Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Seestern-Pauly, Katja Suding, Daniel Föst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16563 – Partizipation von Kindern und Jugendlichen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der 18. Shell Jugendstudie gaben 71 Prozent der Befragten an: „Politiker kümmern sich nicht darum, was Leute wie ich denken“ (vgl. 18. Shell Jugendstudie , 2019). Dieser Befund der befragten 12- bis 25-Jährigen ist aus Sicht der Fragesteller Grund zur Besorgnis. Eine lebendige, pluralistische und demokratische Gesellschaft lebt von verschiedenen Meinungen und dem argumentativen Streit als Mittel der Kompromissfindung. Um an dieser Kompromissfindung teilhaben zu können, müssen die verschiedenen Sichtweisen und Meinungen allerdings auch im politischen Prozess Gehör finden. Im Hinblick auf die Ergebnisse der Shell Jugendstudie muss aus Sicht der Fragesteller jedoch konstatiert werden, dass dies für die rund 13 Mio. Jugendlichen und jungen Erwachsenen nur unzureichend geschieht. Dabei ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht nur ein wünschenswerter Zustand für die demokratische Meinungsfindung, sondern ein Recht, der Verwirklichung dessen sich die Bundesregierung spätestens seit der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) verpflichtet hat. Im Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode stellen CDU, CSU und SPD fest, dass „Jugend eine eigenständige und prägende Lebensphase [ist], in der es darum geht, selbstständig zu werden, sich zu qualifizieren und einen Platz in der Gesellschaft zu finden.“ Ferner wird angekündigt, im Rahmen der eigenständigen Jugendpolitik die „[…] Teilhabe von jungen Menschen […] auf allen Ebenen [zu] stärken und weitere Beteiligungsformate [zu] unterstützen.“ Am 24. September 2018 hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Franziska Giffey im Rahmen der Konferenz „Politik für, mit und von Jugend“ angekündigt: „Wir wollen bis Mitte der Legislaturperiode eine gemeinsame Jugendstrategie der Bundesregierung entwickeln. Wir wollen, dass sich das gesamte Kabinett verbindlich zur Verantwortung für die Jugend bekennt. Die ganze Bundesregierung muss ihren Teil dazu beitragen, Jugend zu beteiligen, Politik mit und für Jugendliche zu machen.“ (www.bmfs fj.de/bmfsfj/jugendstrategie-gemeinsam-entwickeln-/128452). Seit Oktober 2018 koordiniert die Interministerielle Arbeitsgruppe (IMA) „Jugend“ die Zusammenarbeit der Ressorts und stimmt die Inhalte der Jugendstrategie ab. Deutscher Bundestag Drucksache 19/16973 19. Wahlperiode 31.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. Warum wird der Punkt „Eigenständige Jugendpolitik“ nicht in der Halbzeitbilanz der Bundesregierung aufgeführt? Die Halbzeitbilanz der Bundesregierung beinhaltet eine Auswahl bereits umgesetzter Vorhaben. Das Konzept der „Eigenständigen Jugendpolitik“ liegt der Jugendstrategie der Bundesregierung „In gemeinsamer Verantwortung: Politik für, mit und von Jugend“ zugrunde. Diese befand sich zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme über die Umsetzung des Koalitionsvertrags der Bundesregierung in der Ressortabstimmung. 2. Welche der von Bundesministerin Dr. Franziska Giffey am 24. September 2018 im Rahmen der Konferenz „Politik für, mit und von Jugend“ angekündigten Ergebnisse zur Entwicklung einer gemeinsamen Jugendstrategie der Bundesregierung hat die Bundesregierung bislang vorgelegt? Erstmals wurde eine eigenständige Jugendstrategie der Bundesregierung unter dem Titel „In gemeinsamer Verantwortung: Politik für, mit und von Jugend“ am 3. Dezember 2019 vom Bundeskabinett beschlossen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/16400). 