Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Susanne Ferschl, Lorenz Gösta Beutin, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/16242 – Erforderliche Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zur Armutsbekämpfung bei Single- und Alleinerziehenden-Haushalten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der gesetzliche Mindestlohn soll nach Ansicht der Fragesteller existenzsichernd sein, eine armutsfeste Rente garantieren und sicherstellen, dass auch die unteren Lohngruppen – die besonders auf den Mindestlohn angewiesen sind – nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden. Mit dem Beschluss für einen gesetzlichen Mindestlohn hat die Bundesregierung festgestellt: „Mit dem Mindestlohn soll ein angemessener Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt werden.“ (vgl. Die Bundesregierung, Kabinett beschließt Mindestlohn, www.bundesregierung.de/ Content/DE/Artikel/2014/04/2014-04-02-mindestlohn-kabinett.html). Ein menschenwürdiges Existenzminimum soll laut Bundesregierung durch die anerkannten Gesamtbedarfe der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II, Hartz IV) gewährleistet werden (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Arbeitslosengeld II/Sozialgeld, 1. Januar 2018, www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leis tungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhalts/2-teaser-artikelseite-arbeitslosen geld-2-sozialgeld.html). Nach diesem Verständnis der Bundesregierung, sollte der Mindestlohn zumindest das anerkannte durchschnittliche Existenzminimum nach dem SGB II decken. Hierzu gehören auch die durchschnittlichen Wohnkosten, die im SGB II als Kosten der Unterkunft (KdU) einen elementaren Bestandteil des Existenzminimums abbilden. Von Interesse sind dabei nach Ansicht der Fragesteller nicht allein die amtlich anerkannten („angemessenen“) Kosten der Unterkunft, sondern als Vergleichsfolie auch die tatsächlichen Unterkunftskosten . Die Fragesteller wollen sich mit der Kleinen Anfrage ein Bild darüber machen , ob die gegenwärtige Höhe des Mindestlohns der gesetzlichen Zielstellung einen „angemessenen Mindestschutz“ zu erreichen, entspricht. Das setzt nach Ansicht der Fragesteller voraus, dass der Mindestlohn bei Vollzeitarbeit für Single-Haushalte mit und ohne Kinder ausreicht, um einen ergänzenden Hartz-IV-Bezug zu vermeiden. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16881 19. Wahlperiode 29.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 27. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Fragesteller beziehen sich in ihren Vorgaben auf einen „aktuellen Mindestlohn “ von 9,19 Euro pro Stunde. Der Mindestlohn beläuft sich seit dem 1. Januar 2020 jedoch auf 9,35 Euro pro Stunde. Vor dem Hintergrund, dass die Fragesteller bei vergleichbaren Fragen auf den genauen Wortlaut ihrer Fragestellung bestanden haben, werden die Fragen anhand der erfragten Lohnhöhe von 9,19 Euro pro Stunde beantwortet. 1. Welche Höhe dürfen nach der Kenntnis der Bundesregierung die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung maximal betragen, damit bei a) einer alleinstehenden Person (Steuerklasse I, kinderlos, keine Kirchensteuer , gesetzlich krankenversichert), b) einer alleinerziehenden Person mit einem Kind unter sechs Jahren (Steuerklasse II, keine Kirchensteuer oder Steuerklasse I mit entsprechendem Freibetrag, ebenfalls ohne Kirchensteuer, ggf. gemittelt zwischen beiden, gesetzlich krankenversichert), jeweils mit einer Wochenarbeitszeit von 37,7 Stunden (durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit ) ein Stundenentgelt in Höhe des aktuellen Mindestlohns von 9,19 Euro ausreicht, um die SGB-II-Bruttolohnschwelle (SGB II = Zweites Buch Sozialgesetzbuch) zu erreichen (Regelbedarf plus Kosten der Unterkunft und Heizung und Freibetrag)? Eine Person verfügt bei einer Arbeitszeit von 37,7 Wochenstunden und einem Stundenentgelt von 9,19 Euro über ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von rund 1.501 Euro. Unter Berücksichtigung der im Jahr 2020 geltenden Abzüge für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge sowie der Freibeträge gemäß § 11b Absatz 2 und 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) beträgt das gemäß den §§ 11, 11b SGB II zu berücksichtigende monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit für a) die alleinstehende Person rund 833 Euro bzw. b) für die alleinerziehende Person mit einem Kind unter 6 Jahren rund 840 Euro. Hinzu kommen bei der alleinerziehenden Person zu berücksichtigende Einkommen des Kindes in Höhe von (mindestens) 369 Euro (204 Euro Kindergeld und 165 Euro Unterhaltsvorschuss). Das zu berücksichtigende Gesamteinkommen dieser Bedarfsgemeinschaft beträgt damit 1.209 Euro monatlich. Abzüglich des Regelbedarfes zur Sicherung des Lebensunterhaltes in einer Gesamthöhe von 432 Euro dürften die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung höchstens 401 Euro monatlich betragen, damit für den alleinstehenden Musterhaushalt kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II besteht. Bei der alleinerziehenden Person dürften die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung höchstens 371 Euro monatlich betragen. Für diese Berechnung werden die im Jahr 2020 geltenden Höhen von Regelund Mehrbedarfen, Kindergeld und Unterhaltsvorschuss u. ä. zugrunde gelegt. Darüber hinaus wird vereinfachend angenommen, dass keine weiteren zu berücksichtigenden Einkommen, keine weiteren Mehrbedarfe und keine über § 11b Absatz 2 und 3 SGB II hinausgehenden Absetzbeträge vorliegen. Es wird unterstellt, dass die erwerbstätige Person mit einem Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent gesetzlich krankenversichert ist, nicht in Sachsen lebt und nach 1951 geboren wurde. Drucksache 19/16881 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Aufgrund der Freibeträge für Erwerbseinkommen liegt das verfügbare Haushaltseinkommen stets oberhalb des durch Regelbedarf, Mehrbedarf und Unterkunftskosten definierten soziokulturellen Existenzminimums (im Beispiel beträgt der Erwerbstätigenfreibetrag 300 bzw. 330 Euro monatlich). Insoweit ist es in konkreten Einzelfällen auch denkbar, dass die erwerbstätige Person diese zusätzlichen Mittel für höhere Wohnkosten einsetzen kann. Weiterhin ist zu beachten, dass die oben genannten maximalen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nur das Auslaufen des SGB-II-Anspruches unter den genannten Voraussetzungen berücksichtigen, nicht jedoch eventuelle Besserstellungen mit gegenüber dem SGB II vorrangigen Leistungen wie Kinderzuschlag oder Wohngeld. So ist in dem dargestellten alleinerziehenden Musterhaushalt davon auszugehen, dass Leistungen nach dem SGB II mit einem Bruttoeinkommen von 1.501 Euro gar nicht mehr in Anspruch genommen werden, da das verfügbare Einkommen mit Kinderzuschlag und Wohngeld dasjenige mit Arbeitslosengeld II und Sozialgeld um ca. 180 Euro übersteigen würde. 2. