Insgesamt ergibt sich somit eine Größenordnung von knapp 3,5 Millionen Unternehmen. Laut Einkommensteuerstatistik 2015 gab es in diesem Jahr 3,013 Millionen Einkommensteuerpflichtige mit überwiegenden Einkünften aus Gewinneinkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständige Arbeit). Ergänzend wird auf die vom BMF veröffentlichte Datensammlung zur Steuerpolitik (abrufbar unter www.bmf-datensammlungen.de) verwiesen. Zur Höhe des auf diese Steuerpflichtigen entfallenden Aufkommens an SolZ liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 3. Wie hoch war das Aufkommen am Solidaritätszuschlag auf die Kapitalertragsteuer in den letzten drei Jahren (absolut und relativ zum Aufkommen am Solidaritätszuschlag)? Das Aufkommen an Kapitalertragsteuer wird in der Statistik der kassenmäßigen Steuereinnahmen in den beiden Steuerarten „nicht veranlagte Steuern vom Ertrag“ und „Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge“ erfasst. Das Aufkommen an SolZ auf diese beiden Steuerarten betrug im Jahr: 2016 1.332,3 Mio. Euro (7,9 Prozent des Aufkommens des SolZ), Drucksache 19/16715 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2017 1.417,0 Mio. Euro (7,9 Prozent des Aufkommens des SolZ), 2018 1.568,2 Mio. Euro (8,3 Prozent des Aufkommens des SolZ). Da unter der Steuerart „nicht veranlagte Steuern vom Ertrag“ neben der Kapitalertragsteuer auf Dividenden noch weitere im Abzugsverfahren erhobene Steuern erfasst werden, ist auch der SolZ auf diese Abzugssteuern in den vorgenannten Beträgen enthalten. Der Anteil kann mangels getrennter Erfassung nicht beziffert werden. 4. Ab welchen Einkommen wird nach der von der Bundesregierung initiierten Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags a) ein lediger Arbeitnehmer ohne Kind, b) ein lediger Arbeitnehmer mit 2 Kindern, c) ein gemeinsam veranlagtes Ehepaar ohne Kinder, d) ein gemeinsam veranlagtes Ehepaar mit 2 Kindern gemäß dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 die Freigrenze verlassen und in die Milderungszone rutschen? 5. Ab welchen Einkommen werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Beispielfälle aus Frage 4 gemäß dem Gesetz die Milderungszone verlassen und den vollen Solidaritätszuschlag zahlen müssen? 6. Wie viele Arbeitnehmer würden sich nach Kenntnis der Bundesregierung ab 2021 insgesamt in der Milderungszone befinden, und wie viele oberhalb dieser? 7. Wie hoch wird nach Kenntnis der Bundesregierung deren Belastung durch den Solidaritätszuschlag absolut sein (bitte in einer Beispielrechnung anhand von 500-Euro-Einkommensschritten angeben)? Die Fragen 4 bis 7 werden zusammen beantwortet. Nach dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2115) beträgt die Freigrenze ab 2021 für einzeln veranlagte Steuerpflichtige 16.596 Euro, für zusammen veranlagte Steuerpflichtige 33.912 Euro. Bemessungsgrundlage ist die Einkommensteuer. Da deren Ermittlung jeweils unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls erfolgt und wesentliche Parameter (bspw. Sozialversicherungsrechengrößen und Einkommensteuertarif) für 2021 noch nicht bekannt sind, ist die Angabe konkreter Daten nicht möglich. 8. Wie hoch ist das Medianeinkommen eines Arbeitnehmers in Deutschland, und wie hoch dessen Belastung durch den Solidaritätszuschlag? 9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Belastung durch den Solidaritätszuschlag bei Beziehern von Einkommen, die von 10 Prozent unterhalb bis 10 Prozent oberhalb des Medianeinkommens liegen, in absoluten Zahlen und relativ zum Aufkommen am Solidaritätszuschlag? Die Fragen 8 und 9 werden zusammen beantwortet. Das Medianeinkommen eines Arbeitnehmers beträgt nach einer Schätzung auf der Grundlage der fortgeschriebenen Daten der Lohn- und Einkommensteuer für das Jahr 2019 etwa 30.294 Euro im Jahr. Auf diesen Bruttolohn entfällt in Steuerklasse I aktuell 197,89 Euro SolZ auf die Lohnsteuer. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16715 Rund 3,8 Mio. Arbeitnehmer liegen mit ihren Bruttolöhnen zwischen 10 Prozent unter bis 10 Prozent über dem Medianeinkommen. Sie zahlen etwa 690 Mio. Euro SolZ. Dies entspricht rechnerisch rund 3,5 Prozent des nach amtlicher Steuerschätzung erwarteten Aufkommens an SolZ von 19,450 Mrd. Euro im Jahr 2019. 10. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers in Deutschland, und wie hoch dessen Belastung durch den Solidaritätszuschlag? 11. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Belastung durch den Solidaritätszuschlag bei Beziehern von Einkommen, die von 10 Prozent unterhalb bis 10 Prozent oberhalb des Durchschnittseinkommens liegen, in absoluten Zahlen und relativ zum Aufkommen am Solidaritätszuschlag ? Die Fragen 10 und 11 werden zusammen beantwortet. Das Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers beträgt nach einer Schätzung auf der Grundlage der fortgeschriebenen Daten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik im Jahr 2019 etwa 36.594 Euro im Jahr. Auf diesen Bruttolohn entfällt in Steuerklasse I aktuell 283,36 Euro SolZ auf die Lohnsteuer. Rund 4,5 Mio. Arbeitnehmer liegen mit ihren Bruttolöhnen zwischen 10 Prozent unter bis 10 Prozent über dem Durchschnittseinkommen. Sie zahlen etwa 1,1 Mrd. Euro SolZ. Dies entspricht rechnerisch rund 5,7 Prozent des nach amtlicher Steuerschätzung erwarteten Aufkommens an SolZ von 19,450 Mrd. Euro im Jahr 2019. 12. Plant die Bundesregierung, den weiteren Abbaupfad des Solidaritätszuschlags festzulegen? Falls ja, in welcher Form soll dies geschehen (weiterer Gesetzentwurf, Verordnung – VO – etc.)? Auf die Gesetzgebungsunterlagen des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2115) wird verwiesen. 13. Hat die Bundesregierung die Gutachten des Bundesrechnungshofs (Gz.: I 2 – 90 08 04, 4. Juni 2019) und des ehemaligen Vorsitzenden, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, des BVerfG (März 2019) zur Kenntnis genommen ? Falls ja, inwiefern adressiert sie die darin vorgetragenen Bedenken der Verfassungswidrigkeit und des Haushaltsrisikos? Der Bundesregierung sind die Gutachten bekannt. Die hierin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Weitererhebung des SolZ werden von der Bundesregierung nicht geteilt. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Zur Einigung der Koalition über den Solidaritätszuschlag“ auf Bundestagsdrucksache 19/12390 verwiesen. Drucksache 19/16715 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung das Aufkommen am Solidaritätszuschlag seit seiner Einführung a) von ledigen Arbeitnehmern ohne Kinder, b) von ledigen Arbeitnehmern mit Kindern, c) von gemeinsam veranlagten Ehepaaren ohne Kinder, d) von gemeinsam veranlagten Ehepaaren mit Kindern insgesamt (absolut und relativ zum Aufkommen am Solidaritätszuschlag )? Zur Höhe des auf diese Steuerpflichtigen entfallenden Aufkommens an SolZ liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 15. Wie bewertet die Bundesregierung die mehrfach geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Weitererhebung des Solidaritätszuschlags nach dem 31. Dezember 2019 (z. B. www.tagesschau.de/inland/s oli-verfassung-101.html) a) im Hinblick auf die grundsätzliche Weitererhebung, b) im Hinblick auf die Ungleichbehandlung (Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer oder auf die Abgeltungsteuer)? Die Bundesregierung teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Weitererhebung des SolZ nicht. Auf die Begründung im Gesetzentwurf zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 (Bundestagsdrucksache 19/14103) wird verwiesen. Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich eine Gleichbehandlung von Einkommen - und Körperschaftsteuerpflichtigen nicht erforderlich. Anders als bei natürlichen Personen spielen bei Körperschaften soziale Gesichtspunkte keine Rolle. Zudem ist der Körperschaftsteuersatz mit 15 Prozent linear ausgestaltet und damit unabhängig von der Höhe des Einkommens. Die Wahl der Rechtsform und die daraus jeweils resultierenden Belastungswirkungen obliegen der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen. Zur Abgeltungsteuer wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Nichtabschaffung des Solidaritätszuschlags bei der Abgeltungsteuer“ auf Bundestagsdrucksache 19/14585 verwiesen . 16. Gelten die geplanten Entlastungen von 90 bzw. 96,5 Prozent auch mit Einbeziehung der in Frage 15b genannte Fälle? Nein. Auf die entsprechende Begründung im Gesetzentwurf zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 (Bundestagsdrucksache 19/14103) wird verwiesen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16715 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333