Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Christine Buchholz, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/16209 – Umsetzungsstand des neuen Traditionserlasses in der Marine (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14951) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung beantwortet die Frage 2 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14951 nach den Ergebnissen des Befehls des Inspekteurs der Marine, die Benennungen in Liegenschaften der Marine nach den Vorgaben des Traditionserlasses zu überprüfen folgendermaßen: „Alle Dienststellen der Marine haben Benennungen, die nicht den Vorgaben des Traditionserlasses entsprechen, identifiziert und entsprechende Vorschläge für Umbenennungen vorgelegt. In einem folgenden Schritt werden diese dem Inspekteur der Marine zur Entscheidung vorgelegt.“ Sie gibt jedoch nicht an, um welche Liegenschaften es im Einzelnen geht. Auch die Fragen 7, 9, 10 und 11 zu Konteradmiral Rolf Johannesson, der noch im April 1945 als Gerichtsherr der Kriegsmarine mehrere Todesurteile gegen Soldaten, die die Kapitulation Helgolands erwirken wollten, bestätigt hatte, wurden aus Sicht der Fragesteller leider nur ungenau und unbefriedigend beantwortet . Obwohl der gegenwärtige Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), Kapitän zur See (KzS) Dr. Jörg Hillmann, 2010 erklärte, dass die Aula der Marineschule Mürwik (MSM) „Denkmal im Denkmal“ sei und der Vorsitzende der Marine-Offizier- Vereinigung, Vizeadmiral a. D. Wolfgang Nolting, die Aula anlässlich der Übergabe der Johannesson-Büste (Januar 2017) „Traditionsraum an der Marineschule Mürwik“ oder auch „Wohnzimmer unserer Marine“ nannte, soll jetzt laut Bundesregierung die Aula lediglich Bestandteil der Militärgeschichtlichen Sammlung und damit „nicht Gegenstand der Traditionspflege der Bundeswehr “ sein (Antwort zu Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 19/14951). Da die Bundesregierung die Fragen 14 und 15, ob es zutreffe, dass Kapitän zur See Wolfgang Lüth während des Spanischen Bürgerkriegs als Wachoffizier auf U-27 im Einsatz war und am 6. Juni 1939 dafür in Berlin mit dem Spanienkreuz in Bronze ausgezeichnet wurde und wie die Bundesregierung den Umstand bewertet, dass Wolfgang Lüth als Kommandeur der MSM diese als Teil der „Rattenlinie Nord“ für SS-Leute auf der Flucht nutzte und so u. a. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16882 19. Wahlperiode 29.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 27. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. dem Ausschwitz-Kommandeur Rudolf Höß die Identität eines gefallenen Bootsmannes verschaffte, leider nicht beantwortet, erbitten die Fragesteller hierzu eine Nachbesserung. In ihrer Antwort zu den Fragen 17 und 18 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/14951 bezüglich der Überprüfung der Überprüfung der Traditionswürdigkeit von Admiral Reinhard Scheer, erklärt die Bundesregierung , dass die „Scheermole“ in Kiel und die „Scheer Brücke“ in Wilhelmshaven umbenannt werden sollen. „Entsprechende Namensvorschläge wurden erarbeitet. Eine Umbenennung ist noch nicht erfolgt.“ Unbeantwortet blieb, wann und durch wen die Überprüfung stattfand, welche Namensvorschläge erarbeitet wurden und bis wann eine Umbenennung erfolgen soll. Bezüglich einer Überprüfung der Traditionswürdigkeit von Großadmiral Alfred von Tirpitz, nach dem u. a. der Tirpitz-Hafen und die Tirpitz-Mole in Kiel benannt sind, antwortete die Bundesregierung zu den Fragen 19 und 20 auf Bundestagsdrucksache 19/14951: „Der Tirpitzhafen und die Tirpitzmole in Kiel sollen umbenannt werden. Entsprechende Namensvorschläge wurden erarbeitet. Eine Umbenennung ist noch nicht erfolgt.“ Unbeantwortet blieb auch hier, wann und durch wen die Überprüfung stattfand, welche Namensvorschläge erarbeitet wurden und bis wann eine Umbenennung erfolgen soll. In ihrer Antwort zu den Fragen 26 und 27 auf Bundestagsdrucksache 19/14951 erklärt die Bundesregierung: „Zahlreiche Liegenschaften der Bundeswehr wurden bereits nach Angehörigen der Wehrmacht benannt, die sich gegen das NS-Regime eingesetzt haben .“ Die angefügte Liste mit 16 Liegenschaften enthält u. a. die „Generalfeldmarschall -Rommel-Kaserne“ in Augustdorf und die „Rommel-Kaserne“ in Dornstadt . Der Traditionsname „Rommel“ ist historisch aus Sicht der Fragesteller mehr als bedenklich und geschichtspolitisch höchst umstritten. Auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) des Bundestages kam kürzlich zu der Einschätzung, „dass sich seine Rolle im Widerstand auch nach neuesten Forschungen rund um das Netzwerk des 20. Juli auf eine mögliche Mitwisserschaft um den Widerstand beschränkt“ habe und irgendein aktives widerständisches Verhalten „für Rommel bis heute von der historischen Forschung nicht belegt werden“ konnte (WD 2 – 3000 – 005/19). Außerdem führt die Bundesregierung die „Generaloberst-Hoepner-Kaserne“ in Wuppertal als eine Liegenschaft an, die nach einem Widerständler gegen das NS-Regime benannt worden sei. Auch die Traditionswürdigkeit von Erich Hoepner, der am 8. August 1944 in Berlin-Plötzensee wegen seiner Beteiligung am Attentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet worden war, ist aus Sicht der Fragesteller fragwürdig. So war Erich Hoepner am verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion beteiligt und forderte den „harten Willen zur erbarmungslosen Vernichtung des Gegners“. Obwohl Erich Hoepner aufgrund seiner Entscheidung zum Rückzug vor Moskau am 8. Januar 1942 von Adolf Hitler persönlich aus der Wehrmacht ausgestoßen worden war, unterstützte er in seiner Denkschrift „Die ‚Festung Europa‘ im Juni 1943“ auch weiterhin den „totalen Krieg“. In ihrer Antwort zu Frage 29 auf Bundestagsdrucksache 19/14951, was die Bundesregierung von dem Vorschlag halte, die Scheer-Mole und die Tirpitz- Mole in Kiel nach Max Reichpietsch und Albin Köbis umzubenennen und ob sie entsprechende Schritte in die Wege leiten werde, antwortete sie: „Die Auswahl eines Traditionsnamens für Liegenschaften und Infrastrukturelemente der Bundeswehr obliegt den Angehörigen der betreffenden Dienststellen, weswegen die Bundesregierung schon aus formalen Gründen keine entsprechenden Pläne verfolgt.