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die durchschnittlichen tatsächlichen und anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung bei a) einer alleinstehenden Person (bitte differenzieren nach Ein-Personen- Haushalten und Single-Bedarfsgemeinschaften sowie Bedarfsgemeinschaften mit mehreren Personen; letztere bitte unter Nennung der Personenzahl , nach Bundesländern sowie Landkreisen und kreisfreien Städten und für Single-Bedarfsgemeinschaften ergänzt um die Differenz zum in Frage 1 erfragten Wert aufschlüsseln), b) Bedarfsgemeinschaft eines bzw. einer Alleinerziehenden mit einem Kind entsprechend Frage 1 (bitte aufgeschlüsselt nach Bund, Ost- und Westdeutschland, Bundesländern sowie Landkreisen und kreisfreien Städten und ergänzt um die Differenz zum in Frage 1 erfragten Wert beantworten)? Nach § 22 Absatz 1 SGB II werden die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Auf Basis der Grundsicherungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) stehen Ergebnisse über die tatsächlichen sowie die anerkannten laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung zur Verfügung. Diese können nicht in jedem Einzelfall als monatliche Miete interpretiert werden, beispielsweise wenn es sich um rückwirkende Zahlungen für zurückliegende Zeiträume handelt, die Unterkunftskosten mehrerer Monate umfassen können. Dies kommt – je nach Region – aktuell insbesondere bei Gemeinschaftsunterkünften von Bedarfsgemeinschaften mit Geflüchteten vor. Eine Bedarfsgemeinschaft (BG) bezeichnet eine Konstellation von Personen, die im selben Haushalt leben und gemeinsam wirtschaften. Von jedem Mitglied der BG wird erwartet, dass es sein Einkommen und Vermögen zur Deckung des Gesamtbedarfs aller Angehörigen der BG einsetzt. Eine BG besteht nach § 7 SGB II aus einer leistungsberechtigten Person (LB) sowie – der Partnerin oder dem Partner der LB oder dem nicht dauernd getrenntlebenden Ehegatten, – den dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kindern der LB, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16881 – den im Haushalt lebenden Eltern, dem im Haushalt lebenden Elternteil und/ oder dem/der im Haushalt lebenden Partner/Partnerin dieses Elternteils der LB, sofern die unverheiratete, kinderlose LB das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Vom Begriff der BG abzugrenzen sind Haushaltsgemeinschaften. Die Haushaltsgemeinschaft umfasst die Gesamtheit der in einem Haushalt lebenden Personen . Hierunter fallen die Mitglieder der BG sowie alle mit diesen zusammen haushaltenden Personen. Im Haushalt wohnende Verwandte, die nicht Mitglied der BG sind, gelten als Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft. Nicht unter die Definition der Haushaltsgemeinschaft fallen jedoch Zweckgemeinschaften (wie z. B. Wohngemeinschaften). Abweichend von der Standardberichterstattung der BA-Statistik werden im Folgenden entsprechend der Fragestellung Wohnkosten von Bedarfsgemeinschaften dargestellt, die mitunter nach der Zahl der Haushaltsmitglieder differenziert werden. Dahingehend sind die vorliegenden Ergebnisse nicht mit denen der Standardberichterstattung über Wohnkosten nach Größe der Haushaltsgemeinschaften vergleichbar. Im Berichtsmonat August 2019 lagen die bundesdurchschnittlichen tatsächlichen laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung für einen Ein-Personen -Haushalt (d. h. eine Single-BG ohne weitere in der Haushaltsgemeinschaft lebende Personen) bei 398 Euro; die anerkannten betrugen 384 Euro. Bei einer Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaft mit einem Kind unter sechs Jahren ohne weitere Personen in der Haushaltsgemeinschaft lagen die bundesdurchschnittlichen tatsächlichen laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung bei 521 Euro und die anerkannten bei 504 Euro. Weitere Ergebnisse lassen sich den Tabellen 1a bis 2b* im Anhang entnehmen. Hierbei ist zu beachten, dass nur Bedarfsgemeinschaften berücksichtigt wurden , die auch Aufwendungen für Unterkunft und Heizung haben. 