Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16554 – Verhalten der Bundesregierung im Vertragsverletzungsverfahren zur EU- Versuchstierrichtlinie V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2018 wurde durch die Kommission der EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet, welches eine mögliche Unterschreitung der durch europäisches Recht vorgegebenen Standards für die Regulierung des Bereiches der Tierversuche zum Gegenstand hat (www.bmel.de/DE/Tier/Tierschutz/_texte/TierschutzTierforschung.html?docI d=11272814). Die Bundesregierung kündete diesbezüglich Reformationsvorhaben der entsprechenden Rechtsgrundlagen an (www.bmel.de/DE/Tier/Tier schutz/_texte/TierschutzTierforschung.html?docId=11272814). Tierversuche dienen in Deutschland unter anderem der Grundlagenforschung oder der Erprobung von Medikamenten (www.mpg.de/themenportal/tierversuche/tiere). Die rechtlichen Grundlagen für Tierversuche liegen in den Vorschriften des Tierschutzgesetzes (§§ 7 bis 10a TierSchG) und werden in weiteren spezialgesetzlichen Vorschriften, etwa denen des Arzneimittelgesetzes (§ 26 AMG), konkretisiert. Es stellt sich aus Sicht der Fragesteller die Frage, wie es überhaupt zu einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland kommen konnte, da vor einem solchen stets ein Vorverfahren – vgl. Artikel 258 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) – durchgeführt wird. Im Rahmen dieses Vorverfahrens wird zunächst in Form eines Mahnschreibens der betreffende Mitgliedstaat auf eine vermeintliche Verletzung hingewiesen , unter Nennung der Vorwürfe, einer Möglichkeit zur Stellungnahme des Mitgliedstaates innerhalb einer Frist, innerhalb welcher diese zu erfolgen hat (1. Stufe des Vorverfahrens), was die letzte Möglichkeit für den betreffenden Mitgliedstaat ist, „einzulenken“ bevor ein Verfahren angestrebt wird. Wird dadurch der Sachverhalt nicht gelöst beziehungsweise reagiert der gemahnte Mitgliedstaat nicht, erfolgt eine Stellungnahme der Kommission samt einer Beurteilung und Begründung und die Erteilung einer weiteren Frist, die bemängelten Vertragsverletzungen zu beheben (2. Stufe des Vorverfahrens). Erst nach erfolglosem Ablauf dieses Verfahrens kann ein Vertragsverletzungsverfahren angestrebt werden, vgl. Artikel 258 Absatz 1 AEUV. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wurde der EU- Kommission Ende September 2019 eine Stellungnahme der Bundesregierung Deutscher Bundestag Drucksache 19/16878 19. Wahlperiode 29.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 28. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. übermittelt (www.wiwo.de/politik/deutschland/bericht-bundesregierung-will-g esetz-fuer-tierversuche-reformieren/25085954.html), Details dazu wurden jedoch nicht veröffentlicht. Lediglich gegenüber der Presse wurde geäußert, dass die Bundesregierung um mehr Zeit bitte (www.wiwo.de/politik/deutsch land/bericht-bundesregierung-will-gesetz-fuer-tierversuche-reformieren/25085 954.html). Hinsichtlich des im Sommer 2018 gegen Deutschland eröffneten Verfahrens ist fraglich, inwiefern das Vorverfahren genutzt wurde, um die Eröffnung des Verfahrens abzuwenden. 1. Welche Gesetzestexte bezüglich der Regulierung von Tierversuchen werden von der Kommission der Europäischen Union im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahren wegen offener Fragen zur Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland konkret bemängelt? Die Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (EU-Versuchstierrichtlinie) wurde im Jahr 2013 durch Änderung des Tierschutzgesetzes und Erlass der Tierschutz-Versuchstierverordnung in nationales Recht umgesetzt. Im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens bemängelt die Europäische Kommission, dass mit den genannten Rechtstexten einige Punkte der Richtlinie nicht oder nicht korrekt in nationales Recht umgesetzt worden seien. 2. Wo sieht die Bundesregierung angesichts des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens wegen offener Fragen zur Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie konkret Änderungsbedarf bei den die Tierversuche betreffenden gesetzlichen Regelungen? a) Hat die von der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner angekündigte intensive Prüfung konkrete Erkenntnisse ergeben? Die Fragen 2 und 2a werden gemeinsam wie folgt beantwortet. Im bisherigen Verfahren konnte bereits eine Vielzahl an Punkten, die die Europäische Kommission initial bemängelt hatte, ausgeräumt werden. Die Prüfung der verbliebenen Punkte zeigte, dass eine Überarbeitung und Konkretisierung einiger nationaler Regelungen zum Schutz von Versuchstieren erforderlich sind, um die vollumfängliche Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie sicherzustellen . b) Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung bei den die Tierversuche betreffenden Gesetzen, um die