“ Dies führt die Fragesteller zu der Frage, inwieweit das Bundesministerium der Verteidigung dann Einfluss auf Um- oder Neubenennungen von Bundeswehrliegenschaften nehmen kann. Ferner führte die Bundesregierung aus: „Die Matrosen Max Reichpietsch (1894–1917) und Albin Köbis (1892–1917) stehen in ihrer politischen Zielsetzung jedoch für die Errichtung einer antidemokratischen Räterepublik nach sowjetischen Vorbild. Drucksache 19/16882 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für Streitkräfte einer Demokratie können sie daher nicht traditionswürdig sein.“ Da Reichpietsch und Köbis wegen ihres antimilitaristischen Engagements in der Kaiserlichen Marine bereits am 5. September 1917 auf dem Schießplatz Wahn bei Köln hingerichtet wurden, erschließt sich den Fragestellern nicht, inwieweit beide für „die Errichtung einer antidemokratischen Räterepublik nach sowjetischen Vorbild“ eintreten konnten. Außerdem wirft die Antwort Fragen nach den Bewertungsmaßstäben der Bundesregierung für den Charakter von Räterepubliken und rätedemokratischen Systemen auf. Hannah Arendt stellte in ihrem Werk „Über die Revolution“ fest, dass die Räte für ein Projekt stehen, das nicht „staats-, regierungs- und ordnungsfeindlich ist, sondern im Gegenteil die Neugründung des Staates und die Errichtung einer neuen Ordnung bezweckt“ und sie erkennt, dass es sich bei den Räten um eine Form der Demokratie handelte, die es den Einzelnen erlaubte, möglichst unmittelbar und unbeschränkt am öffentlichen Leben ihrer Zeit teilzunehmen und mit anderen gemeinsam zu handeln: in Nachbarschafts-, Schriftstellerund Künstler-, in Studenten- und Jugendlichen-, Arbeiter-, Soldaten- und Beamtenräten (vgl. Hannah Arendt: Über die Revolution, München 1963, S. 327 ff.). Ebenfalls irritierend und aus Sicht der Fragesteller mindestens erläuterungsbedürftig ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 30, wie die Bundesregierung aus heutiger Sicht die Entscheidung bewertet, dass bei der Streichung der NVA-Traditionsnamen (NVA = Nationale Volksarmee) am 2. Oktober 1990, unter anderem die Namen von 92 von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpfern wie Wilhelm Leuschner, Dr. Georg Groscurth, Arvid Harnack, Harro Schulze-Boysen und Anton Saefkow gestrichen wurden, wonach „die Bundeswehr […] keine Traditionen ehemaliger deutscher Streitkräfte [führt].“ Zum einen bleibt die Bundesregierung die Antwort auf die Frage nach ihrer Bewertung der Entscheidung aus heutiger Sicht schuldig. Hier erwarten die Fragesteller eine tatsächliche Beantwortung. Zum anderen trifft ihre Aussage nach Ansicht der Fragesteller zumindest für das Deutsche Heer des Kaiserreiches, aber auch für die nationalsozialistische Wehrmacht nicht zu. Und auch der Fall des Gewerkschafters und antifaschistischen Widerstandskämpfers Wilhelm Leuschner zeigt nach Ansicht der Fragesteller , dass so eine pauschale Äußerung selbst gegenüber der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR fehlerhaft ist. In Munster beispielsweise ist die dortige Kaserne nach Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg benannt und in Koblenz-Lahnstein trägt die am 13. November 1938 in „Deines- Bruchmüller-Kaserne“ benannte Bundeswehrliegenschaft noch immer den Namen von Georg Bruchmüller, genannt Durchbruchmüller, eines hochrangigen Offiziers der kaiserlichen Armee. Erinnert sei hier auch beispielhaft an die „Helden“ der NS-Propaganda Hans-Joachim Marseille (Jagdflieger im Afrikafeldzug ), Diedrich Lilienthal (Geschützführer an der Ostfront) oder Helmut Lent (Elitepilot der Wehrmacht), die allesamt mit Kasernennamen von der Bundeswehr geehrt wurden. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung weist den Vorwurf der Fragesteller zurück, Fragen ungenau oder gar nicht zu beantworten. In ihrer Nachfrage formulieren die Fragesteller einen weiterführenden Informationsbedarf, den die ursprünglichen Fragen nicht umfassen. Die Bundesregierung beantwortet die Fragen, die ihr gestellt werden. Sie sieht sich jedoch nicht in der Lage, impliziten Informationsbedarf zu erkennen, der nicht eindeutig artikuliert wird. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16882  1. Welche Ergebnisse zeitigte der laufende Befehl der Marine 069-18 „Überprüfung der Benennung von Infrastrukturelementen in Liegenschaften der Marine“ vom 12. September 2018 im Detail? a) Welche Dienststellen der Marine haben Benennungen, die nicht den Vorgaben des Traditionserlasses entsprechen, identifiziert und entsprechende Vorschläge für Umbenennungen vorgelegt? b) Um welche Benennungen und entsprechenden Vorschläge für Umbenennungen handelt es sich dabei jeweils? c) Bis wann werden diese dem Inspekteur der Marine zur Entscheidung vorgelegt? Die Fragen 1 bis 1c werden zusammen beantwortet. Die Einsatzflottillen 1 und 2 haben an den Standorten Kiel und Wilhelmshaven Benennungen identifiziert, die den Vorgaben der am 28. März 2018 neu gefassten Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege (Traditionserlass ) nicht länger entsprechen. Auf die beigefügte Anlage wird verwiesen. Die Vorschläge für Neubenennungen liegen dem Inspekteur der Marine derzeit zur Entscheidung vor.  2. In welchen Passagen des Vortrages von Konteradmiral Rolf Johannesson vor dem Frankfurter Bund für Volksbildung am 22. Mai 1951 (vgl. Antwort zu Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 19/14951) kommen nach Auffassung der Bundesregierung dessen traditionsstiftende oder anderweitig beispielgebende und identitätsstiftende Leistungen bzw. Verdienste zum Ausdruck, die das heutige ehrende Gedenken an Rolf Johannesson rechtfertigen? In keiner. Die Bundesregierung hatte in der Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14951 auf den genannten Vortrag sowie auf andere Quellen verwiesen, um auf Wunsch der Fragesteller Beispiele für Konteradmiral a.D. Rolf Johannessons Auseinandersetzung mit der moralischen Schuld seiner Soldatengeneration im Zweiten Weltkrieg zu nennen. Seine traditionsbegründende Bedeutung für die Bundeswehr ergibt sich dagegen aus seinem Beitrag für den Aufbau der Marine und für die Entwicklung ihrer Führungskultur, die den freiheitlichen Grundsätzen einer Armee der Demokratie verpflichtet ist. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/11203 wird verwiesen .  3. Ist der Bundesregierung die Schrift Astrid Friederichs, „Wir wollten Helgoland retten“, auf den Spuren der Widerstandsgruppe von 1945, Förderverein Museum Helgoland 2010, bekannt, und wenn ja, warum findet sich in keiner Stellungnahme aus dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) zum Fall Rolf Johannessons ein Hinweis auf diese Arbeit? Der Bundesregierung ist diese Publikation bekannt. Sie sah jedoch keine Veranlassung , in ihren Stellungnahmen auf diese Schrift zu verweisen. Drucksache 19/16882 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode  4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Selbsteinschätzung von Rolf Johannesson, der sich selber mit Stolz als Spanienkämpfer bezeichnete? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/11203 wird verwiesen .  5. Wie verträgt sich die Behauptung der Bundesregierung, Rolf Johannesson habe sich für den Bruch mit der ehemaligen Marineführung eingesetzt (Bundestagsdrucksache 19/11203), mit Rolf Johannessons Besuch als Flottenchef im Jahr 1957 bei Großadmiral a. D. Karl Dönitz, wofür es keinerlei dienstlichen Zweck gab (bitte begründen)? Ein Widerspruch liegt nicht vor. Ziel jenes Besuches war es, mit Großadmiral a.d. Karl Dönitz kritisch über die Vergangenheit zu sprechen. Dieser zeigte jedoch laut Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson „keine Spur von Einsicht“ (Rolf Johannesson, Offizier in kritischer Zeit, S. 128). Verlauf und Ergebnis des Besuches bei Dönitz haben seinen Bruch mit den Vertretern der ehemaligen Marineführung maßgeblich vertieft bzw. besiegelt. So hat Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson sich mehrfach demonstrativ gegen Ehrungen der Großadmirale a.D. Dönitz und Raeder durch Vertreter der Bundesmarine bzw. Traditionsverbände der Marine ausgesprochen. So blieb er etwa einer gemeinsamen Veranstaltung mit beiden Admiralen nach deren Entlassung aus dem Spandauer Gefängnis in aufsehenerregender Weise fern.  6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Tatbestand , dass Rolf Johannesson, obwohl von Karl Dönitz angeblich als „politisch verdächtig“ eingeschätzt, am 30. Januar 1945 (im Rangdienstalter vordatiert auf 1. Januar 1945) befördert wurde und somit der dienstalterjüngste , überlebende Admiral der Kriegsmarine war? Die Bundesregierung stellt fest, dass die damalige Marineführung die dienstlichen Leistungen des Konteradmirals a.D. Rolf Johannesson offensichtlich als ausreichend bewertete, um eine Beförderung zu begründen. Die in seinen Lebenserinnerungen beschriebene wachsende innere Distanz zum NS-Regime wurde nicht offenkundig oder hat zumindest eine Förderung nicht verhindert. Für Rolf Johannessons zunehmend kritische Einstellung zum NS-Regime gibt es überzeugende Indizien, aber keine eindeutigen Belege, was mit Blick auf die möglichen Konsequenzen, die damit verbunden gewesen wären, nicht überraschen kann.  7. Inwiefern sprechen die während Rolf Johannessons Amtszeit als Flottenchef behandelten Themen der Historisch-Taktischen Tagungen 1957 bis 1960 für das behauptete Bemühen Rolf Johannessons, aus der Geschichte im Sinne einer demokratiewürdigen Marine lernen zu wollen (bitte begründen )? Ziel der von Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson geschaffenen Historisch- Taktischen Tagungen war von Beginn an die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Wille, „eine[r] echten innere[n] Wandlung des Offiziers “ den Weg zu bereiten. Gemeint war jene „Wandlung nämlich, daß […] jeder von uns, wissentlich oder unwissentlich, volens oder nolens am Aufbau und der Erhaltung des Dritten Reiches mitgewirkt hat, unmittelbar oder mittelbar ein Helfershelfer Hitlers gewesen ist und somit belastet ist mit der Hypothek, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16882 die seit 1933/45 auf dem deutschen Namen ruht […].