Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Harald Weinberg, Pia Zimmermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/16102 – Anwerbung von Pflege- und Gesundheitsfachkräften durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit , Zentrale Auslands- und Fachvermittlung und die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des Projekts „Triple Win“ V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Pflegebereich in Deutschland herrscht akuter Fachkräftemangel. Durch die demographische Entwicklung wird sich dieser in Zukunft noch weiter verschärfen . Das Bundesinstitut für Berufsbildung schätzt den Mehrbedarf bis 2035 auf bis zu 270.000 Pflege- und Gesundheitskräfte (www.bibb.de/veroef fentlichun-%20gen/de/bwp/show/8233). Dies ist nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller eine Folge der jahrelangen Sparmaßnahmen und niedrigen Gehälter im Pflegebereich, die zu einem massiven Personalengpass geführt haben. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wirbt die Bundesregierung seit Jahren immer stärker um qualifiziertes Personal aus dem Ausland, obwohl die negativen Auswirkungen für die Herkunftsländer, wenn diese ihre am besten ausgebildeten Fachkräfte an Industriestaaten wie Deutschland verlieren, hinlänglich bekannt sind (www.berlin-insti-tut.org/file admin/user_upload/Beschaeftigung_Migration_Westbalkan/Westbalkan.pdf, S. 25 ff.). Dabei vermittelt beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) im Rahmen des Projekts „Triple Win“ gezielt Pflegekräfte aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Tunesien und den Philippinen an deutsche Arbeitgeber. Doch anders als es der vielversprechende Name „Triple Win“ – also ein Gewinn für Pflegekräfte, Deutschland und Herkunftsland – suggeriert, gewinnen nach Ansicht der Fragesteller nicht alle: Die ausgebildeten Fachkräfte stehen dem Arbeitsmarkt der Herkunftsländer nicht mehr zur Verfügung, obwohl sie dort dringend benötigt werden. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen in Deutschland auf 10.000 Menschen 132 Pflege- und Gesundheitskräfte . In den vier Ländern, in denen die Pflege- und Gesundheitsfachkräfte gezielt angeworben werden, ist die Situation signifikant schlechter. Während in Bosnien-Herzegowina (63) und Serbien (61,2) gerade einmal knapp über 60 Pflege- und Gesundheitsfachkräfte für 10.000 Menschen vorhanden sind, ist die Situation auf den Philippinnen (33,3) und in Tunesien (26,4) noch deutlich Deutscher Bundestag Drucksache 19/16732 19. Wahlperiode 23.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 21. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. schwerwiegender („World Health Statistics 2019“, S. 106 ff., www.apps.who. int/iris/bitstream/handle/10665/324835/9789241565707-eng.pdf). Gegensätzlich dazu heißt es im aktuellen Positionspapier der globalen Gesundheitsstrategie der Bundesregierung, dass Deutschland durch die „Arbeits-, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in den Partnerländern, aber auch in Deutschland selbst, sowie einer konsequenten Anwendung des Globalen Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften , eine globale Vorreiterrolle übernehmen soll“ (www.institut-fuerglobale -gesundheit.de/wp-content/uploads/2018/09/Positionspapier-Think-Ta nk-Gruppe-0109.pdf). Allerdings untersagt eben dieser Globale Verhaltenskodex der WHO die aktive Anwerbung von Fachkräften im Ausland, insbesondere in denen, die einen „kritischen Mangel“ an Gesundheitsfachkräften aufweisen (www.apps.who.int /iris/bitstream/handle/10665/70525/WHO_HSS_HRH_HMR_2010.2_ eng.pdf). Die Mitgliedstaaten sind darüber hinaus aufgefordert, diese Regelung in nationales Recht umzusetzen. Der global voranschreitende Brain-Drain wird nach Auffassung der Fragesteller zudem weiter verstärkt, da insbesondere „qualifiziertes Pflegepersonal“ angeworben wird, dass die „persönlichen, fachlichen und sprachlichen Qualifikationen “ der Bewerber selektiv geprüft werden, die zudem bis zu ihrer Ankunft in Deutschland ein B1-Sprachniveau erreicht haben sollten (www.giz. de/de/downloads/TripleWin_Factsheet_2016.pdf). 