Richtlinienkonformität zu erreichen ? c) Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung bei der praktischen Ausgestaltung von Tierversuchen, um die Richtlinienkonformität zu erreichen? Die Fragen 2b und 2c werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung sieht Änderungsbedarf bezüglich der Regelungen zum Schutz von Versuchstieren im Tierschutzgesetz, in der Tierschutz-Versuchstierverordnung sowie in der Versuchstiermeldeverordnung. Betroffen sind unter anderem das Genehmigungsverfahren von Tierversuchen, die behördliche Kontrolle von Versuchstiereinrichtungen, die Aufgaben des Tierschutzbeauftragten in den Forschungseinrichtungen, die Zusammensetzung des Tierschutzausschusses der Forschungseinrichtungen und die jährliche Meldeverpflichtung Drucksache 19/16878 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der Forschungseinrichtungen. Entsprechende Rechtsetzungsvorschläge befinden sich derzeit in der Ressortabstimmung und werden danach in die Länderund Verbändebeteiligung gegeben. 3. Wann wurde der Bundesregierung seitens der Kommission der Europäischen Union ein Mahnschreiben bezüglich einer Vertragsverletzung hinsichtlich der Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie zugestellt (1. Stufe des Vorverfahrens i. S. v. Artikel 258 Absatz 1 AEUV)? Das betreffende Mahnschreiben der Europäischen Kommission ist der Bundesregierung mit Schreiben vom 20. Juli 2018 übermittelt worden. Das Mahnschreiben wurde dem Bundestag gemäß dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) übermittelt. a) Welche Frist wurde der Bundesregierung gesetzt, um hinsichtlich des Mahnschreibens der Kommission der Europäischen Union Stellung zu beziehen? Die Bundesregierung war von der Europäischen Kommission aufgefordert worden , sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eingang des Schreibens vom 20. Juli 2018 zu äußern. Aufgrund der Komplexität und des Umfangs des Verfahrens hatte die Europäische Kommission einem Antrag der Bundesregierung auf Fristverlängerung für die Beantwortung des Schreibens stattgegeben und um Übermittlung der Stellungnahme bis zum 20. November 2018 gebeten. Der Antrag der Bundesregierung und die Antwort der Kommission wurden dem Bundestag gemäß EUZBBG übermittelt. b) Welche Konsequenzen hinsichtlich der die Tierversuche betreffenden gesetzlichen Regelungen wurden von der Bundesregierung infolge des Mahnschreibens der Kommission in die Wege geleitet? Zur Sicherstellung der vollumfänglichen Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie wurden Entwürfe zur Änderung des nationalen Rechts erarbeitet. Diesbezüglich wird auf die Antwort zu den Fragen 2b und 2c verwiesen. c) Wurde von der Bundesregierung die Möglichkeit wahrgenommen, zu den Vorwürfen der Kommission im Rahmen des Vorverfahrens Stellung zu nehmen? Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Mahnschreiben der Kommission wurde fristgerecht mit Schreiben vom 19. November 2018 übermittelt. Sie wurde dem Bundestag gemäß EUZBBG zugeleitet. d) Wenn ja, wie sah diese Stellungnahme konkret aus? Diesbezüglich wird auf die Antwort zu den Fragen 2b und 2c verwiesen. Die Einzelheiten ergeben sich aus der Stellungnahme der Bundesregierung. e) Wenn nein, was war der Grund dafür, dass von der Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen des Vorverfahrens kein Gebrauch gemacht wurde? Auf die Antwort zu Frage 3c wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16878 4. Wann wurde der Bundesregierung die Stellungnahme der Kommission hinsichtlich einer Vertragsverletzung betreffend die Umsetzung der EU- Versuchstierrichtlinie zugestellt (i. S. v. Artikel 258 Absatz 1 AEUV, 2. Stufe des Vorverfahrens)? Die betreffende begründete Stellungnahme der Europäischen Kommission ist der Bundesregierung mit Schreiben vom 26. Juli 2019 übermittelt worden. Sie wurde dem Bundestag gemäß EUZBBG übermittelt. a) Wie sah die rechtliche Beurteilung der Kommission aus? b) Was für Tatsachen und Gründe für eine Vertragsverletzung wurden genannt ? c) Welche Beweismittel wurden durch die Kommission vorgelegt? Die Fragen 4a bis 4c werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die Europäische Kommission hat in ihrer begründeten Stellungnahme vom 26. Juli 2019 dargelegt, dass ein Teil der von ihr mit Schreiben vom 20. Juli 2018 bemängelten Punkte nicht ausgeräumt werden konnte und dass sie deshalb weiterhin der Auffassung sei, dass die EU-Versuchstierrichtlinie in Deutschland nicht vollständig bzw. nicht korrekt in nationales Recht umgesetzt worden sei. Sie hat die Bundesregierung entsprechend aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Übereinstimmung mit der EU-Versuchstierrichtlinie herzustellen. d) Welche Frist wurde der Bundesregierung zur Beseitigung der Vertragsverletzung gesetzt? Die Bundesregierung wurde von der Europäischen Kommission aufgefordert, sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eingang