Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/16569 – Neue Technologien zum Schutz von Rehkitzen vor landwirtschaftlichen Maschinen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Jedes Jahr werden über 100.000 Rehkitze durch landwirtschaftliche Maschinen getötet. Im hohen Gras werden die Kitze vom Muttertier vor potentiellen Angreifern so gut versteckt, dass Fahrer von Mähfahrzeugen sie nicht sehen können. Die jährliche erste Mahd vieler Grünlandflächen erfordert somit eine hohe Aufmerksamkeit der Landwirte und Jäger. Aufgrund ihres Duckreflexes bewegen sich Rehkitze nicht selbstständig weg. Eine gründliche Vorarbeit ist deshalb notwendig, um Rehkitze zu finden und eine sichere Grünlandmahd durchzuführen. Die Setzzeit der Rehe erstreckt sich von Mai bis Juni und fällt damit in den Erntezeitpunkt vieler Grünlandflächen (www.westfalen-blatt.de/ OWL/Kreis-Guetersloh/Steinhagen/4038284-Drohne-soll-auch-in-Steinhagendie -Tiere-im-Feld-aufspueren-und-vor-dem-Maehtod-bewahren-Hegering-wil l-Kitze-retten). Längst gibt es allerdings Wege, Rehkitze vorher aufzuspüren. Mithilfe von Drohnen kann zu Tagesbeginn ein Kitz anhand der Körpertemperatur aufgespürt werden. (www.welt.de/kmpkt/article194800209/So-gut-funktioniert-die- Rehkitzrettung-mittels-Drohne.html). Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit der Rettung von Rehkitzen (www.bmel.de/DE/Tier/Tierschutz/_texte/Wildretter.html). Forschungsprojekte wurden initiiert, um die Suche nach Rehkitzen schneller und sicherer durchzuführen. Drohnen in Kombination mit Wärmebildkameras haben sich für die Suche von Rehkitzen besonders bewährt. 1. Welche Projekte zur Wildrettung und speziell zur Rettung von Rehkitzen sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2010 initiiert worden? a) Wie wurden solche Projekte bis dato durch die Bundesregierung unterstützt oder begleitet? b) Wie hoch waren die finanziellen Mittel des Bundes zur Förderung der Erforschung, Erprobung und Beschaffung solcher Drohnen und anderer Wildrettungsprojekte? Deutscher Bundestag Drucksache 19/16974 19. Wahlperiode 31.01.2020 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 30. Januar 2020 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. c) Wer waren die Projektträger, und welche Ziele verfolgten die einzelnen Projekte? d) Seit wie vielen Jahren betreibt die Bundesregierung eine Forschungsförderung im Bereich der Wildrettung? Die Fragen 1 bis 1d werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wurde seit 2010 ein Verbundprojekt „System und Verfahren zur Rehkitzrettung während der Grünmahd“ initiiert und gefördert. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Zeitraum von Mai 2012 bis Dezember 2015 mit einer Förderung von 2.056.246,40 Euro das Verbundprojekt unterstützt. Projektträger des Verbundprojektes war die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Das Ziel des Projekts war die Verbesserung der arbeitsintensiven Vergrämungsmethoden durch technisches Gerät. Dazu zählen Kameras, Infrarot- oder Wärmebildkameras, die an Drohnen oder Treckern befestigt werden und Kitze auf der Fläche erkennen können. 2. Wie viele Rehkitze konnten nach Kenntnis der Bundesregierung durch den Einsatz von Drohnen mit Wärmebildkamera innerhalb verschiedener Forschungsprojekte gerettet werden? a) Wie hoch war die Zahl der geretteten Rehkitze bei anderen zur Verfügung stehenden Technologien oder Hilfsmittel, die versuchsweise in Forschungsprojekten zum Einsatz kamen? Die Fragen 2 und 2a werden gemeinsam beantwortet. Hier zu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Potential, Rehkitze zu retten ? Das im Rahmen des genannten Verbundprojekts entwickelte Anwendungssystem zur Kitzrettung beim Mähen landwirtschaftlicher Flächen zeichnet sich dadurch aus, dass es deutlich effizienter als bisherige Praxisanwendungen ist. Grundprinzip des Projektes ist das System „Finden – Markieren – Wiederfinden – Retten und Sichern“. Es handelt sich hier um ein System zur Ortung der betroffenen Wildtiere aus der Luft mit einem anschließenden Rettungsvorgang. Eine mit einer Infrarot- und einer Farbkamera ausgestattete Drohne fliegt weitgehend automatisiert die vorher angegebene Fläche ab, sodass sich in Kombination mit der speziell entwickelten Such- und Erkennungssoftware die Wildtiere ausreichend schnell finden lassen. Mittlerweile haben verschiedene kommerzielle Anbieter Wildretter-Systeme im Programm. 