1. Wie viele Fachkräfte wurden bereits insgesamt im Rahmen des „Triple Win“-Programms von der GIZ aus den Partnerländern abgeworben (bitte nach Jahren, Ländern, Geschlecht und Berufsgruppen auflisten)? „Triple Win“ ist eine Kooperation der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Bereichs International Services der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Nach Informationen der BA sind seit dem Jahr 2013 bisher 3.577 qualifizierte Pflegekräfte über „Triple Win“ aus den vier Partnerländern Bosnien und Herzegowina , Serbien, den Philippinen und Tunesien an deutsche Arbeitgeber der Pflegebranche vermittelt worden (Stand: 11. Dezember 2019). Davon sind bereits 2.220 Pflegekräfte nach Deutschland eingereist und haben ihre Arbeit als Pflegekraft aufgenommen. Die weiteren Pflegekräfte befinden sich in der Vorbereitung und den Deutschsprachkursen in den Herkunftsländern. Die Zahl der vermittelten und eingereisten Pflegekräfte, aufgeschlüsselt nach Jahren und Ländern, können den beiden nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Eine geschlechterspezifische Auswertung liegt nicht vor. Vermittlungen bis Ende 2016 2017 2018 2019 Bosnien und Herzegowina 290 103 155 128 Serbien 382 166 125 111 Philippinen 428 307 577 776 Tunesien / 17 2 10 Gesamt 1.100 593 859 1.025 Quelle: Bundesagentur für Arbeit Drucksache 19/16732 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Einreisen bis Ende 2016 2017 2018 2019 Bosnien und Herzegowina 242 76 126 99 Serbien 313 151 117 98 Philippinen 194 168 363 256 Tunesien / / 17 / Gesamt 749 395 623 453 Quelle: Bundesagentur für Arbeit Seit dem Jahr 2019 kooperieren die BA und die GIZ im Rahmen von „Triple Win“ auch mit dem Partnerland Vietnam. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden dabei jedoch in eine Berufsausbildung im Pflegebereich in Deutschland vermittelt, nicht in eine Beschäftigung als Pflegefachkraft nach Erlangung der Anerkennung. Nach Informationen der BA besuchen derzeit 107 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Deutschsprachkurs in Vietnam. Die erste Gruppe dieser Teilnehmerinnen und Teilnehmer soll zu Beginn des Ausbildungsjahres 2020 nach Deutschland einreisen. 2. Wie hoch waren die Kosten der staatlichen Stellen sowie der Arbeitgeber nach Kenntnis der Bundesregierung für das „Triple Win“-Programm bisher (bitte nach Ländern und Jahren auflisten)? 3. Wie hoch sind die Anwerbungskosten nach Kenntnis der Bundesregierung pro abgeworbener Fachkraft aktuell durchschnittlich (bitte nach Ländern und Berufsgruppen auflisten)? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Beiträge der BA im Rahmen von „Triple Win“ sind Bestandteil des Leistungsspektrums der BA nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und werden über den Haushalt der BA finanziert. Die BA berät z. B. Arbeitgeber und schließt Vermittlungsabsprachen mit ausgewählten Drittstaaten. Da dies keine spezifischen Leistungen der BA für die Zielgruppe des Programms „Triple Win“ sind, können die Kosten von „Triple Win“ für die BA nicht separat quantifiziert werden. Teilnehmende Arbeitgeber zahlen der GIZ für deren Leistungen derzeit 5.500 Euro je vermittelter Pflegekraft bzw. 11.543 Euro je vermitteltem Auszubildenden im Rahmen der Kooperation mit Vietnam. Über diesen Betrag refinanziert die GIZ ihre Kosten und Leistungen im Rahmen des Programms. Zu den Leistungen der GIZ bei Pflegekräften gehören insbesondere der Deutschsprachkurs im Herkunftsland bis zum Niveau B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR), die Betreuung der Bewerberinnen und Bewerber während