Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Hessel, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16432 – Umsatzsteuer-Erfassungsbescheinigung beim Onlinehandel V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Es betrifft Betreiber von elektronischen Marktplätzen, die künftig Onlinehändler von ihrer Plattform ausschließen müssen, wenn diese keine Umsatzsteuer-Erfassungsbescheinigung vorweisen können. Tun sie das nicht, so haften sie gesamtschuldnerisch für den Umsatzsteuerausfall. Damit wird das Steuerausfallrisiko bei Nichtabführung der Steuer vom Fiskus auf den Betreiber des elektronischen Marktplatzes verlagert. Einer solchen Haftung können die Betreiber nur entgehen, wenn sie nachweisen können, dass der Onlinehändler steuerlich registriert ist, § 22f Absatz 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UstG). Das Erfordernis dieser Erfassungsbescheinigung ist allerdings geeignet, den Marktzugang für ausländische Händler , die online Waren nach Deutschland verkaufen wollen, zu erschweren – ein Verstoß gegen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten. Daher hat die Europäische Kommission mit Aufforderungsschreiben vom 10. Oktober 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und dazu aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen, die europäische Unternehmer belasten, binnen zwei Monaten zu widerrufen (vgl. www.han delsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/vertragsverletzungsverfah ren-eu-hilfe-fuer-umsatzsteuerbetrueger-bruessel-leitet-verfahren-gegen-deuts chland-ein/25137574.html?ticket=ST-10199-teNZkNx4kgiMilVIFDbs-ap5). Von der umsatzsteuerrechtlichen Erfassungsbescheinigung sind zudem auch Kleinunternehmer betroffen. Zwar wird von Kleinunternehmern nach § 19 UStG keine Umsatzsteuer erhoben, damit sie aber weiterhin den Onlinehandel über Marktplätze nutzen können, müssen auch sie eine Erfassungsbescheinigung vorlegen. Diese steuerliche Registrierung von Kleinunternehmern verursacht für die Unternehmen, aber auch die Finanzverwaltung erhebliche bürokratische Aufwände , obwohl diesen keine Steuermehreinnahmen gegenüberstehen. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16817 19. Wahlperiode 28.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.  1. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die von der EU- Kommission monierten Verstöße gegen das EU-Recht zu beseitigen? Die Bundesregierung hat die von der EU-Kommission aus ihrer Sicht vorgetragenen Verstöße gegen das EU-Recht intensiv geprüft. Die Bundesregierung hat der Europäischen Kommission mitgeteilt, dass sie nach wie vor der Überzeugung ist, dass die deutschen Regelungen mit dem Unionsrecht im Einklang stehen und der Europäischen Kommission ein ergänzendes fachliches Gespräch für weitere Informationen und Erläuterungen angeboten. Soweit nach den Gesprächen mit der Europäischen Kommission im Ergebnis der Prüfung durch die Bundesregierung Änderungen an den bestehenden gesetzlichen Regelungen erforderlich werden sollten, werden dem Gesetzgeber zum gegebenen Zeitpunkt entsprechende Vorschläge vorgelegt.  2. Wie begründet die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 19/4455, Artikel 5 § 22 f.), die Verpflichtung für ausländische Onlinehändler, den Marktzugang mit der Umsatzsteuerbescheinigung zu erschweren (vgl. die mit Gründen versehene Stellungnahme der Europäischen Kommission, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/ detail/DE/INF_19_5950)? Durch die mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Regelungen zur Haftung für die Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet (§§ 22f, 25e und 27 Abs. 25 UStG) werden Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren im Internet zum Nachteil des deutschen Fiskus aktiv verhindert. Zudem werden steuerehrliche Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen geschützt . Dieses Vorhaben zeigt Wirkung. So seien ausweislich einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin vom 30. Dezember 2019 (Nr. 