Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 17. April 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1779 19. Wahlperiode 20.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Heike Hänsel, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1549 – Haltung der Bundesregierung zur atomaren Abrüstung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Den Atomwaffenverbotsvertrag, der am 7. Juli 2017 beschlossen wurde, haben inzwischen 57 Staaten unterzeichnet. Die Bundesregierung blieb den Verhandlungen fern. Die Ablehnung allein schon der Teilnahme an multilateralen Abrüstungsverhandlungen ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie widerspricht nach Ansicht der Fragesteller den abrüstungspolitischen Postulaten der Bundesregierung und schadet ihrer Glaubwürdigkeit. Vom 23. April bis 4. Mai 2018 findet in Genf die nächste Sitzung des Preparatory Committee für den aktuellen Überprüfungszyklus des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) statt. Dieser trat 1970 in Kraft, die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete ihn bereits 1969. Trotz der in diesem Vertrag enthaltenen Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung befindet sich die Welt in einer neuen Phase der nuklearen Aufrüstung. Die Vereinigten Staaten von Amerika beabsichtigen, ihre unter anderem in Deutschland stationierten Atomwaffen auf das Modell B61-12 zu modernisieren. Die neue US-Nuklearstrategie sieht darüber hinaus nicht nur die Aufrüstung mit kleineren , sogenannten taktischen Atomwaffen vor, sondern behält sich sogar die Wiederaufnahme von Atomtests vor (www.tagesspiegel.de/politik/us-atomwaffengabriel -warnt-vor-spirale-eines-neuen-atomaren-wettruestens/20925914.html). Der russische Präsident Putin drohte in einer Rede vor der Duma ebenfalls neue, auch atomare Waffen an (www.tagesschau.de/ausland/putin-rede-an-die-nation- 101.html). Dazu kommt der Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm, in dem sowohl die USA als auch Nordkorea mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen. Der Deutsche Bundestag hat sich 2010 für den Abzug der US-Atomwaffen von deutschem Boden ausgesprochen. Auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD bekennt sich zum Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt. Es wird aber vermieden, konkrete Maßnahmen zu benennen, mit denen sich die Bundesregierung diesem Ziel annähern will. Die Bundesregierung lässt nach Auffassung der Fragesteller nicht erkennen, dass sie eine Politik der nuklearen Abrüstung verfolgen will. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1779 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Was sind die politischen Ziele der Bundesregierung für die NPT-Überprüfungskonferenz 2020? Welche eigenen Initiativen will sie einbringen? Die Stärkung des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV) als Eckpfeiler der nuklearen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsarchitektur ist ein grundlegendes Interesse der Bundesregierung und vor dem Hintergrund akuter Proliferationskrisen , insbesondere des Konflikts um Nordkoreas völkerrechtswidriges Nuklearund Raketenprogramm, wichtiger denn je. Gemeinsam mit ihren Partnern in der EU und der „Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative“ („Non-Proliferation and Disarmament Initiative“ – NPDI) wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen , dass die Umsetzung des NVV auf Grundlage des 2010 angenommenen Aktionsplans der NVV-Überprüfungskonferenz in allen drei Säulen – Nichtverbreitung von Nuklearwaffen, nukleare Abrüstung und friedliche Nutzung der Nuklearenergie – weiter verbessert und das Vertragsregime gestärkt aus dem Überprüfungszyklus hervorgeht. Hierzu bringt die Bundesregierung, national und im Rahmen der NPDI, Arbeitspapiere ein. Diese betreffen unter anderem die Unterstützung der Verhandlungsaufnahme über ein Verbot der Produktion von Spaltmaterial für Kernwaffenzwecke („Fissile Material Cut-off Treaty“ – FMCT), Negative Sicherheitsgarantien, die Transparenz der Nukleararsenale sowie die Situation in Nordkorea. In Veranstaltungen am Rande der Vorbereitungssitzungen (PrepComs) versucht die Bundesregierung, Problemfelder der Umsetzung des Nichtverbreitungsvertrags gezielt zu beleuchten, etwa 2018 durch eine Veranstaltung der vom Auswärtigen Amt geförderten sogenannten „Deep Cuts- Kommission“ zur amerikanisch-russischen Rüstungskontrolle. 