der Vorbereitungsphase, Fachkurse, die Ausreisekoordination , die Begleitung und Unterstützung des Anerkennungsprozesses und die Integrationsvorbereitung und -begleitung des Arbeitgebers. Im Rahmen der Kooperation mit Vietnam zur Vermittlung in eine Berufsausbildung sind darüber hinaus ein Deutschsprachkurs bis zum Niveau B2 des GeR und Unterbringungskosten umfasst. Nach Informationen der BA kostet die gesamte Rekrutierung einer Pflegekraft über „Triple Win“ einschließlich der Anerkennung als Pflegefachkraft in Deutschland den Arbeitgeber grundsätzlich schätzungsweise zwischen 8.000 Euro und 10.000 Euro, da weitere Kosten insbesondere für die Reise nach Deutschland, für den weiteren Spracherwerb in Deutschland bis zum Niveau B2 des GeR, für das Anerkennungsverfahren (Anpassungsmaßnahme oder Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16732 Kenntnisprüfung) und für die Einarbeitung hinzukommen. Die Rekrutierung von Auszubildenden aus Vietnam ist davon ausgenommen. Kosten für die Beschaffung von Dokumenten für das Anerkennungsverfahren und das Visum, Übersetzungen, die Lebenshaltungskosten während der Vorbereitungszeit im Herkunftsland sowie die Kosten für die Miete ab Arbeitsbeginn in Deutschland obliegen der jeweiligen Pflegekraft. Von der Pflegekraft werden keine Vermittlungsgebühren erhoben. Eine Kostenauflistung nach Ländern und Jahren liegt der Bundesregierung nicht vor. 4. Welche Qualifikationen aus welchen Ländern entsprechen deutschen Berufsabschlüssen ohne großen Nachqualifizierungsaufwand, und welche Berufsabschlüsse aus welchen Ländern erfordern umfangreiche Nachqualifizierungen ? Wie hoch ist der durchschnittliche Kostenaufwand für eine Anpassungsqualifizierung pro abgeworbener Pflegekraft? In Deutschland kann eine Tätigkeit als Pflegefachkraft nur ausgeübt werden, wenn die entsprechende Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung vorliegt. Voraussetzung bei Drittstaatsangehörigen ist zudem, dass von der für die berufliche Anerkennung zuständigen Stelle der Länder die Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation mit der deutschen Referenzausbildung als Pflegefachkraft (Pflegefachmann/-frau bzw. Altenpfleger/-in oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in) festgestellt worden ist. Die zuständige Stelle der Länder prüft die Voraussetzungen für die Feststellung der Gleichwertigkeit und die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung einzelfallbezogen . Pflegekräfte aus dem Ausland können zur Erlangung der vollen Gleichwertigkeit mit dem deutschen Referenzberuf an einer Anpassungsmaßnahme teilnehmen . Ausgleichsmaßnahmen für Pflegekräfte sind in Form eines Anpassungslehrgangs oder in Form einer Kenntnis- bzw. Eignungsprüfung möglich. Mit Blick auf die Vorbemerkung der Fragesteller wird davon ausgegangen, dass sich die Frage auf die Einordnung von Berufsqualifikationen im Pflegebereich aus den Ländern bezieht, in denen im Rahmen von „Triple Win“ Fachkräfte in eine Beschäftigung als Pflegefachkraft in Deutschland nach Erlangung der Anerkennung vermittelt werden. Nach Information der Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) in der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen im Sekretariat der Kultusministerkonferenz weist die philippinische Krankenpflegeausbildung, eine an einem staatlichen Rahmenlehrplan orientierte hochschulische Ausbildung, nur wenige wesentliche Unterschiede zur deutschen Krankenpflegeausbildung auf. Diese Unterschiede liegen im Bereich der Grundpflege und sind mit geringem Aufwand auszugleichen. Da die Ausbildung auf einem staatlich vorgegebenen Lehrplan beruht, gibt es wenige Unterschiede in den Ausbildungsinhalten an den verschiedenen Hochschulen. Laut amtlicher Statistik wurde in den Jahren 2016 bis 2018 im Durchschnitt bei 50 Prozent der Anerkennungsanträge zu philippinischen