“ (Johannesson an Ruge, 9.2.1959, BArch BM 1/4784). Dem steht nicht entgegen, dass die Historisch-Taktischen Tagungen angesichts der drohenden Kriegsgefahr der 1950er und 1960er Jahre auch ein Forum für den Austausch der jüngsten Erfahrungen in der Seekriegsführung gewesen sind, was die Diskussion über die Grenzen militärischen Gehorsams einschloss.  8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Diskrepanz zwischen Rolf Johannessons Forderung nach der ganzen Wahrheit bei kriegsgeschichtlichen Ereignissen einerseits und seinem (öffentlichen ) Beschweigen seines Verhaltens im Zeitraum 18./21. April 1945 nach dem Krieg andererseits, obgleich es mehrfach Gelegenheit für ihn gab, sich mit den Ereignissen selbstkritisch auseinanderzusetzen (so z. B. Juni 1945, November 1953, Mai 1965: Artikel in Bild-am-Sonntag, 1971: Anfrage beim BMVg, 1985/1989: Abfassen seiner Autobiografie)? Die hier behauptete Diskrepanz wird zurückgewiesen. Inwieweit Rolf Johannessons individuelle Rolle als Gerichtsherr und die von ihm bestätigten Todesurteile vor dem Personalgutachterausschuss und bei seiner Einstellung in die Bundeswehr thematisiert wurden, lässt sich nach Vernichtung der zugehörigen Unterlagen nicht mehr klären. Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson war jedoch weder juristisch noch moralisch verpflichtet, diese öffentlich anzusprechen.  9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass Rolf Johannesson Mut und Zivilcourage als unabdingbare Eigenschaften eines jeden Offiziers forderte, selber aber nach Ansicht der Fragesteller nicht den Mut hatte, sich in seiner Autobiografie zu seinem Verhalten im April 1945 zu bekennen, obwohl er 1985/1989 mit keinerlei Sanktionen zu rechnen hatte? Die Bundesregierung hält es für erwiesen, dass Konteradmiral a.D. Rolf Johannesson die Tatsache und die Umstände der durch ihn bestätigten Todesurteile bedauerte. Inwieweit er daraus auch eine moralische Schuld für sich selbst akzeptierte, ist dagegen nicht mehr eindeutig zu klären. Für die Bewertung seiner Person durch die Bundeswehr ist diese Tatsache von Bedeutung, aber nicht ausschlaggebend. Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/11203 wird verwiesen . 10. Was hält die Bundesregierung von dem Vorschlag, Admiral Rolf Johannesson als Lehrbeispiel für einen „Offizier in kritischer Zeit“ (Titel seiner Autobiografie) im marinegeschichtlichen Ausstellungsgebäude darzustellen und zu behandeln, statt ihn als Vorbild (Büste auf einem erhöhten Sockel) in der Aula der Marineschule zu präsentieren? Die Aula der Marineschule Mürwik ist Bestandteil der dortigen militärgeschichtlichen Lehrsammlung. Die hier aufgestellten Büsten stehen stellvertretend für die Brüche, Zäsuren und Kontinuitäten der deutschen Militär- und Marinegeschichte . Die Lebensläufe der ausgestellten Marineoffiziere sollen zur Auseinandersetzung mit der politischen, rechtlichen und ethischen Dimension des soldatischen und seemännischen Dienstes auffordern. Die Bundesregierung sieht den Vorschlag der Fragesteller daher als bereits erfüllt an. Drucksache 19/16882 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/11203 wird verwiesen . 11. Was erfahren die als Preisträger des Admiral Johannesson-Preises ausersehenen Lehrgangsteilnehmer über den Konteradmiral a. D. Rolf Johannesson insbesondere in seiner Funktion als Gerichtsherr Seekommandant Elbe-Weser? Die Preisträger werden durch den Kommandeur der Marineschule über ihre Auswahl informiert und in einem persönlichen Gespräch über Leben und Wirken des Konteradmirals a.D. Rolf Johannesson unterrichtet. 12. Wenn nunmehr nicht einmal in der Aula der MSM Traditionspflege stattfindet – wo dann? Traditionspflege ist nicht an besondere Orte gebunden, sondern kann und soll überall und jederzeit erfolgen. Laut den „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ (Traditionserlass) sind jedoch Geschichtsdarstellung und Traditionspflege deutlich voneinander abzugrenzen. Die Aula der Marineschule Mürwik dient der historischen und politischen Bildung, nicht der Traditionspflege . Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 13. Wie erklärt die Bundesregierung den Bedeutungs- und Funktionswandel der Aula der MSM, und welche Rolle spielte der Leitende Wissenschaftler des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), Prof. Dr. Michael Epkenhans (z. B. als Wehrübender an der MSM) dabei? Ziel der Umgestaltung der Aula war es, Vorgaben und Richtlinien der aktuellen Vorschriften zum Museums- und Sammlungswesen zu berücksichtigen. Prof. Dr. Michael Epkenhans war von Amts wegen Mitglied des Beratergremiums; er hat aufgrund seiner Fachexpertise zugleich die museumsdidaktischen Texte zur Kontextualisierung und kritischen Auseinandersetzung mit der Marinegeschichte verfasst. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/11203 wird verwiesen. 14. Wie verträgt sich die Aussage der Bundesregierung, dass die Militärgeschichtliche Sammlung und damit auch die Aula nicht Teil der Traditionspflege sei, mit dem Verständnis der in der Aula aufgestellten Büsten des Widerstandopfers Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder sowie des Admirals Dieter Wellershoff (bitte begründen)? Ein Widerspruch ist nicht gegeben. Mit der Aufnahme der Aula, des Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrums, des Säulengangs sowie weiterer historischer Teile der Marineschule Mürwik in deren militärgeschichtliche Sammlung war keine Bewertung der Traditionswürdigkeit von Admiral Dieter Wellershof und Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder verbunden. Die aufgestellten Büsten dienen der historischen Bildung, nicht der Traditionspflege. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/16882 Auf die Antwort zu Frage 10 sowie auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/11203 wird verwiesen. 15. Wie lautet der Text auf dem erläuternden Hinweisschild am Gedenkstein für Wolfgang Lüth auf dem Gelände der MSM, der „für eine historische Kontextualisierung“ sorgen soll und feststellt, „dass Kapitän zur See Lüth nicht Teil des Traditionserbes der Deutschen Marine ist“ (Antwort der Bundesregierung zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 19/14951)? Der Text lautet: „Gedenkstein für Kapitän zur See Wolfgang Lüth (*15.10.1913 +14.05.1945) Kapitän zur See Wolfgang Lüth war von 1944 bis 1945 der letzte Kommandeur Marinekriegsschule. Nach Kriegsende wurde er am 14. Mai 1945 durch einen deutschen Wachposten versehentlich erschossen. Der Gedenkstein für Wolfgang Lüth wurde am 17. November 1957 von Offiziersanwärtern der Marine an der Stelle seines Todes errichtet. Nach heutigem Traditionsverständnis kann ein Offizier wie Lüth, ungeachtet seiner militärischen Erfolge als U-Bootkommandant, für die Deutsche Marine nicht als Vorbild dienen.“ Im Zuge der Neu- und Umbenennung von Infrastrukturelementen plant die Marine ab Mitte 2020 folgenden Text zu nutzen: „Kapitän zur See Wolfgang Lüth war Angehöriger der Kriegsmarine und von 1944 bis 1945 der letzte Kommandeur der Marinekriegsschule. Nach Kriegsende wurde er am 14. Mai 1945 auf dem Gelände der Marineschule durch einen Wachposten erschossen. Der heutigen Forschung gilt Lüth als überzeugter Nationalsozialist. Der verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht und somit die Kriegsmarine als Institution nicht traditionswürdig. Der Gedenkstein für Lüth wurde am Volkstrauertag des Jahres 1957 von Offiziersanwärtern der Marine errichtet. Der Gedenkstein verdeutlicht ein unreflektiertes Geschichtsverständnis in den Anfangsjahren der Bundeswehr. Heute dient er zur Erinnerung und Mahnung an die Opfer von Krieg und Gewalt.“ 16. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Wolfgang Lüth während des Spanischen Bürgerkriegs als Wachoffizier auf U-27 im Einsatz war und am 6. Juni 1939 dafür in Berlin mit dem Spanienkreuz in Bronze ausgezeichnet wurde? Der Bundesregierung liegen dazu keine Kenntnisse vor. Drucksache 19/16882 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 17. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass Wolfgang Lüth als Kommandeur der MSM diese als Teil der „Rattenlinie Nord“ für SS- Leute auf der Flucht nutzte und so u. a. dem Ausschwitz-Kommandeur Rudolf Höß die Identität eines gefallenen Bootsmannes verschaffte? Kapitän zur See Wolfgang Lüth ist nicht Teil der Tradition der Bundeswehr und der Marine. Auf die Antwort zu Frage 15 sowie auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14951 wird verwiesen. 18. Wann und durch wen fand die Überprüfung der Traditionswürdigkeit von Admiral Reinhard Scheer, nach dem gleich drei Liegenschaften der Marine in Kiel (Scheermole am Tirpitzhafen), Bremerhaven (Stabsgebäude „Scheer“ an der Marineoperationsschule) und Wilhelmshaven (Scheer- Brücke an der Ostkaje) benannt sind, statt? Welche Namensvorschläge wurden in diesem Zusammenhang erarbeitet, und bis wann soll voraussichtlich eine entsprechende Umbenennung erfolgen ? In der Bundeswehr sind keine Liegenschaften nach Admiral Scheer benannt, sondern ausschließlich Infrastrukturelemente. Die Überprüfung wurde durch die Dienststellen vor Ort vorgenommen. Die Namensgebung des Gebäudes „Scheer“ an der Marineoperationsschule Bremerhaven erfolgte im Kontext des Baus der Kasernenanlage 1934/35. Der Name ist heute lediglich noch als historischer Fassadenschmuck erhalten und wird nicht länger genutzt. Das in Rede stehende Stabsgebäude wird heute als „Gebäude 7“ bezeichnet. Nach der Genehmigung sowie Beschaffung entsprechender Namensschilder und Hinweistafeln soll die beabsichtigte Umbenennung voraussichtlich ab Mitte 2020 erfolgen. Auf die beigefügte Anlage sowie auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14951 wird verwiesen. 19. Wann und durch wen fand die Überprüfung der Traditionswürdigkeit von Großadmiral Alfred von Tirpitz, nach dem u. a. der Tirpitz-Hafen und die Tirpitz-Mole in Kiel benannt sind, statt? Welche Namensvorschläge wurden in diesem Zusammenhang erarbeitet, und bis wann soll voraussichtlich eine entsprechende Umbenennung erfolgen ? Die Überprüfung wurde durch die Dienststellen vor Ort vorgenommen. Nach der Genehmigung sowie Beschaffung entsprechender Namensschilder und Hinweistafeln soll die Umbenennung voraussichtlich ab Mitte 2020 erfolgen . Auf die beigefügte Anlage wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/16882 20. Gibt es Überlegungen, die im „Seeoffizier-Ehrenmal“ in der Aula der MSM eingeschnitzte lateinische Inschrift „Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor“ („Entstehen möge ein Rächer aus unserm Gebein“) entfernen oder zumindest historisch kritisch kommentieren zu lassen? Wenn ja, welche sind dies? Wenn nein, warum nicht? Als historisches Artefakt ist der Erhalt der Inschrift aus Gründen des Denkmalschutzes anzustreben. Eine historische Kontextualisierung der gesamten Aula wird bis Mitte 2020 in Form von Texttafeln vor der Aula angebracht. Im Rahmen dieser Kontextualisierung wird auch das Seeoffizier-Ehrenmal historisch kritisch kommentiert. Darüber hinaus wird die Aula bereits heute Besuchern und Lehrgangsteilnehmenden grundsätzlich durch die Leiterin des Wehrgeschichtlichen Ausbildungszentrums der Marineschule oder entsprechend geschultes Personal der Marineschule historisch kritisch erläutert. 