3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Kindheit – wie die Jugend – eine eigenständige und prägende Lebensphase ist? Wenn ja, plant die Bundesregierung eine eigenständige Kinderpolitik, und wenn nein, warum nicht? Ausschlaggebend für die Entwicklung der Eigenständigen Jugendpolitik vor etwa zehn Jahren war der Befund, dass es ergänzend zu einer modernen Kinderund Familienpolitik einen Ansatz braucht, der die spezifischen Interessen und Bedürfnisse der 12- bis 27-jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ressortübergreifend berücksichtigt. Die hohe Bedeutung der ebenfalls prägenden Lebensphase Kindheit ist dabei unstrittig. So stehen Kinder und ihre Interessen im Mittelpunkt zahlreicher bereits umgesetzter und noch geplanter Vorhaben der Bundesregierung. Um die Beteiligung von Kindern zu stärken, ihre bestmögliche Entwicklung zu fördern und sie noch besser zu schützen, sind im Koalitionsvertrag weitere wichtige Vorhaben vereinbart worden wie z. B. die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, die Modernisierung des Kinderund Jugendmedienschutzes, die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe und die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter . 4. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse der 18. Shell Jugendstudie mit Blick auf die Ergebnisse zur politischen Teilhabe von Jugendlichen ? 5. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der 18. Shell Jugendstudie im Bereich „Jugend und Politik“? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die 18. Shell Jugendstudie weist auf mehrere positive Trends bei der politischen Teilhabe von Jugendlichen hin. So bezeichnen sich mittlerweile 41 Prozent der jungen Menschen als politisch interessiert. Das ist im Vergleich zu den Studienergebnissen um die Jahrtausendwende ein deutlich verbesserter Wert. Auch messen Jugendliche politischem Engagement zunehmend mehr Bedeu- Drucksache 19/16973 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode tung bei: Sagten 2010 nur 23 Prozent, dass es wichtig ist, sich zu beteiligen, waren es 2019 34 Prozent. Erwähnenswert ist zudem, dass weibliche Jugendliche beim politischen Interesse gegenüber den männlichen Jugendlichen aufholen . Ebenso erfreulich ist, dass das Vertrauen der Jugendlichen in die Demokratie seit der Jahrtausendwende erheblich zugenommen hat. Bundesweit geben 77 Prozent der Jugendlichen an, mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland besteht, zufrieden zu sein. Besonders signifikant ist das Zutrauen in die Demokratie unter jungen Ostdeutschen gestiegen. Zugleich aber liefert die 18. Shell Jugendstudie auch besorgniserregende Befunde : 71 Prozent der Jugendlichen glauben nicht, dass Politikerinnen und Politiker sich für ihre Belange interessieren. Und nach dem Vertrauen in bestimmte Institutionen befragt, liegen Parteien weit hinter der Polizei, dem Verfassungsgericht , aber auch Umweltschutzgruppen, Gewerkschaften oder Bürgerinitiativen . Die Shell Jugendstudie bestätigt damit eindrücklich, was bereits im letzten 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (2017) nachzulesen war: Die junge Generation ist weder politik- noch demokratieverdrossen. Allerdings hält sie sich zurück, wenn es um das Engagement in Parteien geht. Auch vertraut sie zwar der Demokratie, aber deutlich weniger ihren Politikerinnen und Politikern oder Parteien. In diesem Zusammenhang setzt sich die Bundesregierung für ein gutes Angebot an politischer Bildung ein, um bei Jugendlichen das Verständnis für die oftmals hochkomplexen demokratischen Prozesse zu vertiefen. Zudem wird sich der nächste 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, der dieses Jahr vorgelegt wird, mit dem Thema „Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter“ befassen. Vor allem aber ist die Jugendstrategie der Bundesregierung ein wichtiges Instrument, um den Anliegen von Jugendlichen mehr Gehör zu schenken und Jugendliche verstärkt an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. 6. Welche Studien über politische Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegen die Erkenntnisse aus den einschlägig bekannten und öffentlich zugänglichen Studien vor. In Bezug auf politische Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen sind dies neben der regelmäßig erscheinenden Shell Jugendstudie zum Beispiel die World Vision Kinderstudie, der Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerks, das LBS-Kinderbarometer oder der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebene Datenreport. Eine aktuelle Aufbereitung sowie Analyse vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse zu politischen Beteiligungsmöglichkeiten