Abschlüssen in der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege einschließlich Altenpflege die volle Gleichwertigkeit festgestellt, ein gutes Drittel davon nach erfolgreicher Absolvierung einer Ausgleichsmaßnahme im jeweiligen Berichtsjahr. In Serbien und in Bosnien und Herzegowina gibt es nach Information der GfG sowohl fachschulische als auch hochschulische Pflegeausbildungen, deren Un- Drucksache 19/16732 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode terschiede zur deutschen Ausbildung mit den in den Bundesländern etablierten Anpassungslehrgängen ausgeglichen werden können. Laut amtlicher Statistik wurde in den Jahren 2016 bis 2018 im Durchschnitt bei 42 Prozent der Anerkennungsanträge zu serbischen Abschlüssen in der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege einschließlich Altenpflege die volle Gleichwertigkeit festgestellt, gut die Hälfte davon nach erfolgreicher Absolvierung einer Ausgleichsmaßnahme im jeweiligen Berichtsjahr. Bei Abschlüssen aus Bosnien und Herzegowina lag der Anteil der als voll gleichwertig beschiedenen Verfahren zwischen 2016 und 2018 bei 32 Prozent, davon knapp zwei Drittel nach erfolgreicher Absolvierung einer Ausgleichsmaßnahme im jeweiligen Berichtsjahr. In Tunesien werden Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen an Hochschulinstituten ausgebildet, auch hier ist der Ausgleich der vorhandenen Defizite durch Anpassungslehrgänge möglich. Die Antragszahlen sind bislang sehr gering (insgesamt 156 in den Jahren 2016 bis 2018). Der Anteil der als voll gleichwertig beschiedenen Verfahren lag in den Jahren 2016 bis 2018 bei durchschnittlich knapp 20 Prozent, davon knapp ein Drittel nach erfolgreicher Absolvierung einer Ausgleichsmaßnahme. Nach Informationen der BA sind derzeit die Abschlüsse • der Philippinen im Studium zum Bachelor of Science in Nursing, • aus Serbien und Bosnien und Herzegowina als Medicinska sestra-tehničar und • aus Tunesien im Bachelor-Studium zum Infirmier Major Voraussetzung für eine Aufnahme in das Programm „Triple Win“. Diese vier Abschlüsse ermöglichen aufgrund der Qualität der Ausbildungen eine Feststellung der Gleichwertigkeit und Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung in Deutschland innerhalb eines Jahres. Der durchschnittliche Kostenaufwand kann nicht vollumfänglich geschätzt werden, da dieser von der Art der Maßnahme und dem Ausgleichsbedarf abhängt . 5. Wie verteilen sich die angeworbenen Fachkräfte auf die Bereiche Krankenhaus , stationäre Pflege, ambulante Pflege und Intensivpflege (bitte nach Herkunftsländern sortieren)? Wie viele der angeworbenen Pflegekräfte sind in den jeweiligen Bereichen von Tarifverträgen erfasst? Der nachfolgenden Tabelle der BA kann die Verteilung der vermittelten Pflegekräfte aus den vier Partnerländern bei der Fachkräftevermittlung auf die Bereiche Altenpflege, Krankenpflege und ambulante Pflege entnommen werden (Stand: 11. Dezember 2019). Der Bereich Intensivpflege wird statistisch nicht erfasst. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16732 Verteilung der vermittelten Pflegekräfte auf Bereiche Altenpflege Krankenpflege Ambulante Pflege Bosnien und Herzegowina 182 463 16 Serbien 188 590 13 Philippinen 481 1588 27 Tunesien 5 24 / Quelle: Bundesagentur für Arbeit Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, wie viele der angeworbenen Pflegekräfte in den jeweiligen Bereichen von Tarifverträgen erfasst sind. 6. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der GIZ, dass „die Herkunftsländer durch eine Entlastung ihres Arbeitsmarktes profitieren“, obwohl die Anzahl der in den Gesundheitssystemen pro Einwohner zur Verfügung stehenden Gesundheitsfachkräfte in den Partnerländern laut WHO niedriger als in der Bundesrepublik Deutschland ist (bitte begründen)? Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der GIZ, dass die Herkunftsländer von einer entwicklungsorientierten Ausgestaltung der Arbeitsmigration von Gesundheitsfachkräften profitieren können. Viele Gesundheitsfachkräfte finden in den Herkunftsländern keinen Arbeitsplatz und suchen nach Arbeitsmöglichkeiten im Ausland, unter anderem in Deutschland. Die Herkunftsländer profitieren beispielsweise von der Entlastung ihres Arbeitsmarktes, von den Rücküberweisungen der rekrutierten Fachkräfte an Familienangehörige und vom Wissenstransfer bei zirkulärer Migration. Das Programm „Triple Win“ orientiert sich am Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (Global Code of Practice on the International Recruitment of Health Personnel)* und berücksichtigt dabei, dass bei der Auswahl der Länder entwicklungspolitische Kriterien zum Tragen kommen und sog. Brain Drain verhindert werden soll. Die Arbeitsverwaltungen der Partnerländer sind in den Vermittlungsprozess eng eingebunden . Die BA hat mit den Arbeitsverwaltungen von Bosnien und Herzegowina , Serbien, den Philippinen und Tunesien Vermittlungsabsprachen und mit Vietnam eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. 7. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Arbeitslosenzahlen in den Partnerländern im Bereich der jeweiligen Fachkräfte, und wie hat sich die Arbeitslosenquote in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)? Es wird davon ausgegangen, dass sich die Frage auf die Arbeitslosenzahlen und die Arbeitslosenquote für Pflegefachkräfte in den Partnerländern von „Triple Win“ bezieht. Nach Angaben der nationalen Agentur für Arbeit und Beschäftigung Bosnien und Herzegowinas sind rund 7.500 Pflege- und Gesundheitsfachkräfte arbeitslos gemeldet (Stand der letzten Erhebung: Mai 2019). Diese Daten liegen für die vergangenen fünf Jahre vor und haben sich in diesem Zeitraum kontinuierlich erhöht. Eine Aufschlüsselung nach Geschlecht lassen die Daten nicht zu. Im Übrigen liegen der Bundesregierung für die Partnerländer keine Daten im Sinne der Fragestellung vor. * Hinweis: Bei dem in der Vorbemerkung der Fragesteller in Bezug genommenen „Positionspapier der globalen Gesundheitsstrategie der Bundesregierung“ handelt es sich nicht um ein Positionspapier der Bundesregierung, sondern um ein Positionspapier der in den Diskussionsprozess der Strategie einbezogenen Think Tank-Akteursgruppe. Die Strategie wird derzeit durch die Bundesregierung erarbeitet. Drucksache 19/16732 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der angeworbenen Fachkräfte der jeweiligen Länder, die zuvor arbeitslos waren oder in einem fachfremden Beruf gearbeitet haben (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen dazu keine Informationen vor. 9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der angeworbenen Fachkräfte der jeweiligen Länder, die unmittelbar nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Beschäftigung in Deutschland suchten (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)? Nach Informationen der BA wird dieses Kriterium statistisch nicht erfasst. In jedem Land werden in gemeinsamer Abstimmung mit den Arbeitsverwaltungen der Partnerländer bestimmte Voraussetzungen für die Aufnahme von Pflegekräften in das Programm „Triple Win“ festgelegt. Auf den Philippinen sind dies z. B. zwei Jahre Berufserfahrung nach Erwerb des Bachelor-Abschlusses. Pflegekräfte aus den Philippinen nehmen demnach nicht direkt nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Beschäftigung in Deutschland auf. Bei tunesischen Pflegekräften wird ein Jahr Berufserfahrung nach Abschluss der Ausbildung vorausgesetzt . Pflegekräfte aus Bosnien und Herzegowina und Serbien können direkt nach Abschluss der Ausbildung einschließlich des Fachpraktikums am Programm „Triple Win“ teilnehmen. 10. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der angeworbenen Fachkräfte mit einer Hochschulausbildung oder mit einer mehr als zehnjährigen Berufserfahrung (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)? Die Qualifikation zur Pflegefachkraft wird in den Partnerländern unterschiedlich erworben. Dazu wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Im Rahmen von „Triple Win“ besitzen alle philippinischen und tunesischen Pflegekräfte einen Bachelor-Abschluss, für den in Deutschland die Gleichwertigkeit mit einer inländischen Berufsausbildung als Pflegefachkraft festgestellt werden kann, ggf. nach Abschluss erforderlicher Ausgleichsmaßnahmen. Die Dauer der Berufserfahrung der teilnehmenden Pflegekräfte wird nach Informationen der BA statistisch nicht erfasst. 11. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausbildungskosten der Fachkräfte in den jeweiligen Herkunftsländern? Der Bundesregierung liegen keine umfassenden Angaben zu individuellen Ausbildungskosten pro Fachkraft vor, da sie je nach Herkunftsland stark variieren. 12. Leistet die Bundesregierung Kompensationszahlungen für diese Ausbildungskosten , bzw. plant sie, dies zu tun? Die Bundesregierung leistet keine Kompensationszahlungen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16732 13. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung der Fragestellerinnen und Fragesteller zu, dass die volkswirtschaftlichen Kosten der Abwerbung von Fachkräften für die Herkunftsländer wesentlich höher sind als ihr Nutzen? Wenn nein, warum nicht (bitte begründen)? Es wird davon ausgegangen, dass mögliche volkswirtschaftliche Kosten der Herkunftsländer bei einer entwicklungsorientierten Ausgestaltung der Arbeitsmigration durch gleichzeitig entstehende positive Effekte wie Rücküberweisungen und Wissenstransfer durch zirkuläre Migration ausgeglichen werden können. 14. Gibt es Pläne zu weiteren bilateralen Abkommen bzw. Vermittlungsabsprachen mit Nicht-EU-Staaten, um Gesundheitsfachkräfte für Deutschland zu gewinnen? a) Wenn ja, um welche Nicht-EU-Staaten handelt es sich? b) Gibt es Pläne, das „Triple Win“-Programm auf weitere Partnerländer auszuweiten? Der Abschluss von Vermittlungsabsprachen der BA mit ausgewählten Partnerländern ist ein zentrales Element des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Die BA prüft derzeit im Rahmen einer Potenzialanalyse, mit welchen Partnerländern neue Vermittlungsabsprachen gerade auch im Gesundheitsbereichabgeschlossen werden können. Dabei werden die internationalen Prinzipien; wie der Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (Global Code of Practice on the International Recruitment of Health Personnel) berücksichtigt. Zentrale Voraussetzungen sind außerdem, dass angemessene Ausbildungsstandards in den betreffenden Berufen vor Ort vorliegen und die Partnerländer selbst Interesse an einer Kooperation haben. 15. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass sich die Qualität der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung in den Herkunftsländern durch den Verlust ihrer ausgebildeten Fachkräfte verschlechtert (bitte begründen)? Die Bundesregierung schätzt die Gefahr als gering ein, weil im Projekt „Triple Win“ entsprechende Anforderungen an die Länderauswahl getroffen werden. Es wird dazu auch auf die Antworten zu den Fragen 6 und 13 verwiesen. 16. Welche Maßnahmen wurden mit Unterstützung der Bundesregierung ergriffen , um auszuschließen, dass die (potentiellen) EU- Beitrittskandidaten Serbien und Bosnien-Herzegowina durch den Verlust ihrer Gesundheitsfachkräfte beispielsweise am Erfüllen des Kapitels 28 (Verbraucher- und Gesundheitsschutz) gehindert werden? Der Bundesregierung sind keine entsprechenden Maßnahmen bekannt. Drucksache 19/16732 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 17. Gibt es Überlegungen vonseiten der Bundesregierung, gezielt nach Deutschland geflohene Menschen (Geduldete sowie Asylbewerberinnen