3. In welchen Kreisen und kreisfreien Städten liegen nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für a) einen Ein-Personen-Haushalt (entsprechend Frage 1a), b) einen Alleinerziehenden-Haushalt mit einem Kind (entsprechend Frage 1b) über dem in Frage 1 ermittelten Wert, und wie hoch sind diese? Die Ergebnisse lassen sich den Tabellen 1a und 2a* im Anhang entnehmen. * Von einer Drucklegung der Tabellen wird abgesehen. Diese sind auf Bundestagsdrucksache 19/16881 auf der Internetseite des Deutschen Bundestages abrufbar. Drucksache 19/16881 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung in den Kreisen und kreisfreien Städten, in denen die tatsächlichen durchschnittlichen Wohnkosten über dem in Frage 1 ermittelten Wert monatlich liegen, für a) einen Ein-Personen-Haushalt (entsprechend Frage 1a), b) einen Alleinerziehenden-Haushalt mit einem Kind (entsprechend Frage 1b), jeweils die rechnerische SGB-II-Bruttostundenlohnschwelle, gemessen an einer Vollzeitbeschäftigung (37,7 Stunden pro Woche), um aus dem SGB- II-Leistungsbezug auszuscheiden (bitte für jeden Kreis die entsprechende SGB-II-Bruttostundenlohnschwelle einzeln ausweisen)? Statistische Erkenntnisse über die Bruttoentgeltschwelle zur Überwindung der SGB II-Leistungsberechtigung liegen nicht vor. Auf Basis der in der Antwort zu Frage 2 ausgewiesenen durchschnittlichen tatsächlichen Leistungen für Unterkunft und Heizung kann unter den Annahmen in Frage 1 ein bedarfsdeckendes Bruttoerwerbsentgelt bzw. ein entsprechender Stundenlohn errechnet werden . Hierbei ist allerdings anzumerken, dass die in der Frage angesprochenen tatsächlichen Unterkunftskosten für eine solche Grenze in der Praxis irrelevant wären, da nach § 22 Absatz 1 SGB II Bedarfe für Unterkunft und Heizung nur anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Darüber hinaus ist der Vergleich zwischen einem auf Basis verschiedener Annahmen bzw. Setzungen ermittelten Wert für einen hypothetischen Einzelfall und den empirischen Mittelwerten , die sich aus einer Vielzahl von tatsächlichen Einzelfällen ergeben, auf die diese Setzungen nicht zutreffen, nur begrenzt interpretierbar. Im Berichtsmonat August 2019 lagen die bundesdurchschnittlichen tatsächlichen laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) für eine Single-BG ohne weitere Personen in der Haushaltsgemeinschaft bei 398 Euro. Unter Berücksichtigung der in der Antwort zu Frage 1 genannten Annahmen ergäbe sich bei diesen KdU ein bedarfsdeckendes Stundenentgelt von 9,15 Euro . Weitere Ergebnisse lassen sich Spalte 4 von Tabelle 1a bzw. Spalte 3 von Tabelle 2a* im Anhang entnehmen. 5. Wie viele a) Ein-Personen-Haushalte (entsprechend Frage 1a), b) Alleinerziehenden-Haushalte mit einem Kind (entsprechend Frage 1b) haben nach Kenntnis der Bundesregierung tatsächliche Kosten der Unterkunft über dem in Frage 1 ermittelten Wert, und wie hoch sind diese (bitte absolute Zahlen nennen und relativ zur Gesamtzahl der Alleinerziehenden- Haushalte mit einem Kind unter sechs Jahren, und bitte aufgeschlüsselt nach Bund, Ost- und Westdeutschland sowie Bundesländern ausweisen)? Im Berichtsmonat August 2019 hatten rund 549.000 beziehungsweise 43,8 Prozent der rund 1.255.000 Single-BG ohne weitere Personen in der Haushaltsgemeinschaft tatsächliche laufende Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) von mehr als 401 Euro. Deren durchschnittliche tatsächliche KdU lagen bei 508 Euro. Weitere Ergebnisse lassen sich den Tabellen 3a und 3b* im Anhang entnehmen. * Von einer Drucklegung der Tabellen wird abgesehen. Diese sind auf Bundestagsdrucksache 19/16881 auf der Internetseite des Deutschen Bundestages abrufbar. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16881 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333