2. Wird die Bundesregierung sich am Vorbereitungskomitee zur NPT-Überprüfungskonferenz im April 2018 in Genf beteiligen? a) Auf welcher Ebene? b) Mit welchem Verhandlungsziel? Die Fragen 2 bis 2b werden zusammengefasst beantwortet. Die Bundesregierung wird an der 2. Vorbereitungssitzung vom 23. April bis zum 4. Mai 2018 in Genf teilnehmen, die Delegationsleitung übernimmt die stellvertretende Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle . Es ist im NVV-Überprüfungszyklus üblich, dass im Rahmen der drei sogenannten Vorbereitungssitzungen noch keine konkreten Entscheidungen getroffen werden, sie geben vielmehr Orientierung für den weiteren Vorbereitungsprozess , der mit der Überprüfungskonferenz 2020 abschließt. Bei der 2. Vorbereitungssitzung in Genf wird sich die Bundesregierung für die Stärkung des NVV als unentbehrliches multilaterales Instrument zum Erhalt von Frieden, Sicherheit und Stabilität einsetzen. Grundlage hierfür bleibt die vollständige Umsetzung und eine an den Vertragszielen orientierte Fortschreibung des von der NVV-Überprüfungskonferenz 2010 angenommenen Aktionsplans . Besonders im Blickpunkt stehen hierbei für die Bundesregierung eine klare Haltung der NVV-Vertragsstaaten zu Nordkoreas völkerrechtswidrigem Nuklear- und Raketenprogramm, die besorgniserregenden Entwicklungen zur nuklearen Aufrüstung weltweit sowie die Frage, wie das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt erreicht werden kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1779 3. Welche Maßnahmen zur „disarmament education“ im Rahmen des NPT- Prozesses plant die Bundesregierung bis zum Abschluss des aktuellen NPT- Überprüfungszyklus? Die Bundesregierung ist langjähriger Unterstützer der Arbeit des Abrüstungsbüros der Vereinten Nationen (UNODA) im Bereich der Abrüstungsschulung („disarmament education“) und hat UNODA zuletzt 2015 bis 2017 mit einer Zuwendung in Höhe von über einer Mio. Euro unterstützt. Im Rahmen der NPDI hat die Bundesregierung 2017 ein Arbeitspapier zum Thema „disarmament education“ in den NVV-Überprüfungszyklus eingebracht und tritt regelmäßig für die Relevanz dieses Themas in Stellungnahmen im NVV-Rahmen ein. 4. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der von der NPT-Überprüfungskonferenz 2010 beschlossenen Konferenz über eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten? 5. Was unternimmt die Bundesregierung, um dem unter anderem in der UN- Sicherheitsrats-Resolution 687 beschlossenen „Ziel der Schaffung einer kernwaffenfreien Zone in der Nahost-Region“ näherzukommen? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Die Bundesregierung unterstützt die Schaffung einer von Nuklearwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen und Mittleren Osten auf der Grundlage von freiwillig eingegangenen Vereinbarungen aller Staaten der Region . Sie bedauert, dass trotz der Bemühungen der NVV-Depositarstaaten Großbritannien , Russland und Vereinigte Staaten von Amerika als Ko-Sponsoren der „Resolution zum Nahen und Mittleren Osten“ von 1995 sowie der Staaten der Region bis heute keine internationale Konferenz zu diesem Vorhaben durchgeführt werden konnte. Die Bundesregierung setzt sich auch über entsprechende Projektaktivitäten der Europäischen Union dafür ein, Prozesse der Vertrauensbildung zwischen den regionalen Akteuren in Gang zu setzen und damit die Voraussetzungen für Schritte zur Umsetzung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten zu schaffen. So hat die Bundesregierung zwischen 2014 und 2016 zwei Projekte der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung finanziell unterstützt zur Förderung von Abrüstung und Nichtverbreitung im Nahen Osten und der Golf-Region sowie zur Durchführung einer Podiums-Diskussion zum Thema „Massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten“ bei der dritten Vorbereitungssitzung für die NVV-Überprüfungskonferenz 2014 in New York. Die Bundesregierung tritt für die Zeichnung und Ratifikation der relevanten internationalen Abkommen und Instrumente – insbesondere des NVV, des Umfassenden Teststoppvertrags („Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty“ – CTBT), des Übereinkommens über das Verbot chemischer Waffen und des Übereinkommens über das Verbot biologischer Waffen durch alle Staaten der Region ein und sieht darin wichtige Beiträge zur Vertrauensbildung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1779 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zum INF-Vertrag (Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme) ein? a) Verfügt die Bundesregierung über eigene Erkenntnisse zu einer vorgeblichen Verletzung des INF-Vertrages durch Russland? b) Sieht die Bundesregierung den INF-Vertrag als gefährdet an? c) Welche Initiativen plant die Bundesregierung zur Rettung des INF-Vertrages ? Bezüglich der Fragen 6 bis 6c wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Vorwürfe der Nichteinhaltung des INF-Vertrags für Nukleare Mittelstreckensysteme“ auf Bundestagsdrucksache 19/1083 verwiesen. 7. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Vertrag über ein Atomwaffenverbot ? Plant die Bundesregierung eine Unterzeichnung? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung bleibt dem Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen verpflichtet und setzt sich entschlossen für die weltweite verifizierbare Abrüstung von allen Massenvernichtungswaffen ein. Die Bundesregierung hält den Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen für nicht geeignet, das von ihr angestrebte Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt tatsächlich und in nachprüfbarer Weise zu erreichen. Keiner der Nuklearwaffenstaaten , auf deren Mitwirkung es bei einer an echtem Fortschritt orientierten nuklearen Abrüstung in erster Linie ankommt, hat sich an den Verhandlungen beteiligt. Der Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen droht dem NVV und den mit ihm verbundenen Kontrollregime zur Verhinderung nuklearer Proliferation nachhaltigen Schaden zuzufügen, sowie das globale Nonproliferations- und Abrüstungsregime zu gefährden. Die Besorgnis der Bundesregierung gilt insbesondere der wichtigen Frage der Verifikation der Umsetzung eines sogenannten Atomwaffenverbots, deren Regelung im Verbotsvertrag aus ihrer Sicht hinter die geltenden Verifikationsstandards der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und der NVV-Vertragsstaaten zurückfällt. Darüber hinaus sieht der Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen den Beitritt zum CTCB und dessen Ratifizierung nicht als Voraussetzung für einen Beitritt vor. Nukleare Abrüstung und das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen können und dürfen zudem nicht losgelöst von der sicherheitspolitischen Realität sowie den bündnispolitischen Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen der NATO, zu denen die Bundesregierung uneingeschränkt steht, betrachtet werden. Es wird darüber hinaus auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 8. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung wann ergreifen, um den vom Deutschen Bundestag einmütig gefassten Beschluss zum Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland umzusetzen? Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode ist vereinbart, dass Deutschland , solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, ein Interesse daran hat, an den strategi- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1779 schen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass die von der US-Regierung angestrebte Modernisierung der Atomwaffen vom Typ B61 einer Aufrüstung des US-Nuklearpotentials gleichkommt? Wenn nein, warum nicht? Das US-Lebensdauerverlängerungsprogramm („Life Extension Program“ – LEP) dient dazu, die Sicherheit und Zuverlässigkeit aller von diesem Programm erfassten Nuklearwaffen auch weiterhin auf höchstem Niveau sicherzustellen. Die USA haben in ihrer Atomwaffenstrategie („Nuclear Posture Review“) 2010 festgelegt, dass mit der Lebensdauerverlängerung der B-61 keine neuen Einsatzzwecke oder -fähigkeiten geschaffen werden. Der „Nuclear Posture Review“ 2018 trifft keine darüber hinausgehenden Aussagen. 10. Welche eigenständigen Abrüstungsinitiativen wird die Bundesregierung mit Blick auf das Ziel einer atomwaffenfreien Welt in dieser Legislaturperiode ergreifen? Als Nichtnuklearwaffenstaat setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die Rahmenbedingungen für erfolgreiche, verifizierbare nukleare Abrüstung zu verbessern . Dies verfolgt sie mit Initiativen und Vorschlägen für mehr Transparenz, Risikominimierung und adäquate Verifikationsinstrumente für nukleare Abrüstung als Voraussetzung für weitere Verständigungen über den Abbau der nuklearen Arsenale. Für das Ziel einer tatsächlichen Reduzierung von Nukleararsenalen wäre eine Annäherung zwischen den weltweit größten Atomwaffenstaaten USA und Russland, die 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen in ihren Arsenalen halten , entscheidend. Die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich für den Erhalt der bestehenden Rüstungskontrollvereinbarungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika und für weitere konkrete nukleare Abrüstungsschritte auf der Grundlage eines schrittweisen Ansatzes ein. Gemeinsam mit ihren Partnern in der EU und in der Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative wird die Bundesregierung ihr aktives Engagement in den internationalen Bemühungen um ein Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Waffenzwecke (FMCT) fortsetzen, im Rahmen der „International Partnership for Disarmament Verification“ (IPNDV) an der Entwicklung von Verifikationsinstrumenten für die nukleare Abrüstung mitwirken, für ein baldiges Inkrafttreten des Atomteststoppvertrags (CTBT) eintreten und sein weltweites Teststopp- Überwachungssystem (International Monitoring System) weiter stärken sowie auf eine stärkere Rolle von Negativen Sicherheitsgarantien als wichtigem Element der Vertrauensbildung im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrags und bei der Verhinderung von Proliferation hinwirken. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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