von Jugendlichen bietet der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16973 7. Welche Studien über politische Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen hat die Bundesregierung in Auftrag gegeben und/oder mit Bundesmitteln gefördert (bitte für die Jahre 2014 bis 2019, nach Studie sowie, bei finanzieller Beteiligung des Bundes, nach Haushaltstitel aufschlüsseln)? Folgende Studien über politische Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen wurden von 2014 bis 2019 mit Bundesmitteln gefördert: Jahr Studie Haushaltstitel 2014 Deutsches Jugendinstitut: DJI-Survey AID:A „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ 1702/68604 Deutsches Institut für Menschenrechte: Zuhören – ernst nehmen – handeln. Wie das Recht auf Partizipation von Kindern in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden kann. 2305/54401 2015 Deutsches Institut für Menschenrechte: How the Child’s Right to Participation Can be Promoted in German Development Cooperation. 2305/54401 2016 Bundespressamt: Repräsentative Jugendstudie: Politik | Europäische Union | Zukunftserwartungen 54401/011 Deutsches Institut für Menschenrechte: Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Ein Beispiel aus der entwicklungspolitischen Praxis. 2305/54401 2018 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Zukunft? Jugend fragen! Nachhaltigkeit, Politik, Engagement – eine Studie zu Einstellungen und Alltag junger Menschen 1601/54401 Deutsches Jugendinstitut: AID:A-Panel III: Engagementkarrieren 1702/68604 Deutsches Kinderhilfswerk e. V.: Repräsentative Beteiligungsformate für Kinder und Jugendliche auf kommunalpolitischer Ebene, Phase II (noch unveröffentlicht) 1702/68401 2019 Bundespresseamt: Generation Z 54401/011 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit; Umweltbundesamt: Repräsentativumfrage zum Umweltbewusstsein und Umweltverhalten im Jahr 2018 einschließlich sozialwissenschaftlicher Analysen und Entwicklung einer jugendpolitischen Agenda 1601/54401 Deutsches Kinderhilfswerk e. V.: Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Eine Zusammenstellung der gesetzlichen Bestimmungen auf Bundesebene und ein Vergleich der Bestimmungen in den Bundesländern und auf kommunaler Ebene (Aktualisierung und Neuauflage) 1702/68401 Deutsches Kinderhilfswerk e. V.: Starke Kinder- und Jugendparlamente (noch unveröffentlicht) 1702/68404 International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IAE): ICCS-International Civic and Citizenship Study 2022 3002/68541 8. Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlungen für die gemeinsame Jugendstrategie der Bundesregierung als Ausfluss der JugendPolitikTage vom 9. bis 12. Mai 2019? Insgesamt 450 junge Menschen haben auf den JugendPolitikTagen im Mai 2019 Empfehlungen für die Jugendstrategie der Bundesregierung entwickelt. Die zentralen Empfehlungen wurden zum Abschluss von der Parlamentarischen Staatssekretärin Caren Marks in Empfang genommen. Die Bundesregierung hat sich in der Folge u. a. in der Interministeriellen Arbeitsgruppe Jugend (IMA Jugend ) mit diesen Empfehlungen auseinandergesetzt. Auf Basis dieser Diskussionen haben zum einen alle Teilnehmenden im November 2019 ein schriftliches Feedback zu ausgewählten Empfehlungen durch die Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey erhalten. Zum anderen wurde am 3. Dezember 2019 die Drucksache 19/16973 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Jugendstrategie der Bundesregierung beschlossen, die sich mit zahlreichen Empfehlungen der JugendPolitikTage beschäftigt. So möchte die Bundesregierung mit ihrer Jugendstrategie u. a. den Dialog zwischen Jugend und Politik auf eine feste und dauerhafte Basis stellen und – wie von den Teilnehmenden gewünscht – ein jährliches jugendpolitisches Beteiligungsformat auf Bundesebene für Jugendliche und junge Erwachsene etablieren . Mit der geplanten Jugendkonferenz im September 2020 und den JugendPolitik Tagen im Mai 2021 befindet sich die Bundesregierung bereits in der Umsetzung . Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/16973 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. 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