und Asylbewerber) in den sogenannten Engpassberufen auszubilden? Wenn ja, a) nach welchen Konzepten soll das geschehen? b) wer finanziert die Ausbildungskosten nach welcher Rechtslage? Wenn nein, mit welcher Begründung? Die Fragen 17 bis 17b werden gemeinsam beantwortet. Die BA bietet ausbildungssuchenden Menschen Unterstützung insbesondere in Form von Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung an. Das Angebot der Berufsberatung umfasst u. a. individuelle Beratungsgespräche , in denen ausbildungssuchende junge Menschen entsprechend ihrer individuellen Bedarfe sowie ihrer Eignung, Neigung und Leistungsfähigkeit beraten und unterstützt werden. Die Beratung umfasst zudem auch die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe. Aufgrund der geltenden Berufswahlfreiheit berät die BA immer neutral und ergebnisoffen. Sofern Hinweise vorliegen, die z. B. auf ein Interesse oder eine Neigung zu Pflege-, Gesundheits- oder anderen Engpassberufen hindeuten, werden die beruflichen Möglichkeiten in der Beratung thematisiert und die Ausbildungssuche auf Wunsch des jungen Menschen unterstützt. Bei den Pflege- und Gesundheitsberufen handelt es sich überwiegend um schulische Ausbildungsberufe. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftebedarfs vermittelt die BA inzwischen nicht mehr nur in betriebliche Ausbildungsberufe, sondern auch in den praktischen Teil bundes- und landesrechtlich anerkannter schulischer Ausbildungsberufe. Dieses Vermittlungsangebot der BA steht grundsätzlich auch Geduldeten und Gestatteten jungen Menschen offen, die Zugang zum Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt haben. Insofern finden auch Engpassberufe innerhalb der Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung Berücksichtigung. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist für ausländische Menschen eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche und nachhaltige Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Der Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung oder ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss gelingt jedoch nicht allen jungen Menschen unmittelbar und problemlos. Dies gilt auch für ausländische junge Menschen, denen oftmals das duale Ausbildungssystem in Deutschland nicht bekannt ist, die zum Teil die deutsche Sprache nicht oder nicht in ausreichendem Umfang beherrschen und die weitergehende Unterstützung bei der Aufnahme oder während einer Ausbildung benötigen. Bislang bestanden für den Zugang von Ausländerinnen und Ausländern zur Ausbildungsförderung nach dem SGB III und dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zum Teil enge Voraussetzungen und komplizierte Differenzierungen nach Staatsangehörigkeit , Aufenthaltsstatus oder Voraufenthaltszeit in Deutschland. Die Regelungen führten dazu, dass ausländischen Menschen vielfach trotz des Zugangs zur Berufsausbildung Leistungen der Ausbildungsförderung nicht offenstanden. Mit dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz), das am 1. August 2019 in Kraft getreten ist, ist eine breitere Öffnung der Ausbildungsförderung für ausländische Menschen erfolgt: Der Zugang zu den ausbildungsbegleitenden Förderinstrumenten wurde vollständig geöffnet. Dazu gehört grundsätzlich auch die Berufsausbildungsbeihilfe, die während einer betrieblichen Ausbildung als Unterstützung zum Lebensunterhalt gezahlt wird. Gestattete können jedoch keine Berufsausbildungsbeihilfe beziehen. Sie erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Geduldete, die eine betriebliche Berufsausbildung aufgenommen haben, erhalten zunächst Leistungen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16732 nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland Berufsausbildungsbeihilfe und bei Bedarf aufstockende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Geduldete, die