21. Führte nach Auffassung der Bundesregierung die Novemberrevolution von 1918, in deren Verlauf es zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten und zahlreicher Räterepubliken kam und die die Abschaffung der Monarchie des Kaiserreiches zur Folge hatte, zu mehr oder weniger Demokratie (bitte begründen)? Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an wissenschaftlichen Debatten über die Bedeutung und Folgen historischer Ereignisse oder Prozesse. Die Bundesregierung stellt jedoch fest, dass die Revolution von 1918 unmittelbar zur Abfolge der Ereignisse gehört, die letztlich zur Gründung der ersten demokratischen Republik in Deutschland führte. 22. Welche der 51 Kasernen der Bundeswehr, die nach „Helden des Ersten Weltkrieges“ benannt waren oder benannt sind, wurden nach Auffassung der Bundesregierung nach Persönlichkeiten benannt, die im Kaiserreich freiheitlich demokratische Grundüberzeugungen vertraten (bitte entsprechend aufführen und jeweils begründen)? Die Bundesregierung geht davon aus, dass für die Auswahl von Persönlichkeiten des Ersten Weltkriegs als Namensgeber seinerzeit die Bewertung militärischer Leistungen leitend gewesen war und nicht eine freiheitliche demokratische Grundüberzeugung. 23. Erkennt die Bundesregierung, ähnlich wie Hannah Arendt, dass es sich bei den Räten um eine Form der Demokratie handelte, die es den Einzelnen erlaubte, möglichst unmittelbar und unbeschränkt am öffentlichen Leben ihrer Zeit teilzunehmen und mit anderen gemeinsam zu handeln (bitte begründen)? Auf die Antwort zu Frage 21 wird verwiesen. Drucksache 19/16882 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 24. Welche Formen von Rätedemokratie sind der Bundesregierung bekannt, und welche davon lassen sich nach Auffassung der Bundesregierung jeweils aus welchen Gründen nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren (bitte entsprechend ausführen)? Die Bundesregierung stellt fest, dass den historischen Erscheinungsformen des Rätesystems keine allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen zugrunde lagen . Die Bundesregierung bewertet eine Regierungsform ohne Gewaltenteilung und ohne Parteien sowie mit Gesellschaftseigentum an den Produktionsmitteln und gesamtgesellschaftlicher Planung der Produktions- und Verteilungsprozesse als mit dem Grundgesetz unvereinbar. Auf die Antwort zu Frage 21 wird verwiesen. 25. Verfügt die Bundesregierung über andere Informationen als die Fragesteller bezüglich des Datums der Hinrichtung von Max Reichpietsch und Albin Köbis? Wenn ja, welche sind dies? Nein. 26. Bezieht sich die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 29 auf Bundestagsdrucksache 19/14951 auf das im Zuge der Februarrevolution 1917 in Russland etablierte demokratische Rätesystem, und wenn ja, auf Grundlage welcher wissenschaftlichen Erkenntnisse bewertet sie das damalige Rätesystem als „antidemokratische Räterepublik“? Wenn nein, auf welches andere Rätesystem nach sowjetischem Vorbild beriefen sich nach Kenntnis der Bundesregierung Max Reichpietsch und Albin Köbis zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form? Nach Kenntnis der Bundesregierung hatten Max Reichpietsch und Albin Köbis Kontakte zur USPD und verfolgten die Errichtung eines sozialistischen Rätesystems in Deutschland, wie es auch von Sozialisten und Kommunisten in Russland gefordert und dort nach der Oktoberrevolution verwirklicht wurde. 27. Auf Grundlage welcher Erkenntnisse hat die Bundesregierung ihre Einschätzung zu den politischen Motiven der Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis und den Vorgängen des Jahres 1917, die zu ihrer Verurteilung und Erschießung führten, aus dem Jahr 2007, wonach diese „in der deutschen Militärgeschichtsschreibung nach hiesiger Auffassung noch nicht eindeutig erforscht“ (Bundestagsdrucksache 16/6906) seien, revidiert? Eine Änderung der Einschätzung der Bundesregierung ist nicht erfolgt. Die Erweiterung des historischen Forschungsstandes ist unverändert wünschenswert. Auf die Antwort zu Frage 7d der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/379 und auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/6906 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/16882 28. Seit wann existiert nach Auffassung der Bundesregierung eine allgemeingültige Auffassung, wie das Handeln der Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis gesehen und verstanden werden kann? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es mit Blick auf historische Vorgänge „allgemeingültige Auffassungen“ nicht geben kann, sondern sich vielmehr unser Geschichtsbild ständig verändert. Geschichte ist demnach immer ein standortbedingter Blick zurück. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/6906 wird verwiesen . 