3. Welche anderen Wildtiere als Rehkitze sind ebenfalls durch ihr instinktives Ausharren an einem Ort bedroht, und wie? Neben Rehkitzen können bodengebundene Tierarten mit vergleichbarem Verhalten , wie z. B. Feldhase, Kiebitz und Rebhuhn durch die Grünlandmahd gefährdet sein. Drucksache 19/16974 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Welche Technologien oder Hilfsmittel existieren nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit, um Rehkitze zu schützen? Technologien sind insbesondere tragbare Sensoren mit Infrarot- Temperatursensoren oder Drohnen mit Wärmebildkameras (siehe auch Antwort zu Frage 7). Weitere Technologien/Hilfsmittel werden nachfolgend aufgeführt: • Vergrämen durch stationäre Systeme (mechanisch und optisch-akustische Unruhestifter) • Vergrämen durch Abgehen mit Hunden oder Mähstreifen: Es wird am Vortag der Mahd am Rand der gesamten Fläche ein schmaler Streifen gemäht. Das Muttertier nimmt den Mähstreifen als Störung wahr und wird ihr Kitz aus dem Bestand locken. Auch das Abgehen der Fläche vor der Mahd mit Hunden ist ein angewandtes Verfahren. Die Hunde hinterlassen ihren eigenen Geruch, der vom Muttertier als Gefahr wahrgenommen wird und zum Wegführen der Kitze animieren kann. • Vergrämen während der Mahd: Hier wird eine Sirene während der Mahd am Traktor montiert. Durch das akustische Signal werden die Tiere zum Verlassen der Fläche angeregt. Derartige „Schallkanonen“ haben den Nachteil, dass sie erst in einem Alter der Kitze wirksam sind, in dem die Jungtiere bereits einen Fluchtinstinkt entwickelt haben. • Automatisches Anheben des Mähwerks: Durch die Anbringung von Infrarot-Messköpfen direkt am Fahrzeug erfolgt bei Alarm ein sofortiges Anheben des Mähwerks. Derartige Technologien sind noch nicht vollkommen ausgereift und werden kontinuierlich weiterentwickelt. • Mähen von innen nach außen: Empfohlen wird das Mähen der Fläche von innen nach außen, um den scheuen Kitzen eine Fluchtmöglichkeit nach außen zu lassen. 5. Welche dieser Technologien bietet nach Kenntnis der Bundesregierung die sicherste Erkennung von Rehkitzen? Jede Technologie bringt gewisse Vor- und Nachteile mit sich. Die anzuwendende Technologie muss auf das jeweilige zu mähende Feld bzw. den umfänglichen Gegebenheiten angepasst sein, sodass die Sicherheit der Erkennung von Rehkitzen pauschal nicht bewertet werden kann. 6. Wie können nach Kenntnis der Bundesregierung Systeme der Fernerkundung zur Rettung von Rehkitzen eingesetzt werden? Im Bereich der Fernerkundung kann die Rettung der Rehkitze besonders durch die Drohnentechnologie im Zusammenhang mit der GPS-Ortung eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Antwort zu Frage 2b verwiesen . 7. Welchen Beitrag können nach Kenntnis der Bundesregierung Sensortechnologien zum Aufsuchen von Rehkitzen leisten? Für die Entdeckung von Rehkitzen können tragbare Sensoren mit Infrarot- Temperatursensoren oder Drohnen mit Wärmebildkameras eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Antwort zu den Fragen 2b und 4 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/16974 8. Welche Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung durch Landwirte und Jäger ergriffen, um eine schnelle Erkennung von Rehkitzen zu gewährleisten? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 9. Welche Landschaftsbereiche sind nach Kenntnis der Bundesregierung besonders dafür bekannt, dass dort in besonderer Weise die Rettung von Rehkitzen beachtet werden muss? Besondere Bereiche bzw. Flächen, in denen das Auffinden von Rehkitzen besonders hoch ist, sind Grünlandflächen, wie Wiesen und Weiden, die ganz oder teilweise zur Mahd genutzt werden. 10. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung zu beachten, wenn Rehkitze gefunden wurden? Das Entfernen des Rehkitzes aus dem Gefahrenbereich sollte nicht mit bloßen Händen erfolgen. Es können z. B. Grasbüschel genutzt werden, um eine direkten Kontakt zu vermeiden. Im Hinblick auf eine mögliche Kennzeichnung der Kitze wird auf die Antwort zu Frage 2b verwiesen. 11. Wer sind nach Kenntnis der Bundesregierung Ansprechpartner oder wo befinden sich Anlaufstellen, um gefundene Rehkitze zu melden? Aufgefundene Rehkitze im Grünland müssen nicht gemeldet werden, wenn es offensichtlich von der Ricke im hohen Gras abgelegt wurde. Bei Verletzungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Tieres können insbesondere der Pächter, eine gemeinnützige Organisation der Rehkitzrettung, der Naturschutzbund (NABU), Wildauffangstationen oder auch der Wildbeauftragte des jeweiligen Bundeslandes informiert werden. 12. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung neben der Grünlandmahd weitere Gefahren, die das Überleben von Rehkitzen beeinflussen, und wie können diese vermindert werden? Das Überleben der Rehkitze wird in den ersten Lebenswochen durch den fehlenden Fluchtinstinkt, maßgeblich durch die Grünlandmahd und die Gefahr als potentielles Beuteopfer für z. B. Füchse oder Greifvögel beeinflusst. Bei älteren Rehkitzen ist das Problem der Grünladmahd nicht mehr gegeben. Die Verminderung der Gefahr für Rehkitze wird durch verschiedene Hilfsmittel und Technologien eingedämmt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Drucksache 19/16974 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gesamtherstellung: H. 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