des Schreibens vom 26. Juli 2019 zu äußern. e) Wurde von der Bundesregierung hinsichtlich der Stellungnahme der Kommission ihrerseits reagiert, um eine Verfahrenseröffnung abzuwenden ? Wenn ja, wie sah diese Reaktion konkret aus? Wenn nein, was war der Grund dafür, dass die Bundesregierung auch auf dieser Eskalationsstufe des Vorverfahrens keine Handlung vorgenommen hat? Die Bundesregierung hat die Möglichkeit zur Stellungnahme wahrgenommen. Der Europäischen Kommission wurde mit Mitteilung vom 25. September 2019 fristgerecht geantwortet. Mit dieser Stellungnahme wurden der Europäischen Kommission Änderungsentwürfe bezüglich der Regelungen zum Schutz von Versuchstieren im Tierschutzgesetz, in der Tierschutz-Versuchstierverordnung sowie in der Versuchstiermeldeverordnung übermittelt, mit denen eine richtlinienkonforme Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie sichergestellt werden soll. Die Stellungnahme der Bundesregierung wurde dem Bundestag gemäß EUZBBG übermittelt. 5. Was beinhaltet die vom Bundeslandwirtschaftsministerium gegenüber der Presse benannte Stellungnahme gegenüber der Kommission von Ende September 2019? Auf die Antwort zu Frage 4e wird verwiesen. Drucksache 19/16878 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung nach Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens eine Stellungnahme an die Kommission gesendet, statt dies in verfahrenshemmender Weise während des Vorverfahrens i. S. v. Artikel 258 Absatz 1 AEUV vorzunehmen? Die Bundesregierung hat im Rahmen des Vorverfahrens gemäß Artikel 258 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entsprechende Stellungnahmen an die Europäischen Kommission übermittelt. Diesbezüglich wird auf die Antworten zu den Fragen 3c und 4e verwiesen. b) Was war Inhalt der Stellungnahme von Ende September 2019? Auf die Antwort zu Frage 4e wird verwiesen. 6. Aus welchen Gründen wurde es nach Auffassung der Fragesteller von der Bundesregierung versäumt, innerhalb der im Rahmen des Vorverfahrens gesetzten Fristen keine Neuregelung der betreffenden gesetzlichen Regelungen zu initiieren? Die Bundesregierung hat im Rahmen der Fristen des Vorverfahrens Neuregelungen initiiert. Diesbezüglich wird auf die Antworten zu den Fragen 2b und 2c sowie 4e verwiesen. 7. Welche Kosten entstehen aufgrund des Vertragsverletzungsverfahrens, welche durch eine gütliche Streitbeilegung vor Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hätten vermieden werden können? Im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahren ist es noch zu keiner Anrufung des Europäischen Gerichtshofs durch die Europäische Kommission gekommen. Mit Stellungnahme der Bundesregierung vom 25. September 2019 wurden der Europäischen Kommission Änderungsentwürfe bezüglich der nationalen Regelungen zum Schutz von Versuchstieren übermittelt, mit denen eine richtlinienkonforme Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie sichergestellt und die Einreichung einer Klage beim Europäischen Gerichtshof vermieden werden sollen. Im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens sind daher noch keine Kosten durch eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofes und auch sonst keine Kosten entstanden. 8. Bis wann plant die Bundesregierung, die betreffenden gesetzlichen Regelungen zu reformieren? Bei der Änderung der betreffenden gesetzlichen Regelungen sind die üblichen Fristen und Verfahrensschritte für die Rechtsetzung zu berücksichtigen. Zum Verfahrensstand wird auf die Antwort zu den Fragen 2b und 2c verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16878 9. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung um mehr Zeit gegenüber der Kommission der Europäischen Union gebeten? a) Was erhofft sich die Bundesregierung durch die Gewährung von mehr Zeit? b) Um was für einen Zeitaufschub hat die Bundesregierung konkret gebeten ? Die Fragen 9 bis 9b werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Bezüglich der Fristverlängerung zum Mahnschreiben wird auf die Antwort zu Frage 3a verwiesen. Hinsichtlich der Beantwortung der begründeten Stellungnahme hatte die Bundesregierung mit Schreiben vom 3. September 2019 gebeten, zwei Monate mehr Zeit einzuräumen, um entsprechende Entwürfe zur Anpassung des nationalen Rechts vorbereiten, innerhalb der Bundesregierung abstimmen und vorlegen zu können. Die Kommission hatte die Fristverlängerung abgelehnt. Die Bundesregierung hat mit Stellungnahme vom 25. September 2019 fristgerecht geantwortet. Diesbezüglich wird auf die Antwort zu Frage 4e verwiesen. Der Fristverlängerungsantrag der Bundesregierung und die ablehnende Antwort der Kommission wurden dem Bundestag gemäß EUZBBG übermittelt. Aktuell hat die Bundesregierung keinen Zeitaufschub bei der Europäischen Kommission erbeten. Drucksache 19/16878 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333