29. Inwieweit lässt der derzeitige Forschungsstand „nicht erkennen, dass sich Albin Köbis und Max Reichpietsch bei ihrem Handeln durch Maximen haben leiten lassen, die der freiheitlichen und demokratischen Wertebindung der Bundeswehr entsprechen“, und inwieweit entsprechen nach Auffassung der Bundesregierung Handeln und Maximen der Widerständler vom 20. Juli der freiheitlichen und demokratischen Wertebindung der Bundeswehr (Bundestagsdrucksache 19/379)? Die Bundesregierung erkennt keine Parallelen zwischen dem Handeln der Matrosen Reichpietsch und Köbis sowie dem Entschluss freiheitlich gesinnter Kräfte, vor allem aus den Reihen der Soldaten, am 20. Juli 1944 Hitler zu töten und das NS-Regime zu beseitigen. Die meuternden Matrosen wollten im Wesentlichen einen Befehl nicht befolgen, der sie in eine individuelle, existentielle Gefahr gebracht hätte und der ihnen angesichts der Kriegslage als sinnlos erschien . Die Verschwörer gegen Hitler agierten dagegen in erster Linie aus übergeordneten Gewissensgründen und unter Missachtung der Gefahr für Leib und Leben. Der 20. Juli 1944 ist ein Lichtpunkt in Deutschlands dunkelster Zeit und ein Fanal für Recht und Freiheit gewesen. 30. Warum ist die Bundesregierung in ihrer aktuellen Antwort von der Einschätzung der damaligen Bundesregierung abgerückt, dass „gerade der innerdienstliche Zusammenhang […] geeignet [ist], die aus den Berührungen von Albin Köbis und Max Reichpietsch mit der USPD resultierende Vorstellung zu relativieren, dass die beiden geradezu Protagonisten einer revolutionären Bewegung gewesen seien“ (Bundestagsdrucksache 16/6906)? Die Bundesregierung hält unverändert an ihrer Bewertung fest, dass Zweifel bestehen, ob Albin Köbis und Max Reichpietsch als „Protagonisten einer revolutionären Bewegung“ angesehen werden sollten. Eine Traditionswürdigkeit für die Bundeswehr lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. 31. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass sich am Beispiel von Generaloberst Erich Hoepner Verstrickung, Täterschaft und Wandel dokumentieren lassen, er aber aus heutiger Sicht, aufgrund seiner Beteiligung am verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion, nicht identitätsstiftend für die Bundeswehr sein kann (bitte begründen)? Die Bundesregierung teilt die Ansicht, dass die Entwicklung von Generaloberst Erich Hoepner typisch für den militärischen Widerstand gewesen ist. Die „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ (Traditionserlass ) eröffnen die Möglichkeit der Aufnahme von Angehörigen der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundeswehr. Voraussetzung dafür ist immer ei- Drucksache 19/16882 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ne eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen, das die Frage persönlicher Schuld berücksichtigt und eine Leistung voraussetzt, die vorbildlich und sinnstiftend in die Gegenwart wirkt. Die Beteiligung am 20. Juli 1944 ist eine solche Tat. Im Falle von Generaloberst Erich Hoepner ist die oben beschriebene Einzelfallbetrachtung nicht erfolgt. Eine Liegenschaft der Bundeswehr ist gegenwärtig nach ihm nicht benannt. Die Generaloberst-Hoepner-Kaserne in Wuppertal wurde im Jahre 2004 aufgegeben. 32. Welche Einrichtungen der Bundeswehr sind nach überzeugten Antimilitaristen benannt (bitte entsprechend aufführen)? Keine. Bei den Liegenschaften der Bundeswehr handelt es sich um militärische Einrichtungen . 33. Welche Einrichtungen der Bundeswehr sind nach Deserteuren und Kriegsverrätern, die sich dem NS-Vernichtungskrieg verweigerten, benannt (bitte entsprechend aufführen)? Keine. Mit ihrer Tradition überliefert und pflegt die Bundeswehr die Erinnerung an Ereignisse, Personen, Institutionen und Prinzipien aus der Gesamtheit der deutschen (Militär-)Geschichte, sofern diese vorbildlich und richtungsweisend für ihren heutigen Auftrag wirken. Voraussetzung für die Auswahl einer Person, die sich grundsätzlich im Gegensatz zum Militär als Institution sieht, oder eines Deserteurs wäre ebenfalls eine vorbildliche und sinnstiftende Leistung, etwa die Beteiligung am militärischen Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr. 34. Welche Einflussmöglichkeiten hat die Bundesregierung bei Um- oder Neubenennungen von Liegenschaften der Bundeswehr, und inwieweit könnte sie bei Um- oder Neubenennungen Initiativen, diese nach Deserteuren und Kriegsverrätern, die sich dem NS-Vernichtungskrieg verweigerten , zu benennen, unterstützen oder auf den Weg bringen? Die Auswahl eines Traditionsnamens für Liegenschaften und Infrastrukturelemente obliegt den Angehörigen der betroffenen Dienststellen. Benennungsvorschläge bedürfen der abschließenden Zustimmung durch das Bundesministerium der Verteidigung. Das Bundesministerium der Verteidigung macht Dienststellen , die eine Umbenennung beabsichtigen, auf Nachfrage Vorschläge mit möglichen Namensgebern als Anregung. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/2200 wird verwiesen . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/16882 35. Kennt die Bundesregierung Initiativen oder Pläne für Um- oder Neubenennungen von Bundeswehrliegenschaften, bei denen diese nach Deserteuren und Kriegsverrätern benannt werden sollen, und wenn ja, welche sind dies, und wie positioniert sich die Bundesregierung in den jeweiligen Fällen? Nein. 36. Würde die Bundesregierung ihren Einfluss innerhalb der Bundeswehr geltend machen, um Liegenschaften z. B. der Marine nach Alfred Kranzfelder, der als Widerstandskämpfer des 20. Juli am 10. August 1944 in Berlin-Plötzensee ermordet wurde, umzubenennen (bitte begründen )? In der Bundeswehr ist bereits seit 1964 mit dem Kranzfelder Hafen (Marinestützpunkt Eckernförde) ein Infrastrukturelement nach Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder benannt. Im Jahr 1980 wurde dort zudem ein Gedenkstein errichtet . 