eine schulische Ausbildung absolvieren, können neben BAföG-Leistungen ebenfalls ergänzend Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Schließlich ist auch der Zugang zu den ausbildungsvorbereitenden Instrumenten stark vereinfacht worden, für Gestattete und Geduldete gibt es jedoch weiterhin Wartefristen . Ausländerinnen und Ausländer können durch die neuen rechtlichen Regelungen nun besser als bisher die Unterstützung erhalten, die sie von der Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung bis hin zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss benötigen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Jahr 2017 in Zusammenarbeit mit dem Saarland ein Modellprojekt zur Entwicklung und praktischen Umsetzung eines branchenbezogenen, regional übertragbaren Strategiekonzeptes zur Gewinnung von Personen mit Migrations- und Fluchthintergrund für verschiedene Gesundheitsberufe entwickelt. Dieses bis zum Jahr 2021 befristete Projekt soll mit spezifischen Qualifizierungs- und Integrationsangeboten den Zugang zu Berufen des deutschen Gesundheitswesens, insbesondere im Bereich der Pflege, verbessern. 18. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um zu verhindern, dass immer wieder Auszubildende in Pflegeberufen ohne deutsche Staatsbürgerschaft abgeschoben werden oder von Abschiebung bedroht sind? Die Frage wird dahingehend verstanden, dass sie sich auf die Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern bezieht. Wird einer Ausländerin oder einem Ausländer in einem Asylverfahren kein Schutzstatus zuerkannt , ist die Person ausreisepflichtig. Die Rechtspflicht zur Ausreise und ihre Durchsetzung haben grundsätzlich Vorrang vor einer Aufenthaltsverfestigung in Deutschland. Abweichend von diesem Grundsatz haben Ausreisepflichtige die Möglichkeit, eine Ausbildungsduldung (§ 60c des Aufenthaltsgesetzes) zu erhalten, wenn sie eine qualifizierte Berufsausbildung aufnehmen und die weiteren Voraussetzungen erfüllen, wie z. B. dass sie seit mindestens drei Monaten im Besitz der Duldung sind, soweit zumutbar ihre Identität geklärt ist und zum Zeitpunkt der Antragstellung keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen. Mit der Ausbildungsduldung ist ein weitgehender Schutz vor einer Abschiebung gegeben. Soweit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht erfüllt werden, ist die Durchführung einer Berufsausbildung dagegen kein Grund, von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen. Mit dem Gesetz zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, wurden die wesentlichen Voraussetzungen der Ausbildungsduldung gesetzlich konkretisiert, um eine bundeseinheitliche Anwendungspraxis zu erreichen. Zudem werden in die Ausbildungsduldung staatlich anerkannte Helferausbildungen einbezogen, soweit darauf eine qualifizierte Ausbildung in einem Engpassberuf folgt. Damit hat die Bundesregierung die Rechtssicherheit für geduldete Auszubildende in Pflegeberufen verbessert. Insbesondere die Ausweitung der Ausbildungsduldung auf staatlich anerkannte Helferausbildungen zielt auf Auszubildende im Pflegebereich, die zunächst eine Pflegehelferausbildung absolvieren. Auch sie können nunmehr eine Duldung und damit Rechtsicherheit für den gesamten Ausbildungszeitraum erhalten. Drucksache 19/16732 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass im Rahmen der EU- Freizügigkeit Pflegekräfte aus Ländern wie Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn vorwiegend als sogenannte Live-In-Kräfte nach Deutschland kamen und als regulär Beschäftigte andere europäische Länder bevorzugt haben? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu den Motiven von Pflegefachkräften aus Osteuropa für die Migration in andere EU-Mitgliedstaaten vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16732 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333