19-025) bereits 29.000 Unternehmen mit Sitz in China beim Finanzamt Neukölln registriert worden. Mittlerweile seien mehr als 65-mal so viele Unternehmen wie 2017 registriert. Damals seien es lediglich 437 Online- Händler gewesen. Ein Grundpfeiler der genannten Vorschriften ist, dass Betreiber elektronischer Markplätze nur Unternehmer zum Handel auf ihrem elektronischen Markplatz zulassen, die in Deutschland steuerlich erfasst sind. Für den Nachweis der steuerlichen Erfassung gegenüber dem Betreiber eines elektronischen Marktplatzes wird dem Unternehmer eine Bescheinigung vom zuständigen Finanzamt erteilt.  3. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um eine etwaige Diskriminierung von ausländischen Onlinehändlern (vgl. die mit Gründen versehene Stellungnahme der Europäischen Kommission, https://ec.europ a.eu/commission/presscorner/detail/DE/INF_19_5950) zu beseitigen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird hingewiesen. Drucksache 19/16817 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  4. Wie begründet die Bundesregierung den nationalen Alleingang ihres Gesetzentwurfs (Bundestagsdrucksache 19/4455, Artikel 5 § 22 f.) gegenüber den gemeinsamen und aus Sicht der Fragesteller effizienteren Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges, auf die sich die EU- Mitgliedstaaten geeinigt haben und die am 1. Januar 2021 in Kraft treten sollen? a) Bewertet die Bundesregierung die vereinbarten europäischen Maßnahmen als ineffizienter gegenüber den nationalen Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges? b) Plant die Bundesregierung, die nationalen Maßnahmen mit Inkrafttreten der europäischen Maßnahmen ab dem 1. Januar 2021 an das europäische Niveau anzupassen? Jeder EU-Mitgliedstaat kann im Rahmen der bestehenden EU-rechtlichen Regelungen auf der Grundlage der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nationale Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges ergreifen. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesregierung im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Wie in der Antwort zu Frage 2 bereits ausgeführt, werden durch die zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren im Internet zum Nachteil des deutschen Fiskus aktiv verhindert und steuerehrliche Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen geschützt . Darüber hinaus wird die Bundesregierung dem Gesetzgeber Vorschläge zur fristgerechten Umsetzung der EU-rechtlichen Regelungen in nationales Recht vorlegen.  5. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Europäischen Kommission, dass das Ziel der Schaffung eines digitalen Binnenmarkts konterkariert wird? Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 2 wird hingewiesen.  6. Wann rechnet die Bundesregierung mit einem digitalen Verfahren zur Abwicklung der umsatzsteuerlichen Erfassungsbescheinigungen? Die Arbeiten zur Einrichtung des automatisierten Verfahrens zur Erteilung der Bescheinigung zur steuerlichen Erfassung werden mit höchster Priorität fortgeführt . Der Zeitpunkt der praktischen Einführung des Verfahrens wird zum gegebenen Zeitpunkt bekanntgegeben.  7. Plant die Bundesregierung, eine zentrale Datenbank zu schaffen, auf die alle Behörden und Onlineplattformen zugreifen können, um zu ermitteln, ob ein Händler oder Absender eines Paketes, der Waren nach Deutschland verkauft, umsatzsteuerlich erfasst ist? Die Einrichtung einer entsprechenden Datenbank ist nicht vorgesehen.  8. Hat die Bundesregierung bereits Ausschreibungen veröffentlicht für den Aufbau einer Datenbank oder digitalen Verfahrenslösung? Auf die Antwort zu Frage 7 wird hingewiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16817  9. Welche Schätzungen hat die Bundesregierung über ausländische Händler, die in der Vergangenheit missbräuchlich keine Umsatzsteuer a) aus Drittstaaten und b) aus EU-Mitgliedstaaten entrichtet haben? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Schätzungen vor. 10. Welche Schätzungen hat die Bundesregierung über ausländische Händler, die 2019 eine Umsatzsteuerbescheinigung a) aus Drittstaaten und Hierzu liegen der Bundesregierung keine Schätzungen vor. Der Antrag zur Erteilung einer Bescheinigung zur steuerlichen Erfassung ist an das für den Unternehmer zuständige Finanzamt zu übermitteln. Auf die von der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin veröffentlichte Pressemitteilung Nr. 19-025 vom 30. Dezember 2019 „Bereits rund 29.000 Unternehmen mit Sitz in China beim Finanzamt Neukölln registriert“ wird hingewiesen. b) aus EU-Mitgliedstaaten beantragt haben? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Schätzungen vor. Der Antrag zur Erteilung einer Bescheinigung zur steuerlichen Erfassung ist an das für den Unternehmer zuständige Finanzamt zu übermitteln. 11. Hat die Bundesregierung Schätzungen über von Marktplatzbetreibern gesperrte Onlinehändler? Wenn ja, welche? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Schätzungen vor. 12. Hat die Bundesregierung Schätzungen über die Anzahl der Fälle einer Umsatzsteuerhaftung der Marktplatzbetreiber? a) Wie viele Fälle der Umsatzsteuerhaftung für inländische Onlinehändler sind bisher eingetreten? b) Wie viele Fälle der Umsatzsteuerhaftung für ausländische Onlinehändler aus Drittstaaten sind bisher eingetreten? c) Wie viele Fälle der Umsatzsteuerhaftung für ausländische Onlinehändler aus der Union sind bisher eingetreten? d) Wie hoch waren die Steuermehreinnahmen, die auf die gesamtschuldnerische Haftung der Marktplatzbetreiber zurückzuführen sind? Für die Erhebung und Kontrolle der Umsatzsteuer sind nach Artikel 108 Grundgesetz die Länder zuständig. Der Bundesregierung liegen daher hierzu keine Schätzungen vor. Hinsichtlich ausländischer Onlinehändler aus Drittstaaten wird auf die von der Senatsverwaltung für Finanzen des Landes Berlin veröffentlichte Pressemitteilung Nr. 19-025 vom 30. Dezember 2019 „Bereits rund 29.000 Unternehmen mit Sitz in China beim Finanzamt Neukölln registriert“ hingewiesen. Danach habe sich das Steueraufkommen allein für diese Händler- Drucksache 19/16817 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gruppe von rund 34 Mio. Euro in 2017 auf 200 Mio. Euro bis November 2019 entwickelt. 13. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um bereits beim Import von Waren nach Deutschland Sendungen auszusortieren, z. B. unter Zuhilfenahme der Zollbehörden und sichtbarer Umsatzsteueridentifikationsnummer an den Paketen? Die deutschen Zollbehörden kontrollieren nach den Vorgaben des europäischen Zollrechts schon heute ankommende Sendungen risikoorientiert und stichprobenweise . Sie stellen dadurch im Rahmen ihrer Möglichkeiten die korrekte Erhebung von Einfuhrabgaben sicher und wirken bei der Durchsetzung von Verboten und Beschränkungen und anderer handelspolitischer Maßnahmen mit. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist dabei kein relevantes Merkmal. Änderungen sind gegenwärtig nicht vorgesehen. 14. Wie begründet die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 19/4455, Artikel 5 § 22 f.) die Pflicht einer Erfassungsbescheinigung für Kleinunternehmer, der keine Umsatzsteuermehreinnahmen gegenüberstehen? Auch Kleinunternehmer nach § 19 UStG erhalten auf Antrag eine Bescheinigung über ihre steuerliche Erfassung vom zuständigen Finanzamt. Der Grund für die Einbeziehung der Kleinunternehmer in die Regelung ist nicht die Erzielung von Umsatzsteuermehreinnahmen, sondern die Möglichkeit der betreffenden Unternehmer gegenüber dem Betreiber des elektronischen Marktplatzes nachweisen zu können, dass sie steuerlich erfasst sind. Würden Kleinunternehmer nicht in die Regelung einbezogen, bestünde die Gefahr, dass diese von den Betreibern elektronischer Marktplätze zur Vermeidung der Haftung für nicht entrichtete Umsatzsteuer nicht zum Handel auf ihrem Markplatz zugelassen würden. Kleinunternehmer würden dadurch wirtschaftlich benachteiligt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16817 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333