37. Welche Liegenschaften der Bundeswehr sind seit wann nach Angehörigen des Deutschen Heeres des Kaiserreiches und seiner Teilstreitkräfte benannt (bitte entsprechend auflisten)? Das Kaiserreich besaß verfassungsrechtlich kein einheitliches deutsches Heer. Seine Streitkräfte setzten sich aus den verschiedenen Kontingenten der deutschen Einzelstaaten zusammen sowie aus der Kaiserlichen Marine, die reichseinheitlich und reichsunmittelbar war. Folgende Liegenschaften der Bundeswehr sind nach Angehörigen der verschiedenen Kontingente des Kaiserreiches benannt: Arnulf-Kaserne, Roding, mit Übernahme der Liegenschaft Bleidorn-Kaserne, Ulm, mit Übernahme der Liegenschaft Boelcke-Kaserne, Kerpen, 1965 Deines-Bruchmüller-Kaserne, Lahnstein, mit Übernahme der Liegenschaft, die Umbenennung ist eingeleitet Dr. -Leo-Löwenstein-Kaserne, Aachen, 2014 Ernst-von-Bergmann-Kaserne, München, 1980 Falckenstein-Kaserne, Koblenz, mit Übernahme der Liegenschaft Graf-Haeseler-Kaserne, Lebach, 1966 Graf-Werder-Kaserne, Saarlouis, mit Übernahme der Liegenschaft Graf-Zeppelin-Kaserne, Calw, 1964 Hindenburg-Kaserne, Munster, 1964 Immelmann-Kaserne, Celle, mit Übernahme der Liegenschaft Mudra-Kaserne, Köln, mit Übernahme der Liegenschaft, die Umbenennung ist eingeleitet Reinhardt-Kaserne, Ellwangen, mit Übernahme der Liegenschaft Rettberg-Kaserne, Eutin, mit Übernahme der Liegenschaft, die Umbenennung ist eingeleitet Schäfer-Kaserne, Bückeburg, 1961 Drucksache 19/16882 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wilhelm-Frankl-Kaserne, Neuburg/Donau, 1973. 38. Welche Liegenschaften der Bundeswehr sind seit wann nach Angehörigen der Wehrmacht benannt (bitte entsprechend auflisten)? Folgende Liegenschaften der Bundeswehr sind nach Angehörigen der Wehrmacht benannt: Christoph-Probst-Kaserne, Garching, 2019 Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne, Blankenburg, 2016 Feldwebel-Lilienthal-Kaserne, Delmenhorst, 1970, die Umbenennung ist eingeleitet Freiherr-von-Boeselager-Kaserne, Munster, 1984 General-Olbricht-Kaserne, Leipzig, 1992 General-Fellgiebel-Kaserne, Pöcking, 1960 Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne, Augustdorf, 1965 Generalmajor-Freiherr-von-Gersdorff-Kaserne, Euskirchen, 1981 Generaloberst-Beck-Kaserne, Sonthofen, 1956 Graf-Stauffenberg-Kaserne, Dresden, 2013 Henning-von-Tresckow-Kaserne, Oldenburg, 1961 und Schwielowsee, 1992 Lent-Kaserne, Rotenburg, 1964, die Umbenennung ist eingeleitet Major-Karl-Plagge-Kaserne, Pfungstadt, 2006 Marseille-Kaserne, Appen, 1975 Peter-Bamm-Kaserne, Munster, 1986 Philipp-Freiherr-von-Boeselager-Kaserne, Grafschaft, 2009 Rommel-Kaserne, Dornstadt, 1965. 39. Welche Liegenschaften der Bundeswehr sind seit wann nach Angehörigen der NVA benannt (bitte entsprechend auflisten)? Keine. 40. Wie bewertet die Bundesregierung aus heutiger Sicht die Entscheidung, dass bei der Streichung der NVA-Traditionsnamen am 2. Oktober 1990, unter anderem die Namen von 92 von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpfern wie Wilhelm Leuschner, Dr. Georg Groscurth, Arvid Harnack, Harro Schulze-Boysen und Anton Saefkow gestrichen wurden? Die Bundeswehr führt keine Tradition ehemaliger deutscher Streitkräfte, insbesondere nicht die der Wehrmacht und der Nationalen Volksarmee der DDR. Traditionen von Verbänden ehemaliger deutscher Streitkräfte werden an Truppenteile und Dienststellen der Bundeswehr nicht verliehen; ihre Fahnen und Standarten werden in der Bundeswehr nicht mitgeführt oder begleitet. Das Traditionsverständnis und das Traditionsgut ehemaliger deutscher Streitkräfte werden nicht fortgeführt. Die Übernahme der durch die Nationale Volksarmee vergebenen Traditionsnamen war damit unmöglich, eine Umbenennung folgerichtig und geboten. Eine Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/16882 Bewertung der Traditionswürdigkeit der früheren Namensträger für die Bundeswehr war damit nicht verbunden. Punktuelle Überschneidungen zwischen dem Traditionsgut der Bundeswehr und dem ehemaliger deutscher Streitkräfte stehen dazu nicht im Widerspruch. Dies zeigt sich beispielhaft in der im Jahre 2007 aufgegebenen Liegenschaft im brandenburgischen Hennickendorf, die seit 1995 den Traditionsnamen „Wilhelm Leuschner“ trug. In der NVA nutzte das Instandsetzungsbataillon 4 aus Gotha denselben Traditionsnamen. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 30 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14951 wird verwiesen. 41. Wird das BMVg eine Übersicht der im Zuge der Wiedervereinigung umbenannten Liegenschaften der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) erstellen und dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stellen? Wenn ja, bis wann ist damit zu rechnen? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung sieht keinen Bedarf an einer solchen Übersicht für ihre Regierungstätigkeit oder für die Bundeswehr. Auf die Antwort zu Frage 40 wird ebenso verwiesen, wie auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 30 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/14951. Drucksache 19/16882 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Anlage Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/16882 Drucksache 19/16882 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/16882 Drucksache 19/16882 – 20 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 21 – Drucksache 19/16882 Drucksache 19/16882 – 22 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 23 – Drucksache 19/16882 Drucksache 19/16882 – 24 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333